1. Verkehjrsrecht

Straßenverkehr und Recht

Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs zu den Themen Antrag auf Errichtung eines Behindertenparkplatzes sowie Verweigerung der Blutabnahme bei Alkoholisierung.

Bei Vorliegen der Voraussetzungen besteht ein subjektives Recht auf einen Behindertenparkplatz.
Bei Vorliegen der Voraussetzungen besteht ein subjektives Recht
auf einen Behindertenparkplatz. © Werner Sabitzer

Antrag auf einen Behindertenparkplatz

Das Verwaltungsgericht Wien behob einen Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, mit dem der Antrag eines Menschen mit Behinderung auf Errichtung eines Behindertenparkplatzes als unzulässig zurückgewiesen wurde. Dazu führte das Verwaltungsgericht aus: Um einen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, komme Personen mit Behinderung ein subjektives Antragsrecht zur Erlassung einer entsprechenden Verordnung zu und sie hätten einen Anspruch, dass ihr Antrag inhaltlich behandelt werde.
In seiner Amtsrevision an den Verwaltungsgerichtshof machte der Magistrat Wien geltend, das Verwaltungsgericht habe in die Kompetenz und subjektive Rechte der Stadt Wien eingegriffen, eine Verordnung im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde ohne Beteiligung von Parteien zu erlassen. Subjektive Rechte von Personen mit Behinderungen würden mit der Einrichtung der personenbezogenen Stellplätze nicht begründet. Abgesehen davon, hätten die von der Partei vorgelegten Unterlagen eine Angewiesenheit auf einen Stellplatz nicht erkennen lassen, denn sie habe selbst zugestanden, zur Bewältigung längerer Wegstrecken in der Lage zu sein.
Die betroffene Autofahrerin brachte als Mitbeteiligte im Revisionsverfahren vor, § 43 Abs. 1 lit. d StVO ziele darauf ab, den Schutz von Personen mit Behinderungen zu gewährleisten. Ihnen stehe ein subjektives Recht zu, das bei Vorliegen der Voraussetzungen über die Erlassung einer Verordnung einzuräumen sei.
Der VwGH erachtete die Revision des Magistrats für zulässig, weil es keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage gebe, ob ein subjektives Recht nach § 43 Abs. 1 lit. d StVO bestehe. Allerdings sah er die Revision letztlich nicht als begründet an: Nach der Rechtsprechung des VwGH könne ein Behindertenparkplatz auch für ein bestimmtes Kraftfahrzeug unter Angabe des Kennzeichens auf einer Zusatztafel auf Grund der gesetzlichen Bestimmung des § 43 Abs. 1 lit. d StVO rechtlich zulässig verordnet werden, was die Erlassung eines Verbotes, ein anderes Fahrzeug dort abzustellen, bedeutet. Im Allgemeinen seien Verordnungen von der zuständigen Behörde allein von Amts wegen zu erlassen und ein Antrag eines Interessenten begründe keinen Erledigungsanspruch. Die Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts entnehme dem Rechtsstaatsprinzip, dass in Fällen, in denen die Erlassung einer bestimmten Verordnung von einem dazu Legitimierten beantragt worden sei, über eine negative Entscheidung ein abweisender Bescheid an den Antragsteller zu ergehen habe. Zu einzelnen in § 43 StVO geregelten Verordnungen sei bisher judiziert worden, dass sie kein subjektives Recht und damit kein Antragsrecht auf Erlassung einer Verordnung begründeten. „Von diesen Bestimmungen unterscheidet sich die hier in Rede stehende Verordnungsermächtigung nach § 43 Abs. 1 lit. d StVO insofern, als sie unter näher genannten weiteren Voraussetzungen anordnet, dass Straßenstellen für Menschen mit Behinderungen durch ein Halteverbot freizuhalten sind, und zwar unter bestimmten Umständen für ein bestimmtes Kraftfahrzeug“, sprach der VwGH aus.
Gemäß Art. 7 Abs. 1 B-VG dürfe niemand „wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Republik bekennt sich dazu, die Gleichbehandlung von Menschen mit und ohne Behinderungen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten.“ Mit dieser Bestimmung wollte der Verfassungsgesetzgeber den Gleichheitssatz durch das Verbot der Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen nicht verändern, sondern bekräftigen, dass auch bei einer auftretenden Ungleichbehandlung von Menschen mit Behinderungen der Verfassungsgerichtshof diese immer auf ihre sachliche Rechtfertigung zu überprüfen hat.
„Aus diesen Gründen ist davon auszugehen, dass § 43 Abs. 1 lit. d StVO Menschen mit Behinderungen ein subjektives Recht einräumt und daher bei Vorliegen der Voraussetzungen ein entsprechendes Halteverbot zu erlassen ist und im Fall des Nichtvorliegens der Voraussetzungen ein Bescheid in der Sache zu ergehen hat“, erklärte das Höchstgericht. Dem Verwaltungsgericht Wien sei beizupflichten, dass es die vom Magistrat ausgesprochene Zurückweisung des Antrags der Mitbeteiligten als rechtswidrig angesehen habe. Die vom Magistrat erhobene Revision war als unbegründet abzuweisen.

