Rechtsstaat und Menschenrechte

Empfehlungen 2012


2012/06 - Empfehlungen zum Bericht AG Menschenhandel

In Österreich erfuhr die Thematik Menschenhandel in den letzten Jahren zusehends größere politische und mediale Aufmerksamkeit. Gesteigertes Bewusstsein für das Problem und großes Engagement bei der nationalen Umsetzung von Maßnahmen zur Prävention von Menschenhandel, zum Schutz seiner Opfer, zur Strafverfolgung sowie zur internationalen Zusammenarbeit der Behörden und Nichtregierungsorganisationen durch die seit 2004 bestehende Task Force gegen Menschenhandel und dabei im Rahmen von umfassenden nationalen Aktionsplänen erkennbar. Seitens des BM.I – insbesondere durch BeamtInnen des .BK und der LKA – wurden Anstrengungen unternommen, aktiv zur Bekämpfung des Menschenhandels beizutragen. Dennoch bestehen weiterhin Defizite und damit Möglichkeiten zur Verbesserung, die im Folgenden in Empfehlungen des MRB an die Bundesministerin für Inneres zusammengefasst werden.


Empfehlung Nr.: 378
(1.) Empfehlung des MRB über einen weiteren Ausbau der bundesweiten Betreuungs- und Schutzstrukturen für Opfer des Menschenhandels

Der MRB empfiehlt,

  • dass Betreuungs- und Schutzstrukturen auch für Männer und Kinder, die vermutlich Opfer von Menschenhandel sind, bundesweit gewährleistet werden;
  • dass vermutete Opfer des Frauenhandels über die bestehenden Möglichkeiten hinaus in den Bundesländern auch faktischen Zugang zu den Betreuungs- und Schutzstrukturen der in Wien ansässigen Interventionsstelle von LEFÖ oder einer vergleichbar qualifizierten Stelle erhalten.

Empfehlung Nr.: 379
(2.) Empfehlung des MRB zu einem Erlass über die Vorgangsweise von BeamtInnen im Umgang mit Opfern des Menschenhandels

Der MRB empfiehlt, 

  • eine klare Handlungsanleitung für PolizeibeamtInnen aller Dienst- und Verwendungsgruppen für den praktischen Umgang mit vermuteten Opfern von Menschenhandel durch einen Erlass der Bundesministerin für Inneres zu schaffen.
  • Aus einem solchen Erlass sollte hervorgehen, dass eine Identifizierung von Opfern des Menschenhandels, das Ergreifen erster Opferschutzmaßnahmen und die Weiterleitung von Verdachtsmomenten an die zuständigen Stellen des BK bzw. des LKA sowie an geeignete Opferschutzeinrichtungen in den Aufgabenbereich aller involvierten BeamtInnen fällt.
  • Dieser Erlass sollte auf geeignete und nachvollziehbare Weise allen BeamtInnen - insbesondere aber BeamtInnen der Polizeianhaltezentren, BeamtInnen, die regelmäßig an Bordellstreifen, Rotlichtstreifen, Schnellrichterstreifen oder ähnlichen Einsätzen teilnehmen, und BeamtInnen der Fremdenpolizei - bekannt gemacht und in Schulungen vermittelt werden.

Empfehlung Nr.: 380
(3.) Empfehlung des MRB zur stärkeren Fokussierung auf Opferschutz und Opferrechte insbesondere beim polizeilichen Einschreiten im Kontext von Menschenhandel

Der MRB empfiehlt,

  • dass mögliche Opfer von Menschenhandel bereits bei einem Verdachtsmoment zum ehest möglichen Zeitpunkt über Opferrechte nach der StPO, über besondere Rechte für Opfer von Menschenhandel, wie die Bestimmungen des § 69a Abs 1 Z 2 NAG über den Aufenthaltstitel „Besonderer Schutz“, und über die Beratungsangebote von qualifizierten Opferschutzeinrichtungen informiert werden. Auf Wunsch der Betroffenen sollten die BeamtInnen die Kontaktaufnahme mit diesen Einrichtungen telefonisch oder persönlich ermöglichen oder durchführen. Dies wird in der kriminalpolizeilichen Praxis bereits so gehandhabt, sollte aber insbesondere auch beim verwaltungspolizeilichen Einschreiten gelten.
  • Für Angehaltene in den PAZen sollten mehrsprachige Informationen über Rechte von Opfern des Menschenhandels zugänglich sein. Diese Informationsmaterialien sollten jedenfalls bei einem Erstgespräch im Rahmen der Aufnahme in das PAZ an Angehaltene ausgeteilt werden und in den Räumlichkeiten des offenen Vollzuges aufliegen.

Empfehlung Nr.: 381
(4.) Empfehlung des MRB zu einer Erweiterung der Schulungstätigkeit im Bereich Menschenhandel

Der MRB empfiehlt eine Ausweitung der Schulungstätigkeiten zum Thema Menschenhandel.

