Ausgabe 2/2019


Smartphones am Steuer. Blindflug mit Folgen

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Sheila Burger, Monika Pilgerstorfer

Ablenkung zählt heutzutage zu den häufigsten Hauptunfallursachen im Straßenverkehr. Herkömmliche Handys sind schon lange fixer Bestandteil in unserem Alltag, aber auch ein Alltag ohne multifunktionale Smartphones ist für die meisten nicht mehr vorstellbar. Die dadurch vielfältig eröffneten Möglichkeiten der Mobilkommunikation erlauben im Straßenverkehr, neben dem "bloßen" Telefonieren und Schreiben von Textnachrichten, eine Vielzahl an weiteren Anwendungs- sowie auch Ablenkungsmöglichkeiten. Doch gerade beim Autofahren ist Ablenkung besonders gefährlich. Bei 35 % der verunglückten und 34 % der getöteten Pkw-Insassinnen und Pkw-Insassen waren im Jahr 2017 Ablenkung und Unachtsamkeit die vermutliche Hauptunfallursache (Statistik Austria 2017). Die Ergebnisse der vom Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) durchgeführten Studien bestätigen die Gefahr durch Ablenkung insofern, da bei 50 % der Beobachtungen von Autofahrerinnen und Autofahrern Ablenkung beobachtet wurde. Das betrifft vor allem junge Lenkerinnen und Lenker. 50 % von ihnen nehmen während der Fahrt Anrufe entgegen, 38 % sogar ohne Freisprecheinrichtung. Problematisch ist auch, dass weitere Handy- bzw. Smartphone-Nebentätigkeiten, wie Textnachrichten lesen (33 %), schreiben (25 %) oder andere Messenger-Dienste nutzen (25 %), während der Fahrt, insbesondere bei jungen Lenkerinnen und Lenkern, sehr beliebt sind. Es hat sich gezeigt, dass durch Ablenkung mit Handys bzw. Smartphones im Straßenverkehr ein vielfach erhöhtes Unfallrisiko besteht. Auch die Fahrsimulator-Studie des KFV hat gezeigt, dass das Lesen und Tippen an Handys bzw. Smartphones zu deutlich langsameren Reaktionen bei kritischen Ereignissen führt. Das Bewusstsein für die Gefahren von Ablenkung im Straßenverkehr fehlt häufig, wodurch sich in den letzten Jahren ein erhöhtes Gefährdungspotenzial entwickelt hat. Die Hochrechnung einer vorangegangenen Repräsentativbefragung von 1.000 österreichischen Autofahrerinnen und Autofahrern ab 17 Jahren von Marketmind im Auftrag des KFV 2014, mit Fokus auf das Handy bzw. Smartphone am Steuer, ergab, dass in Österreich täglich rund 200.000 Textnachrichten aus dem Auto verschickt werden. Daher ist ein gezieltes Gesamtpaket an Maßnahmen erforderlich.

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Ein Überblick zur Dunkelfeldforschung in Deutschland. Begriff, Methoden und Entwicklung

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Rita Haverkamp

Die polizeilich registrierte Kriminalität beschreibt nur einen Teil der tatsächlich verübten Kriminalität. Um das von Delikt zu Delikt variierende Dunkelfeld zu erhellen, werden in der Kriminologie Hellfelddaten ergänzende Studien zu Viktimisierungserfahrungen und selbstberichteter Delinquenz durchgeführt. Der vorliegende Artikel bezieht sich auf die Dunkelfeldforschung in Deutschland. Näher betrachtet werden die verschiedenen Spektren des Dunkelfelds, die Zielsetzung und damit verbunden die unterschiedlichen methodischen Zugänge sowie die Probleme der Erhebungstechniken im Rahmen der Dunkelfeldforschung. Zentrales Anliegen des Beitrags ist eine überblickshafte Darstellung der Entwicklung und des Erkenntnisgewinns der deutschen Dunkelfeldforschung von den Anfängen in den 1970er Jahren bis heute. Damit verbunden wird auch auf das Problem der Vergleichbarkeit von Dunkelfelddaten mit Daten aus dem Hellfeld und schließlich auf die Perspektiven der Dunkelfeldforschung in Deutschland eingegangen.

