Rechtsstaat und Menschenrechte

Empfehlungen 2010


2010/12 - Empfehlung zu Sicherstellung von effektiven Rechtsschutz in Schubhaft (vor inl. Behörden + EGMR)

Empfehlung Nr. 354:
Die seit Oktober 2010 geltende Verfahrensordnung des EGMR ermächtigt in ihrer „rule 39“ den EGMR dazu, auf Antrag einer betroffenen Person Maßnahmen von Mitgliedstaaten mit Verfügung für unzulässig zu erklären, wenn durch sie eine Verletzung von Rechten aus der EMRK bewirkt werden könnten. Damit ist die Möglichkeit eines Rechtsschutzes gegen drohende Rechtsverletzungen geschaffen worden.

Voraussetzung für einen solchen Antrag ist es aber, dass die betroffene Person von der Möglichkeit eines solchen Antrages Kenntnis erlangt hat. Eine solche Möglichkeit besteht derzeit für Schubhäftlinge nur in sehr beschränktem Umfang.

Der MRB empfiehlt daher, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Menschen in Schubhaft durch eine effektive Rechtsberatung Informationen darüber erhalten, welche Möglichkeiten ihnen offen stehen, um bei österreichischen Behörden und beim EGMR Rechtsschutz zu suchen.

Hintergrund zur Empfehlung Nr. 354 (14,1 KB) 

zurück zur Übersicht


2010/10 - Empfehlung zur Organisation und Durchführung einer Abschiebung

Empfehlung Nr. 353:
(1.) Aus Anlass seiner Wahrnehmungen zum Fall der Familie Komani empfiehlt der Menschenrechtsbeirat, bei Abschiebungen in jeder Phase des Geschehens zu prüfen, ob menschenrechtliche Aspekte aufgetreten sind, die eine Fortsetzung der Abschiebung als nicht angezeigt erscheinen lassen.

Hintergrund zur Empfehlung Nr. 353 (13,8 KB) 

zurück zur Übersicht


2010/10 - Empfehlung zum Absehen der Überstellungen nach Griechenland aufgrund der Dublin-II VO

Empfehlung Nr. 352:
(1.) Berichte darüber, dass sowohl der EGMR als auch der EuGH derzeit mit der Frage der menschenrechtlichen Zulässigkeit von Überstellungen nach Griechenland in sog. Dublinfällen befasst sind, gibt dem MRB Anlass zu empfehlen, bis auf weiteres in Dublinfällen von Überstellungen nach Griechenland abzusehen und vom Selbsteintrittsrecht Österreichs Gebrauch zu machen.

Hintergrund zur Empfehlung Nr. 352 (18,2 KB) 

zurück zur Übersicht


2010/09 - Empfehlung zum Informationsfluss zw. Behörden bei Selbstgefährdung eines Schubhäftlings

Empfehlung Nr. 351:
Grundlage für diese Empfehlung sind die Ereignisse, die sich beim Besuch in der EASt Thalham zugetragen haben:

Am 26.1.2010 erging an die PI der Befehl, einen Iraner in Schubhaft zu nehmen. Der Betroffene wurde von einer Psychologin betreut, die im Rahmen eines laufenden, vom BMI finanzierten und vom Verein Menschenleben  durchgeführten Projekts „psychologische Betreuung“ tätig ist. Im Zuge der Amtshandlung wurden die PolizeibeamtInnen von der den Betroffenen betreuenden Psychologin darüber in Kenntnis gesetzt, dass hinsichtlich des Festzunehmenden eine akute Suizidgefahr bestehe und aus diesem Grund (unabhängig von der bevorstehenden Verhaftung, von der weder der Betroffene noch die Psychologin zu diesem Zeitpunkt Kenntnis hatten) der Notarzt bzw. Krankenwagen bestellt worden sei. Infolge dieser Information hielt der einschreitende Beamte unverzüglich mit dem Dienstführenden Rücksprache und erhielt die Anweisung, den Betroffenen bis auf weiteres in den Anhalteraum der PI zu verbringen und danach mit der Behörde Kontakt aufzunehmen. Während des daran anschließenden, von den Beamten überwachten Packvorganges fügte sich der Betroffene mit einer Rasierklinge mehrere Schnitte am linken Handgelenk zu und wurde in der Folge vom Beamten mittels Armstreckhebels zu Fall gebracht und bis zum Eintreffen der Rettung am Boden fixiert, in der Folge unter Polizeibegleitung mit dem Rettungsfahrzeug ins KH VB gebracht.

