Ausgabe 1/2013


Unfulfilled Promises

An assessment of the Arab Spring, its challenges and prospects

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Josef Janning, Andrea Frontini

Well over a year into the process, the “Arab Spring” still poses a complex puzzle. The Arab Awakening has proved to be a historically unprecedented political season for the Middle East and North Africa (MENA) region, both domestically and globally. Upheavals in early 2011 facilitated crucial democratic transitions in a number of countries, giving voice to long repressed societal demands and political movements. Also, the removal of authoritarian regimes in Tunisia, Egypt and Libya as well as massive revolts in Syria and Yemen altered deeply rooted geopolitical imbalances and injected unprecedented, and still largely unforeseeable dynamism both in the region and beyond. Large parts of the Arab world seem to have been touched by the winds of change; tangible outcome in terms of consolidated new order, however, remains scarce. Old leaders have been washed away, but many of the structural weaknesses and clientele structures prevail for the time being.

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Salafismus – ein deutscher Extremismus

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Behnam Said

Spätestens seit den Ausschreitungen von Solingen und Bonn im Mai 2012 und der Koran-Verteilaktion des Netzwerkes "Die wahre Religion" wird in Deutschland das Phänomen Salafismus ausführlich diskutiert. Am 1. Mai 2012 kam es in Solingen und am 5. Mai 2012 in Bonn zu Ausschreitungen zwischen Salafisten und der Polizei. Auslöser waren jeweils Kundgebungen der rechten Partei "pro-NRW", die Muhammad-Karikaturen in provozierender Absicht öffentlich zur Schau stellten. Zwei Faktoren verhindern dabei einen analytisch scharfen Blick auf diese Strömung innerhalb des sunnitischen Islamismus: Zum einen wird der Salafismus als eine ausländische Bewegung angesehen. Zum anderen wird er von Politik, Medien und Sicherheitsbehörden oft direkt oder indirekt in einen Zusammenhang mit Terrorismus gestellt. Insbesondere die Ereignisse von Solingen und Bonn haben gezeigt, dass es auch im Salafismus einen Bereich zwischen "gewaltfrei" und "terroristisch" gibt. Bislang subsumierten Sicherheitsbehörden unter der Kategorie "dschihadistisch" sowohl Terroristen als auch gewaltorientierte Jugendliche, was analytisch nicht weiter haltbar ist. Dieser Artikel versucht, eine seriöse Einschätzung des deutschen Salafismus vorzunehmen, und politischen Entscheidungsträgern sowie Sicherheitsbehörden Handlungsempfehlungen zu liefern.

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Immigration, Religion und erneute Straffälligkeit bei jugendlichen Straftätern

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Stefan Giebel, Martin Rainer

Der folgende Artikel bietet erstmalig eine Zusammenfassung der Ergebnisse einer Studie aus der Bundesrepublik Deutschland – im vorliegenden Fall der rheinland-pfälzischen Untersuchung der Entlassungsjahrgänge 1996 bis 2000 aus dem Jugendstrafvollzug – hinsichtlich einer möglichen Beziehung zwischen erneuter Straffälligkeit und Religionszugehörigkeit bzw. Immigration, sowie eine entsprechende Interpretation. Es stellt sich heraus, dass gerade die religiöse Bindung und die Verwurzelung in der Kultur des Heimatlandes eine präventive Wirkung auf die generelle Straffälligkeit haben kann, und sich möglicherweise mit zunehmender Assimilation in die aktuellen deutschen Gesellschaftsverhältnisse eine Erhöhung der erneuten Straffälligkeit ergibt. Darüber hinaus zeigt die Studie, dass nicht die Religion oder die Kultur Ursache der Straffälligkeit ist, sondern vielmehr die fehlende soziale Vernetzung und der Mangel an gesellschaftlicher Integration unabhängig von einer ethnischen Zugehörigkeit oder Religion. Zu beachten ist, dass innerhalb dieser ersten länderspezifischen Evaluation nur indirekt auf die Wirkung der Religion und der Kultur geschlossen werden kann. Eine differenzierte Sichtweise auf die jugendlichen Straftäter erfordert zwangsläufig eine mit dieser Untersuchung erst begonnene Auseinandersetzung mit den jeweiligen Religionen und Kulturen der Herkunftsregionen sowie mit den funktionalen Wirkungsweisen von Religion und Kultur in der heutigen Gesellschaft.

