Kriminalwissenschaften

Schnittstelle zur Praxis

Team des Zentrums für interdisziplinäre Kriminalwissenschaften (ZiK): Nina Kaiser, Gabriele Schmölzer, Thomas Mühlbacher.
Team des Zentrums für interdisziplinäre Kriminalwissenschaften (ZiK):
Nina Kaiser, Gabriele Schmölzer, Thomas Mühlbacher.
© Universität Graz

Das Hans-Gross-Zentrum für interdisziplinäre Kriminalwissenschaften (ZiK) an der Karl-Franzens-Universität Graz ist ein zukünftiger „One-Stop-Shop“ für kriminalwissenschaftliche Expertise.

Aufbauend auf der Pionierarbeit des Grazer Kriminalwissenschaftlers Hans Gross, der weltweit als einer der Väter der Kriminologie bekannt ist, strebt das ZiK die Entwicklung einer interdisziplinären, kriminalwissenschaftlichen Forschung und Praxis sowie einer darauf basierenden Lehre an.
Die Kriminalwissenschaften sind ein Paradebeispiel für Interdisziplinarität, da sie alle Disziplinen, die sich mit Kriminalität beschäftigen, vereinen. Dabei bündeln die Kriminalwissenschaften nicht nur juristische (Strafrecht und Strafprozessrecht), sondern vor allem auch nicht juristische Forschungsgebiete, wie die Kriminalistik und die Kriminologie sowie die darüber hinaus einschlägigen forensischen Wissenschaften (Gerichtsmedizin, Psychiatrie, Psychologie, Linguistik, Ballistik etc). Dieser interdisziplinäre Kern der Kriminalwissenschaften offenbart sich insbesondere im Rahmen der Strafjustizpraxis, wo der Sachverständigenbeweis und die Zusammenarbeit von Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht mit Experten aus den verschiedensten Wissenschaftsdisziplinen zum Alltag der Strafverfolgungsbehörden gehören. Aus diesem Grund wird man sich im ZiK vorwiegend mit der Kriminalistik, der (forensischen) Kriminologie und den (sonstigen) forensischen Wissenschaften sowie deren fächerüber- und ineinandergreifenden Kommunikation mit dem Strafrecht und dem Strafprozessrecht beschäftigen. Dieses breite, interdisziplinäre Forschungs- und Anwendungsfeld der Kriminalwissenschaften ist, wie zukünftig auch das ZiK, einzigartig.

Hans Gross – Tradition und Inspiration.

„Tatortkoffer“ von Hans Gross (um 1900) im Kriminalmuseum Graz.
„Tatortkoffer“ von Hans Gross (um 1900) im Kriminalmuseum Graz.
© Werner Sabitzer

Schon Hans Gross, weltweit bekannt als einer der Väter der Kriminologie, erkannte bereits Ende des 19. Jahrhunderts die Notwendigkeit praxisbezogener, interdisziplinärer Forschung und Lehre sowie interdisziplinärer Strafjustizpraxis. Er hatte im Rahmen seiner pionierhaften Forschung stets eine Kriminalwissenschaft beruhend auf einem möglichst umfangreichen und interdisziplinären Konzept vor Augen. Demnach sei die Kriminologie zwar ein eigenständiges, aber verschiedene Wissenschaftszweige vereinendes Fach. Er selbst war (Untersuchungs-)Richter, Staatsanwalt und Universitätsprofessor. Im Strafrechtspraktiker sah er allerdings nicht nur einen Juristen, sondern insbesondere auch einen wissenschaftlich arbeitenden, mit interdisziplinärem Wissen ausgestatteten Kriminalisten („praktischer Jurist“). Zusätzlich zu seinen Bemühungen die Kriminologie als umfassende, interdisziplinäre (Kriminal-) Wissenschaft zu etablieren, setzte sich Gross intensiv für die Gründung kriminalistischer Institute an rechtswissenschaftlichen Fakultäten ein.
Im Dezember 1912 konnte Gross seine Pläne mit der Errichtung des „k.k. kriminalistischen Instituts“ an der Universität Graz auch realisieren. Dieses Institut arbeitete bis zu dessen Eingliederung in das Institut für Strafrecht und Strafprozessrecht im Jahr 1978 derart erfolgreich, dass sich die Universität Graz zur „Heimstätte“ der „neu geborenen“, nun „universitätsreifen“ Kriminologie entwickelte.

