Einsatzleit- und Kommunikationssystem

Hinter den Landesleitstellen mit ihren Arbeitsplätzen und Disponenten, steht „unsichtbar“ die technische Netzleitstelle, ein Network-Operation-Center.
Hinter den Landesleitstellen mit ihren Arbeitsplätzen
und Disponenten, steht „unsichtbar“ die technische Netzleitstelle,
ein Network-Operation-Center. © Gerd Pachauer

Hinter den Kulissen von ELKOS

Das Projekt „Leitstelle neu“ wurde mit 30. Juni 2021 beendet. Hinter den Kulissen der neuen Landesleitzentralen sorgen Techniker des BMI und der LPDs dafür, dass die Systeme rund um die Uhr laufen.

Das Einsatzleit- und Kommunikationssystem (ELKOS), sichtbar in den neun Landesleitzentralen der Polizeidirektionen, wurde in die kritische Kommunikationsinfrastruktur des Bundesministeriums für Inneres und der Polizei integriert und hat Schnittstellen zu allen Systemen. Das sind der Digitalfunk, das Geoinformationssystem, die Telefonie (PolPhone) und das BMI-Netzwerk. Das BMI-Netz umspannt 1.200 Dienststellen und 1.600 Funkstandorte des Digitalfunks. Das Digitalfunknetz hat derzeit 101.105 Funkgeräte (monatlich kommen 1.000 hinzu), fast 23.000 davon sind bei der Polizei im Einsatz. Die Telefonie besteht aus einem österreichweiten Telefonnetz, angefangen von den Festnetzanschlüssen der Polizeiinspektionen bis zur Zentralleitung in der Herrengasse, insgesamt 40.000 Nebenstellen und das Notrufsystem.

Integration aller Systeme.

ELKOS bringt nicht nur eine große organisatorische, sondern auch eine technische Neuerung: Bis zu dem Zeitpunkt, an dem ELKOS eingeführt wurde, war etwa die Notruf-Annahme auf 100 Bezirks- und Stadtleitstellen aufgesplittet. Die gesamte Technik für die Notrufe – die Telefonie, der Funk – musste in die Bezirke gebracht werden. Das konnte man früher nur über Endgeräte, also Festnetztelefone und Funkgeräte lösen, die die Disponenten an der Leitstelle am Arbeitsplatz hatten.
Erst durch die Zentralisierung in den Landesleitstellen findet die Integration aller Systeme und die Verknüpfung mit dem Digitalfunk und Geoinformationssystem, nur mehr als technische Lösung in redundanten Rechenzentren, statt.

Notrufe, Alarme und die Telefonie

Notrufe, Alarme und die Telefonie werden nun automatisch an das ELKOS-System übergeben, an das alle neun Landesleitstellen angebunden sind. An den Arbeitsplätzen in den Landesleitzentralen (LLZ) kann man über ELKOS telefonieren, funken und Einsätze disponieren. Diese technische Lösung gab es zuvor nicht und sie eröffnet auch neue Möglichkeiten. Heute kann die LLZ Graz auch die Tätigkeit der LLZ Linz übernehmen, weil alle LLZs mit dem gleichen Sys­tem arbeiten und die gleichen Einsatzdaten zur Verfügung haben.

Die neue Technik

ELKOS hat Schnittstellen zu allen Systemen der Kommunikationsinfrastruktur des Bundesministeriums für Inneres, auch zum Digitalfunk.
ELKOS hat Schnittstellen zu allen Systemen der Kommunikations-
infrastruktur des Bundesministeriums für Inneres, auch zum Digitalfunk.
© Gerd Pachauer

Die neue Technik, die hinter ELKOS steckt, konnte in die Rechenzentren des Innenministeriums integriert werden, bauliche Adaptierungen waren nicht notwendig. Für die LLZ wurden bauliche Maßnahmen vorgenommen, da große Räume mit spezifischer Ausstattung für die neuen Arbeitsplätze geschaffen werden muss­ten. Die Arbeiten wurden von der Abteilung IV/3 (Bauangelegenheiten) im Innenministerium koordiniert. Was den Nutzern dieser Technologien nicht immer bewusst ist: Dahinter steckt ein ausgeklügeltes technisches System, das rund um die Uhr von den Technikern des BMI betrieben und überwacht wird. Hinter den sichtbaren Landesleitstellen mit ihren Arbeitsplätzen und Disponenten, steht „unsichtbar“ die technische Netzleitstelle, ein Network-Operation-Center mit einer aus Technikern bestehenden Mannschaft, die die Systeme im Permanenzdienst alarmüberwacht. Jeder Mitarbeiter ist auf ein bestimmtes Technologiesegment geschult und das gemeinsame Ziel ist es, technische Fehler zu beheben, noch bevor es ein Nutzer überhaupt bemerkt.

