Ausgabe 3/2021


„Islamophobie“ – eine unwissenschaftliche Kategorie. Eine kritische Analyse zu inhaltlicher Diffusität und mangelnder Trennschärfe

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Armin Pfahl-Traughber

Auch in westlichen Gesellschaften existieren unterschiedliche Formen von Feindschaft gegen Muslime. Doch wie sollen diese in einem einheitlichen Konzept erfasst werden? Als Bezeichnung dafür kursiert „Islamophobie“. Doch die genaue Analyse des Begriffs veranschaulicht, dass er weder inhaltlich systematisch entwickelt noch trennscharf ist. Eine Differenzierung von menschenrechtlicher „Islamkritik“ und hetzerischer „Muslimenfeindlichkeit“ wird so kaum möglich. Darüber hinaus dient die Bezeichnung „Islamophobie“ auch dazu, Einwände etwa zu Frauendiskriminierung, Homosexuellenhass oder Judenfeindschaft unter Muslimen zu diskreditieren. Insofern liefert die Bezeichnung wenig Erkenntnisgewinn, dient aber zur Instrumentalisierung als „Kampfbegriff“. Demgegenüber erweist sich als einfacheres und trennschärferes Konzept „Muslimenfeindlichkeit“ als Sammelbegriff, wird damit doch die Feindschaft gegen Muslime als Muslime klarer erfasst. Kritik aus menschenrechtlicher Perspektive lässt sich damit nicht polemisch unter Rassismusverdacht stellen.

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Clankriminalität. Die Konstruktion eines Kriminalitätsphänomens im öffentlichen und polizeilichen Diskurs

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Tamara Dangelmaier, Eva Brauer, Daniela Hunold

Seit Mitte des Jahres 2018 ist das Phänomen der „Clankriminalität“ zu einem zunehmend präsenten Thema in der Öffentlichkeit geworden. Schlagzeilen wie „Clans versuchen, hoheitliche Aufgaben der Polizei zu übernehmen“ (Kuhn 2019) oder „Städte sagen Clans den Kampf an“ (Maguire 2019) kennzeichnen aktuelle gesellschaftliche Diskurse um so genannte „Clans“. Als Organisationseinheit staatlicher Repräsentanz sowie als Garant für Sicherheit und Ordnung sieht sich die Polizei mit der Bearbeitung dieses Phänomens konfrontiert. Der Beitrag beleuchtet hierbei den organisatorischen und institutionsgebundenen Formationsprozess des Diskurses um Clankriminalität. Grundlage der hier dargestellten Ergebnisse liefert das ethnografische Forschungsprojekt KORSIT (die Konstruktion von Räumen im Kontext von Sicherheit – Raumwissen bei der Polizei), welches sich mit den Konstruktions- und Konstitutionsprozessen räumlichen Wissens bei der Polizei beschäftigt. Ziel des Projekts ist es, soziale Prozesse zu analysieren, die zur institutionellen Produktion und Verwertung von sicherheitsrelevantem Wissen über städtische Gebiete führen. Die öffentlichkeitswirksame Genese des Phänomens Clankriminalität konnte dabei während der Projektlaufzeit beobachtet und nachgezeichnet werden.

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Leistungsfähigkeit polizeilicher Sondereinheiten in Österreich. Ausdauer- und Kraftfähigkeit der Einsatzeinheiten COBRA und WEGA

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Alfred Nimmerichter, Bernhard Prinz, Klaus Wirth

Die vorliegende Studie beschreibt die physische Leistungsfähigkeit der polizeilichen Sondereinheiten in Österreich. Bei 196 Bediensteten der Einsatzeinheiten COBRA und WEGA wurden die Ausdauer- und Kraftfähigkeit im Rahmen von leistungsdiagnostischen Untersuchungen erhoben. Als Maß der Ausdauerleistungsfähigkeit wurden die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) sowie die maximale Laufgeschwindigkeit (Vmax)bei einem Laufbandtest erhoben. Die Maximalkraft wurde bei den Übungen Kniebeuge, Bankdrücken, Latzug und Beinbeuger erhoben. Die erhobene VO2max von 49,8 ± 4,7 mL.min-1.kg-1 wurde bei einer Vmax von 16,3 km.h-1 erreicht. Im Vergleich zu internationalen Studien an Sondereinheiten im militärischen oder polizeilichen Dienst (~38-45 mL.min-1.kg-1) kann die Ausdauerleistungsfähigkeit als überdurchschnittlich bezeichnet werden. Zieht man sportmedizinische Referenzwerte für gesunde, untrainierte Personen heran, so liegt der überwiegende Anteil der Probanden oberhalb der 50 % Perzentile und kann als „gut“ bis „sehr gut“ eingestuft werden. Die Maximalkraft bei den Übungen Kniebeuge, Bankdrücken, Latzug und Beinbeuger lag bei 115,0 ± 23,6 kg, 105,5 ± 16,5 kg, 86,1 kg und 60,0 kg. Die Maximalkraft bei den Übungen Kniebeuge und Bankdrücken in Relation zum Körpergewicht lag bei 1,4 ± 0,3 kg.kg-1 und 1,3 ± 0,2 kg.kg-1 und entspricht jenen in der Literatur beschriebenen Referenzwerten. Zusammenfassend kann die Ausdauer- und Kraftfähigkeit der Einsatzeinheiten COBRA und WEGA als entsprechend hoch bezeichnet werden, um die körperlichen Anforderungen im Einsatz bewältigen zu können.

