Ausgabe 4/2022


Zentrale Daten des Rechtsschutzbeauftragten 2021

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Ernst Eugen Fabrizy, Marie Schweinzer, Claudia Braunsteiner

Der Rechtsschutzbeauftragte (fortan kurz: RSB) beim Bundesminister für Inneres (BMI) veröffentlicht gemeinsam mit den jeweils an der Publikation mitarbeitenden Mitgliedern seines Rechtsschutzteams seit vielen Jahren regelmäßig Informationen über seine konkrete Tätigkeit im jeweils vorangegangenen Geschäftsjahr. Dem Transparenzanliegen des RSB geschuldet, wird dies mit dem vorliegenden Beitrag, der eine Zusammenfassung der wichtigsten Daten der Berichte zum Sicherheitspolizeigesetz (SPG) und zum Polizeilichen Staatsschutzgesetz (PStSG) (bis 30. November 2021) bzw Staatsschutz-und Nachrichtendienst-Gesetz (SNG) (seit 1. Dezember 2021) aus dem Jahr 2021 bietet, fortgeführt. Als RSB fungierte bis zum 30. Juni 2021 em. o. Univ.Prof. Dr. Dr. h.c. Manfred Burgstaller, mit Wirkung vom 1. Juli 2021 wurde Dr. Ernst Eugen Fabrizy zum Rechtsschutzbeauftragten bestellt. Die Auswahl und Aufbereitung der im Folgenden präsentierten Daten aus den beiden Bereichen erfolgte durch Mag. Marie Schweinzer und Mag. Claudia Braunsteiner. Die Erhebung der Daten aus den Meldungen zum SPG wurde von Mag. Claudia Braunsteiner, aus den Meldungen zum PStSG bzw SNG von Mag. Marie Schweinzer, durchgeführt.

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Das Phänomen des virtualisierten rechten Terrors

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Florian Hartleb

In den letzten Jahren hat sich, beginnend mit dem Fanal des Terroranschlags durch Anders Behring Breivik am 22. Juli 2011, ein neues Phänomen entwickelt, das die Sicherheitsbehörden zunehmend herausfordert. Es handelt vom rechten Terror, der durch virtuelle Räume neue tödliche Dynamiken hervorgebracht hat. Bemerkenswert ist, auch durch empirische Evidenz, dass hier häufig Einzeltäter in der Tatausführung agieren, wie es einst Franz Fuchs in den 1990er Jahren vor dem virtuellen Zeitalter tat und was im Kontext einer neuen Strategie von Al-Qaida und ISIS (Islamischer Staat) bereits diskutiert wurde. Der vorliegende Beitrag spricht vom rechtsgerichteten „Lone Wolf“ (Einsamer Wolf), um diese politisch motivierte Gewalt aus der heutigen Perspektive zu analysieren. Es findet hier mitunter eine „Amalgamierung von Psychose, rassistischer Ideologie und Verschwörungsdenken“ statt. Die Opferauswahl richtet sich gegen ethnische Minderheiten, die Begründung liegt in ausführlichen Manifesten. Es liegt ein Plan zugrunde, der in den Fällen als akribisch-perfid zu bezeichnen ist. Der folgende Beitrag gliedert sich in vier Teile: erstens die Begrifflichkeit, zweitens die Kettenreaktion solcher Taten, drittens geht es um die Tätertypen, viertens werden Präventionsansätze diskutiert.

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Katastrophenwinter 2022/23 – Fiktion oder bald Wirklichkeit? „Wir können die Realität ignorieren, aber nicht die Konsequenzen einer ignorierten Realität.“ (Ayn Rand)

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Herbert Saurugg, Markus Reisner

