Ausgabe 1/2021


Rudolf Archibald Reiss und der Stellenwert der Forensik

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Aline Girod-Frais, Julia Anna Kappler

Eines der wichtigsten Postulate im Bereich der Forensik lautet "tout contact laisse une trace" (Locard 1920), was so viel wie "jeder Kontakt hinterlässt eine Spur" bedeutet. Während der Begehung einer Straftat ist es schwierig, wenn nicht gar unmöglich, jeglichen Kontakt zu vermeiden, ganz gleich, ob es sich um eine traditionelle (physische) oder moderne (elektronische Transaktion) Form der Tatbegehung handelt. Das oben erwähnte Postulat kann daher wie folgt angepasst werden: "Jedes Verbrechen hinterlässt eine Spur". Der Wunsch, den Verbrechern auf die Spur zu kommen, ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selbst und mehrere Persönlichkeiten haben ihr Leben dieser Aufgabe gewidmet, wie z.B. Hans Gross in Österreich, Alphonse Bertillon und Edmond Locard in Frankreich oder auch Paul Kirk in den Vereinigten Staaten. Dieser Aufsatz befasst sich mit einem solchen Mann, der jedoch und trotz seiner Verdienste eher unbekannt geblieben ist, insbesondere im deutschsprachigen Raum: Rudolf Archibald Reiss. Reiss stellte sein ganzes Leben in den Dienst der Wissenschaft, genauer gesagt in den der Forensik und wurde Anfang des 20. Jahrhunderts zu einem wichtigen Vorreiter auf seinem Gebiet. Aber wer ist Reiss? Was sind seine Errungenschaften und warum verdient er besondere Aufmerksamkeit, wenn es um die Definition der modernen Forensik geht? Gegenstand des vorliegenden Aufsatzes ist es, diese Fragen zu erörtern. Dafür werden zunächst wichtige Definitionen gegeben, bevor Reiss’ Lebensweg und Lebenswerk dargestellt werden. Basierend auf den Aspekten von Reiss’ Arbeit, die die Grundlagen der modernen Forensik bilden, werden dann der aktuelle internationale Stellenwert und die praktische Verwendung der Forensik kritisch beleuchtet und notwendige Entwicklungen beschrieben. Die den Text beschließende Conclusio hebt die Notwendigkeit hervor, Reiss’ Vision international (weiter) zu verbreiten, um ein besseres Verständnis der Kriminalität und ihrer Spuren, sowie eine bessere Kommunikation zwischen den verschiedenen Akteuren der Forensik, zu ermöglichen.

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Clankriminalität in der Mitte Europas? Eine Beurteilung der Lage

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Robert F. Oberloher

Das Thema Clankriminalität besitzt in Deutschland eine hohe politische Brisanz. Während das Phänomen krimineller Clanstrukturen hier bereits seit langem die Polizei beschäftigt, scheinen die breite Öffentlichkeit und die Politik erst seit wenigen Jahren in nennenswertem Ausmaß davon Notiz zu nehmen. Seither wird das komplexe, politisch und inhaltlich sensible Kriminalitätsphänomen sehr kontrovers diskutiert. Auf Basis der Erfahrungen in Deutschland sind die sicherheitspolitischen Herausforderungen der kommenden Jahre zu erahnen. Insbesondere mit Blick auf die sich mutmaßlich ausbreitenden kriminellen Parallelstrukturen ethnisch abgeschotteter Milieus sowie die facettenreiche Kooperation innerhalb der OK-Szene besteht Handlungsbedarf. Auch wenn sich in Österreich bislang Entwicklungen wie in Deutschland nicht (oder nicht in dem Maße) abzeichneten bzw. sich zumindest noch nicht im Hellfeld manifestierten, gilt es, hier wie dort die Dynamik der Prozesse genau zu beobachten.

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Wer ist ein Opfer? Der Opferbegriff in der Opferschutzrichtlinie. Eine menschenrechtliche Analyse des Opferbegriffs aus geschlechtsspezifischer Perspektive

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Sabine Mandl, Julia Planitzer

Der Artikel befasst sich mit dem in der Opferschutzrichtlinie (Richtlinie 2012/29/EU) verwendeten Opferbegriff, der einer menschenrechtlichen Analyse unterzogen und aus einer Geschlechterperspektive beleuchtet wird. Gewalt und Opfer sind Kategorien, die durch soziale Prozesse gesellschaftlich konstruiert und anerkannt werden. Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben sich Politik und Wissenschaft vermehrt mit den Bedürfnissen der Opfer bzw. mit der Entwicklung und Ausgestaltung von Opferrechten auseinandergesetzt. Dabei spielt es eine Rolle, wer als Opfer anerkannt und was als Gewalt definiert wird. Abhängig davon haben Gewaltbetroffene Anspruch auf Schutz- und Unterstützungsmaßnahmen bzw. können sie spezifische Rechte bei zivil- oder strafrechtlichen Verfahren geltend machen. Je nach Blickwinkel variieren allerdings die Begriffsbestimmungen und (menschen-)rechtlichen Definitionen. Da (Menschen-)Rechte immer Ausdruck von sozialer Realität sind, erscheint ein differenzierter Blick auf unterschiedliche Formen von Gewalt und Opferwerdung vor dem Hintergrund gesellschaftlich konstruierter Männlichkeits- und Weiblichkeitsbilder relevant. Nach der Analyse der Entstehung des Opferbegriffs und der Anwendung der Opferschutzrichtlinie in ausgewählten europäischen Mitgliedstaaten schließt der Artikel mit Überlegungen zur Ratifikation des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Übereinkommen) durch die EU und deren möglichen rechtlichen und politischen Implikationen.

