Ausgabe 2/2017


Die Wut der Polizisten

Die Police Nationale zwischen Heroisierung und Hass durch die französische Bevölkerung

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Stefanie Tränkle, Dirk Herzbach

Seit Wochen demonstrieren tausende Beamtinnen und Beamten der französischen Police Nationale auf der Straße. Der Beitrag fragt danach, woher die Wut der Sicherheitskräfte kommt und bettet die aktuellen Ereignisse in eine Analyse des Verhältnisses zwischen Bürgerschaft und Staatsmacht ein. Polizeiarbeit in Frankreich ist derzeit ein auf Dauer gestellter Ausnahmezustand, der unter anderem im Zuge der Terrorabwehr eine extreme Beanspruchung der personellen Ressourcen bedeutet. Belastet wird diese Arbeit zusätzlich durch ein ambivalentes Verhältnis zwischen Police Nationale und Bevölkerung; die Sicherheitskräfte erleben Heroisierung ebenso wie Hass, der sich in wechselseitiger Gewalt äußert. Es wird skizziert, warum eine Annäherung zwischen Bevölkerung und Polizei auf Grund politischer und gesellschaftlicher Umstände einerseits und interner Strukturen andererseits über kurzzeitige Solidarisierungseffekte nach Attentaten hinaus kaum in Sicht scheint.

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Die Gretchenfrage oder „Wie hast Du’s mit der Korruption?“

Ergebnisse der BAK-Studie „Einstellungen zu Korruption in Österreich“

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Ruth Linssen, Angelika Schäffer, Frank Heber

Die Arbeit und Wirkung der Polizei ist maßgeblich vom Vertrauen der Bevölkerung abhängig. Korruption könnte dieses Vertrauen nachhaltig erschüttern. So war es nur folgerichtig, dass das Österreichische Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) in Kooperation mit der Hochschule Hannover und der Fachhochschule Münster die Studie "Einstellungen zu Korruption in Österreich" initiierte, in der die Einstellungen von Polizeibeamtinnen und -beamten und anderen Bevölkerungsgruppen zu Korruption gemessen wurden. Ziel der Studie ist es, Erkenntnisse zu Korruptionsrisiken zu gewinnen, um passgenauere Präventionskonzepte zu entwickeln und umzusetzen. In der Studie "Einstellungen zu Korruption in Österreich" hat das BAK insgesamt 1.687 Personen zu ihren Einstellungen zu Korruption befragt, davon etwa zur einen Hälfte Polizeischülerinnen und -schüler der Österreichischen Bundespolizei und zur anderen Hälfte Studentinnen und Studenten der Universitäten Wien und Innsbruck der Fächer Rechtswissenschaften und Psychologie. Als Erhebungsinstrument diente die Hannoversche Korruptionsskala (HKS 38), ein Fragebogen, der Einstellungen zu Korruption misst und bei Gruppenmessungen Rückschlüsse auf die Korruptionsanfälligkeit dieser Gruppen erlaubt. Der Fragebogen unterscheidet bei den Einstellungen zu Korruption drei Bereiche (konativ, affektiv und kognitiv). Im Ergebnis zeigt sich, dass die Befragten der Polizei zwar insgesamt weniger korruptionsanfällig sind als die Vergleichsgruppen, die differenzierte Analyse der drei Bereiche eröffnet jedoch darüber hinaus interessante Ansatzpunkte für neue, zielgerichtete und evidenzbasierte Präventionskonzepte, die die Polizeiarbeit nachhaltig unterstützen können.

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Die Erprobung von Bodycams bei der Polizei.

Unterschiede in den Vereinigten Staaten, Österreich und Deutschland

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Lena Lehmann

Die Bodycam ist im polizeilichen Bereich ein kontrovers diskutiertes Einsatzmittel, welches rund um den Globus zum Einsatz kommt. So wurden in den USA bereits 2009 Körperkameras eingesetzt. Deutschland und Österreich folgten wesentlich später mit eigenen Pilotprojekten. Die Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede, die zu einer Implementierung der Bodycams geführt haben, zeigen auf, welche Erwartungen gleichzeitig an diese Form von Einsatzmittel geknüpft werden. Unabhängige wissenschaftliche Studien zur Wirksamkeit der Körperkameras sind vorwiegend in den USA zu finden. So skizziert der folgende Beitrag die Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei der Implementierung von Bodycams bei den Polizeidienststellen in den Vereinigten Staaten, Österreich und Deutschland. Dabei wird die Bedeutung der Körperkamera in Bezug zur Machtausübung im Sinne von Foucault (Foucault 1977) eingeordnet und einem Panoptismus zugeschrieben. Diese soziologische Einordnung dient gleichzeitig auch dazu, die polizeiliche Legitimationsgrundlage zu verdeutlichen.