Dieser Beitrag zeigt ein sehr düsteres, aber realistisches Szenario für den kommenden Winter auf, das für nur wenige Menschen wirklich vorstellbar ist. Verantwortungsträger neigen zur Truthahn-Illusion oder meiden wider besseres Wissen die notwendige Aufklärung und Sicherheitskommunikation, um die Gesellschaft auf einen möglichen Katastrophenwinter vorzubereiten. Meist mit dem Argument, dass man die Menschen nicht verunsichern möchte. Genau damit wird der Grundstein für ein chaotisches und unüberlegtes Handeln gelegt, weil Menschen unter Stresssituationen zum Tunnelblickverhalten neigen. Übertriebene „Hamsterkäufe“ sind etwa ein Ausdruck davon. Ein anderes Argument ist, dass die Menschen jetzt krisenmüde seien und man sie daher nicht mit einem weiteren Thema konfrontieren möchte. Wir haben aber nun nicht wie bisher nur eine Krise vor uns, sondern gleich mehrere schwere, die sich auch noch wechselseitig verstärken können. Daher wird es mit jedem nicht genutzten Tag schwieriger, den Ernst der Lage zu vermitteln, ohne Überreaktionen auszulösen. Uns fehlt als Gesellschaft die fundierte Basis („Resilienz“), um mit solchen Hiobsbotschaften umgehen zu können. Die fehlende Sicherheitskommunikation und „Geistige Landesverteidigung“ der vergangenen Jahrzehnte fallen uns jetzt auf den Kopf. Ein weiteres Zuwarten und Hoffen, dass es schon nicht so schlimm kommen wird, sind jedoch noch fahrlässiger und verringern mit jedem Tag die gesellschaftliche Handlungs- und Krisenbewältigungsfähigkeit. Für die zwingend notwendige gesellschaftliche Krisenfitness braucht es jetzt eine rasche und transparente sowie ehrliche Sicherheitskommunikation, die auch das anspricht, was man nicht weiß und wo für alle Unsicherheiten bestehen. Die bisher fehlende Sicherheitskommunikation und nichtgelebte Verantwortungsdiffusion haben bereits zu einem enormen Vertrauensverlust in die Verwaltung und Politik geführt, der mit jedem weiteren untätigen Tag zunimmt. Das Gegenteil von gut ist nicht böse, sondern gut gemeint. Noch haben wir die Möglichkeit, sinnvolle Maßnahmen vorzubereiten und umzusetzen.

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Subsumtionslogiken von Versionsbildung und Untersuchungsplanung. Strukturbrüche in verbliebenen Relikten der sozialistischen Kriminalistik

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Markus Loichen

In diesem Beitrag soll durch eine strukturanalytische Aufschließung explizierbarer Handlungsprobleme (vgl. Oevermann 2002b, 22) der ehemaligen sozialistischen Kriminalistik (vgl. Stelzer 1977) untersucht werden, inwieweit die aus der Zusammenarbeit zwischen der Kriminalpolizei der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) stammende und auf geheimpolizeilichen sowjetisch-tschekistischen Methoden basierende (vgl. Gieseke 1999, 208–240) kriminalistische Versionsbildung sowie die ihr vorausgehende Untersuchungsplanung (vgl. Ackermann/Strauß 1986) weiterhin Inhalte der Lehre an deutschen Bildungseinrichtungen der Polizei bestimmen (vgl. Ackermann 2019b, 191–248). In diesem Zusammenhang erscheinen die in der hier analysierten Kriminalistikliteratur vereinzelt verwendeten strukturbildenden Merkmale und Implikationen für ein objektives kriminalistisches Denken als nicht mehr zeitgemäß. Dazu wird in diesem Beitrag die Auffassung vertreten, dass die gelehrten und in weiten Teilen auf Denkfehlern basierenden Ermittlungsinstrumente durch ihre historisch belegbare Anfälligkeit insbesondere gegenüber einseitiger Politisierung, Ideologie und Parteilichkeit nachweislich nicht nur mangelnde Sachhaltigkeit erkennen lassen (vgl. Oevermann 1983, 234), sondern unreflektiert vermittelt in der kriminalwissenschaftlichen Lehre sowie in der späteren praktischen Anwendung vermehrt parteiische Tendenzen fördern. Dies scheint ferner zu begünstigen, dass sich bei polizeilichen Ermittlungen insbesondere durch Erfolgs- und Zeitdruck zu früh auf bestimmte formelhafte Versionen über den Ablauf der Tat oder die Täter festgelegt und damit nur noch nach den Dingen gesucht wird, die die eigene subjektiv anfällige Version stützen (vgl. Clages 2019, 158). Derart an den Fall herangetragene Prädispositionen könnten innerhalb der kriminalpolizeilichen Ermittlungen und insbesondere in Befragungs- und Vernehmungssituationen zu einer Verstärkung des Selbstbestätigungseffektes führen (vgl. Häcker et al. 2021, 190–195).