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Verwaltungswissenschaften, Öffentliche Sicherheitsverwaltung und Polizei

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Hans-Jürgen Lange

Der Beitrag behandelt den Diskussionsverlauf der zurückliegenden Jahre in der Polizeiwissenschaft und Polizeiforschung. Es geht hierbei um die Kernfrage, inwieweit eine Forschung für, über oder zur Polizei in Gestalt einer eigenständigen Wissenschaftsdisziplin erfolgen kann oder darauf angewiesen ist, im Verbund mit anderen wissenschaftlichen Disziplinen und Theorieansätzen an der Sicherheits- und Polizeithematik zu arbeiten. Die Deutsche Hochschule der Polizei (DHPol), die in Deutschland den höheren Dienst der Polizeien der Länder und des Bundes aus- und fortbildet sowie in der Forschung tätig ist, sieht in der Entwicklung eines integrativen Ansatzes der Verwaltungs-und Polizeiwissenschaft die Möglichkeit, die Forschung zur Öffentlichen Sicherheit und zur Polizei für eine breitere wissenschaftliche Diskussion zu öffnen.

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Die Protokollierung kriminalistischer Spuren als Texte. Objektive Hermeneutik als Methode zur Analyse kriminalistisch relevanter Spuren

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Markus Loichen

Die Aufnahme des Befundes an einem Tatort verfolgt den Zweck, ein objektives, vollständiges und fehlerfreies Bild zu erlangen und für das weitere Verfahren zu dokumentieren (Ackermann et al. 2011, 119). Die Ermittler an einem Tatort sollen diesen Tatbefund mit den ihnen zur Verfügung stehenden besonderen kriminaltechnischen Methoden sichern und den Tatablauf, möglichst schon sofort am Tatort, durch "kriminalistisches Denken" rekonstruieren. Während die Auseinandersetzung mit modernen forensischen Methoden gelebte Praxis und ein fester Bestandteil der polizeilichen Fortbildung zu sein scheint, wird über den Begriff des "kriminalistischen Denkens" innerhalb der Polizei und in der Literatur bisher wenig diskutiert. Es wird im System der Kriminalwissenschaften vorwiegend der Kriminaltaktik, also der Lehre vom richtigen und zweckmäßigen Vorgehen bei der Aufklärung von Straftaten, zugeordnet (Walder 2016, 1). Bereits seit längerem wird vorgeschlagen, den Begriff auf die gesamte Kriminalistik, insbesondere auf die Kriminalstrategie und die Kriminaltechnik zu erweitern (Berthel 2007). In diesem Zusammenhang wird angeregt, kriminalistisches Denken als einen auf Problembewältigung gerichteten Prozess der geistigen Verarbeitung kriminalistisch relevanter Sachverhalte unter Anwendung logischer, psychologischer und anderer natur- und geisteswissenschaftlicher Gesetzmäßigkeiten und der Sprache (Begriffe) unter Berücksichtigung kriminalistischer Möglichkeiten zu verstehen (Berthel 2007, 736). An dieser Stelle soll der beschriebene Prozess geistiger Verarbeitung, der sich in Form von Handlungspraktiken im polizeilichen Ermittlungsalltag zeigt, unter Berücksichtigung der Methodologie der objektiven Hermeneutik (Oevermann 2002) mit besonderem Fokus auf die sprachliche Konservierung des kriminalistischen Spurentextes am Tatort (Oevermann et al. 1996) einschließlich der sich daraus ergebenden Auswertungsmöglichkeiten näher beleuchtet werden.

