Porträt

Viele bedeutende Rollen

Günter Krenn: „Als Lehrender tätig zu sein, halte ich für eine große Verantwortung.“
Günter Krenn: „Als Lehrender tätig zu sein
halte ich für eine große Verantwortung.“
© Gerd Pachauer

Mehr als vier Jahrzehnte lang spielte Generalmajor Günter Krenn bei der Polizei starke Rollen. Der Offizier war Lehrer, Prüfer, Stratege und er war ein Humanist in Uniform.

Schon als Kind und Jugendlicher konnte er sich für „lateinische Messen“ begeistern. Er sagt: „Das war bereits mein Einstieg in die Altphilologie.“ Er fing an, sich für das klassische Hochlatein zu interessieren, das von Caesar, dem römischen Staatsmann, oder Cicero, dem römischen Politiker und Philosophen, geschrieben und gesprochen worden war. Er fing an, sich für die Historiker Livius und Tacitus zu interessieren. „Eines der grandiosesten Werke der lateinischen Literatur ist das Epos Die Aeneis des Vergil, speziell das 6. Buch – der Gang in die Unterwelt“, sagt er. Seine Leidenschaft liege in der griechischen Philosophie, deshalb sei sein Ziel, alte Philosophen wie Platon, Empedokles, Anaxagoras oder Aristoteles im Original lesen zu können. „Da bedarf es aber noch einer Menge an Studium und Aufwand.“ Generalmajor Günter Krenn, BA spielte 43 Jahre lang ziemlich starke Rollen bei der Polizei.

Begonnen

Begonnen hatte alles am 1. Dezember 1978, als der 1956 geborene Krenn in die Wiener Sicherheitswache eintrat. Krenn wollte eigentlich Lateinprofessor am Gymnasium werden, nicht Polizist; die Entscheidung für diesen Beruf sei spontan gefallen, aus der Not heraus. „Ich habe mich mit Lateinnachhilfe finanziell nicht mehr über Wasser halten können, weshalb ich mein Studium der Altphilologie aufgeben musste. Ausschlaggebend für die Entscheidung, zur Polizei zu gehen, war ein Werbeplakat in einer Straßenbahn 1978“, sagt Krenn. Er absolvierte die Polizeiausbildung und unterrichtete ab Herbst 1981, nach einem kurzen Gastspiel als eingeteilter Beamter in Wien-Neubau, Polizeischülerinnen und -schüler in den Fächern Vollzugsdienst, Verfassungsrecht und Behördenaufbau.

„Zehnter Hieb“.

Günter Krenn schloss 1986 die Offiziersausbildung ab und war unter anderem leitender Sicherheitswachebeamter in Wien-Favoriten. „Günter und Favoriten, gegensätzlicher haben die Pole nicht sein können. Er, ein Feingeist, der den antiken Philosophien frönte und stets bedauert hatte, dass er die lateinische und altgriechische Sprache nur ungenügend gelernt hatte. Wie sollte er sich da im 10. Hieb zurechtfinden?“, sagt Oberst Johann Wlaschitz, Stadtpolizeikommandant in Favoriten, ein Weggefährte von Krenn.
Doch in den vier Jahren in Favoriten habe Krenn mehr erlebt, als andere Kollegen in ihrer Gesamtdienstzeit. Zu den Vorfällen zählten unter anderem der Mord und Selbstmord im Postamt Südbahnhof, wo ein Postangestellter wegen Dienstpflichtverletzungen beanstandet worden war und als Reaktion darauf seinen Chef erschoss und dann Selbstmord beging, der Streit eines Ehepaars aus der Heurigenszene, der damit endete, dass die Frau ihrem Mann einen Bauchschuss versetzte. Bei einer Lokalkontrolle wurde Krenn vom Wirt gewürgt, weil er ihn bezüglich der rechtlichen Grundlagen belehrt hatte, und die „Favoritner Mädchenmorde“, wo Krenn an der Leitung der Fahndungsmaßnahmen mitgewirkt hatte.
Das sei damals eine turbulente Zeit gewesen, sagt Krenn und ergänzt: „Turbulent waren aber auch die Opernball-Demonstrationen in den Jahren 1987 bis 1989. Oder das ,Desaster‘ Marcus Omofuma, der am 1. Mai 1999 während einer Flugzeug-Abschiebung nach Sofia verstarb – das löste eine Menge an neuen Abschiebemaßnahmen auf dem Luftweg aus.“ Danach wurde eine spezielle Ausbildung für Polizistinnen und Polizisten eingeführt, die Abschiebungen durchführen, rechtlich abgesichert, an deren Umsetzung Krenn federführend mitgewirkt hatte.
Zu den „Meilensteinen“ in seiner dienstlichen Karriere zählt Krenn unter anderem die Leitung der Delegationen, die damals österreichische Botschaften auf Krisenfestigkeit überprüft hatten. Das sei in Zusammenarbeit mit dem damaligen Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten und dem Bundesministerium für Landesverteidigung geschehen. „Wir waren beispielsweise in Riad, Damaskus, Amman, Kairo, Kiew, Tel Aviv und Jerusalem.“

