Verfassungsschutz

Polizeikaserne Meidling: Der Standort der DSN wird im neuen Sicherheitszentrum Meidling am Kasernengelände sein.
Polizeikaserne Meidling: Der Standort der DSN wird im neuen
Sicherheitszentrum Meidling am Kasernengelände sein.
© Gerd Pachauer

Reform des Verfassungsschutzes

Durch die Novelle des Polizeilichen Staatsschutzgesetzes – PStSG (künftig Staatsschutz- und Nachrichtendienst-Gesetz – SNG) wird der Verfassungsschutz mit Dezember 2021 auf neue Beine gestellt.

Die Ereignisse der letzten Jahre rund um den österreichischen Verfassungsschutz, aber auch internationale Anforderungen haben eine Reform des Verfassungsschutzes dringend erforderlich gemacht. Aus diesem Grund hatte sich die Bundesregierung in ihrem Regierungsprogramm für die Jahre 2020 bis 2024 – neben weiteren Maßnahmen zur Stärkung des Vertrauens in die Exekutive – zur Ergreifung von Maßnahmen gegen Extremismus und Terrorismus verpflichtet.

Durch eine Neuaufstellung

Durch eine Neuaufstellung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) – künftig Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) – soll das Vertrauen sowohl der Bevölkerung als auch der internationalen Partnerdienste in den österreichischen Verfassungsschutz wiederhergestellt werden. Zur Reformierung wurde im Bundesministerium für Inneres das Projekt „Nachrichtendienst und Staatsschutz neu“ ins Leben gerufen.

Die ersten Schritte

Die ersten Schritte zur Umsetzung der im Regierungsprogramm vorgesehenen Punkte wurden mit den mit 17. September 2020 in Kraft getretenen Änderungen des PStSG, BGBl. I Nr. 102/2020, gesetzt, die dazu dienten, dass alle im Vollzug des Verfassungsschutzes tätigen Mitarbeiter eine moderne und an Grund- und Freiheitsrechten orientierte Ausbildung erhalten, die den Anforderungen dieses Aufgabengebiets gerecht wird. Außerdem wurden Regelungen eingeführt, durch die der im Bereich des Verfassungsschutzes erforderlichen erhöhten Sensibilität in Bezug auf Verschwiegenheit, Integrität und Informationssicherheit Rechnung getragen wird.
Die Umsetzung der darüber hinausgehenden Ergebnisse des Projekts und der weiteren im Regierungsprogramm vorgesehenen Punkte erfolgte nunmehr durch die aktuelle Novelle, mit der das PStSG und das Sicherheitspolizeigesetz (SPG), aber auch das Strafgesetzbuch (StGB), die Strafprozessordnung 1975 (StPO) und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden.

Verfassungsschutz, Nachrichtendienst, Staatsschutz.

Neben inhaltlichen Änderungen wurden insbesondere terminologische Überarbeitungen vorgenommen. Anstelle des bislang verwendeten Begriffs „polizeilicher Staatsschutz“ wird künftig der Terminus „Verfassungsschutz“ als Oberbegriff dienen, unter dem die Aufgabenbereiche „Nachrichtendienst“ und „Staatsschutz“ zusammengefasst werden. In diesem Sinne werden der Titel des Gesetzes (künftig „Staatsschutz- und Nachrichtendienst-Gesetz – SNG“) und die Namen der Verfassungsschutzbehörden (beispielsweise „Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst – DSN“) angepasst.

Trennung Nachrichtendienst und Staatsschutz.

Die Neustrukturierung des Verfassungsschutzes zeichnet sich durch die organisatorische und inhaltliche Trennung der zwei Komponenten „Nachrichtendienst“ und „Staatsschutz“ aus. Der Staatsschutz umfasst die dem vorbeugenden Schutz vor verfassungsgefährdenden Angriffen dienenden Aufgaben des SNG. Daneben kommen diesem die Aufgaben nach dem SPG und der StPO im Zusammenhang mit verfassungsgefährdenden Angriffen zu. Der Nachrichtendienst umfasst die Aufgaben „Gewinnung und Analyse von Informationen“ für Zwecke des Verfassungsschutzes sowie die „erweiterte Gefahrenerforschung“.

