Ausgabe 1/2022


Zentrale Daten des Rechtsschutzbeauftragten 2020

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Ernst Eugen Fabrizy, Marie Schweinzer

Der Rechtsschutzbeauftragte (fortan kurz: RSB) beim Bundesminister für Inneres (BMI) – bis zum 30. Juni 2021 em. o. Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Manfred Burgstaller – veröffentlicht gemeinsam mit den jeweils an der Publikation mitarbeitenden Mitgliedern seines Rechtsschutzteams seit vielen Jahren regelmäßig Informationen über seine konkrete Tätigkeit im jeweils vorangegangenen Geschäftsjahr. Dem Transparenzanliegen des RSB geschuldet, wird dies mit dem vorliegenden Beitrag, der eine Zusammenfassung der wichtigsten Daten der Berichte zum Sicherheitspolizeigesetz (SPG) und zum Polizeilichen Staatsschutzgesetz (PStSG) aus dem Jahr 2020 bietet, fortgeführt. Die Erhebung der Daten aus den Meldungen zum SPG wurde von Mag. Marie Schweinzer, aus den Meldungen zum PStSG von Mag. Susanne Rosenmayr, durchgeführt. Die Auswahl und Aufbereitung der im Folgenden präsentierten Daten aus den beiden Bereichen erfolgte durch den – mit 1. Juli 2021 bestellten – RSB Prof. Dr. Ernst Eugen Fabrizy und Mag. Marie Schweinzer.

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Resilienz in der Polizei. Der Effekt von Sportaktivität, Persönlichkeit und sozialer Unterstützung

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Daniela Gutschmidt, Steffen Otto

Das Konzept der Resilienz betrachtet psychische Gesundheit vor dem Hintergrund der zu bewältigenden Stressoren. Zur Untersuchung der Resilienz wurde eine Längsschnittstudie in der Polizei Baden-Württemberg im Abstand von sechs Monaten durchgeführt. Der erste Fragebogen (n = 571) enthielt Items zu Persönlichkeitseigenschaften (Selbstwirksamkeitserwartung, resiliente Persönlichkeitszüge) und sozialer Unterstützung (dienstlich, privat). Der zweite Fragebogen (n = 225) erfasste die Sportaktivität und die psychische Gesundheit anhand des Wohlbefindens, depressiver Symptome und Angstsymptome. Außerdem wurde erhoben, welcher Stressbelastung (u.a. Bedrohung, Verlust, Konflikte) die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den sechs Monaten ausgesetzt waren. Multiple Regressionsanalysen (n = 153) ergaben, dass neben der Stressbelastung, die der stärkste Prädiktor für Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit ist, die Persönlichkeit einen signifikanten Schutzfaktor darstellt. Darüber hinaus konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen Sportaktivität und Wohlbefinden festgestellt werden. Die soziale Unterstützung erreichte als Prädiktor in der multivariaten Regressionsanalyse keine Signifikanz. Lediglich in den bivariaten Analysen zeigten sich signifikante Zusammenhänge zwischen den Indikatoren psychischer Gesundheit und der dienstlichen sozialen Unterstützung. Eine gewisse Einschränkung der Übertragbarkeit der Ergebnisse besteht aufgrund des Zeitpunktes der Erhebung (Auswirkungen der COVID-19-Pandemie) und der Zusammensetzung der Stichprobe (überwiegend aus dem Studium des Polizeivollzugsdienstes). Neben den Limitationen der Studie werden die Implikationen für Forschung und Praxis diskutiert.

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Wenn die Wellen höher schlagen. Die Polizei und der Diskurs über Rassismus in unserer Gesellschaft