Schulungen über die Thematik Menschenhandel sollten

  • als verpflichtender Teil der polizeilichen Grundausbildung,
  • als verpflichtende Fortbildungsveranstaltung für BeamtInnen aller Dienst- und Verwendungsgruppen im Rahmen der berufsbegleitenden Fortbildung für PolizistInnen abgehalten werden.

Freiwillige Fortbildungsveranstaltungen über die Thematik Menschenhandel an der .SIAK sollten für BeamtInnen aller Dienst- und Verwendungsgruppen regelmäßig, mehrmals pro Jahr und für größere TeilnehmerInnengruppen angeboten werden.

Schulungen über die Thematik Menschenhandel sollten

  • auf die speziellen Arbeitskontexte und Schulungsbedürfnisse von BeamtInnen, wie etwa jener der Polizeianhaltezentren, eingehen;
  • entsprechende spezialisierte Schulungsinhalte vermitteln;
  • BeamtInnen für die Problematik Menschenhandel sensibilisieren;
  • menschenrechtliche, allgemein juristische und (kriminal-)polizeiliche Aspekte sowie
    die Rolle und Funktion der Opferschutzeinrichtungen gemäß § 25 Abs. 3 SPG umfassen.

BeamtInnen aller Dienst- und Verwendungsgruppen, die mit Opfern von Menschenhandel in Berührung kommen könnten, sollten aktiv durch geeignete Maßnahmen auf die freiwilligen Schulungsangebote aufmerksam gemacht und zur Teilnahme ermutigt werden.

Empfehlung Nr.: 382
(5.) Empfehlung des MRB zu den Indikatoren zur Erkennung von Opfern des Menschenhandels

Der MRB empfiehlt,

  • die Indikatorenliste zur Opfererkennung im Kontext von Menschenhandel und grenzüberschreitender Prostitution, die vom .BK in Kooperation mit LEFÖ-IBF ausgearbeitet wurde, als praktisches Tool für PolizeibeamtInnen für die speziellen Arbeitskontexte der BeamtInnen aufzubereiten;
  • eine Indikatorenliste für die Erkennung von Opfern des Menschenhandels zum Zweck der Arbeitsausbeutung durch das .BK in Kooperation mit ExpertInnen von NGOs oder internationalen Organisationen weiterzuentwickeln
  • zusätzlich zu den bereits dazu vorhandenen Informationen im Intranet des BM.I und am .SIAK Online-Campus diese Indikatorenlisten bekannt zu machen, aktiv zu bewerben sowie in relevanten Schulungen zu vermitteln.

Empfehlung Nr.: 383
(6.) Empfehlung des MRB zur Information über und langfristigen Sensibilisierung für die Thematik Menschenhandel

Der MRB empfiehlt,

  • Informationsmaterialien über die Thematik Menschenhandel, auch jene, die im kriminalistischen Leitfaden im Intranet des BM.I publiziert sind, allen PolizeibeamtInnen zur Sicherstellung eines hohen Informationsgrades und zur Sensibilisierung leicht zugänglich und weiterhin in der jeweils aktuellen Fassung zur Verfügung zu stellen, u.a. im Intranet des BM.I und im .SIAK Online-Campus.
  • Leitgedanke und Grundsatz aller Informationsmaterialien sollte der Schutz der Opfer und ihrer Menschenrechte sein.

Empfehlung Nr.: 384
(7.) Empfehlung des MRB für eine Kooperation mit NGOs, insbesondere LEFÖ-IBF, im Bereich Menschenhandel

Der MRB empfiehlt,

  • die bereits bestehenden Kooperationen und Netzwerke zwischen spezialisierten NGOs wie LEFÖ-IBF und den involvierten Dienststellen weiterzuentwickeln und zu institutionalisieren;
  • die Kompetenz und Expertise von ExpertInnen spezialisierter NGOs insbesondere bei der Betreuung von Opfern des Menschenhandels und bei der Sensibilisierung und Schulung von BeamtInnen zu dieser Thematik intensiver zu nützen;
  • LEFÖ-IBF– als derzeit einzige in Österreich gemäß § 25 Abs. 3 SPG beauftragte Opferschutzeinrichtung und Interventionsstelle – Zugang zu den PAZen für institutionalisierte und regelmäßige Besuche zu gewährleisten;
  • die derzeit bestehenden Ressourcen der gemäß § 25 Abs. 3 SPG beauftragten Opferschutzeinrichtung zu erweitern oder weitere qualitativ gleichwertige Stellen zu beauftragen, um möglichen Opfern des Menschenhandels bundesweit gleichermaßen den faktischen Zugang zu Opferschutzleistungen zu gewährleisten, auch bei Anhaltung in PAZen.“

