Rechtsstaat und Menschenrechte

Empfehlungen 2011


2011/12 - Empfehlung zu Einschränkungen von elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten in PAZen

Der Menschenrechtsbeirat hat sich in seiner 104. Sitzung am 1. Dezember 2011 mit den Berichten seiner Kommissionen über das dritte Quartal 2011 befasst. In einem Bericht der Kommission Wien 2 wird ausgeführt, dass in den PAZen den Schubhäftlingen Mobiltelefone ausnahmslos abgenommen werden. Dies führt dazu, dass die Kommunikationsmöglichkeiten der Angehaltenen in einem Maß beschränkt werden, das durch den Zweck der Anhaltung nicht mehr gerechtfertigt ist. Dieser Bericht sowie frühere Berichte der Kommissionen zum selben Thema sind Anlass dafür gewesen, nachstehende Empfehlung zu beschließen:

Empfehlung Nr. 371:
Der Menschenrechtsbeirat empfiehlt, das BM.I möge § 19 Abs. 1a AnhO im Hinblick auf den unterschiedlichen Zweck der Schubhaft im Vergleich zur Untersuchungshaft dahingehend überdenken, dass eine Einschränkung der elektronischen Kommunikation der Schubhäftlinge nur verfügt wird, sofern der Zweck der Schubhaft dies im individuellen Fall erfordert.

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2011/10 - Empfehlungen zu Kindern und Jugendlichen im fremdenrechtlichen Verfahren

Bericht: "Kindern und Jugendlichen im fremdenrechtlichen Verfahren" (1,4 MB) 

Empfehlungen des Menschenrechtsbeirates aus dem Bericht „Kindern und Jugendlichen im fremdenrechtlichen Verfahren

Empfehlung Nr. 360:
(1.) Der MRB empfiehlt, bei unbegleiteten Kindern und Jugendlichen, die im Bundesgebiet  aufgegriffen werden und nicht um Asyl ansuchen

a) eine altersadäquate Erstabklärung der persönlichen, sozialen und rechtlichen Situation unter Beiziehung des Jugendwohlfahrtsträgers durchzuführen und erst danach eine Entscheidung über die Zurückschiebung zu treffen (vgl. Bericht Seite 9).sowie

b) zur Gewährleistung einer das Kindeswohl berücksichtigenden und möglichst einheitlichen Vorgangsweise eine zentrale, rund um die Uhr erreichbare Anlaufstelle einzurichten (vgl. Bericht Seite 9).

Empfehlung Nr. 361:
(2.) Der MRB empfiehlt, vor wichtigen Entscheidungen über Kinder und Jugendliche (insb. im Zusammenhang mit Schubhaft und Ausweisung) eine fachgerechte – in der Regel multidisziplinäre – und vertiefte Kindeswohlprüfung durchzuführen (vgl. Bericht Seite 9f).

Empfehlung Nr. 362:
(3.) Der MRB empfiehlt, die Standards für die Durchführung von Altersfeststellungen im Rahmen eines Fachgesprächs mit multidisziplinärer Beteiligung zu erörtern und insbesondere zu prüfen, inwieweit zu einem System multiprofessioneller Altersdiagnose übergegangen werden kann (vgl. Bericht Seite 18, 19).

Empfehlung Nr. 363:
(4.) Der MRB empfiehlt, zur Gewährleistung angemessenen Rechtsschutzes Feststellungen der Volljährigkeit (nicht durch Verfahrensanordnung, sondern) stets in Bescheidform zu treffen (vgl. Bericht Seite 20).

Empfehlung Nr. 364:
(5.) Der MRB empfiehlt, die Frage der Handlungsfähigkeit nach dem Fremdenpolizeigesetz (mit 16/18 Jahren) im Lichte internationaler Standards und des BVG über die Rechte von Kindern bei einem Roundtable-Gespräch auf breiter Ebene zu erörtern (vgl. Bericht Seite 26).