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Der Weg in ein besseres Leben?

Menschenhandel in Österreich – ein bilaterales Forschungsprojekt

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Edith Huber, Silke Birgitta Gahleitner, Katharina Gerlich, Heidemarie Hinterwallner, Walter Hötzendorfer

Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung ist ein weltweit verbreitetes Verbrechen. Viele Betroffene sehen für sich – trotz nationaler wie internationaler Maßnahmen – wenige Ausstiegschancen. Es stellt sich also die Frage, wie Unterstützungssysteme dem Bedarf der betroffenen Frauen noch besser gerecht werden können. Das deutsch-österreichische Forschungsprojekt "Prävention und Intervention bei Menschenhandel zum Zweck sexueller Ausbeutung (PRIMSA)" hat sich einer aktuellen Bestandsaufnahme gewidmet, um daraus ein multidisziplinäres Präventions- und Interventionskonzept zu entwickeln. Das Projekt wird auf deutscher Seite durch das Förderprogramm "Forschung für die zivile Sicherheit II" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert sowie auf österreichischer Seite im Sicherheitsforschung-Förderprogramm KIRAS vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) finanziert. Der Artikel gibt einen Einblick in zwei Forschungsstränge des Projekts, eine Aktenanalyse der in Österreich vorliegenden Gerichtsakten zum Thema sowie Ergebnisse aus 30 Interviews mit betroffenen Frauen. Aus den Ergebnissen lassen sich sowohl inhaltliche als auch forschungsmethodologische Schlüsse ziehen. Forschungsmethodologisch wird deutlich, dass verschiedene Herangehensweisen sehr unterschiedliche Ergebnisse ermöglichen und sich eher interdisziplinäre und übergreifende Projekte für die Erforschung dieser Thematik eignen. Inhaltlich wird deutlich, wie sehr die Akutintervention im Bereich des Frauenhandels von einer angemessenen Trauma- und Beziehungskompetenz der eingesetzten Fachkräfte abhängt. Die beiden Ergebnisse werden mit dem aktuellen Stand der Literatur in Beziehung gesetzt.

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Leaks

Gewollte Indiskretionen als zeitgemäßer Wissensgenerator?

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Nick Henricks

"Aus den Augen, aus dem Sinn?" Massenhafter Geheimnisverrat oder lediglich reguläre Veröffentlichung von Informationen? Das Phänomen "Leaks" spaltet die Gemüter. Die zunehmende Anonymisierung von Veröffentlichungsplattformen und moderne Entwicklungen ließen die Erscheinung in den letzten Jahrzehnten massiv in den Vordergrund treten, nun scheint sie aber an Brisanz zu verlieren. Jedoch bleibt die Frage, inwieweit das Gesamtphänomen als zeitgemäßer Wissensgenerator interpretiert werden kann. Der Ankauf von CDs mit vermeintlichen Steuersündern durch die deutsche Bundesregierung sorgte für eine leichte Entrückung von der rein negativ besetzten Wahrnehmung der Leaks. Hierbei kristallisierte sich allerdings der instrumentelle Charakter deutlich heraus. David Pozen, Professor für Staatsrecht und Sicherheitsrecht an der renommierten Columbia Law School in New York, meint zur Handhabung des Phänomens Leaks in den Vereinigten Staaten von Amerika lediglich: "plants need to be watered by leaks". Aber nicht nur die politische Dimension spielt eine Rolle. Gerade für die Kriminalpolizei kann ein absichtlich online platzierter Leak, wie etwa bei der Ankündigung von schweren Gewalttaten an Schulen, ein erster Ermittlungsschritt sein. In Zukunft wird insbesondere das Verhältnis von den Indiskretionen zu den klassischen Medien von stetigen Entwicklungsprozessen und Interdependenzen geprägt sein. Dies ist nicht nur auf die zunehmende Digitalisierung der altbewährten Medienform zurückzuführen, sondern hängt auch stark davon ab, inwieweit es sich bei den Leaks um eine neue Wissensgenerierung oder doch nur um eine Umstrukturierung bereits vorhandenen Wissens handelt. Die aktuellen Leaks werden sicherlich nicht die letzten Wissensveröffentlichungen auf internationaler Ebene gewesen sein.