Im Worst Case

Im Worst Case, wenn kein Funk oder Notruf am Arbeitsplatz ankommt oder das Festnetz nicht geht, kann der Nutzer oft nicht erkennen, worin der technische Fehler besteht, er kann im besten Fall erkennen, dass eine Störung vorliegt und die Störmeldestelle kontaktieren. Ab diesem Zeitpunkt – wenn der Kunde mit seinen Worten das Problem beschreibt – sind die Techniker gefordert festzustellen, welche Technologie betroffen ist. Es kann sein, dass nur etwas am Arbeitsplatz, an der Hardware beschädigt ist oder es kann ein Schnittstellen-Problem sein. Manchmal liegt das Problem auch einfach an der Infrastruktur – ein plötzlicher Stromverlust beim Stromanbieter oder eine Überschreitung der Batterielaufzeit.

Die Aufgabe der Techniker

Die Aufgabe der Techniker ist es herauszufinden, worin das Problem besteht, also die Sicht es Nutzers einzunehmen, auf dessen Bedürfnisse zu reagieren und danach zu priorisieren. Oft hat ein defekter Bildschirm – der einfach getauscht werden kann, größere Auswirkungen auf den Nutzer, als eine defekte Schnittstelle, etwa zu einer Alarmanlage, die nur punktuell wirksam wird, deren Reparatur aber technisch komplexer ist.

Die technische Mannschaft

Die technische Mannschaft des Referates IV/8/c (Betrieb kritischer Kommunikationsstrukturen) besteht aus 45 Bediensteten, die nach einem 12-Stunden-Gruppendienstplan in der permanenten Störmeldestelle Dienst versehen. Für jedes Technologiesegment ist permanent ein Techniker/eine Technikerin in der Netzleitstelle und überwacht die Alarme. Geht ein Alarm ein, können in der Mehrzahl der Fälle Entstörmaßnahmen selbst vorgenommen werden – entweder durch die Servicetechniker des BMI, der Landespolizeidirektionen oder durch externe Leistungszukäufe.
Die zeitliche Messlatte liegt in der gesamten kritischen Kommunikationsinfrastruktur hoch: Spätestens drei Stunden muss ein Reparaturantritt erfolgen, binnen zehn Stunden muss die Reparatur erfolgreich sein – egal wo im Bundesgebiet, auch auf dem entlegensten Standort in den Bergen. Die in der Netzwerkleitstelle tätigen Mitarbeiter, die Systemadministratoren, haben die Berechtigung Konfigurationsänderungen an den Systemen vorzunehmen, sie können etwa Dienste auf andere Rechenzentren verlagern oder zwischen Rechenzentren umschalten. Mit Remotezugriff können Fehler von der Netzleitstelle aus selbst behoben werden oder es muss ein Reparaturauftrag an einen Service-Techniker erteilt werden. Die Service-Techniker sind mit eigenen Service-Fahrzeugen unterwegs, fahren zu den Rechenzentren, Vermittlungsstandorten, Basisstationen. Dort können sie Komponenten tauschen, Software laden und vor Ort das Equipment wieder in Betrieb nehmen.

Mobile Basisstationen.

Durch Hochwasser oder Blitzeinschläge kann ein Standort so in Mitleidenschaft gezogen werden, dass eine herkömmliche Reparatur nicht möglich ist. Für diese Fälle gibt es in den Bundesländern mobile Basisstationen, die auf speziellen Anhängern die komplette Infrastruktur eines Funkstandortes enthalten – inklusive Klimatisierung und Stromversorgung und die innerhalb kürzester Zeit den zerstörten Funkstandort bis zur Reparatur ersetzen können. Um diese Betriebsmannschaft herum, gibt es fast noch einmal so viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Referat IV/8/c, die den Support für den Betrieb übernehmen.