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Das Islamgesetz 1912 – eine österreichische Besonderheit

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Richard Potz

Das österreichische Islamgesetz 1912 war eine Reaktion auf die staatsrechtliche Integration Bosniens und Herzegowinas in die Habsburgermonarchie und sollte die Muslime im österreichischen Teil der Monarchie mit den Anhängern der anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften gleichstellen. Die Entstehungsgeschichte dieses Gesetzes, insbesondere die Stellungnahmen zu den Gesetzesentwürfen zeigen eine bemerkenswert offene und aufgeschlossene Haltung der österreichischen Administration gegenüber dem Islam. Heute genießt die Islamische Glaubensgemeinschaft auf Grund des Islamgesetzes die Stellung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und gehört damit in den Kreis von Kirchen und Religionsgesellschaften, der von der Römisch-Katholischen Kirche bis zu kleinen Gemeinschaften wie der Evangelisch-Methodistischen Kirche, insgesamt 14 religiöse Gemeinschaften umfasst. Die öffentlich-rechtliche Stellung enthält das Angebot des Staates zur Kooperation, was aber auch bedeutet, dass die Religionsgemeinschaften bereit sein müssen, die mit der Anerkennung implizit verbundenen Verfassungserwartungen des Staates zu erfüllen. Sie setzt also seitens der betreffenden Religionsgemeinschaft insbesondere voraus, dass sie mit dem gesellschaftlichen Grundkonsens übereinstimmt. Der Staat darf von den Religionsgemeinschaften auch Beiträge zur Bewältigung der in der Gesellschaft aufbrechenden ethischen Probleme erwarten, Beiträge im Bildungs- und Erziehungsbereich, bei der Erfüllung der vielfältigen karitativen Aufgaben und bei der Betreuung von Menschen in spezifischen existenziellen Situationen, wie durch Übernahme der Kranken- und Gefangenenseelsorge. Das Islamgesetz war zweifellos ein Meilenstein in der Geschichte des Islams in Europa, derzeit ist jedoch eine Novellierung des nunmehr 100 Jahre alten Islamgesetzes aus vielen Gründen dringend angesagt.

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Zentrales Personenstandsregister und Zentrales Staatsbürgerschaftsregister

E-Government für Bürger und Behörden im Personenstands- und Staatsbürgerschaftswesen

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Dagmar Hinghofer-Szalkay

Mit 1. April 2013 startet die Aufbauphase für ein Zentrales Personenstandsregister (ZPR) und ein Zentrales Staatsbürgerschaftsregister (ZSR). Am 1. November 2013 wird die lokale Führung von Personenstands- und Staatbürgerschaftsdaten in Personenstandsbüchern und auf Karteikartenbasis endgültig auf eine zentrale Registerführung umgestellt. Die neuen Rechtsgrundlagen werden mit dem Personenstandsgesetz 2013 (PStG 2013) und einer Novelle des Staatsbürgerschaftsgesetzes geschaffen.

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Gewalt gegen Frauen mit Behinderungen in Deutschland

Eine repräsentative Untersuchung im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

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Monika Schröttle

Die Studie "Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland" wurde von 2009 bis 2011 im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) von der Fakultät für Gesundheitswissenschaften und dem Interdisziplinären Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung (IFF) der Universität Bielefeld unter der Leitung von Monika Schröttle und Claudia Hornberg durchgeführt. Kooperationspartner waren die Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Frauen- und Genderforschung e.V. (GSF e.V.), das Sozialwissenschaftliche FrauenForschungsInstitut Freiburg (SOFFI.F), das Institut für Soziales Recht an der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften der Fachhochschule Köln und die SOKO Institut GmbH Sozialforschung und Kommunikation, Bielefeld. Es handelt sich um die erste repräsentative Studie bei Frauen mit Behinderungen, die sowohl in Haushalten als auch in Einrichtungen durchgeführt wurde und die Frauen mit sehr unterschiedlichen Behinderungen einbezog, etwa Frauen mit körperlichen, psychischen und Sinnesbeeinträchtigungen, aber auch Frauen mit Lernschwierigkeiten und so genannten geistigen Behinderungen. Befragt wurden Frauen mit wie auch ohne Behindertenausweis. Die Studie umfasst Interviews mit insgesamt 1.561 Frauen im Alter von 16 bis 65 Jahren, die starke, dauerhafte Beeinträchtigungen und Behinderungen haben. Im Fokus der Studie standen körperliche, sexuelle und psychische Gewalterfahrungen, aber auch Erfahrungen mit personaler und struktureller Diskriminierung im Lebensverlauf. Darüber hinaus wurden Fragen zur beruflichen und Wohn- und familiären Situation, aber auch zu Art und Umfang von Behinderungen, Einschränkungen und Unterstützungsbedarf einbezogen.