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Die aktuelle Gefahr von Salafismus und Jihadismus für Europa

Das Vereinsverbot von „Die wahre Religion“ und der Hintergrund der aktuellen Flüchtlingssituation in Deutschland

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Stefan Goertz

Die islamistisch-terroristischen Anschläge seit 2015 in Frankreich, Belgien, Dänemark, Deutschland, Schweden und England und die durch Zugriffe der deutschen GSG 9 in Flüchtlingseinrichtungen im Herbst 2016 verhinderten Anschläge sowie die vereitelten Anschläge auf Berliner Flughäfen durch die Festnahme des Syrers Jabr Al Bakr am 10.10.2016 in Leipzig zeigen, dass der islamistische Terrorismus, sowohl der islamistische homegrown-Terrorismus als auch der internationale islamistische Terrorismus – ideologisch basierend auf Islamismus und Salafismus – auch in der europäischen Gesellschaft einen fruchtbaren Nährboden gefunden hat. Dabei geht die aktuelle Gefahr von Salafismus und Jihadismus für das demokratische, westliche, liberale Europa von verschiedenen Akteuren aus. Zum einen von in Europa aufgewachsenen Islamisten, insbesondere Salafisten, wovon seit 2014 über 5.000 Bürger der Europäischen Union als "Foreign Fighter" (internationale, hier: europäische Jihadisten) für den sog. Islamischen Staat in Syrien und im Irak kämpfen. Das hier analysierte aktuelle Verbot der deutschen salafistischen Organisation "Die wahre Religion" (DWR) – seit Jahren aufgefallen durchöffentlichkeitswirksame Koran-Verteilaktionen in Fußgängerzonen und an öffentlichenPlätzen in Europa, insbesondere in Deutschland – durch das deutsche Bundesministeriumdes Innern, verdeutlicht die Bedeutung des salafistischen Milieus und des salafistischenPersonenspektrums für die innere Sicherheit Europas. Das salafistische Milieu istder Durchlauferhitzer für Radikalisierung im Bereich Islamismus, für eine schrittweise Indoktrinierung bis hin zur Anwendung von Gewalt, auch in Form von Terrorismus. Die islamistisch-terroristischen Anschläge und Attentate zeigen, dass Salafismus undislamistischer Terrorismus auch mit der aktuellen Flüchtlingssituation der Jahre 2015 und 2016 interagieren.

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„Gute“ und „schlechte“ DNA-Spuren

Ein Überblick zum aktuellen Stand der forensischen Molekularbiologie

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Christina Stein, Christian Gausterer

Die Einführung des genetischen "Fingerabdrucks" ist eine Erfolgsgeschichte und die wohl größte Revolution in der Kriminaltechnik der letzten Jahrzehnte. Heute liefert die forensische DNA-Analyse Sachbeweise zur Belastung oder Entlastung tatverdächtiger Personen sowie Daten für die Identifikation der Opfer von Verbrechen und Katastrophen. Mit den Erfolgen steigen aber auch die Erwartungen. Folglich werden neben den klassischen Blut- und Sekretspuren zunehmend auch schwierige Probenarten routinemäßig untersucht, die wegen mangelnder Erfolgsaussichten (geringe DNA-Menge und -Qualität) bis vor kurzem noch kaum in Betracht gekommen wären. Weil man hier aber häufiger an Grenzen des Machbaren stößt, ergeben sich immer wieder neue Herausforderungen. Im vorliegenden Artikel beschäftigen wir uns mit diesen besonderen Herausforderungen der forensischen Molekularbiologie und gehen u.a. der Frage nach, was "gute" von "schlechten" DNA-Spuren unterscheidet.

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Die neue Nationalgarde Russlands

„Prätorianergarde“ oder Einheit zur Terrorbekämpfung?

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Martin Malek

Die in Russland in Aufstellung begriffene Nationalgarde hat mit den gleich bezeichneten Einrichtungen in verschiedenen anderen Ländern (USA usw.) in jeder Hinsicht – Ursprung, Kompetenzen, Praxis usw. – wenig gemein. Der vorliegende Beitrag setzt sich zum Ziel, die rechtlichen und politischen Ausgangsbedingungen und Begleiterscheinungen für die Schaffung der russländischen Nationalgarde zu beleuchten. (Der Begriff "russländisch" mag gewöhnungsbedürftig sein, ist aber völlig korrekt, bezieht er sich doch auf den Gesamtstaat. Der Begriff "russisch" ist dagegen enger gefasst und bezieht sich lediglich auf die Russen als ethnische Gruppe.) Aber was sind nun die offiziellen und plausibel zu vermutenden inoffiziellen Gründe für die Schaffung eines solchen (weiteren) "bewaffneten Arms" des Kremls gerade zum fraglichen Zeitpunkt? Mit welchem Personal und welcher Ausrüstung ist zumindest zu Beginn zu rechnen? Und wer ist der Kommandant der Nationalgarde, Viktor Solotow?

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