Flughafensicherheit.

Als Referent in der damaligen Stabsabteilung im Innenministerium war Krenn 2001 unter anderem für die „Aviation Security“ (Flughafensicherheit) verantwortlich. Ausschlaggebend waren die Ereignisse am 11. September 2001: Terroristen hatten zwei Passagierflugzeuge in die Türme des New Yorker World Trade Centers geflogen, in Washington hatten Terroristen eine Passagiermaschine auf das Pentagon gestürzt, im Westen des US-Bundesstaates Pennsylvania, nahe Pittsburgh, war eine Passagiermaschine abgestürzt, die Terroristen gekapert hatten.
Krenn sagt: „Diese Terroranschläge in Amerika hatten auch in Österreich unvorstellbar viele Maßnahmen in Gang gesetzt, die Sicherheit noch weiter zu verbessern. Ich habe unter anderem an der Umsetzung der Großgepäcks-Sicherheitskontrollen an den sechs nationalen Flughäfen mit internationaler Zivilluftfahrt mitgewirkt.“

3-D-Philosophie.

Krenn war maßgeblich bei den Einsatzplanungen im Rahmen der EU-Präsidentschaft 2006 beteiligt und hat mit Generalmajor Manfred Komericky 2007 die 3-D-Philosophie am Stützpunkt des Einsatzkommandos Cobra/DSE entwickelt und die Fußballeuropameisterschaft 2008 polizeilich abgewickelt. Krenn war danach stellvertretender Landespolizeikommandant von Wien und nach der Behördenreform stellvertretender Leiter des Geschäftsbereichs A der Landespolizeidirektion Wien. Im März 2015 übernahm er die Leitung des Zentrums für Fortbildung in der Sicherheitsakademie des Bundesministeriums für Inneres. „Als Lehrender tätig zu sein, halte ich für eine große Verantwortung, speziell in den Grundausbildungslehrgängen der Verwendungsgruppe E2a“, sagt Krenn.

Spannende Einsätze.

Generalmajor Karlheinz Dudek, BA MA, Vorstand des Büros Büro A1 – Organisation, Strategie und Dienstvollzug der LPD Wien lernte Krenn 1988 kennen. „Er war damals mein Kompaniekommandant in der 6. Reservekompanie. Wir hatten in diesen Jahren mehrere spannende Einsätze zu bewältigen. Ich denke dabei besonders an einen Einsatz zu Silvester 1990, wo wir am Stephansplatz öffentlichkeitswirksame Festnahmen hatten. In weiterer Folge war er mein Lehrer für Vollzugsdienst in der Offiziersausbildung. Später sind wir einander bei unterschiedlichsten Gelegenheiten wieder begegnet. Dabei ist mir die Zusammenarbeit in Vorbereitung der EURO 2008 in besonderer Erinnerung, wo Einsatzvorbereitung (sein Verantwortungsbereich) und Ausbildung (mein Verantwortungsbereich) Hand in Hand gegangen sind. Ich habe Günter Krenn als sehr kompetenten, hilfsbereiten, vor allem respektvollen und wertschätzenden Polizeioffizier erlebt, der mir zum Freund geworden ist.“

Generalmajor Günter Krenn leitete zuletzt das Zentrum für Fortbildung in der Sicherheitsakademie des BMI.
Generalmajor Günter Krenn leitete
zuletzt das Zentrum für Fortbildung
in der Sicherheitsakademie
des BMI. © Alexander Tuma

Offizier der alten Schule.