Der „Nachrichtendienst“

Der „Nachrichtendienst“ erfährt eine Stärkung durch eine Erweiterung der nachrichtendienstlichen Aufgabe „Gewinnung und Analyse von Informationen“ und die verbesserte Möglichkeit der Informationseinholung aus dem Ausland. Darüber hinaus wurde eine ausdrückliche Rechtsgrundlage geschaffen, um eine den internationalen Vorgaben entsprechende Datenverarbeitungs- und Analysemöglichkeit für diesen Aufgabenbereich zu etablieren.
Zur frühzeitigen Erkennung von Radikalisierungs­tendenzen wurde nach dem Vorbild der sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen nach dem SPG die Möglichkeit zur Abhaltung von für den Verfassungsschutz spezifischen „Fallkonferenzen Staatsschutz“ geschaffen, um gemeinsam mit anderen Behörden oder relevanten Einrichtungen Maßnahmen in Bezug auf Personen, bei denen mit einem verfassungsgefährdenden Angriff zu rechnen ist, erarbeiten und koordinieren zu können.
Maßnahmen zur Stärkung der Sicherheit von Bediensteten bzw. von klassifizierten Informationen wurden ergriffen, indem eine ausdrückliche Durchsuchungsbefugnis von Personen, die Räumlichkeiten der DSN betreten oder verlassen, geschaffen sowie eine erweiterte Möglichkeit, Legendierungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Aufgabenbereichs „Nachrichtendienst“ auszustellen, vorgesehen wurde.

Objektivität und Qualität.

Durch die nunmehr vorgesehene gesetzliche Verpflichtung zur Einführung von Qualitätssicherungssystemen sollen in der Vergangenheit aufgezeigte Sicherheits- und Qualitätsmängel behoben und die interne Kontrolle der Tätigkeit des Verfassungsschutzes verbessert werden. Außerdem wird durch die Verschärfung der Nebenbeschäftigungs(verbots)regelungen und die klare Entpolitisierung der Führung (sogenannte „Cooling-off-Phase“) die unbeeinflusste Aufgabenwahrnehmung der Verfassungsschutzbehörden gestärkt.

Umfassende Reform des Rechtsschutzes.

Ein Kernstück der Novelle bildet die Stärkung der parlamentarischen Kontrolle, indem die Berichtspflichten an den Ständigen Unterausschuss des Innenausschusses, der zur Überprüfung von Maßnahmen zum Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen und ihrer Handlungsfähigkeit berufen ist, erweitert und eine unabhängige und weisungsfreie Kontrollkommission zur strukturellen Kontrolle des Verfassungsschutzes etabliert wurde. Auch die Unabhängigkeit des Rechtsschutzbeauftragten beim BMI, dem im Bereich des Verfassungsschutzes Kontrollaufgaben zukommen, wurde gestärkt, indem die Dauer der Funktionsperiode von fünf auf zehn Jahre verlängert und die Wiederbestellung ausgeschlossen wurde.

Ergänzende Änderungen.

Darüber hinaus erfolgten im Zuge dieser Novelle Änderungen des Strafgesetzbuches (Anhebung der Freiheitsstrafdrohung für Geheime Nachrichtendienste zum Nachteil Österreichs gemäß § 256 StGB von bis zu drei Jahren auf sechs Monaten bis zu fünf Jahren, womit auch eine Einordnung als Verbrechen verbunden ist), der Strafprozessordnung 1975 (Implementierung eines an § 112 StPO angelehnten Systems zum Schutz klassifizierter Informationen im Strafverfahren bei Sicherstellung bei Behörden und öffentlichen Dienststellen in § 112a StPO neu) sowie des Tilgungsgesetzes 1972 (Erweiterung der Möglichkeiten für Sicherheitsbehörden unbeschränkte Auskunft aus dem Strafregister zu erhalten), deren Bedarf sich insbesondere im Rahmen des Projekts „Nachrichtendienst und Staatsschutz neu“ ergeben hat. Die gegenständlichen Änderungen des SNG, des SPG, des StGB, der StPO und des Tilgungsgesetzes 1972 durch BGBl. I Nr. 148/2021 werden mit 1. Dezember 2021 in Kraft treten.

Marina Prunner


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2021

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