Bundespolizei

Für Antisemitismus sensibilisieren

„Vorurteilsmotive“: Die Polizei protokolliert seit 2020 „Hate-Crime“ als Motiv bei Straftaten.
„Vorurteilsmotive“: Die Polizei protokolliert seit 2020 „Hate-Crime“
als Motiv bei Straftaten. © BMI

Polizistinnen und Polizisten erhalten eine Antisemitismus-Schulung. Sie umfasst neben der Erklärung des Phänomens auch die rechtlichen Grundlagen, die Auswirkungen, Opferschutzbestimmungen, Ermittlungshilfen und die technische Erfassung.

Polizistinnen und Polizisten bekommen eine Antisemitismus-Schulung: Polizeischülerinnen und -schüler in Form eines ganztägigen Kurses, ausgebildete Beamtinnen und Beamte als Onlinemodul.
Innenminister Karl Nehammer präsentierte die Schulung am 6. November 2021 mit dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Oskar Deutsch, und dem Bildungsexperten Daniel Landau, der das Ausbildungs-Modul erarbeitet hat. Mit der Ausbildung sollen Polizistinnen und Polizisten verstärkt für Antisemitismus sensibilisiert werden. Die Schulung umfasst neben der Erklärung des Phänomens die rechtlichen Grundlagen, die Auswirkungen, Opferschutzbestimmungen, Ermittlungshilfen und technische Erfassung.

Initiative „Likrat“.

Für Polizeischüler in der Grundausbildung wird es drei Einheiten geben, in denen Antisemitismus his­torisch aufgearbeitet wird, die Funktionsweisen und Mechanismen von Antisemitismus aufgezeigt werden und es zu Begegnungen mit jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern kommen wird. Dabei wird auf die von der IKG ins Leben gerufene Initiative „Likrat“ zurückgegriffen, bei der dafür ausgebildete junge Menschen jüdischen Glaubens mit Schülerinnen und Schülern, Lehrlingen und anderen jungen Menschen zusammengeführt werden. Für die Polizeiausbildung werden vonseiten der IKG ältere (ehemalige) Mitglieder von Likrat für diese Aufgabe geschult. Zielsetzung ist das jeweils bessere Verständnis sowie der Abbau etwaiger gegenseitig bestehender blinder Flecken mittels realer Begegnungen, inklusive der Möglichkeit, offene Fragen zu stellen, erläuterte Landau.

Präsentation des Ausbildungsmoduls Antisemitismus: Oskar Deutsch, Daniel Landau, Karl Nehammer.
Präsentation des Ausbildungsmoduls Antisemitismus:
Oskar Deutsch, Daniel Landau, Karl Nehammer.
© Karl Schober

Hate-Crime.

Bei rund 32.000 Bediensteten werde das Durchlaufen des Onlinemoduls ein paar Monate dauern. Zusätzlich zu dieser nun initiierten Ausbildung wird seit einigen Monaten „Hate-Crime“ oder „Vorurteilsmotiv“ als eigenes Deliktsmerkmal elektronisch bei der Anzeigeerstattung erfasst. „Wir wollen, dass jeder Vorfall gemeldet wird, denn, wenn er nicht gemeldet wird, hat er nicht stattgefunden. Die Polizisten müssen dafür sensibilisiert werden“, sagte Deutsch. Viele Beamtinnen und Beamte seien in ihrem Leben nie mit dem Judentum in Kontakt gewesen, daher sei das Projekt sehr sinnvoll. Er wünsche sich die gleiche Ausbildung auch für das Bundesheer und die Justiz. „Leider ist es so, dass Antisemitismus und die Sicherheit unserer jüdischen Gemeinde in den letzten Jahren im Mittelpunkt unserer Arbeit gestanden ist“, sagte Deutsch. Er bedauere die Zunahme der Zahl antisemitischer Vorfälle. Die Gemeinde sei gezwungen, viel Geld in die Sicherheit zu investieren, nämlich 20 Prozent ihres Budgets. Jüdische Eltern würden ihre Kinder nicht in jüdische Schulen schicken, wenn diese nicht bewacht wären und viele Juden auch nicht in die Synagogen gehen. An jüdischen Schulen werde nicht nur der Feueralarm geübt, sondern auch der Terroralarm. „Jüdische Kinder müssen vom Kindergarten bis zur Matura lernen, wie sie sich im Terrorfall verhalten. Das ist kein Zustand. Ich kann damit nur schwer leben“, sagte der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde.

Verdoppelung antisemitischer Vorfälle.

Im ersten Halbjahr 2021 habe es mit 562 Fällen eine Verdoppelung der Zahl antisemitischer Vorfälle gegeben. Es sei oft schwierig herauszufinden, ob ein rechtsradikaler oder islamistischer Hintergrund dahinterstecke. „Es hält sich in etwa die Waage“, sagte Deutsch.
Innenminister Karl Nehammer bezeichnete Antisemitismus als „Seuche“, für deren Beseitigung es keine schnellen Lösungen gebe. Für die Polizei als Schützer der Grund- und Freiheitsrechte sei es aber wichtig, in diesem Bereich sensibilisiert zu werden. „Wenn etwa auf Corona-Demos David-Sterne getragen werden oder die Corona-Maßnahmen mit dem Holocaust verglichen werden, müssen Polizistinnen und Polizisten das wahrnehmen und ahnden.


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 1-2/2022

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