Ausgabe 3/2010


Periodischer Sicherheitsbericht der deutschen Bundesregierung

Der Beitrag des Statistischen Bundesamtes

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Stefan Brings

Der vorliegende Aufsatz beschreibt die Konzeption des Periodischen Sicherheitsberichts in Deutschland sowie den Beitrag, den das Statistische Bundesamt zum Bericht geleistet hat. Das Statistische Bundesamt war neben dem Bundeskriminalamt (BKA) für die meisten Daten verantwortlich, die im Bericht präsentiert und analysiert wurden. Daher wurden beide Behörden auch als Mitglieder in das Gremium berufen, das mit der Abfassung des Berichts beauftragt war. Während aber das Bundeskriminalamt regelmäßig aktiv Analysen seiner Zahlen auch für Regierungsberichte erstellt, hält sich das Statistische Bundesamt wegen der gesetzlich gebotenen Neutralität der amtlichen Statistik in der Regel bei der Interpretation seiner Daten zumindest in Bezug auf die Tagespolitik zurück. Die Mitarbeit an einem Regierungsbericht bedeutete daher für das Statistische Bundesamt Neuland und begründete ein Spannungsverhältnis mit seinem Ruf und Selbstverständnis als unabhängige und neutrale Institution.

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Gibt es "Forensische Wissenschaft"?

Wissenschaftliche Grundlagen kriminalistischer Untersuchungen

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Hans Ditrich

Forensische Arbeit beschäftigt sich in der Regel mit individuellen Straftaten, anders als die Kriminologie, die die Grundlagen kriminellen Verhaltens untersucht. Das Konzept einer "forensischen Wissenschaft" (forensic science) entspricht vielfach nicht den Kriterien für wissenschaftliche Forschung im engeren Sinn. Begreiflicherweise werden forensische Untersuchungen überwiegend mit Methoden durchgeführt, die gut etabliert, standardisiert und möglichst unumstritten sein sollen. Innovation und Kreativität müssen aus Gründen der Vergleichbarkeit und Fairness stark beschränkt werden. Die wissenschaftlichen Grundsätze von Objektivität, Reliabilität und Validität gelten natürlich auch für kriminalistische Untersuchungen. Von großer Bedeutung ist die Gewährleistung eines möglichst hohen Qualitätsstandards – sowohl der Untersuchung selbst als auch der Qualifikation des Untersuchers. Wissenschaftliche Forschung weist inhärente Kontrollmechanismen auf, zum Beispiel das "peer review"-Verfahren. Zusätzlich werden etwaige Fehler durch weiterführende Forschungen fast immer korrigiert. Im forensischen Bereich sind durch Instanzenzug, Obergutachten etc. zwar ebenfalls Korrekturmechanismen vorhanden, wegen der unmittelbaren Bedeutung der Ergebnisse für die Betroffenen kann das Qualifikations- und Qualitätsniveau aber kaum zu hoch angesetzt werden. Der Erkenntnisprozess bei forensischen Untersuchungen wird in der Regel durch konkrete Fragestellungen ausgelöst, wobei die Theoriebildung und das Einfügen in den Kanon des formalen Wissens erst am Schluss erfolgen. Basierend auf praktischen Erfahrungen und Anforderungen gehen wesentliche Innovationen bzw. Weiterentwicklungen bestehender Untersuchungsverfahren oft von Ermittlungsbeamten und nicht von akademischen Forschern aus. Letztere sind allerdings verantwortlich, die Grundsätze wissenschaftlicher Arbeit in die forensische Praxis zu implementieren. Daraus ergibt sich die große Bedeutung der engen Zusammenarbeit zwischen akademischer Forschung und praktischer Umsetzung – also einer „Verwissenschaftlichung“ der forensischen Untersuchungen.

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Ist die Kriminalistik eine Wissenschaft?

