Ausgabe 2/2014


Die Rolle von „Waffen“ beim Banküberfall

Ein Beitrag zur Analyse devianter Handlungssituationen

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Christopher Schlembach

Überfälle auf Geldinstitute und Geschäftslokale stellen Delikte an der Grenze von Gewalt- und Eigentumskriminalität dar. Aus der Perspektive der soziologischen Handlungstheorie lassen sich solche Straftaten als deviante Interaktionssysteme betrachten, die in face-to-face Situationen stattfinden und über Situationsrollen vermittelt werden. Ausgehend von drei wichtigen handlungstheoretischen Ansätzen, der Systemtheorie von Talcott Parsons (Parsons 1951), der Analyse räumlicher Situationsstrukturen von Erving Goffman (Goffman 1971) und des Konzepts der Situationsrolle von Uta Gerhardt (Gerhardt 1971), wird ein zentrales Element derartiger Überfälle analysiert: der Gebrauch von Waffen. "Waffen" meinen Gegenstände, die Gewaltbereitschaft und die Fähigkeit, Gewalt auszuüben, symbolisieren. In Situationen, die von der Normalität abweichen und in der die Darstellung von Absichten und deren tatsächliche Ausführung auch nicht übereinstimmen müssen, können Waffen daher auch die Funktion der Vortäuschung von Gewaltbereitschaft und Gewaltfähigkeit symbolisieren. In einer detaillierten Re-Analyse von empirischem Material (41 qualitative Interviews mit Bankräubern über die Ausführung der Straftat und die Objektwahl), das in einer Studie über Bankraub im Jahr 2008 erhoben wurde, können drei Funktionen von Waffen herausgearbeitet werden: (1) sie eröffnen Tätern den Zugang zu situativen Rollen, in einem devianten Handlungssystem, das sie selbst erst konstituieren müssen, (2) sie erlauben die Kontrolle über eine räumliche Situation (die Umwelt im Sinne Goffmans) und (3) sie helfen bei der Bewältigung von Stress, der durch die Unsicherheit entsteht, in der der Täter nicht weiß, ob das Opfer auch den Anordnungen folgt.

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Wahre und falsche Geständnisse in Vernehmungen

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Ottmar Kroll

Rund achtzig Prozent der Arbeit des Kriminalisten bestehen in der Durchführung von Vernehmungen und beinhalten somit auch als Ziel ein Geständnis zu erlangen. Doch sind diese Geständnisse auch wahr oder etwa unbewusst bzw. bewusst unwahr? Ausgehend von dieser These unter Bezugnahme auf vorliegende Studien untersucht die Arbeit, inwieweit sich Hinweise auf das Vorhandensein und die Häufigkeit von falschen Geständnissen in Deutschland ergeben. Hierzu wurden bei einer Kriminalpolizeidienststelle in Baden-Württemberg nahezu 800 Vernehmungsprotokolle ausgewertet. Im Ergebnis zeigten sich keine konkreten Hinweise auf das Vorliegen falscher Geständnisse. Allerdings konnten interessante Korrelationen zwischen Alter, Geschlecht, Deliktsbereich, Haft und einer Geständnisbereitschaft festgestellt werden. Neben diesen Faktoren sind ferner die Ursachen von falschen Geständnissen anhand mehrerer Realfälle dargestellt. Einflussfaktoren auf die Gesprächs- und Geständnisbereitschaft im Kommunikationsprozess einer Vernehmung runden die Arbeit ab.

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Die Polizei als eine große Familie?