Die Kommission nahm Einsicht in die Akten der Fremdenpolizei. Sie konnte jedoch keine vollständige, professionelle und abschließende Recherche vornehmen, da sie keine Möglichkeit hat, in Asylakten Einsicht zu nehmen.

Aus den fremdenpolizeilichen Akten waren keine Anhaltspunkte auf die Suizidgefährdung des Betroffenen gegeben. Nach den der Kommission zugänglichen Informationen, dürfte dies auf folgende Umstände zurückzuführen sein:

  • Die Tätigkeit der Psychologin im Rahmen des o.a. Projektes erfolgt rein im Interesse der Betroffenen, so dass auch Verschwiegenheitspflicht besteht. Die Psychologin gibt daher keine Informationen an  Behörden (weder BAA noch BH) weiter.
  • Medizinische Informationen stehen der BH nur dann zur Verfügung, wenn sich entsprechende Hinweise aus Einträgen im AIS ergäben. Eine gesonderte Rubrik, etwa für eine mögliche Selbstgefährdung, ist im AIS nicht vorhanden.
  • Die Asylbehörden geben keine medizinischen Unterlagen, die im Asylverfahren eingesehen wurden, oder eingeholte Gutachten bzw. Informationen daraus weiter.

(1.) Der Menschenrechtsbeirat empfiehlt, im Fall von Verhaftungen und Abschiebungen den Informationsfluss von den Asyl- zu den Fremdenpolizeibehörden, insbesondere was ein bestehendes Selbstgefährdungsrisiko der Betroffenen betrifft, zu verbessern. Weiters wird angeregt, eine Richtlinie zu erlassen, die regelt wie vorzugehen ist, wenn sich während einer Abschiebung Anhaltspunkte für eine Selbstgefährdung betroffener Personen ergeben.

zurück zur Übersicht


2010/04 - Empfehlung zum Selbsteintrittsrecht nach Art 3 Abs. 2 Dublin II-VO bei psychisch Kranken

Empfehlung Nr. 350:
(1.) Der Menschenrechtsbeirat empfiehlt, dass Österreich vom Eintrittsrecht nach Art 3 Abs. 2 Dublin II-VO Gebrauch machen soll, wenn zu erwarten ist, dass sich der Gesundheitszustand einer psychisch kranken Person durch den Abschiebevorgang oder durch die Situation, die der Betroffene im Zielland zu gewärtigen hat, erheblich verschlechtert.

Hintergrund zur Empfehlung Nr. 350 (16 KB) 

zurück zur Übersicht


2010/04 - Empfehlung zum Umgang mit sogenannten "Polizeikesseln"

Empfehlung Nr. 349:
(1.) Wenn Polizeikräfte eine Ansammlung von Menschen im öffentlichen Raum derart umstellen oder abriegeln, dass diese Menschen nicht mehr aus freien Stücken ihren Aufenthaltsort verlassen können, sondern dies - allenfalls gegen Ausweisleistung, Nachweis ihrer Identität o.ä. -  nur mit Erlaubnis von Polizeibeamten tun können („Kessel“), entsteht regelmäßig ein Situation, aus der sich Verletzungen von Rechten der von der Maßnahme betroffenen Personen (insbesondere das Recht auf persönliche Freiheit) ergeben können. Der Menschenrechtsbeirat empfiehlt daher von einer solchen Maßnahme nur unter strikter Beachtung der Verhältnismäßigkeit Gebrauch zu machen.