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Jochen Christe-Zeyse

Am 25. Mai 2020 erstickte in Minneapolis der Afroamerikaner George Floyd unter dem Knie eines weißen Polizeibeamten. Wer dachte, dass solche Vorfälle nur in anderen Ländern passierten, sah sich auch in Deutschland und Österreich schnell mit einer öffentlichen Debatte über rassistische Einstellungen und Verfahrensweisen von Polizeibeamtinnen und -beamten konfrontiert. Betroffene berichteten über Fälle von „ethnic profiling“ und anlasslosen Personenkontrollen, von denen offensichtlich nur Personen betroffen waren, die nicht dem gängigen Klischee eines „Weißen“ entsprachen. Das Thema bekam Konjunktur, Journalistinnen und Journalisten schrieben Artikel, Bücher kamen auf den Markt, in Talkshows wurde debattiert, und Ministerien entwarfen Maßnahmenpläne. Doch zeigte sich bald, dass es zu diesem Thema zwei Diskurse zu geben schien: Der eine diskutierte die Frage, wie man Polizeibeamtinnen und -beamte schulen müsste, damit sich Personenkontrollen nicht mehr nur an der Hautfarbe oder der vermuteten Staatsangehörigkeit ausrichteten, während der andere über die Entstehung und Wirkung rassistischer Menschenbilder, über die Geschichte des Kolonialismus und über die Ausprägungen von rassistischen Denkmustern sprechen wollte, wie sie in den Köpfen aller weißen Menschen wirksam sind. Vorwürfe wurden laut und Gegenargumente, Beteuerungen weißer Menschen, sie seien keine Rassisten, stießen auf die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien, mit denen gezeigt werden konnte, dass tief in uns durchaus Kriterien wirksam sind, nach denen wir Menschen, die uns ähnlich sind, von Menschen unterscheiden, die wir als „anders“ wahrnehmen. Doch die Diskussion über Rassismus begann nicht erst mit „Black Lives Matter“, sondern schon lange vorher; sie füllt viele Regalmeter mit Publikationen und verfügt inzwischen über einen ausformulierten und ausdifferenzierten theoretischen Unterbau, den man grob verstanden haben sollte, wenn man sich auf diesen Diskurs einlassen und gemeinsam Lösungsmöglichkeiten erarbeiten möchte.

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Handel und Konsum von illegalisierten Drogen in „urbanen Dörfern“

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Christiane Howe

Fortlaufender Drogenhandel und -konsum in Quartieren westdeutscher Großstädte lässt vielfältige Aushandlungsprozesse vermuten. Doch wie genau bildet sich dort, im direkten, alltäglichen Lebensumfeld und in der Nachbarschaft, jeweils dieser Handel und Konsum sozial-räumlich ab? Wie geht er vonstatten und wie manifestieren sich darin Ordnungen? Solch räumlich strukturierte Ordnungen, so der Ausgangspunkt, machen sich nicht allein materiell im und am konkreten Ort fest, sondern werden durch die sozialen Praktiken aller Beteiligten hergestellt. So ist davon auszugehen, dass in jedem Quartier Bewohnerinnen und Bewohner vor Ort lernen, sie so zunehmend ein lokales Wissen erwerben und damit Relevantes von Nicht-Relevantem unterscheiden können. Insgesamt werden die Quartiere von Bewohnerschaft und Nutzenden je nach Perspektive, Erfahrungen, sozialer Verankerung im Quartier, Handlungsmöglichkeiten etc. unterschiedlich wahrgenommen, Probleme werden unterschiedlich benannt und verschieden eingeschätzt. Herauskristallisiert hat sich im Zuge einer qualitativ-ethnografischen Forschung im Rahmen eines deutschen BMBF-Projektes, dass neben Ordnungswidrigkeiten, insbesondere rund um (Sperr-)Müll und Ruhestörungen, geringfügige Diebstähle und vor allem der vor der Haustür stattfindende Drogenhandel/-konsum, insbesondere von Cannabis sowie in geringerem Maße von Kokain, Bestandteil der quartiersspezifischen Debatten sind. Im Nachfolgenden wird nun ein Quartier exemplarisch mit letzterem Fokus beschrieben und analysiert: seine Verfasstheit, Entwicklung zum „hot spot“, Ablauf und Struktur des Drogenhandels und -konsums und dem Umgang, insbesondere seitens der Polizei, damit. Beschreibung und Analyse stellen abschließend die Grundlage, um neben den aufgeworfenen Fragen auch jene nach den Konsequenzen beantworten zu können.

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Coaching im polizeilichen Einsatztraining. Eine Konzeptionalisierung der täglichen Praxis