Folgen einer veränderten Führungsstruktur für die Teamzugehörigkeit am Beispiel der Polizei Brandenburg

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Mario Gruschinske, Stefanie Giljohann

In diesem Artikel werden die Strukturen des Wach- und Wechseldienstes der Brandenburgischen Polizei beschrieben, die sich im Anschluss an die jüngste Strukturreform und an die Neugestaltung des Arbeitszeitmodells seit 2011 herausgebildet haben. In einem Teilprojekt des von der Europäischen Union geförderten FP7-Projektes COMPOSITE (COMparative POlice Studies In The European Union) wurden unter anderem leitfadengestützte Interviews mit 29 Polizeibeamten auf allen Hierachieebenen geführt, um zu ergründen, inwieweit die Neuerungen verändernd auf die formellen und informellen Bezugsgruppen der operativ tätigen Polizeibeamten und ihrer Führung wirken, wie Teamzugehörigkeit von den Beamten selbst gesehen wird und welche Konsequenzen sich aus den veränderten Teamkonstellationen und der Wahrnehmung von Teamzugehörigkeit für die alltägliche Polizeiarbeit und für das "Commitment" zur Organisation Polizei ergeben können. Die Ergebnisse bestätigen die bekannte Wichtigkeit des Teams für den Polizeiberuf und es konnte festgestellt werden, dass aus Sicht der Befragten die Aufgaben polizeilichen Handelns von der veränderten Struktur unberührt bleiben. Jedoch konnte einerseits eine hoch komplexe Personal- und Führungsstrukturlandschaft im Wach- und Wechseldienst der Polizei Brandenburg identifiziert werden, die für die Beamten selbst oft unüberschaubar ist und andererseits ließen sich sechs Teamformen identifizieren, die sich hinsichtlich ihrer Struktur- und Kulturmerkmale und hinsichtlich ihres Vorkommens stark voneinander unterscheiden. Dabei hebt sich die Dienstgruppe als tradierte Teamform in der Polizei mit einer eindeutigen und als überwiegend positiv wahrgenommenen Struktur und Kultur deutlich von den anderen identifizierten Teams ab. Demnach lässt die Studie den vorsichtigen Schluss zu, dass die Dienstgruppe sich förderlich auf das organisationale Commitment eines Beamten auswirkt, während der Einfluss der anderen Teamformen als marginal betrachtet werden kann.

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Die Grundversorgung in Österreich

10 Jahre Grundversorgungsvereinbarung

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Gernot Maier

Mit 1. Mai 2004 trat die Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art 15a Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) über die gemeinsamen Maßnahmen zur vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde, kurz die Grundversorgungsvereinbarung (GVV), in Kraft. Der vorliegende Beitrag stellt das auf der
Grundlage der GVV aufgebaute System der Grundversorgung in Österreich unter Einbeziehung der aktuell geltenden Richtlinie 2003/9/EG zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylwerbern in den Mitgliedstaaten, kurz AufnahmeRL, dar. Das Österreichische Grundversorgungssystem zeichnet sich durch eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern aus, deren Grundzüge in der Grundversorgungsvereinbarung, welche gemäß Art 15a B-VG abgeschlossen worden ist, niedergeschrieben sind. Diese sehr erfolgreiche Zusammenarbeit wird im Kern durch den mit der GVV eingerichteten Bund-Länder Koordinationsrat sichergestellt, der im Wesentlichen für eine möglichst einheitliche Auslegung der GVV verantwortlich zeichnet und so die Vereinheitlichung der Grundversorgung vorantreibt. Die Grundversorgung kann grob in die Unterbringung, Verpflegung, medizinische Betreuung, Information, Beratung, soziale Betreuung sowie Personentransporte untergliedert werden. Darüber hinaus sind aber auch Bekleidungsbeihilfen, Ausrüstung mit dem notwendigen Schulbedarf, Taschengeld sowie die Beratung rund um eine uU angestrebte freiwillige Rückkehr zu nennen. Die am 26. Juni 2013 erlassene und mit 20. Juli 2015 umzusetzende neue Aufnahmerichtlinie RL 2013/33/EU wird jedenfalls auf einfachgesetzlicher Ebene Anpassungen erforderlich machen, die womöglich in weiterer Folge auch Änderungen bei der Grundversorgungsvereinbarung selbst bewirken könnten.