Für den Digitalfunk

Für den Digitalfunk gibt es eine eigene Mannschaft für die Teilnehmerverwaltung (Subscriber Management). Jedes Funkgerät wird von den Mitarbeitern mit einem Sicherheitsschlüssel programmiert; das dazu verwendete Verschlüsselungsverfahren folgt den höchsten Standards und die Schlüssel für den Digitalfunk BOS Austria werden exklusiv vom BMI verwaltet und bestimmen die Exklusivität des Behördenfunksystems. Verschlüsselt werden die Schnittstellen zwischen Funkgeräten und den Sendern, um die Abhörsicherheit des Funks zu gewährleisten. Ein eigenes Lifecycle-Management kümmert sich darum, dass technische Komponenten, die „End of Life“ oder „End of Service“ sind, ausgetauscht werden.
In den letzten fünf Jahren erfolgte im Referat ein Kompetenzaufbau in der Planungstätigkeit, damit die Verantwortung für den Betrieb kritischer Infrastruktur im Kernbereich des BMI verbleibt. Besonders seit der Inbetriebnahme von ELKOS benötigt man die eigene Systemingenieur-Mannschaft, die darauf schaut, dass die Summe an Technologien, die gemeinsam zum Einsatz gebracht werden, die Ergebnisse erzielen, die die Einsatzleitstellen der Polizei benötigen. Die Systemingenieure sind daher konzeptiv tätig, sie beschäftigen sich damit, wie man das heutige Equipment in die Zukunft bringen, wie man die neuen technischen Bedarfe der Polizei, ins bestehende System technisch integrieren kann.
„Unsere ,Hände‘, die die Fehler an Ort und Stelle beheben, die wir in unseren 24-Stunden-Überwachungssystemen erkennen, das sind die für uns enorm wichtigen Logistikabteilungen in den LPDs“, erklärt Ing. Stefan Semlegger, Leiter des Referats IV/8/c (Betrieb kritischer Kommunikationsstrukturen) im BMI. „Neben ihrem eigentlichen Job für ,ihre‘ Polizei, erledigen sie die Reparaturaufträge der Netzwerkleitstelle des BMI mit. Sie sind also die ,erste Verteidigungslinie‘ unserer technischen Strategie Probleme so schnell wie möglich zu beheben.“

Die Terrornacht von Wien

Die Terrornacht von Wien am 2. November 2020 war die erste große Bewährungsprobe für ELKOS. In den Abendstunden des 2. November 2020 war gerade ein großer Systemumbau für ELKOS im Gange. Der Knackpunkt war, diese Ausnahmesituation zu erkennen und als Reaktion darauf den österreichweiten technischen Umbau zu unterbrechen und für die Umsetzungs-Partner einen Wartungsstopp zu verfügen: Jede Veränderung am System wurde ausgesetzt. Aufgabe der Technikmannschaft war ab diesem Augenblick, die Stabilität in der Technologie sicherzustellen und die Performance des Systems zu überwachen.
„Jeder technische Eingriff zu diesem Zeitpunkt wäre ein Risiko gewesen und das haben wir sofort eliminiert, das hat nur wenige Minuten gedauert“, sagt Referatsleiter Semlegger. Der nächste Schritt war das Monitoring der Verteilung der Kommunikationslast in den Systemen: Wie viele Notrufe kommen in Wien in die Leitstelle, sind Arbeitsplätze zur Entgegennahme verfügbar oder nicht, wie verhält sich der Digitalfunk, wo bündeln sich die Gespräche?

Ziel des Monitorings

Ziel des Monitorings war es, zu überwachen, ob das System am Ort des Geschehens – der Wiener Innenstadt – genügend Kapazität hat, um die Kommunikation zwischen den Einsatzkräften sicherzustellen und dafür zu sorgen, dass die Wiener LLZ technisch in die Lage versetzt wird, alle Notrufe und Telefonate abzuwickeln. Die technisch zu lösende Aufgabenstellung lautet verkürzt gesagt: Wie bringe ich den Funkspruch eines Kommandanten gleichzeitig zu hunderten Polizisten? Wie stelle ich technisch sicher, dass 100 gleichzeitig einlangende Notrufe bei der LLZ ankommen? Denn die technischen Kapazitäten werden in diesem Szenario ganz anders beansprucht als im Tagesgeschäft. „Alles war nur mehr auf dieses Ziel gerichtet und das ist uns gelungen“, schildert Semlegger. Es hätte auch die Möglichkeit bestanden, Kapazitätsverlagerungen durchzuführen, das war aber nicht erforderlich.

Erfahrungen.

In den vergangenen Jahren hat man bei Großeinsätzen und Übungen bereits Erfahrungen gesammelt, da wird genau dieses Szenario auch technisch betrachtet: Tausende Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungsmannschaften sind an einem Punkt, an einem Einsatz beteiligt. Genau das, wie viele Kapazitäten man benötigt, wenn man Hundertschaften an Polizisten in die Wiener Innenstadt schickt, wurde als Szenario technisch geübt. In jener Nacht hat sich die Erfahrung bezahlt gemacht und der Aufwand gelohnt, Großeinsätze der Wiener Polizei technisch zu begleiten. „Die gesamten Kommunikationsdienste – Telefonie, Funk und das Einsatzleitsystem – haben wir durch unsere technischen Services so bereitstellen können, dass die Einsatzkräfte sich darauf konzentrieren konnten, weshalb sie dort waren und sich keine Gedanken machen mussten, ob die Technik funktioniert,“ sagt Referatsleiter Semlegger, der Feuerwehrmann bei der Freiwilligen Feuerwehr St. Lorenzen am Wechsel ist, und er stellt fest, „wenn ein Einsatz reibungslos abläuft, dann waren auch immer Techniker dahinter, die ,aufgepasst‘ haben, dass alle Systeme funktionieren. Wir ziehen unsere Motivation nicht daraus, dass jemand kommt und uns auf die Schulter klopft, wie gut alles gelaufen ist, sondern aus dem Bewusstsein, dass unsere Systeme gut funktioniert haben.“