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Impulse für eine lernende und adaptive Polizei. Versuch einer Charakterisierung

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Jan-Philipp Küppers

Die Notwendigkeit der Anpassung an wandelnde Zeiten ist besonders groß für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS). „Die Polizei ist eine lernende Organisation“ – darüber herrscht in Politik, Polizeigewerkschaften und Polizeiführung bereits große Einstimmigkeit. Jedoch bietet auch die Polizei nicht die besten Bedingungen für die Entfaltung einer lernenden und adaptiven Organisation. Was das konkret bedeutet und wie die Konzepte der lernenden Organisation in die Praxis umgesetzt werden, wird hingegen weniger diskutiert. Vor diesem Hintergrund werden Schlüsselmerkmale und Anpassungsstrategien als Impulse für eine lernende und adaptive Organisation der Polizei skizziert. Die Funktionsweise von Managment und Organisation in der Polizei wird maßgeblich dadurch bestimmt, wie darin gearbeitet, gedacht und interagiert wird. Neben Strukturen, Prozessen und Arbeitsabläufen sind vor allem Einstellungen, Überzeugungen und Sichtweisen mit dafür verantwortlich, in welchem Ausmaß grenzüberschreitende, organisationale Veränderungsprozesse fortlaufend bestehen, sich Mitarbeitende damit positiv identifizieren und darin weiterentwickeln und systemische Probleme angehen. Auch wenn präventive Lernprozesse schwerfallen, ist es in Zeiten von Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit eine notwendige Bedingung, sich auch mit organisationalen Lernprozessen im sicherheitsrelevanten Umfeld der Polizei zu befassen. Dabei steht weniger ein konkreter Sicherheitsaspekt im Vordergrund als die Fähigkeit, vernetzt und systemisch zu denken. Anhand einer Dienststelle wird diskutiert, wie ein organisationaler Lernprozess in der alltäglichen Polizeiarbeit initiiert werden kann.

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„European Conference on Antisemitism“. Die Erfassung antisemitischer Vorfälle im nationalen und europäischen Kontext

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Antonio-Maria Martino

Antisemitismus stieg während der COVID-19-Pandemie insbesondere online an. Seit etlichen Jahren sind in Europa in verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) Anfeindungen gegenüber Jüdinnen und Juden an der Tagesordnung – nicht nur im Internet, sondern auch in der realen Welt. Es erstaunt nicht, dass es zur Abwanderung jüdischer Menschen aus Europa kommt. Die EU hat lange gebraucht, um auf diese Entwicklungen zu reagieren. Seit einigen Jahren besteht ein politischer und rechtlicher Rahmen, der der Bekämpfung von Antisemitismus dient. Seit Oktober 2021 besteht eine umfassende EU-Strategie zur Bekämpfung von Antisemitismus und zur Förderung jüdischen Lebens. Zur Unterstützung von deren Umsetzung hat Österreich durch die für die Bekämpfung von Antisemitismus und für die Förderung jüdischen Lebens verantwortliche Bundesministerin Karoline Edtstadler eine europäische Initiative zur verstärkten Zusammenarbeit für die Umsetzung der EU-Strategie gegen Antisemitismus lanciert. Die „European Conference on Antisemitism (ECA)“ tagte erstmals am 18./19. Mai 2022 in Wien und widmete sich in erster Linie der Harmonisierung der Erfassung antisemitischer Vorfälle in der EU.

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Rocker und Kriminalität – Ergebnisse eines Forschungsprojekts

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Bettina Zietlow, Philipp Müller

Ob kriminelles Handeln und die Mitgliedschaft in einem Rockerclub untrennbar miteinander verbunden sind, wird immer wieder diskutiert. Zugleich ist über die Täterinnen und Täter der „Rockerkriminalität“ wenig bekannt. In dem Beitrag werden Ergebnisse eines empirischen Forschungsprojekts vorgestellt, in dem (auch) anhand einer umfangreichen Analyse von Strafverfahrensakten das Thema untersucht wurde. Es wird diskutiert, ob sich Annahmen dazu, was Rockerkriminalität typischerweise ausmacht, bestätigen lassen.

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