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Toxikologische Haaranalyse

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Hans Sachs

Das deutsche Rechtssystem bietet den dazu verurteilten Tätern zur Kontrolle der Abstinenz von Drogen bzw. Alkohol (Bewährungsauflage) sowohl regelmäßige Harnuntersuchungen als auch die Untersuchung des in der Abstinenzphase gewachsenen Haares an. Abgesehen davon, treten bei Ermittlungen vielfach Fragen auf, die den Konsum von Drogen/Alkohol in der Vorgeschichte eines Falls betreffen – z.B. ob ein Verdächtiger zu einem zurückliegenden Zeitpunkt unter Betäubungsmitteleinfluss gestanden ist. Ebenso kann es für Ermittlungen wesentlich sein, welche Substanzen bzw. welche Kombination von Substanzen in einem bestimmten Zeitraum konsumiert wurde. Solche Informationen sind nach einer bestimmten Zeit nicht mehr aus Harn oder Blutproben zu gewinnen, da die Substanzen im Körper umgewandelt und die Stoffwechselprodukte ausgeschieden werden. Das Haar nimmt dagegen während des Wachstums Substanzen auf und speichert diese für einen längeren Zeitraum. Spezielle chemisch-analytische Methoden (massenspektrometrische Verfahren) können die sehr kleinen Mengen von Alkohol/Betäubungsmitteln bzw. deren Abbauprodukte in Haarabschnitten nachweisen und ermöglichen dadurch – entsprechend der Wachstumsgeschwindigkeit der Haare – ein zurückliegendes Konsumverhalten abzuleiten. Details der Anwendungen, Methoden und der heutigen Grenzen werden im Artikel dargestellt.

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Sicherheit als offene Querschnittsaufgabe

Die deutsche Perspektive unter Berücksichtigung von Sicherheitsmärkten

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Rolf Stober

Weder die EU noch die Bundesrepublik Deutschland besitzt ein Sicherheitsmonopol. Vielmehr ist die Produktion von Sicherheit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und eine Querschnittsaufgabe. Die offene Sicherheitsverfassung gestattet auch Sicherheitsmärkte, die sich in verschiedenen Sicherheitsbranchen entfalten. Hinzu tritt die privatrechtlich
organisierte Unternehmenssicherheit, die ebenfalls mit sicherheitsaffinen Stellen der öffentlichen Hand kooperiert. Entscheidend ist die politische Bereitschaft zu einer Zusammenarbeit mit privaten Sicherheitsdienstleistern und den Abteilungen der Unternehmenssicherheit, die nur dann funktioniert, wenn die Beteiligung Privater hohen qualitativen Ansprüchen im Interesse einer Optimierung der Sicherheit genügt. Dazu ist es erforderlich, dass die Zuständigkeit bei den Innenministerien liegt.

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Risikomanagement bei „Law Enforcement Agencies“

Betrachtung bereits bestehender Modelle und Empfehlungen für die Umsetzung eines generellen Risikomanagements

