Sport

Lange Reise auf kleinen Wegen

Im Jahre 2015 bei unserer Radtour nach Istanbul benutzten wir bei der Heimfahrt von Griechenland die Fähre nach Venedig. Damals radelten wir bei Thessaloniki vorbei und mein Freund Peter machte als Gag die Bemerkung: "Wenn wir jetzt rechts abbiegen, sind wir in einer Woche auch daheim". Wir blieben aber beim Plan, wussten aber schon, dass wir diese Idee einmal umsetzen und mit dem Rad von Griechenland nach Hause fahren werden. Jetzt war es soweit.

Mit von der Partie strampelten wieder meine altbewährten Freunde Mag. Peter Sagmeister und Robert Tscharf. Diesmal gönnten wir uns eine Zugfahrt nach Venedig, wo wir am Fährterminal nachts um 03:00 Uhr samt den Rädern einer Sicherheitskontrolle unterzogen wurden. Während hunderte Autos und LKWs auf die Fähre rollten, unterzog man unsere Räder samt Gepäck einem Bombencheck. Man erahnte scheinbar einen kriminellen Hintergrund. In der Kabine erholten wir uns von der kurzen Nacht und rollten am 10. Oktober um 08:00 Uhr noch vor den Fahrzeugen von der Fähre in Igoumenitsa. Ausgeschlafen und guter Dinge begannen wir die Heimfahrt. Bei der Planung unserer Route nahmen wir besonders auf verkehrsarme und kleine Straßen Bedacht. Das macht das Radreisen stressfreier, allerdings muss man meistens mehr Höhenmeter in Kauf nehmen. Wir freuten uns auf eine Übernachtung im selben Hotel, das wir bei unserem letzten Aufenthalt besucht hatten, wurden aber wegen Platzmangel leider abgewiesen. Die Ersatzunterkunft war in Ordnung, als Frühstück gab es Toast und eine Packung Milch lauwarm aus der Mikrowelle. Es dämmerte und Nebel lag über dem Tal, als wir Richtung Grenze fuhren. Erst weit in Albanien lichtete sich der Nebel und eine wunderschöne Gebirgslandschaft kam zum Vorschein. Wir wussten von der Reiseplanung, dass eine Schotterstraße über das Gebirge Richtung Berat führt, aber erst mussten wir Permet erreichen, wo wir auch erstmals Geld wechseln konnten. Nach einer Stärkung mit gegrilltem Lamm folgte die Bergetappe. Doch die Schotterstraße glich schon nach wenigen Kilometern eher einem Bachbett als einer Straße, es begegneten uns nur noch einzelne Jeeps oder Tragesel. Bedingt durch die schlechte Straße kamen wir nur noch langsam voran und konnten die Zeit auch bei der Abfahrt nicht aufholen. Spät abends in der Dämmerung erreichten wir Berat und bezogen ein gemütliches Hotel in der Innenstadt. Nach dem Essen fielen wir in die Betten und ahnten schon, dass wir am nächsten Tag unsere weiteste Etappe nach Lezhe wahrscheinlich nicht schaffen werden. Zu groß waren die Anstrengungen des Vortags und zu kurz die zur Verfügung stehende Tageszeit. Außerdem stand wieder ein Berg zwischen uns und der Hauptstadt Tirana. Aber erst galt es wieder dorthin zu kommen. Über 60 km auf Nebenstraßen, einen schönen Fluss entlang, kamen wir nach Elbasan, dann ging es bergauf. Die neue Autobahn entlastete diese frühere Hauptverbindung und wir konnten ungestört die herrliche Bergstraße in Angriff nehmen. Bei der Ankunft in Tirana war es bereits 15 Uhr und nach Lezhe waren es noch 65 km. Wir entschieden uns in Tirana zu bleiben. Der dritte Tag führte uns aus der Hauptstadt nach Lezhe und gleich weiter zur Grenze nach Montenegro. Mit den letzten albanischen Lira