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Verhaltens- und Delikttreue sexuell motivierter Gewalttäter. Eine Analyse fallanalytisch relevanter Delikte aus rechtspsychologischer Perspektive

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Mercedes Haindl

Um eine differenzierte Darstellung sexuell assoziierter Gewaltdelikte im österreichischen Raum zu ermöglichen, wurde im Rahmen eines von der EU durch den Fonds für die innere Sicherheit (ISF) geförderten Forschungsprojektes in Kooperation mit dem Kriminalpsychologischen Dienst des österreichischen Bundeskriminalamtes eine dementsprechend umfassende Studie durchgeführt. Einerseits wurden die Daten aus rechtspsychologischer Perspektive analysiert, andererseits der Versuch unternommen, eine mögliche Verhaltens- und Delikttreue in diesem fallanalytisch relevanten Delinquenzbereich abzubilden. Bei der Prüfung anhand deutschsprachiger und internationaler Fallanalysemerkmale sowie durch quantitative und deskriptiv-statistische Methoden konnte festgestellt werden, dass in Österreich Täter sexuell motivierter Gewaltdelikte als vorwiegend Täterschaften mit polytroper Kriminalität im Hintergrund erscheinen, welche nicht nur im delikttreuen Bereich der Sexualdelinquenz, sondern auch deliktübergreifend in anderen Delinquenzbereichen polizeilich anfallen. Im Rahmen der Seriendelikte konnte eine Verhaltenstreue in spezifischen, fallanalytisch relevanten Verhaltensweisen eruiert werden, wobei sich diese in ihrer Stabilität gegenseitig bedingen. Ein Wechsel im Tatverhalten scheint auch in dieser Studie vorwiegend auf situationsbedingte Faktoren zurückzuführen zu sein. Mögliche Hintergründe und Ursachen der Ergebnisse wurden aus kriminalpsychologischer Sicht im interdisziplinären Team diskutiert und die weitere Differenzierung in Begrifflichkeiten sowie die Bedeutsamkeit klinisch-psychologischer Betrachtungen in diesem Bereich betont. Aus Gründen der Anonymisierung als auch der leichteren Lesbarkeit wird in der vorliegenden wissenschaftlichen Arbeit die gewohnte männliche Sprachform bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen verwendet. Dies impliziert jedoch weder das Fehlen des weiblichen Geschlechts in der Gruppe der Sexualstraftäter, noch eine Benachteiligung des weiblichen Geschlechts, sondern soll im Sinne der sprachlichen Vereinfachung als geschlechtsneutral zu verstehen sein.

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Herausforderungen für die innere Sicherheit in Österreich. Operationalisierung und Messung von Megatrends durch Indikatoren im Zusammenhang mit innerer Sicherheit

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Susanne Kirchner, Karin Schönpflug

Im Rahmen dieses Forschungsprojektes erfolgte eine grundlegende Basisrecherche im Kontext von sozialem Frieden und sozialem Zusammenhalt. Das Institut für Höhere Studien (IHS) recherchierte global wirkende Trends und aussagekräftige wissenschaftlich fundierte Indikatoren und deren Auswirkungen vor allem auf die sicherheitspolitischen Aufgaben des Bundesministeriums für Inneres. International gesehen ist eine Reihe von destabilisierenden Faktoren zu erkennen, die das politische und wirtschaftliche System bedrohen und Auswirkungen auf die soziale Kohäsion mit sich bringen (können). Es gibt aber auch Entwicklungen, denen an sich zwar nichts Bedrohliches anhaftet, wie zum Beispiel die Digitalisierung, die aber dennoch in der nahen Zukunft zu größeren Umwälzungen und Verwerfungen im Bereich des Arbeitsmarktes führen können. Aus Datenbanken, Forschungsberichten und Veröffentlichungen im thematischen Zusammenhang wurde disziplinenübergreifend eine Auswahl an Indikatoren zusammengestellt, welche die Entwicklungen in den so genannten STEEP-Bereichen (Gesellschaft, Technologie, Wirtschaft, Umwelt und Politik) operationalisierbar machen sowie deren Auswirkungen im Sicherheitsbereich. Im Rahmen dieses IHS-Forschungsprojektes wurden insgesamt 17 globale Trends mit Auswirkungen für Österreich definiert. Pro STEEP-Bereich wurden entlang dieser globalen Trends über 60 international und national wissenschaftlich relevante Indikatoren und Indizes analysiert und jeweils kurz skizziert.