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Identitäre Bewegung – Reichsbürger – Selbstverwalter. Eine aktuelle Analyse

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Stefan Goertz

Dieser Beitrag untersucht die extremistischen Phänomenbereiche Reichsbürger und Selbstverwalter sowie die Identitäre Bewegung einführend auf der Ebene Definitionen und Analysemerkmale und nutzt dabei Definitionen des deutschen Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) sowie des österreichischen Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Darauf folgen Programm und Aktionen der Identitären Bewegung sowie das Programm und die Strategien der Reichsbürger und Selbstverwalter. Die Identitäre Bewegung bekennt sich in Österreich und in Deutschland zum Konzept des Ethnopluralismus, nach dem das ideologische Ziel einer gesellschaftlichen Ordnung in einem ethnisch und kulturell homogenen Staat besteht. Diese ethnokulturelle Identität sieht die Identitäre Bewegung durch den "Multikulturalismus" bedroht, der durch eine angeblich unkontrollierte Massenzuwanderung zu einer Heterogenisierung der Gesellschaft führe. Daher fordert die Identitäre Bewegung unter dem Schlagwort "Remigration" Maßnahmen zur Umkehrung der Flüchtlingsströme und die Rückführung von Migranten in deren Heimatländer. Reichsbürger und Selbstverwalter sind nach Auffassung der deutschen und österreichischen Verfassungsschutzbehörden Personen und Gruppierungen, die aus unterschiedlicher Motivation und mit verschiedenen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich verneinen und die gesamte Rechtsordnung ablehnen. Zudem bilden verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder auch ein selbst definiertes Naturrecht das ideologische Fundament zur Leugnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich. Dabei sprechen Reichsbürger und Selbstverwalter den demokratisch gewählten Repräsentanten ihre Berechtigung ab oder definieren sich gar ausnahmslos als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Reichsbürger und Selbstverwalter sind sehr aktiv und behindern Behörden und Ämter in ihrer Arbeit und bedrohen mitunter deren Mitarbeiter. In Einzelfällen kam es in der Vergangenheit auch zu körperlichen Übergriffen.

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Digitalisierung der Grenzkontrollen der EU. Mehr Sicherheit für den Schengenraum?

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Nick Henricks

Die Modernisierung und Digitalisierung der Grenzkontrollen der Schengenaußengrenzen in Europa bergen einige Risiken, aber auch zahlreiche Chancen, um die innere Sicherheit im Schengenraum zu erhöhen. Es ergeben sich deutliche Spannungsfelder zwischen der Effizienz der Grenzkontrollen und dem Datenschutz der Reisenden bzw. zwischen nationalen Verpflichtungen und paneuropäischem Gedankengut. Für einen akuten Handlungsbedarf sprechen viele unterschiedliche Punkte: die wachsende Anzahl von Reisenden und anhaltende Migrationsflüsse. Außerdem auch die Bekämpfung von Terror, grenzübergreifender Kriminalität, illegaler Einwanderung und nicht zuletzt die Professionalisierung der täglichen Arbeit der Grenzpolizisten. Die Möglichkeiten bereits vorliegender nationaler und internationaler Datenbanken reichen oftmals nicht mehr aus, um adäquat auf steigende Herausforderungen am Grenzsystem des Schengenraums zu reagieren. Daher plant die EU mit der Installation eines eigenen europäischen Reiseinformations- und Genehmigungssystems "ETIAS" nicht nur ein einzelnes couragiertes Großprojekt, sondern versucht zusätzlich mit dem volldigitalisierten Einreise- bzw. Ausreisesystem "EES" ein ganzheitliches Konzept vorzulegen.

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Polizeiliches Vorgehen bei der Sicherstellung von Radar- und Laserblockern

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Michael Denk, Martin Greifeneder

Nach § 98a Abs 1 Kraftfahrzeuggesetz (KFG) ist das Mitführen und Anbringen von Radar- oder Laserblockern in bzw an Kraftfahrzeugen verboten. Diese Geräte waren zudem bis zur Novelle BGBI I 2020/134 ("39. KFG-Novelle") gem § 98a Abs 3 KFG für verfallen zu erklären. In der polizeilichen Praxis wurden die Gegenstände häufig (zwangsweise) sichergestellt. Fraglich ist jedoch, ob diese Vorgehensweise gesetzlich gedeckt war. Die dazu ergangene Judikatur der Landesverwaltungsgerichte ist nicht völlig einheitlich. In diesem Beitrag soll daher zunächst untersucht werden, ob das skizzierte Vorgehen bei der Sicherstellung von Radar- oder Laserblockern vor der genannten Novelle rechtskonform war. Abschließend wird die Lösung der aufgeworfenen Probleme durch die 39. KFG-Novelle dargelegt.

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