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Swen Koerner, Mario Staller

Der vorliegende Beitrag beantwortet die Frage nach dem Kern der Tätigkeit von Einsatztrainerinnen und Einsatztrainern im Rahmen ihrer professionellen Praxis. Wir konzeptionalisieren diese Tätigkeit als Coaching – als einen komplexen Prozess, der virtuos unterschiedliche Wissensbereiche miteinander kombiniert, um in der Trainingspraxis auftauchende Probleme zu lösen. Mit dem professionellen Coaching-Modell stellen wir eine Struktur vor, die in sechs Dimensionen die benötigten Wissensstrukturen einer professionellen Praxis im Einsatztraining aufweist. Die Dimensionen thematisieren das lernende Individuum („Wer-Dimension“), die Inhalte des Einsatztrainings („Was-Dimension“), die Gestaltung der Lernumgebung („Wie-Dimension“), die kontextuellen Rahmenbedingungen („Kontext-Dimension“), die eigenen Wissensbestände, Werte und Überzeugungen („Selbst-Dimension“) sowie den Praxisprozess des Trainings („Prozess-Dimension“). Wir beschreiben die einzelnen Dimensionen und legen dar, wie die entsprechenden Wissensstrukturen das Handeln als Trainerin/Trainer informieren. Damit liefert das „Professionelle Coaching-Modell“ Anhaltspunkte für die Aus- und Fortbildung sowie die persönliche Weiterentwicklung von Einsatztrainerinnen und Einsatztrainern.

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Die Konfrontation mit dem Suizid. Besondere Ausprägungsformen und ihre polizeiliche Relevanz

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Johannes Luff, Julia Siegerstetter, Figen Özsöz

Die Aufgabe der Polizei ist bei Tötungsdelikten ebenso eindeutig wie bei allen anderen Straftaten auch: Aufnahme der Ermittlungen zu Tatumständen und Hintergründen, Überführung tatverdächtiger Personen und Abgabe des Vorgangs an die Staatsanwaltschaft. Der Horizont polizeilicher Ermittlungen weitet sich, wenn es sich beim Opfer des Tötungsdelikts augenscheinlich zugleich um die Täterin bzw. den Täter handelt, wobei sich die Frage stellt, ob der Suizid eigenständig durchgeführt, ob dabei Hilfestellung geleistet oder ob er gar nur vorgetäuscht wurde. Bedrohlich für Polizeibeamtinnen und -beamte können Situationen werden, in denen Menschen in ihre Suizidhandlungen zugleich die Tötung anderer Personen einbeziehen, wie etwa bei Amokläufen oder Selbstmordattentaten; die eigene existenzielle Gefährdung der Polizei gipfelt im Eskalationsverlauf des sogenannten „suicide-by-cop“. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf ihren Auftrag zur Gefahrenabwehr stellt sich nicht zuletzt für die Polizei die Frage, ob Suizidalität vorhersehbar ist und welche Möglichkeiten der „Diagnose“ und Prävention die Beamtinnen und Beamten haben.

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Bewusstseinsbildung im öffentlichen Dienst. Online-Schulungen zum Thema Demenz für die Polizei und die Gemeindebediensteten in Österreich

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Stefanie Auer, Marc Wortmann, Markus Richter

Demenz ist eine der größten gesundheitspolitischen Herausforderungen unserer Zeit. Personen mit Demenz werden in den nächsten Jahren viel häufiger im öffentlichen Raum anzutreffen sein. Die Integration von Menschen mit Demenz in die Gesellschaft ist wichtig, da sie länger ein erfülltes Leben führen können und sich die Pflegebedürftigkeit verzögert. Aus diesem Grund ist die Bewusstseinsbildung vor allem im öffentlichen Dienst von größter Bedeutung. Im Jahr 2015 wurde in einem partizipativen, ko-kreativen Prozess (Personen der Zielgruppe der Lernenden direkt am Entwicklungsprozess beteiligt) die Online-Schulung „Einsatz Demenz“ für Polizistinnen und Polizisten entwickelt. Die Evaluierung, die mit 221 Personen durchgeführt wurde, ergab, dass 78 % mit der Online-Schulung insgesamt sehr zufrieden, 20 % eher zufrieden und 2 % mit der Online-Schulung eher nicht zufrieden waren. Die Online-Schulung wurde bisher von mehr als 13.000 Polizistinnen und Polizisten absolviert. Als sogenannte „Demenzfreundliche Dienststellen“ haben sich bis dato bereits 272 Dienststellen qualifiziert und teilweise auch re-qualifiziert. Die Online-Schulung „Einsatz Demenz“ wurde mit zahlreichen nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet (Sozialmarie, eAward, e-Learning AWARD, Österreichischer Verwaltungspreis, Best-Practice Europäischer Verwaltungspreis (EPSA)). Aufgrund des Erfolgs der Online-Schulung für die Polizei wurde eine weitere Online-Schulung für die Zielgruppe der Personen, die in der „Amtsstube“ tätig sind, also Personen in den Gemeinden und der öffentlichen Verwaltung, entwickelt („Demenz.Aktivgemeinde“). In diesem Beitrag werden die Entwicklung und Gestaltung der beiden Online-Schulungen beschrieben.

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