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Die Verrechtlichung des Autofahrens in der Zweiten Republik. Gesetzgebung und Fiskalpolitik ab 1945 mit einem Ausblick auf die Zukunft des Automobils

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Walter Blasi

Der dritte und letzte Teil über die Verrechtlichung des Autofahrens ist der Gesetzgebung und Fiskalpolitik der wieder entstandenen Republik Österreich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gewidmet. Nach der Auslöschung Österreichs wurden, wie so viele andere österreichische Vorschriften auch, die für den Straßenverkehr geltenden sehr bald nach dem 13. März 1938 durch solche des Deutschen Reiches ersetzt. Seitens der reichsdeutschen Behörden wurde neben der Regelung des Straßenverkehrs das Ziel verfolgt, die Motorisierung im militärischen Interesse mit allen Mitteln voranzutreiben und eine lückenlose Evidenz der militärtauglichen Kraftfahrzeuge anzulegen. Allerdings wurde die Materie des Kraftfahrwesens nach und nach durch zahlreiche Novellen so unübersichtlich, dass die Situation durch ein für die Praxis und die Verwaltung unerwünschtes und kaum mehr zu handhabendes Gewirr von Vorschriften charakterisiert war. Daher war in den an einer Regelung des Straßenverkehrs interessierten Kreisen im Nachkriegsösterreich der Wunsch nach den bis 1938 gültigen österreichischen Vorschriften lebendig (Rössler 1946, 13). Aber unzweifelhaft fand auch hier – wie in vielen anderen Bereichen und wie es der Wiener Diplomat Josef Schöner ausdrückte – ein "Rückbruch", eine Rückkehr zur Ersten Republik statt. Der Schriftsteller Alexander Lernet-Holenia brachte es so auf den Punkt: Die Österreicher bräuchten "nur dort fortzusetzen, wo [sie] durch die Träume eines Irren unterbrochen" worden seien (Hanisch 1994, 395).

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Die Wiener Sicherheitswache im Jahr 1938. Ihre nationalsozialistische Gleichschaltung und die Verurteilung der Mitverantwortlichen. Teil 2

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Friedrich Wilhelm Schembor

Im ersten Teil dieses Beitrages (Schembor 2019) wurden die Auswirkungen der nationalsozialistischen Machtergreifung 1938 auf die Wiener Polizeibeamten beschrieben, die, wenn gegen sie Anzeigen vorlagen, von eigenen Untersuchungskommissionen überprüft und, falls sie gegen Nationalsozialisten vorgegangen waren, gemaßregelt wurden. Nach Kriegsende wurden wiederum führende Mitglieder dieser Kommissionen, selbst Wiener Polizeibeamte, festgenommen und angezeigt. Im vorliegenden zweiten Teil werden die Volksgerichtsprozesse, die gegen die Mitglieder der Untersuchungskommissionen geführt wurden, beschrieben. Erst damit erhält man Einblick in den Umfang der während der nationalsozialistischen Herrschaft getroffenen Maßregelungen. Die Urteile der Volksgerichte fielen höchst unterschiedlich aus und zeigten auf, dass die Gesetze zur Ahndung der nationalsozialistischen Verbrechen zu stark auf die Mitgliedschaft in der NSDAP und SS abgestellt waren und dem Gesetzgeber offenbar nicht bewusst war, dass Polizeibeamte wegen der zu geringen Mitgliederzahl dazu angehalten waren, NS-Organisationen beizutreten. Erschwerend kam hinzu, dass nicht alle Verurteilten makellose Nationalsozialisten waren und sie für die Gleichschaltung der Polizeibeamten zwar mit-, aber nicht endverantwortlich waren.

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