Empfehlung Nr. 365:
(6). Der MRB empfiehlt, maßgebende Vertreter der Bundesländer und der Jugendwohlfahrt zu ausführlichen Fachgesprächen über die Rolle der letzteren bei (insb. unbegleiteten) Kindern und Jugendlichen (Rechtsvertretung, Altersfeststellung, Obsorge, Zuständigkeiten bei Aufenthaltswechsel, Familienabschiebungen usw.) einzuladen und hiebei das „Tiroler Modell“ der Betreuung zur Diskussion zu stellen (vgl. Bericht u.a. Seiten 9, 10, 26ff).

Empfehlung Nr. 366:
(7.) Der MRB empfiehlt, bei der Ausschreibung von Rechtsberatungsleistungen Erfahrung und Kompetenz im Umgang mit Minderjährigen in das Anforderungsprofil und die Vertragsgestaltung für Rechtsberater aufzunehmen (vgl. Bericht Seite 27).

Empfehlung Nr. 367:
(8.) Der MRB empfiehlt, im Fall der Verhängung der Schubhaft über Jugendliche

a) eine amtswegige Haftprüfung durch den UVS binnen kurzer Frist (höchstens 7 Tage) vorzunehmen (vgl. Bericht Seite 41) und

b) die Bereinigung der durch das Wort „grundsätzlich“ in § 80 Abs.2 Z 1 FPG entstandenen legistischen Unklarheit bei nächster Gelegenheit (vgl. Bericht Seite 40).

Empfehlung Nr. 368:
(9.) Der MRB empfiehlt, den Schubhaftvollzug an Jugendlichen im PAZ Wien in einer offenen Station für Jugendlich zu konzentrieren, etwa in der bisherigen Familienabteilung des PAZ Rossauer Lände (vgl. Bericht Seiten 47f).

Empfehlung Nr. 369:
(10.) Der MRB empfiehlt, die „faktische Mit-Anhaltung“ von Kindern und Jugendlichen bei in Schubhaft genommenen Eltern/Obsorgeberechtigten nur als ultima ratio und in aller Regel nur für wenige Stunden oder Tage unmittelbar vor einer (Familien-)Abschiebung zuzulassen. (vgl. Bericht Seite 57).

Empfehlung Nr. 370:
(11.) Der MRB empfiehlt, von Abschiebungen Abstand zu nehmen, die zur Trennung von Familienmitgliedern führen. Fälle, in denen unter Hintanstellung der Familieneinheit abgeschoben oder überstellt wird, sollten jedenfalls sorgfältig dokumentiert und unter Einbeziehung des Menschenrechtsbeirates periodisch evaluiert werden. (vgl. Bericht Seite 61)

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2011/07 - Empfehlung zu Sozialer Betreuung in Schubhaft

Der Menschenrechtsbeirat hat sich in seiner 101. Sitzung am 30. Juni 2011 Sitzung mit der sozialen Betreuung in Schubhaft befasst und nachfolgende Empfehlungen beschlossen:

Empfehlung Nr. 359:
Teil I (Inhaltliche Definition)

(1.) Der Menschenrechtsbeirat empfiehlt, ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, um eine professionelle (psycho-)soziale Betreuung in Polizeianhaltezentren gewährleisten zu können.

Professionelle (psycho-)soziale Betreuung in PAZen sollte insbesondere die folgenden Leistungen umfassen:

  • Individualberatung und –betreuung
    • Aufnahmegespräch („Sozialanamnese“): Abklärung des individuellen Betreuungsbedarfs
    • Beratung in sozialen, familiären und finanziellen Angelegenheiten (z.B. Schließung des Bankkontos, Banküberweisungen, Abmeldung von Handys, Verständigung von Angehörigen, Vermittlung und Unterstützung bei Behörden und sozialen Einrichtungen)
    • Bei Bedarf Weitervermittlung an Fachpersonen wie PsychologInnen, PsychiaterInnen, JuristInnen
    • generelle Ansprechperson (Vertrauensperson) für Angelegenheiten des PAZ-Alltags
    • Intervention bei personenbezogenen psychosozialen Prozessen (Krisenintervention)
    • Versorgung mit Gegenständen des täglichen Bedarfs (v.a. bei mittellosen Häftlingen): z.B. Kleidung, Wäsche, Hygieneartikel, Tabak, Telefonwertkarten
    • Nachbetreuung nach Entlassung aus PAZ: Erhebung von Problemlagen, Vermittlung an spezialisierte Einrichtungen, Ressourcensuche
    • Vernetzung mit verschiedenen Einrichtungen und Beratungsstellen, insbesondere Koordination mit der seelsorgerischen Betreuung im PAZ.
  • Gruppendynamische Betreuung
    • Mediation zur Verbesserung des Klimas, der Kommunikation und des Kontaktes zwischen den InsassInnen und auch zu den PAZ-Bediensteten
  • Freizeitpädagogischer Bereich
    • Organisation und Koordination von sinnvollen Beschäftigungsmöglichkeiten (z.B. Sport-, Bastel- und Musikgruppen; darunter auch Sprachförderung)
    • Kooperation mit PAZ-Bediensteten und Externen (z.B. NGOs)