Michaela Jana Löff

LEITSTELLE NEU

Hohe Qualität

Im Projekt „Leitstelle neu“ entstanden in allen Landespolizeidirektionen und in der Zentralstelle des Innenministeriums eine moderne Notrufentgegennahme und Einsatzleitzentralen. In Zusammenarbeit zwischen den aus allen Bundesländern stammenden Landesprojektleitern, der Organisation und der Technik konnte gemeinsam mit den Auftragnehmern Frequentis und Hexagon eine deutliche Verbesserung in der Prozessunterstützung erzielt werden. Das Qualitätsniveau wurde mit der Zertifizierung nach ISO 18295 aller Leitstellen bestätigt. Dieser Projektabschnitt wurde von Rat Peter Tauber geleitet.

Das Projekt „Leitstelle neu“ wurde von Brigadier Jürgen Schwanzer geleitet, die Teilprojekte Einsatzleitsystem von Ministerialrat Siegfried Wallner, organisatorische Aspekte, Personalkonzepte, Ausbildung und Bauangelegenheiten von Brigadier Marius Gausterer und die technische Umsetzung stand unter der Leitung von Abteilungsleiter Wolfgang Müller.

 

ELKOS

Technisches Konzept

Das Einsatz-Leit- und KOmmunikations-System (ELKOS) ist ein integriertes Gesamtsystem, bestehend aus einem Einsatzleitsystem (Hexagon) und einem Kommunikationssystem (Frequentis) auf zentraler georedundant aufgebauter Infrastruktur.

Aufgaben/Herausforderungen:

  • Prozessunterstützung der Einsatzabwicklung.
    Die Herausforderung: ELKOS bildet die Organisationstopologie mit 9 Landespolizeidirektionen und dem BMI als Unternehmenszentralstelle in einem konsolidierten Data-Center-basierenden System und einer verteilten Anwenderstruktur ab.
  • Prozessunterstützung bei spontanen Spitzenbedarfen – spezielle Alarmfahndung.
    Die Herausforderung: Besondere Anforderung aus der föderalen Organisationsgliederung und technologische Unterschiede konnten im Gesamtsystem gut abgebildet werden.
  • Hoher Nutzungsgrad der technologischen Möglichkeiten zur Prozessunterstützung, wie technische Attribute des Notrufs (Teilnehmerinformationen, Verortung, Datenverarbeitung im GIS zur Visualisierung in Echtzeit).
    Die Herausforderung: Eine gemeinsame infrastrukturelle Basis unterstützt die Zusammenarbeit über die organisatorischen Zuständigkeitsgrenzen, Einsatzdaten, Ressourcen des digitalen TETRA Bündelfunksystem. Eine gemeinsame infrastrukturelle Basis unterstützt die Zusammenarbeit über die organisatorischen Zuständigkeitsgrenzen, Einsatzdaten, Ressourcen des digitalen TETRA Bündelfunksystems.
  • Schnittstellenverbund zu externen Callcentern anderer Einsatzorganisationen, Etablierung einer Normschnittstelle für den Datenaustausch zwischen den Organisationen.
    Die Herausforderung: Bestehende Systeme waren über Schnittstellen zu einem komplexen Gesamtsystem zu integrieren bzw. neue Schnittstellen zu definieren.
  • Schaffung eines dynamischen Systems um rasch auf besondere Anforderungen reagieren zu können. Ein Beispiel dafür war die Umleitung von Notrufen von der Landesleitzentrale Oberösterreich zur Landesleitzentrale Steiermark während die erstere aufgrund der Covid-Pandemie mit einem Ressourcenmangel zu kämpfen hatte.
    Die Herausforderung: Für den Bürger kam es trotz der spontanen Aufgabenverlagerung von einer LLZ auf die andere zu keinen Qualitätseinbußen und die Abarbeitung der einlagernden Notrufe erfolgte ohne zeitlichen und qualitativen Einbußen.

Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2021

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