stärkten wir uns mit Grillfleisch, bevor nach der Grenze die Berge westlich des Skadar Sees warteten. Über eine Gemeindestraße sparten wir 7 km, dafür forderte eine extreme Steigung den kleinsten Gang, rundherum wären wir wahrscheinlich schneller gewesen. Wir wussten, die ersten Quartiere gab es erst um Virpazar, das liegt schon fast am Ende des Sees. Die Straße dorthin führte jedoch oft weit weg vom See bergauf und bergab und es wurde langsam finster. Ich hatte gerade mein Licht eingeschalten, als ich bei einem der ersten Häuser das Schild Apartment las. Ich blieb stehen, fragte kurz gehalten: "Essen, trinken, schlafen, Frühstück"? Der Inhaber bejahte und wir blieben. Wir mussten nur noch die Frage beantworten: Fisch oder Fleisch, damit war der Abend gelaufen. Wie versprochen meldete ich mich per Whats App beim Chef der Grenzpolizei, unserem Freund Sinisa. Eine Stunde später war er da und wir verbrachten einen netten Abend. Das Aufholen einer ganzen Tagesetappe war nicht so einfach möglich, schon allein wegen der vielen Höhenmeter. So entschieden wir uns für einen "gemütlichen" Tag und wir fuhren nur bis Cetinje. Es sollte mit 60 km und 1230 Höhenmetern ein Supertag werden, denn wir benutzten die alte Straße, auf der so gut wie keine Autos mehr fahren. Die Krönung war dann der Besuch von Vlatko, auch ein Freund der Grenzpolizei Montenegro. Er kam mit seiner Frau, nahm dabei eine Stunde Anfahrt in Kauf, und verbrachte mit uns den Nachmittag und Abend. Von einem Aussichtspunkt im Lovcen Nationalpark genossen wir die Abendsonne mit Blick auf die Bucht von Kotor. Der nächste Tag führte uns abermals durch das Hochland von Montenegro zur Grenze. Die Kollegen hatten uns diese Straße empfohlen, einspurig, ohne Verkehr. Nur beim Grenzübergang teilte uns der Beamte mit, dass dieser Übergang nur für den kleinen Grenzverkehr bestimmt sei und wir nicht drüber dürften. Ein kurzer Anruf bei Freunden und das Problem war gelöst, entspannt rollten wir nach Trebinje in Bosnien. Dieses Land sollte uns nun 4 Tage beschäftigen, entlang der kroatischen Grenze kurbelten wir nach Norden und nächtigten in Mostar, in Livno und im Nationalpark UNA. Bei Bihac überquerten wir schließlich die Grenze nach Kroatien, schliefen einmal in Severin na Kupi, dann ging es schon nach Slowenien. Den Abschlussabend verbrachten wir in Laibach. Der Weg über den Loiblpass nach Hause war der zweitkürzeste der Reise, insgesamt kamen wir auf 1533 km und 18340 Höhenmeter in elf Tagen, aber das ist nicht so wichtig. Alle im Team haben ihren Beitrag geleistet, es gab keine Panne, keine Streiterei, das Wetter spielte perfekt mit, es gab nur intensive, wunderschöne Erlebnisse, von denen wir noch lange zehren werden. Und alle sind gesund zu Hause, das ist das wichtigste.

Sepp Bierbaumer

Der Autor J. Bierbaumer über dem Skadar See (Montenegro)
Foto: ©  J. Bierbaumer
Steile Schotterstraße Richtung Berat (Albanien)
Foto: ©  J. Bierbaumer
Einsame Bergstraße bei Elbasan (Albanien)
Foto: ©  J. Bierbaumer
Der einzige Gegenverkehr....
Foto: ©  J. Bierbaumer
Das Team:  vrnl Mag Peter Sagmeister, Robert Tscharf, Josef Bierbaumer
Foto: ©  J. Bierbaumer

Artikel Nr: 17456 vom Mittwoch, 13. November 2019, 09:33 Uhr
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