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Die DDR-Spionage in Österreich

Technologiediebstahl in Österreich – ein Phänomen des Kalten Krieges oder aktueller denn je ?

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Walter Blasi

Firmengeheimnisse auszuspähen bzw. Technologiediebstahl fällt sicherlich nicht in die Kategorie "Kavaliersdelikt". Den heimischen Firmen entstand dadurch enormer Schaden – ganz zu schweigen von den noch jahrelang später spürbaren Folgen für die Unternehmen, wie dramatische Umsatzeinbußen oder im Extremfall der wirtschaftliche Ruin mit einer daraus resultierenden Arbeitslosigkeit unzähliger Mitarbeiter in oft wirtschaftlich schwachen Regionen. Während des Kalten Krieges und der Teilung der "Welt" in zwei Blöcke war man sich des Ausspionierens von militärischen, wirtschaftlichen und technischen Informationen durch die Gegenseite durchaus bewusst und setzte entsprechende Maßnahmen. Auf Grund der guten Quellenlage – der Untergang eines Staates oder politischen Systems kann sich für den Historiker als Glücksfall erweisen, was die Fülle an Unterlagen angeht – wird am Beispiel des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der ehemaligen DDR die Technologiebeschaffung durch seine Agenten in Österreich dargestellt. Mit dem wirtschaftlichen Zusammenbruch des Ostblocks ging man davon aus, dass die Welt nun eine friedliche(re) sein werde, und der Wegfall weltpolitischer Widersprüche ließ den Politikwissenschaftler Francis Fukuyama gar "das Ende der Geschichte" verkünden. Doch bald sollte sich für die unterbeschäftigten Nachrichtendienste in Ost und West ein neues altes Betätigungsfeld finden, nämlich die Wirtschafts- und Industriespionage in ungeahntem Ausmaß.

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Polizei.Kultur.Gewalt.

Die Bedeutung von Organisationskultur für den Gewaltdiskurs und die Menschenrechtsfrage in der Polizei

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Rafael Behr

Polizeikultur und Polizistenkultur (cop culture) beantworten die Frage nach den Ermächtigungen, Rahmungen und Begrenzungen für die Anwendung polizeilicher Zwangsmittel (vulgo: Gewalt) aus unterschiedlichen Perspektiven und mit unterschiedlichen Interessen. Zunächst erläutere ich das Konzept Polizei- und Polizistenkultur. Polizeikultur kann als das die demokratisch legitimierte Polizei konstituierende Organisationsmerkmal gelten, das sich als "top-down"-Modell besonders mit den Grenzen polizeilicher Macht beschäftigt. Polizistenkultur nimmt sich dagegen der konkreten Vollzüge des Gewaltmonopols in dessen Alltagspraxis an. Man kann sagen, Polizistenkultur ist in das Innere der Organisation gerichtet, Polizeikultur nach außen. Beide stehen in einem symbiotischen und arbeitsteiligen Verhältnis zueinander und beide ermöglichen erst den Vollzug der eigentlich "paradoxen" Aufgabe der Polizei, nämlich den gesellschaftlichen Frieden und den Schutz von Menschenrechten notfalls mit Gewalt durchzusetzen bzw. wiederherzustellen. Die Gewalt scheint der Polizei heute aber zum Problem geworden zu sein. In den so genannten "Leitbildern" der Polizeikultur kommt das Wort "Gewalt" nicht mehr vor, im Alltag der Polizisten aber sehr wohl. Hieraus ergibt sich das "Arbeitsbündnis" zwischen einer kundenorientierten "Bürgerpolizei" auf der Ebene von Polizeikultur und autoritätseinfordernden Polizisten auf der Ebene von cop culture. Flankiert wird diese Arbeitsteilung durch den derzeitigen Gewaltdiskurs der Polizei, der sich ausschließlich auf das Themenfeld "Polizisten als Opfer von Gewalt" konzentriert und dabei ausblendet, dass Gewalt ein Interaktionsverhältnis ist, in dem Polizisten nicht nur die Opferrolle einnehmen. Ich plädiere dafür, die "Gewalt von und an der Polizei" in das Zentrum der Debatte zu bringen, damit mit ihr dort reflexiv und nicht ideologisch umgegangen werden kann.

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