Teil II (Organisatorische Vorkehrungen)

Die Anwesenheit der SozialarbeiterInnen in den PAZen sollte so gestaltet sein, dass das Aufnahmegespräch („Sozialanamnese“) ohne unnötigen Aufschub erfolgen kann (und eine professionelle Betreuung im Umfang des vorgeschlagenen Leistungskataloges gewährleistet werden kann.)

(2.) Um eine qualitative hochwerte Betreuung sicherzustellen, empfiehlt der Menschenrechtsbeirat die Funktion von diplomierten SozialarbeiterInnen von anderen Funktionen in der Schubhaft zu trennen.

Hintergrund zur Empfehlung Nr. 359 (207,8 KB) 

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2011/05 - Empfehlung zu Grundversorgung, Hungerstreik, Kommunikationsprobleme bei Abschiebungen

Kontrolle der Grundversorgung:

Empfehlung Nr. 355:
(1.) Der MRB empfiehlt, bei Kontrollen der sog. Grundversorgung, den Kontrollierten  ein Informationsblatt auszuhändigen, das die jeweils Betroffenen in einer für sie  verständlichen Sprache, über den Vorgang der Grundversorgungskontrolle informiert.

Empfehlung Nr. 356:
(2.) Der MRB empfiehlt für einen höheren Frauenanteil unter den eingesetzten BeamtInnen der Fremdenpolizei Sorge zu tragen.

Hintergrund zur Empfehlung Nr. 355 & 356 (14,6 KB) 

Untersuchung von Personen im Hungerstreik:

Empfehlung Nr. 357:
(1.) Der Menschenrechtsbeirat empfiehlt, dass zur Vermeidung des unbemerkten Eintritts der Gefahr einer schweren Gesundheitsbeeinträchtigung spätestens 72 Stunden seit Beginn des Unterlassens der Nahrungsaufnahme jedenfalls eine erste Blut-Laboruntersuchung vorzunehmen ist.

Hintergrund zur Empfehlung Nr. 357 (15,8 KB) 

Kommunikationsprobleme bei Abschiebungen

Empfehlung Nr. 358:
(1.) Der MRB empfiehlt, bei Abschiebungen im Fall des Bestehens einer sprachlichen Barriere zwischen BeamtInnen und Abzuschiebenden, zu gewährleisten, dass  eine Dolmetscherin/ein Dolmetscher für eine dem/der Betroffenen verständliche Sprache zumindest telefonisch beigezogen wird. Dies jedenfalls bis zum Abflug oder bis zur Abfahrt des Transportmittels, in Problemfällen erforderlichenfalls darüber hinaus.

Hintergrund zur Empfehlung Nr. 358 (12,6 KB) 

 

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Achtung:

Der Menschenrechtsbeirat im Bundesministerium für Inneres hat seine Tätigkeit mit 30. Juni 2012 beendet. Gemäß dem OPCAT-Durchführungsgesetz (BGBl I Nr. 1/2012) wurde bei der österreichischen Volksanwaltschaft  ein Nationaler Präventionsmechanismus eingerichtet, der zur Verhinderung von Folter und anderen grausamen, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe sowie dem Schutz und der Förderung der Menschenrechte Besuche an Orten der Freiheitsentziehung durchführt.