(2.) Der Menschenrechtsbeirat empfiehlt zudem für sogenannte "Kessel" folgende Begleitmaßnahmen:

  • die in solchen "Kesseln" befindlichen Personen sollen wiederholt und für alle Personen deutlich vernehmbar darüber informiert werden,
    • dass und warum die Polizei sie am Verlassen ihres momentanen Aufenthaltsortes hindert;
    • ob, wann, wo und unter welchen Umständen sie diesen Ort verlassen können;
    • welche Schritte sie setzen können, um ihren Aufenthalt möglichst kurz zu halten;
    • welche weiteren Maßnahmen die Polizei zu setzen gedenkt. (zB Ortswechsel)
  • Für Einsätze, bei denen die Bildung eines solchen „Kessels“ möglich oder gar wahrscheinlich scheint, sollen die nötigen technischen Einrichtungen (Lautsprecher in entsprechender Anzahl und mit entsprechender Tragweite) bereitgehalten werden.
  • Sobald erkennbar wird, dass von einem „Kessel“ auch offenbar unbeteiligte Dritte (Touristen, Kunden von Geschäften vor Ort, Hotelgäste o.ä.) betroffen sind, die auch sonst keiner Gesetzesübertretung verdächtig sind, sollen alle möglichen Maßnahmen ergriffen werden, um jedenfalls diesen Menschen ein sofortiges Verlassen des „Kessels“ zu ermöglichen.
  • Der unfreiwillige Aufenthalt in derartigen „Kesseln“ soll möglichst kurz gehalten werden.
  • Wenn das Verlassen eines solchen „Kessels“ von bestimmten Handlungen der darin befindlichen Personen gegenüber Polizeibeamten abhängig gemacht wird (Ausweisleistung o.ä.) soll eine möglichst große Zahl von Beamten sicherstellen, dass diese Handlungen möglichst schnell vorgenommen werden können.

(3.) Die oben beschriebenen Maßnahmen sollen schon bei der Planung von Großeinsätzen mit berücksichtigt werden.

Hintergrund zur Empfehlung Nr. 349 (21 KB) 

zurück zur Übersicht


2010/01 - 2 Empfehlungen des MRB zu Besuchsrecht vor einer Abschiebung und zur PI Pappenheimgasse

Empfehlung Nr. 347:
(1.) Der Menschenrechtsbeirat empfiehlt, dass in der AnhO eine Regelung aufgenommen wird, wonach in Hinblick auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus berücksichtigungswürdigen Gründen, insbesondere zum Zwecke der Verabschiedung vor einer Abschiebung, ein Besuchsrecht von Familienangehörigen auch außerhalb der Besuchszeiten gewährt wird, sofern ein Besuch während der Besuchszeiten nicht möglich war.

Hintergrund zur Empfehlung Nr. 347 (14 KB) 

Empfehlung Nr. 348:
(2.) Der Menschenrechtsbeirat empfiehlt, dass die Zelle der PI Pappenheimgasse in Wien so umgebaut wird, dass es menschenrechtlichen Mindeststandards gerecht wird. Im Besonderen soll genügend Einfall von natürlichem Licht gegeben sein.

Hintergrund zur Empfehlung Nr. 348 (14,2 KB) 

zurück zur Übersicht


Achtung:

Der Menschenrechtsbeirat im Bundesministerium für Inneres hat seine Tätigkeit mit 30. Juni 2012 beendet. Gemäß dem OPCAT-Durchführungsgesetz (BGBl I Nr. 1/2012) wurde bei der österreichischen Volksanwaltschaft  ein Nationaler Präventionsmechanismus eingerichtet, der zur Verhinderung von Folter und anderen grausamen, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe sowie dem Schutz und der Förderung der Menschenrechte Besuche an Orten der Freiheitsentziehung durchführt.