VwGH 28.1.2021
Ro 2019/02/0017

Verweigerung der Blutabnahme

Ein Motorradfahrer lenkte um 3:30 Uhr sein Motorrad, als es zu einem Verkehrsunfall kam. Der Motorradfahrer erlitt fünf Rippenbrüche und einen doppelten Beckenbruch, fuhr aber unmittelbar nach dem Unfall mit dem Motorrad nach Hause. Gegen 6 Uhr verständigte er aufgrund starker Schmerzen die Rettung. Zunächst traf eine Polizeistreife ein, kurze Zeit später auch ein Rettungsfahrzeug. Die Polizistin nahm beim Gespräch Alkoholgeruch wahr und forderte den Motorradfahrer zur Atemluftuntersuchung mittels Alkomat auf. Die Untersuchung war ihm aufgrund seiner Schmerzen jedoch nicht möglich. Auch ein Versuch der Messung mittels Alkoholvortestgerät schlug fehl. Der Fahrer wurde mit dem Rettungsfahrzeug ins LKH Villach gebracht. In der Unfallerstaufnahme wurde ihm Blut „zum Zwecke der Heilbehandlung“ abgenommen. Die Blutuntersuchung ergab einen Alkoholgehalt von 0,8 Promille. Zum Zeitpunkt der Blutabnahme und der Übermittlung der Blutprobe an das Labor waren keine Polizisten anwesend. Nach dem Eintreffen der Polizei wurde der Motorradfahrer daher neuerlich zur Durchführung einer Blutabnahme aufgefordert. Dieser stimmte der Fahrer zunächst zu, lehnte jedoch in weiterer Folge mit den Worten „ich gebe euch kein Blut“ ab. Er teilte den Polizeibeamten mit, dass ihm bereits zuvor Blut zu medizinischen Zwecken abgenommen worden sei und dieses Blut auch für die Zwecke des Verwaltungsstrafverfahrens verwendet werden könne. Als er über die Folgen der Verweigerung der Blutabnahme aufgeklärt wurde, sagte er, dass ihm dies „egal“ sei. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Villach-Land wurde aufgrund dieser Weigerung über ihn eine Geldstrafe verhängt.
Der Motorradfahrer erhob Beschwerde gegen die Geldstrafe beim Landesverwaltungsgericht Kärnten. Dort wurde die Beschwerde jedoch abgewiesen: Der Motorradfahrer sei seiner Verpflichtung, eine Blutabnahme durchführen zu lassen, nicht nachgekommen. Sein Vorschlag, das ihm zuvor im Krankenhaus abgenommene Blut zu verwenden, könne nicht eine Blutabnahme im Beisein der Polizei ersetzen. Der Fahrer erhob dagegen Revision, die der Verwaltungsgerichtshof für zulässig und begründet erachtete, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob eine Blutabnahme auch dann als verweigert anzusehen sei, wenn unmittelbar davor eine Blutabnahme zu medizinischen Zwecken erfolgt sei und der Revisionswerber zustimme, diese für das Verwaltungsstrafverfahren verwerten zu lassen. Im vorliegenden Fall sei es dem Motorradfahrer aufgrund seiner Verletzungen nicht möglich gewesen, einen Alkotest mittels Alkomat durchzuführen. Er sei in der Folge mit der Rettung in das Krankenhaus gebracht worden, wo ihm Blut abgenommen worden sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne den Tatbestand einer Weigerung nur eine als „vorgeführt“ qualifizierte Person verwirklichen (vgl. VwGH 24.5.1989, 89/02/0031). Dabei könne die zur Ablegung eines Alkotests aufgeforderte Person nicht bestimmen, wo die Untersuchung stattfinden solle. Dies sei Sache der Straßenaufsichtsorgane.
Nach den Feststellungen des Landesverwaltungsgerichts (LVwG) war für den VwGH unbestritten, dass die Ärztin im Krankenhaus den Motorradfahrer ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht habe, dass sein Blut auch wegen des Verdachts auf einen Verkehrsunfall mit Alkoholeinfluss abgenommen werde. Der Motorradfahrer habe sich Blut abnehmen lassen und somit auch der Blutabnahme zur Testung des Alkoholgehaltes zugestimmt. Insofern erachtete der VwGH die Ausführungen des LVwG, dass die Blutabnahme zu medizinischen Zwecken eine „freiwillige“ Blutabnahme im Sinne des § 5 Abs. 8 Z 2 StVO zu qualifizieren gewesen sei, als nicht zutreffend: „Gemäß § 5 Abs. 8 Z 2 StVO ist Voraussetzung einer solchen freiwilligen Blutabnahme, dass eine Person dies verlangt und angibt, bei ihr habe eine Untersuchung nach Abs. 2 eine Alkoholbeeinträchtigung ergeben.“ Keine dieser beiden Voraussetzungen sei erfüllt: Weder habe der Motorradfahrer von sich aus verlangt, dass ihm Blut abgenommen werde, noch hätte eine Atemluftuntersuchung eine Alkoholbeeinträchtigung ergeben. „Im Übrigen ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine (nur) aus Gründen der Heilbehandlung erfolgte Blutabnahme samt in der Folge stattfindender Auswertung des Blutalkoholgehaltes keine unzulässige Verletzung der körperlichen Integrität und fällt auch nicht unter das Verbot des Zwanges zur Selbstbeschuldigung“, schloss das Höchstgericht. Es treffe daher nicht zu, dass sich der Fahrer geweigert habe, eine Blutabnahme zur Ermittlung des Blutalkoholwertes durchführen zu lassen. Der StVO sei nicht zu entnehmen, dass Straßenaufsichtsorgane oder andere Organe der Polizei bei der Blutabnahme anwesend sein müssten.
Da der Motorradfahrer den ihm angelasteten Tatbestand der Verweigerung nicht erfüllte, weil ihm Blut – mit seiner Zustimmung – auch zum Zwecke der Untersuchung des Alkoholwertes abgenommen worden war, wurde das Erkenntnis des LVwG aufgehoben.

VwGH Ro 2020/02/0011
21.12.2020

Valerie Kraus


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2021

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