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Hinrich De Vries

Die Kriminalistik wird an den juristischen Fakultäten nicht unterrichtet. Für den angehenden Strafjuristen ist die Beweiswürdigung daher eine berufliche Herausforderung, auf die er in seiner Ausbildung nicht vorbereitet wurde. Die Gefahr von Fehlurteilen ist dadurch in Deutschland besonders hoch. Nicht von ungefähr besagt ein Rechtssprichwort, dass ein Gramm Beweis mehr wiegt als ein Kilo Jurisprudenz. Kriminalistik hat das Potenzial für eine Wissenschaft. Als solche wird sie sich aber nur etablieren können, wenn die Sachverhaltserforschung einer kontinuierlichen Fehlerkontrolle unterzogen wird.

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"Besondere" Ermittlungsmaßnahmen der Polizei im Jahr 2009

Eine Analyse der Meldungen an den Rechtsschutzbeauftragten

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Manfred Burgstaller, Farsam Salimi

Dem beim Bundesministerium für Inneres eingerichteten Rechtsschutzbeauftragten obliegt die Kontrolle bestimmter „besonderer“ Ermittlungsmaßnahmen der Sicherheitsbehörden, die auf die Ermittlung personenbezogener Daten gerichtet sind. Diese Ermittlungsmaßnahmen sind dem Rechtsschutzbeauftragten zu melden, wobei das Gesetz verschiedene Intensitätsstufen der Kontrolle vorsieht. Die vorliegende Publikation soll diese verschiedenartige Kontrolltätigkeit des Rechtsschutzbeauftragten anhand der Analyse der an den Rechtsbeauftragten erstatteten Meldungen im Jahr 2009 näher darstellen.

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"Organisierte Kriminalität"

Europäische und amerikanische Perspektiven im historischen Rückblick

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Klaus von Lampe

„Organisierte Kriminalität“ (OK) ist auch nach dem „11. September“ ein wesentlicher Kristallisationspunkt der kriminalpolitischen Debatte geblieben. Aus sozialwissenschaftlicher Sicht ist das Thema in zweifacher Hinsicht interessant. Zum einen geht es um die erstaunliche Karriere dieses schillernden Begriffs. Zum anderen geht es um die Erscheinungen der sozialen Wirklichkeit, auf die sich der Begriff „Organisierte Kriminalität“ bezieht. Es ist wichtig, beide Ebenen – Begriff und Realität – auseinander zu halten und jeweils für sich zu betrachten. Ob überhaupt von „Organisierter Kriminalität“ gesprochen wird und was genau man darunter versteht, ist eine Frage der Sichtweise. Denn „Organisierte Kriminalität“ ist nichts, was sich dem unbefangenen Beobachter ohne weiteres als ein einheitliches Phänomen aufdrängen würde. Vielmehr müssen bestimmte Dinge zunächst einmal auf der gedanklich-sprachlichen Ebene in einen Zusammenhang gebracht werden. Ziel dieses Beitrags soll es sein, anhand der Geschichte des Begriffs „Organisierte Kriminalität“ (beziehungsweise „organized crime“) in den USA und Deutschland die widersprüchliche Beziehung zwischen Begriff und Realität zu veranschaulichen. Deutschland steht dabei stellvertretend für die Rezeption des Begriffs „organized crime“ in Westeuropa, die sich in ähnlicher Weise auch in anderen Ländern, etwa in den Niederlanden und in Österreich, vollzogen hat. Allerdings scheint die Bundesrepublik Deutschland eine gewisse Vorreiterrolle gespielt zu haben (vgl. van Duyne 2004; van Duyne/Vander Beken 2009). Nach der begriffsgeschichtlichen Betrachtung soll in aller Kürze auf die Phänomene eingegangen werden, die in unterschiedlichen Konstellationen mit dem Etikett „Organisierte Kriminalität“ versehen worden sind. Eine Frage, die dabei im Mittelpunkt steht, ist, inwieweit wir es in Westeuropa mit sprichwörtlich „amerikanischen Verhältnissen“ zu tun haben.