Brigadier Marius Gausterer, BA MBA MPA, Leiter des Referats II/2/b (Sondereinsatzangelegenheiten) im BMI kennt Günter seit Jahrzehnten aus dem Bereich der Landespolizeidirektion Wien. „Mit Günter Krenn verbinde ich einen Offizier der alten Schule. Handschlagqualität, höchste Arbeitsbereitschaft, Professionalität, unbändiger Weiterbildungswille nicht nur in den polizeilichen Fachbereichen, sondern vor allem im Bereich seiner großen Leidenschaften, der altgriechischen und lateinischen Sprache, sowie ein warmherziges menschliches Wesen, zeichnen ihn aus“, sagt Gausterer. Frei nach dem bayerischen Autor Hermann Lahm weiß ich bei ihm, „dass sein Ruhestand so viel mit Ruhe zu tun hat wie der Verstand mit stehen“.

GSOD.

Oberst Dr. Christian Preischl, Referat II/2/b (Sondereinsatzangelegenheiten), verdankt der Begegnung mit Günter Krenn unter anderem, dass er im Anschluss an die Offiziersausbildung in die Einsatzabteilung des Innenministeriums wechseln konnte. „Günter Krenns Unterstützung brachte mir interessante Möglichkeiten, so zum Beispiel die Ausübung der Tätigkeit des Fachbereichsleiters für den großen sicherheitspolizeilichen Ordnungsdienst, die Teilnahme an internationalen Projekten oder die Ermunterung zur Absolvierung des Studiums der Kommunikationswissenschaften.“

Akzente in der Fortbildung.

„Generalmajor Günter Krenn hat seit März 2015 das Zentrum für Fortbildung in der Sicherheitsakademie geleitet und wesentliche Akzente in der Fortbildungslandschaft der Polizei gesetzt“, sagt Dr. Norbert Leitner, Direktor der Sicherheitsakademie des Innenministeriums. „Krenn hat nicht nur eine umfassende praktische Erfahrung in Spitzenfunktionen der Polizei, sondern er ist auch ein profunder Kenner des SPG und anderer polizeilicher Rechtsmaterien. Durch seinen besonders menschlichen und respektvollen Umgang wurde er von Kolleg/-innen und Mitarbeiter/-innen gleichermaßen geschätzt. Sein Handeln als Vorgesetzter war stets zielorientiert und vorbildlich. Hohes Fachwissen und seine umfassende humanistische Bildung unterstreichen seine hohe Qualifikation für die Lehre in der polizeilichen Aus- und Fortbildung.

Humanist in Uniform.

„Generalmajor Günter Krenn ist eine hochgebildete Führungspersönlichkeit und im besten Sinne ein Humanist in Uniform“, sagt Sektionschef in Ruhe Hermann Feiner. „Er ist ein erfahrener und akribischer Einsatzplaner im Rahmen des großen sicherheitspolizeilichen Ordnungsdiens­tes und er gehört zu jenen Leitungsfunktionären, die ihr Fach- und Erfahrungswissen an junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit sehr viel Empathie weitergeben konnten.“

Krenns stärkste Rolle.

Generalmajor Günter Krenn ging mit 30. November 2021 in den Ruhestand. Nicht erst ab diesem Zeitpunkt spielt er die stärkste Rolle seines Lebens: Als Ehemann und Familienmensch. „Ich bin mit meiner Frau Regina Maria 40 Jahre glücklich verheiratet, sie arbeitet ebenfalls im Innenministerium.“ Krenn betont: „Ich bin sehr dankbar dafür, dass mir vergönnt ist, eine solche Familie zu haben – unser beider Stolz ist Stephan Alexander, unser Sohn. Er ist Jurist am Landesverwaltungsgericht Wien.“

Günter Krenn

Günter Krenn, der passionierte Monoflossenschwimmer, wird als Student am Institut für Altphilologie seine Leidenschaft für die Sprachen „Latein“ und „Altgriechisch“ weiter bedienen, strebsam wie immer. Auf die Frage, welche Bedeutung für ihn das Wort „Strebsamkeit“ habe, antwortet er mit dem Vers 490 des 2. Buches der Georgica von Publius Vergilius Maro, einem römischen Dichter und Epiker: „Felix, qui potuit rerum cognoscere causas“ (Strebsamkeit bedeutet mir: Glücklich, der die Ursachen der Dinge zu erkennen vermag).

Reinhard Leprich/Siegbert Lattacher


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 1-2/2022

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