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2012/06 - Empfehlung zu Beschäftigungsmöglichkeiten in PAZen

Empfehlung Nr. 377:
Der MRB empfiehlt, den für die Polizeianhaltezentren zuständigen Stellen aufzutragen, die Beschäftigungsmöglichkeiten für Häftlinge zu erweitern und zu verbessern, zumindest soweit sie mit keinem besonderen finanziellen oder personellen Aufwand verbunden sind (beispielsweise durch Spielesammlungen, Tischfußball, Fernsehgeräte, fremdsprachige Zeitungen und Bücher, Möglichkeiten zu Fußball- oder Basketballspiel im Freien etc.) und der Zentralstelle bis Ende 2012 über die getroffenen Maßnahmen zu berichten.

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2012/06 - Ergänzende Empfehlung zum Einsatz des TASER

Empfehlung Nr. 376:
(1.) Die Untersuchung der möglichen Auswirkungen eines Einsatzes des TASER auf Menschen  ist zwar sehr sorgfältig durchgeführt worden, konnte aber nur auf der Grundlage theoretischer Annahmen erfolgen. Daher ist es nicht völlig auszuschließen, dass bei einem tatsächlichen Einsatz gegen Menschen Auswirkungen zu Tage treten, die bisher nicht beobachtet werden konnten. Aus diesem Grund wird empfohlen, durch einen Zeitraum von drei Jahren eine begleitende Beobachtung aller TASER- Einsätze durchzuführen, in der genau erhoben wird, ob es Auswirkungen und damit Risikofaktoren gibt, die bisher nicht bekannt gewesen sind.

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2012/05 - Empfehlung zu Abschiebung von Familie Geerev

Empfehlung Nr. 375:
Der MRB empfiehlt, mit der Abschiebung der Familie Geerev bis auf weiteres nicht nur innezuhalten, sondern auch die Erteilung von Aufenthaltstiteln an diese Familie aus humanitären Gründen sowie zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens nochmals vollständig zu prüfen.

Dazu darf folgendes bemerkt werden:

Die Empfehlung ist aus dem derzeitigen Informationsstand des Beirates entstanden. Falls bereits Schritte gesetzt worden sein sollten, die dem Inhalt der Empfehlung bereits entsprechen möge die Empfehlung als gegenstandslos betrachtet werden.

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2012/05 - Empfehlungen zu Einsatz des TASER

Empfehlung Nr. 373:
(1.) Der Menschenrechtsbeirat empfiehlt, den derzeitigen Standard der Aus- und Fortbildung in Bezug auf Einsatztraining und Menschenrechte beizubehalten, damit der TASER nur bei unbedingter Erforderlichkeit und nur im unbedingt notwendigen Umfang zum Einsatz gebracht wird.

Empfehlung Nr. 374:
(2.) Der Menschenrechtsbeirat empfiehlt, den TASER so einzusetzen, dass das Risiko für das Auslösen von Herzkammerflimmern so gering wie möglich gehalten wird. Da dieses Risiko nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, ist sicher zu stellen, dass beim Mitführen eines  TASERS in einem Einsatzfahrzeug auch ein Erst-Helfer-Defibrillator zur Verfügung steht.

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2012/03 - Führung von Statistiken über die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes in Dublin-Fällen

Die vom Menschenrechtsbeirat eingerichtete Arbeitsgruppe "Evaluierung", deren Aufgabe es ist, die Umsetzung von Empfehlungen des Beirats zu beobachten, hat darauf hingewiesen, dass es keine Statistiken über die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes in sogenannten Dublin-Fällen gibt. Dies hat zur Folge, dass es keine Unterlagen gibt, aus denen rasch Informationen über die Praxis der Handhabung dieses Rechts bzw. dieser Möglichkeit, in "Dublin-Fällen" die Entscheidung in Österreich zu treffen, entnommen werden könnten. Die Arbeitsgruppe hat eine Empfehlung angeregt.

Der Beirat hat  in seiner Sitzung vom 1.3.2012 beschlossen, diese Anregung aufzugreifen und folgende Empfehlung beschlossen:

Empfehlung Nr. 372:
"Der Menschenrechtsbeirat empfiehlt in Ergänzung zu seiner Empfehlung Nr. 338, dass Statistiken über die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes geführt werden."

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Achtung:

Der Menschenrechtsbeirat im Bundesministerium für Inneres hat seine Tätigkeit mit 30. Juni 2012 beendet. Gemäß dem OPCAT-Durchführungsgesetz (BGBl I Nr. 1/2012) wurde bei der österreichischen Volksanwaltschaft  ein Nationaler Präventionsmechanismus eingerichtet, der zur Verhinderung von Folter und anderen grausamen, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe sowie dem Schutz und der Förderung der Menschenrechte Besuche an Orten der Freiheitsentziehung durchführt.