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Umwegrentabilität des Bundesministeriums für Inneres. Ökonomische Effekte durch die Aktivitäten des Bundesministeriums für Inneres für die österreichische Volkswirtschaft

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Alexander Schnabl, Liliana Mateeva

Der vorliegende Beitrag präsentiert Ergebnisse einer Analyse der ökonomischen Bedeutung des Bundesministeriums für Inneres (BMI), die im Rahmen des Projekts „Sozioökonomischer Nutzen des BMI“ im Auftrag des BMI im Jahr 2019 durchgeführt wurde (vgl. Kirchner et al. 2019). Ziel war es, die wirtschaftlichen Auswirkungen, die durch die Ausgaben für die Aktivitäten des BMI im Jahr 2017 ausgelöst wurden, zu untersuchen. Mit Hilfe des mathematisch-ökonomischen Verfahrens der Input-Output-Analyse konnten dabei die Verfechtungen der österreichischen Wirtschaftssektoren mitberücksichtigt werden, insbesondere jene mit dem BMI. Dabei wurden sowohl die direkten ökonomischen Effekte (beim BMI) als auch jene Auswirkungen, die indirekt entlang der Wertschöpfungsketten und einkommens- und investitionsinduziert entstanden sind, erfasst. Als Ergebnis wurden die Effekte auf ökonomische Größen, wie den Bruttoproduktionswert, die Bruttowertschöpfung und die Beschäftigung sowie die generierten Steuern und Abgaben an die öffentliche Hand, berechnet. Im vorliegenden Artikel werden primär die Ergebnisse für die heimische Wirtschaft vorgestellt. Die Resultate zeigen sowohl die Auswirkungen der Ausgaben des BMI im Jahr 2017 insgesamt als auch nach den vier Hauptbereichen: Sicherheit, Migration, Zivildienst und Sonstiges (Ausgaben für sonstige Aufgaben). Zusätzlich zu den ermittelten Effekten für die gesamte österreichische Wirtschaft werden auch die Auswirkungen auf einzelne Sektoren präsentiert.

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School Resource Officer – für mehr Sicherheit an Schulen

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Cindy Ehlert

Minderjährige verbringen einen Großteil ihres Lebens in der Schule. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Zeit ihr Rechts-, aber auch ihr gesamtes Arbeits- und Sozialverhalten prägt. Lehrerinnen und Lehrern kommt innerhalb dieser Örtlichkeit eine besondere Rolle zu. Sie sollen adressatengerecht Wissen vermitteln und im besten Fall auch auf ein positives, sozialadäquates Gesamtverhalten jedes Einzelnen hinwirken. In einer Welt von sich permanent neu bildenden kriminologisch relevanten Phänomenen und damit verbundenen schädlichen Einflüssen und Gefahren erscheint Letzteres eine Aufgabe, die auf breitere Schultern verteilt werden könnte und sollte. Das US-amerikanische Schul- und Polizeisystem kennt hierbei das Konzept eines School Resource Officers (SRO), also einer Polizistin oder eines Polizisten, die oder der an Schulen fest verortet ist und unter anderem den Schülerinnen und Schülern als Ansprechpartnerin oder Ansprechpartner dient. Ein intensiverer Kontakt zwischen Schule und Polizei kann über das Maß des regulären Kontakts von Polizeibediensteten, z.B. bei Präventionsveranstaltungen an Schulen, in präventiver Sicht durchaus gewinnbringend sein. Dieser Kontakt könnte dazu beitragen, Risiken (z.B. Verabredung zu 24h-Challenges (tz online 2019)) im schulischen Umfeld besser und schneller zu erkennen, insbesondere jugendgefährdende oder strafrechtliche Sachverhalte aufzuklären und als Ansatz für Sensibilisierungen für alle im schulischen Bereich wichtigen Adressaten zu nutzen und damit im besten Fall eine Erhöhung der Sicherheit zu gewährleisten. Das Konzept des SRO, wie es in den USA (Minnehaha County 2019; NASRO 2019) mit einer direkten uniformierten Polizeipräsenz als Schulpolizist gelebt wird, könnte aus kriminologischer Sicht hierbei unterstützen, dieses Ziel zu erreichen. Dieser Beitrag diskutiert vornehmlich am Beispiel des Bundeslandes Brandenburg die Frage, ob ein solches Personalkonzept auch für das deutsche Schulsystem einen Mehrwert darstellen könnte.