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Die Südafrikanische Polizei

Transformation unter einem schlechten Stern?

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Nikolaus Rottenberger

Die südafrikanische Polizei wurde von einem zentralen Ordnungsinstrument des Apartheidsregimes in den letzten 15 Jahren grundlegend in eine moderne Polizeiorganisation transformiert. Dabei wurde insbesondere der tatsächlichen ethnischen Verteilung der südafrikanischen Gesellschaft Rechnung getragen, die Polizei spiegelt diese in ihrer Zusammensetzung wider. Nicht erfüllt haben sich die politischen Vorstellungen von der friedlichen Regenbogennation, wie sie vom südafrikanischen Bischof Desmond Tutu herbeigesehnt wurde. Die Kriminalitätssituation ist bei gleichzeitig hoher Arbeitslosigkeit weiterhin besorgniserregend. Die südafrikanische Polizei erhält Konkurrenz durch private Sicherheitsfirmen und ist darüber hinaus mit weiteren Aufgaben wie der Grenzüberwachung belastet. Die Fußballweltmeisterschaft 2010 bedeutete einen erheblichen zusätzlichen Aufwand, wenn dem auch eine personelle Aufstockung der Polizeikräfte vorausging. Die Konsequenzen daraus müssen in einer angemessenen Strategie und einer Neustrukturierung zugunsten einer höheren Effizienz für die Verbrechensbekämpfung liegen.

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Soziale Rechte als Beitrag zur subjektiven Sicherheit

Die Geschichte der sozialen Grundrechte in Österreich

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Lando Kirchmair

Die Gewährleistung sozialer Rechte hat erhebliche Bedeutung für die Schaffung und die Aufrechterhaltung der sozialen Sicherheit, welche für die Funktionalität eines Gesellschaftssystems von grundlegender Bedeutung ist. Eine rechtlich gestärkte Position der subjektiven Sicherheit kann dazu einen Beitrag leisten. In einer Gesellschaft, die einen sozial abgesicherten Lebensstandard gewährleistet, ist das Risikopotential für ein ihr schadendes Verhalten durch ihre Mitglieder in erheblichem Ausmaß gesenkt. Die Notwendigkeit, soziale Risiken durch eine rechtliche Grundstruktur abzusichern, ist dem Prinzip der sozialen Sicherheit immanent. Vor allem deshalb ist hervorzuheben, dass die Unterstützung von Benachteiligten nicht als Barmherzigkeit, sondern als Recht verstanden werden muss. Soziale Rechte im höchsten Rang der Rechtsordnung, als soziale Grundrechte in der Verfassung, verdeutlichen dies entsprechend. Unter dieser Prämisse wird sich der folgende Beitrag mit der Geschichte der sozialen Grundrechte in Österreich auseinandersetzen. Von der Monarchie bis zur Europäischen Union werden nationale wie internationale Kodifikationen aufgezeigt, aufgrund derer Möglichkeiten bestanden haben, soziale Rechte verfassungsgesetzlich zu verankern. Aktuell sind soziale Grundrechte in der österreichischen Verfassung nicht verankert.

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Selbstmordattentäter – Lebende Bomben

Erkennung und Prävention unter Einbeziehung der Rationalität der Akteure

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Frank D. Stolt

Der Selbstmordterrorismus hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem weltweit wachsenden Phänomen entwickelt – New York, Bagdad, Kabul, Madrid, London, Israel oder Tunesien. Seit Jahren sind Meldungen von Selbstmordanschlägen aus den Medien nicht mehr wegzudenken. Das offenkundig große Erschrecken über die brachiale Gewalt der Täter hat offensichtlich bisher auch die Kriminologen gehindert, nüchtern und distanziert mit dem Phänomen umzugehen. So macht dieses brutale, menschliches Leben zerstörende Verhalten und die kaum nachvollziehbare Gewalt gegen sich selbst die Frage nach einer kriminologischen Erklärung solch rätselhafter Phänomene nur umso dringlicher.

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