GEMEINSAM.SICHER aus der Krise
„Dialog-Café“ in der Greißlerei
Gerald Buchebner, Sicherheitsbeauftragter der Polizei in Wien-Alsergrund, kümmert sich im Rahmen des „Dialog-Cafés“ um Sorgen und Anliegen der Bürgerinnen und Bürger. © BMI / G. Pachauer
Der Polizist Gerald Buchebner begegnet im „Dialog-Cafe“ in der Greißlerei Walletschek in Wien-Alsergrund Menschen und ihren Problemen. Seine Meinung ist gefragt, sie ist unter anderem dort gefragt, wo Menschen von der Corona-Pandemie besonders belastet sind.
Es liegt im Schubertviertel in Wien-Alsergrund, „das Walletschek“, an einem Platz, der nach dem polnischen Feldherrn und König Jan III. Sobieski benannt wurde. Es ist eine Kombination aus Café, Vinothek und Greißlerei, ein idyllischer Gastgarten lädt zum Verweilen ein.
Gruppeninspektor Gerald Buchebner sitzt in diesem Gastgarten. Es ist der 7. Juni, 13 Uhr. „Die Themen, warum Menschen mit mir reden wollen, sind bunt gemischt“, sagt er und erklärt: Es gehe um Nachbarschaftsprobleme, Lärmbelästigungen, Anrainer-Parkraum, wie das mit der Kurzparkzone sei oder was man gegen aggressive Bettler tun könne. „Auch Sorgen, wie es in der Schule weitergeht, werden an mich herangetragen, oder Mietvertragsprobleme – und immer wieder Fragen zur Corona-Pandemie.“ Es gehe um die wirklichen Probleme der Menschen, sagt er. Wenig Arbeit, wenig Einkommen bei gleichbleibenden oder sogar steigenden finanziellen Belastungen in der Corona-Zeit. Und immer wieder gehe es um den fehlenden oder stark reduzierten sozialen Kontakt zu anderen Menschen. „Die Angst ist bei vielen Menschen da, die Unsicherheit, das steht ganz stark im Vordergrund.“
Das „Dialog-Cafe“
findet einmal im
Monat in unterschiedlichen
Lokalen statt.
© BMI / G. Pachauer
„Dialog-Café“.
Die Menschen im 9. Wiener Gemeindebezirk kommen zu Gruppeninspektor Gerald Buchebner, sie kommen in das Café „Wallatschek“ am Sobieskiplatz, weil sie Fragen zu Themen haben, auf die sie sich Antworten erhoffen. Sie nehmen den Gehweg, nehmen die Anfahrt in Kauf, weil sie Gehör finden und sich verstanden fühlen. Weil sie gemeinsam mit ihm, dem Sicherheitsbeauftragten der Polizeiinspektion Boltzmanngasse, im Rahmen der Initiative „GEMEINSAM.SICHER aus der Krise“ an der Lösung von Problemen arbeiten wollen. Manche Gespräche seien kurz, andere länger gehalten, aber immer gehe es darum, ein persönliches Anliegen loszuwerden, sagt Buchebner. „Es sind Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten, und manche kommen einfach nur, weil sie mit mir plaudern wollen.“
Sicherheitsbeauftragter Gerald Buchebner
Sicherheitsbeauftragter Gerald Buchebner, seit 1985 bei der Wiener Polizei, ist ein „Urgestein“ in Wien-Alsergrund. Er sei „schon immer im Neunten“, sagt er, bei der Initiative GEMEINSAM.SICHER von Anfang an dabei. „Und der wahrscheinlich engagierteste und beste Sicherheitsbeauftragte im Stadtpolizeikommando Josefstadt“, hebt Chefinspektor Karl Friedrich Sazawa hervor, Kommandant der Polizeiinspektion Boltzmanngasse.
Warum er das ist, begründet der Kommandant so: „Weil er wie geschaffen ist, ‚Grätzl-Polizist‘ zu sein, weil er sich kleiner und großer Probleme der Menschen annimmt, und weil er das mit so großer Leidenschaft macht, dass er diese Tätigkeit seiner längst verdienten Pension vorzieht.“ Prävention sei nicht messbar, das Sinken von Fallzahlen schon, ergänzt der PI-Kommandant. Die Frage nach einem Beispiel beantwortet Sazawa so: „Wir haben im Bezirk eine Behinderteneinrichtung, bei der es hin und wieder Probleme gegeben hat, weil Behindertentransporte auf dem Gehsteig abgestellt waren.“ Gerald habe in seiner Eigenschaft als Sicherheitsbeauftragter die Einrichtung aufgesucht, habe Gespräche geführt, „und noch bevor wir großartig Schwerpunkte machen und Anzeigen erstatten mussten, standen kaum mehr Autos auf dem Gehsteig.“
Mit Verständnis und Argumenten.
Das sogenannte „Dialog-Cafe“ im Rahmen der Initiative „GEMEINSAM.SICHER aus der Krise“ findet einmal im Monat statt, immer in unterschiedlichen Lokalen. „Mit Covid-19 war das allerdings nicht möglich“, sagt Buchebner.
Bürgernähe.
Auf die Frage, worum es bei der Initiative gehe, sagt der Polizist: Es gehe um die Nähe zur Bürgerin, zum Bürger. Es geht darum, zuzuhören. Es gehe darum, mit einfühlsamem Umgang ein vertrauensvolles Gespräch aufzubauen. Es gehe darum, dieses vielleicht unangenehme Gefühl der Menschen, mit einem uniformierten Polizisten zu reden, diese unsichtbare Distanz, so schnell wie möglich zu überwinden. „Das reizt mich – das war schon vor GEMEINSAM.SICHER so.“ Empathie sei wichtig, sagt Buchebner. „Enorm wichtig.“ Gelegentlich komme es auch vor, dass er deutlicher argumentieren müsse, etwa, wenn Aggressionen überwunden werden müssten, „aber meistens gelingt das mit Verständnis und entsprechenden Argumenten.“ Menschen hätten ja meist ein positives Erlebnis, wenn durch ihr Zutun etwas verändert werden konnte, wenn sie zur Hebung des Sicherheitsgefühls beitragen konnten, wenn ein Problem gelöst worden sei, ergänzt Buchebner.
Ängste abbauen.
„Die Initiative ‚GEMEINSAM.SICHER‘ ist gerade nach der Corona-Pandemie besonders wichtig, da der Bedarf an einem gesteigerten Sicherheits- und Wohlgefühl der Menschen vermutlich so groß wie nie ist“, sagt Oberst Werner Matjazic, Stadtpolizeikommandant in der Josefstadt. „Grundsätzlich geht es ja darum, sich auf die Probleme der Menschen einzulassen und zu versuchen, gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten.“ Und wenn die Bevölkerung das Gefühl habe, an der Gestaltung der öffentlichen Sicherheit mitwirken zu können, verbessere sich das Sicherheitsgefühl der Menschen, ergänzt der Stadtpolizeikommandant. „Und ganz bestimmt werden dabei auch Ängste abgebaut.“
Reinhard Leprich
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 7-8/2021
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