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Einsatztrainer als Designer von Lernumgebungen. Das Trainingsmischpult

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Swen Koerner, Mario Staller

Einsatztrainerinnen und Einsatztrainer der Polizei sind per Auftrag Designerinnen und Designer von Lernumwelten. Ihr Trainingsdesign soll Lernenden eine individualisierte Auseinandersetzung mit den jeweils spezifischen Anforderungen der Einsatzumgebung ermöglichen. Um die damit einhergehenden Herausforderungen und praktischen Handlungsmöglichkeiten für Einsatztrainerinnen und Einsatztrainer darzustellen, nutzen wir im Folgenden die Analogie des Mischpults, dessen Regler und Reglergruppen wir im Einzelnen vorstellen. Während das Mischpult Technik ist, ist seine Bedienung Kunst. Durch virtuoses Spiel an den Reglern ermöglichen Einsatztrainerinnen und Einsatztrainer Trainierenden ein hohes Maß an Freiheit zur selbsttätigen Erkundung und Aneignung individueller Lösungen, die den situativen und normativen Anforderungen der Aufgabenbewältigung entsprechen. Einsatztrainerinnen und Einsatztrainern bietet das Mischpult eine Grundlage für systematische Entscheidungen in der Planungs-, Durchführungs- und Auswertungsphase ihrer Trainingseinheiten und kann dabei auf einzelne Phasen oder auf die gesamte Einheit angewandt werden. Zudem sind die Regler kategorial so bestimmt, dass sie eine Anwendung auf die in vielen Polizeien vorherrschende Unterteilung des Trainings in Lösungsoptionen (Taktik, Selbstverteidigung/Sicherung, Schießen) ermöglichen.

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Rockkragen und Hosenschlitz. Verdächtigungsstrategien und Gefährlichkeitspräsumtionen in der Kriminalwissenschaft um 1900

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Christian Bachhiesl

Mit der modernen Staatlichkeit entwickelten sich auch die moderne Strafjustiz und die Kriminalwissenschaft. So sehr sich diese Institutionen um Objektivität und emotionale Distanz bemühen mochten, das staatliche System des Strafens kam und kommt nicht ohne Verdächtigungen aus, und Verdächtigungen sind stets verbunden mit Gefährlichkeitspräsumtionen. In diesem Beitrag wird anhand von Beispielen aus der frühen Kriminalwissenschaft, vor allem anhand von Aussagen des Grazer Kriminologen Hans Gross und seiner Mitarbeiter, aufgezeigt, wie um 1900 das System der staatlich legitimierten Verdächtigungsstrategien zu perfektionieren versucht wurde und mit der Stigmatisierung devianter und benachteiligter Gruppen verbunden war, nicht zuletzt solcher, die ohnehin schon eingeschränkte Verwirklichungsmöglichkeiten vorfanden, wie etwa Frauen oder die so genannten „Zigeuner“. Dabei entstand das Paradoxon, dass der Staat im Grunde jeden Bürger unter Generalverdacht stellte, von diesen Verdächtigten aber erwartete, dass sie ihm uneingeschränktes Vertrauen entgegenbrachten und seine zunehmenden Regelungsansprüche in immer mehr Lebensbereichen guthießen. Wie aber kann eine Institution, deren Effizienz auf Verdächtigungen beruht, Vertrauen erwecken? Und welche Problemfelder tun sich beim Bedenken dieser Fragen für die Kriminalwissenschaft auf? Die historische Analyse lässt erkennen, wie bedeutsam diese Fragen auch für die heutige Situation sind, auch wenn die Geschichte die Probleme von heute nicht lösen kann. Dafür müssen wir schon selber sorgen.

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