Mehr Informationen

Mehr Informationen zu Hans Gross findet man auf der Homepage des Universitätsarchivs (https://archiv.uni-graz. at/de/geschichte/groessen-der-wissenschaft/hans-gross/ ), auf der Homepage des Hans-Gross-Kriminalmuseums (https://kriminalmuseum.uni-graz.at/de/ gruendung/ ) und in zahlreichen Publikationen, insbesondere von Univ.-Prof. Dr. Thomas Mühlbacher und Priv.-Doz. MMag. DDr. Christian Bachhiesl.

Interdisziplinarität.

Der Zeitgeist von Hans Gross verschwand im Laufe der Jahre immer mehr und so gibt es heute kaum eine interdisziplinäre, akademische Auseinandersetzung mit forensischen Fragestellungen. Dies obwohl wissenschaftliche (vor allem technologische Fortschritte) im Bereich der Kriminalistik und den forensischen Wissenschaften unter anderem dazu beitragen, dass dieses interdisziplinäre Tätigkeitsfeld für die Strafrechtspflege immer größere Bedeutung erlangt. Das ZiK wird aus diesen Gründen eine Schnittstelle zwischen Universität und Praxis darstellen und kriminalwissenschaftliche Expertise interdisziplinär bündeln, fördern und nach außen transportieren. Gemeinsam mit justizinternen wie auch justizexternen Experten sollen Forschung, Lehre und Praxis den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts entsprechend interdisziplinär ausgestattet werden. Eine erfolgreiche Kommunikation und Kooperation mit Praktikern und Forschern aus den verschiedensten Fachbereichen ist hierfür essenziell. In diesem Punkt ist auch die Kriminalpolizei von besonderer Bedeutung. Schließlich ist die Erfahrung der einzelnen Kriminalbeamtin und des einzelnen Kriminalbeamten nicht nur für eine erfolgreiche Strafrechtspflege, sondern auch für eine zielgerichtete, kriminalwissenschaftliche Forschung unbedingt notwendig.

Die Ziele des Zentrums für interdisziplinäre Kriminalwissenschaften

Die Ziele des Zentrums für interdisziplinäre Kriminalwissenschaften sind vielfältig. In der Forschung wird das ZiK die Entwicklung neuer Erkenntnisse und innovativer Lösungsansätze zu den Ursachen kriminellen Handelns sowie zur effektiven Verfolgung und Verhinderung von Kriminalität vorantreiben. Außerdem möchte das ZiK im Rahmen einer interdisziplinären und praxisbezogenen Lehre die nächste Generation des wissenschaftlichen und praktischen Nachwuchses inspirieren und wieder Interesse für kriminalwissenschaftliche Forschung und Praxis wecken. Gleichzeitig soll eine den Anforderungen des 21. Jahrhunderts entsprechende Berufsvor- und auch Weiterbildung gewährleistet werden. Darüber hinaus wird das ZiK die notwendigen Brücken zur Praxis bauen und dabei folgende Ziele verfolgen: Die Verbesserung von Sachverständigengutachten und sonstigen Expertenberichten, Beschleunigung und Erleichterung des Akquirierens von Expertenwissen sowie durch die Förderung der Kommunikation zwischen juristischen und nicht juristischen Praktikern, letztendlich: Unterstützung der Strafrechtspflege bei der Erreichung ihrer Ziele und Erfüllung ihrer Ideale.

Nina Kaiser

Das ZiK in Kürze

  • Interdisziplinäres Zentrum am Institut für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz.
  • Schnittstelle und Kooperationsarm zwischen Universität und Praxis.
  • One-Stop-Shop, Clearingstelle und Vermittlungsorgan.
  • Förderung von Interdisziplinarität in der Strafrechtspflege sowie der kriminalwissenschaftlichen Lehre und Forschung.
  • Stärkung der internationalen Zusammenarbeit, Intensivierung bereits bestehender Forschungsnetzwerke, Anbahnung neuer Kooperationen und Netzwerke.
  • Universität Graz (erneut) als Zentrum der modernen Kriminalwissenschaften.

Kontakt: Hans Gross Zentrum für interdisziplinäre Kriminalwissenschaften (ZiK), Mag. Dr. Nina Kaiser, nina.kaiser@uni-graz.at


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 1-2/2022

Druckversion des Artikels (PDF596 kB)