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Peter Waldbauer-Hable

Im nachfolgenden Artikel wird die Anwendbarkeit von Risikomanagement bei "Law Enforcement Agencies" behandelt. Als Basis dienen dafür Betrachtungen des Risikomanagements aus wirtschaftlicher Sicht und Erkenntnisse, die im Zusammenhang mit der Erstellung einer Masterarbeit gewonnen wurden. Insbesondere wurden Grenzpolizeien aus verschiedenen, europäischen Staaten und die Organisationen Europol und FRONTEX einer Betrachtung unterzogen. Dabei wurde festgestellt, dass spezielles Risikomanagement, bezogen auf das Risiko Kriminalität bereits umgesetzt wird. Auf Grund dieser Erkenntnisse werden Empfehlungen ausgesprochen, die als Basis für ein
standardisiertes, generelles Risikomanagement dienen können. Absicht ist es, Anregungen für die Einführung eines vereinheitlichten und vereinfachten, generellen Risikomanagements bei Law Enforcement Agencies zu geben, dessen Fokus nicht nur auf ein Risikofeld gerichtet ist, sondern die gesamte Organisation betrachtet. Die dazu
gemachten Vorschläge reichen von der Erarbeitung einheitlicher Definitionen bezüglich der im Risikomanagement verwendeten Begriffe, der Entwicklung einer "Risk-Management-Policy" in Form eines Risiko-Management-Handbuches, bis hin zur Beschreibung eines Hauptrisikokataloges. Des Weiteren werden im Artikel Vergleiche zu anderen, polizeilichen Anwendungen gezogen und Problemfelder angesprochen, die sich bei der Umsetzung ergeben können. Mit der Anwendung eines generellen Risikomanagements soll es möglich gemacht werden, die erzielten Ergebnisse innerhalb einzelner Organisationen vergleichbar zu machen. Im europäischen Kontext betrachtet, könnte dies zu effektiveren und effizienteren Organisationen im Bereich Law Enforcement führen.

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Die Anfänge der geheimen Polizei in Österreich

Teil 1

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Friedrich Wilhelm Schembor

Die geheime Polizei in Österreich geht auf die Gründung der Polizei im heutigen Sinn unter Maria Theresia und Kaiser Joseph II. zurück. Die Aufgaben der öffentlichen Polizei wurden in einer Amtsinstruktion, jene der geheimen Polizei in einer Geheimen Instruktion beschrieben. Beide Instruktionen zielten vor allem darauf ab, dem Polizeibeamten vor Augen zu führen, dass ihm in der Bevölkerung nur sein eigenes tadelloses Leben den nötigen Respekt verschaffen werde, der notwendig sei, um erfolgreich tätig sein zu können. Die in der geheimen Polizei tätigen Vertrauten (Konfidenten) hatten kriminalpolizeiliche Tätigkeiten auszuüben, die Stimmung in der Bevölkerung zu beobachten, darüber zu berichten und gegebenenfalls auch auf das Volk einzuwirken. Eine besondere Bedeutung kam der Überwachung der Ausländer zu, die als gefährlich, politisch problematisch oder auch nur politisch interessant erschienen. Auch politisch nicht unbedingt zuverlässige polnische und ungarische Adelige wurden verstärkt überwacht. Die Kreisämter und Provinzialregierungen waren mit Personen im benachbarten Ausland vernetzt, die als korrespondierende Vertraute laufend über die dortigen neuesten Entwicklungen berichteten. Allen Vertrauten gemein war, dass sie, obwohl sie wichtige Polizeiaufgaben erledigten, in keinem festen Dienstverhältnis standen, sondern vielfach nach Erfolg und Zeitaufwand honoriert wurden und manche sogar unbezahlt ihrer Tätigkeit nachgingen. Da sich der Hochadel und viele regierende Häupter jährlich in den Kurbädern von Böhmen und in Baden bei Wien trafen, waren dort eigene Inspektionskommissäre aufgestellt, die die hohen Gäste betreuten, aber auch beobachteten und aushorchten. Streng geheim waren auch das geheime Öffnen und die Anfertigung von Abschriften der der Post zur Beförderung übergebenen Briefe. Diese Arbeit verrichteten besonders ausgebildete und einem besonderen Eid unterworfene Postamtskontrollore, die in den bedeutendsten Städten der Monarchie sowie in Karlsbad, das als jährlicher Treffpunkt des europäischen Hochadels interessant war, wirkten. Einbrüche in Wohnungen und Häuser, um zu interessanten Schriftstücken zu kommen, zählten zu den "heiligsten Polizeigeheimnissen" überhaupt. Anhand des Arbeitslebens zweier Vertrauter werden die wichtigsten Aufgabenbereiche der geheimen Polizei anschaulich gemacht.

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