Bahnpolizei

Alles auf Schiene

Französische Bahnsicherheitskräfte: Seit 2021 ist das Sekretariat von RAILPOL in Frankreich.
Französische Bahnsicherheitskräfte: Seit 2021 ist das
Sekretariat von RAILPOL in Frankreich. © Gregor Wenda

Seit 2004 arbeiten europäische Bahnpolizei-Organisationen im internationalen Netzwerk RAILPOL zusammen. Österreich ist durch das Bundesministerium für Inneres vertreten.

Die Reise- und Transportfreiheit im europäischen Binnenraum bietet vielfältige Möglichkeiten, stellt aber auch die Sicherheitsbehörden vor laufende Herausforderungen. Der Schienenverkehr, der bei der Beförderung von Personen und Waren in Europa einen herausragenden Stellenwert einnimmt, fordert die staatenübergreifende Polizeiarbeit durch Diebstähle, Körperverletzungsdelikte, Schmuggeldelikte, Vandalismus, zum Beispiel durch Graffiti, verschiedene Formen der organisierten Kriminalität wie Menschenhandel, aber auch Terrorbedrohungen.
Seit der Öffnung der Grenzen nach dem Wegfall des „Eisernen Vorhangs“ in Osteuropa Ende der 1980er-Jahre und dem kontinuierlichen „Zusammenrücken“ europäischer Staaten ist die Eisenbahn in den vergangenen Jahrzehnten zu einem Ort grenzüberschreitender Kriminalität geworden.

RAILPOL-Gründung.

Angehörige der britischen Transport Police: Bahnpolizei-Organisationen aus 20 Staaten kooperieren bei RAILPOL.
Angehörige der britischen Transport Police: Bahnpolizei-
Organisationen aus 20 Staaten kooperieren bei RAILPOL
© Gregor Wenda

Bereits 2004 beschlossen mehrere europäische Staaten, ein Netzwerk ins Leben zu rufen, das eine Kooperation ihrer Bahnpolizei- und Transportpolizeidienste ermöglichen sollte. Unter der Bezeichnung RAILPOL (für „RAILway POLice“) arbeiten inzwischen 23 Mitgliedsorganisationen aus 20 Staaten in diesem Netzwerk zusammen, weitere Staaten haben Beobachter entsandt. RAILPOL soll die Sicherheit des europäischen Eisenbahnnetzes verbessern, grenzüberschreitende Bedrohungen verhindern, technische und operative Erkenntnisse dokumentieren und weitergeben, den Informations- und Erfahrungsaustausch steigern und gemeinsame operative Maßnahmen und Übungen organisieren. Dazu ist nicht nur eine enge Zusammenarbeit zwischen den Polizeiorganisationen der verschiedenen Staaten, sondern auch zwischen der Exekutive und den jeweiligen Eisenbahngesellschaften erforderlich. Sicherheit im Bahnbereich wird vielfach durch die Kooperation von staatlichen Behörden mit privaten Institutionen und Wachdiensten, in „Public-Private-Partner­ships“, gewährleistet.

Struktur.

RAILPOL ist als loses Gremium mit zentraler Koordination organisiert. Ein Mitgliedstaat führt den Vorsitz; der Präsidiums-Funktion sind ein Generalsekretär und ein Sekretariat zur Aufgabenbewältigung beigegeben. Von 2004 bis 2021 stand RAILPOL unter niederländischer Präsidentschaft, inzwischen sind der Vorsitz und die Führung des Sekretariats auf Frankreich übergegangen. RAILPOL trifft seine Entscheidungen im Rahmen von Hauptversammlungen und Konferenzen; eine Koordinationsgruppe erarbeitet strategische Entscheidungsvorschläge und ist für deren ordnungsgemäße Umsetzung zuständig. Für bestimmte Themenbereiche wurden fünf Arbeitsgruppen eingesetzt. Sie behandeln die Schwerpunkte Kriminalität und illegale Migration, öffentliche Ordnung, strategische Analyse, Ermittlungen bei Bahn­unfällen und anderen Katastrophenfällen sowie Terrorismus. Konferenzen der Mitgliedstaaten finden in der Regel zweimal pro Jahr statt, Arbeitsgruppen dreimal pro Jahr. Seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie mussten zahlreiche Treffen in den virtuellen Raum verlegt werden.

Bahnpolizeiliche Aufgaben.

„Puma“-Beamte durchstreifen Züge und Bahnstationen, führen Personenkontrollen und Identitätsfeststellungen durch.
„Puma“-Beamte durchstreifen Züge und Bahnstationen,
führen Personenkontrollen und Identitätsfeststellungen durch.
© LPD Kärnten

Im BMI ist die Abteilung II/2 (Einsatzangelegenheiten) der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit der Kontaktpunkt zu RAILPOL. „Österreich setzt bei RAILPOL nicht nur interne Schwerpunkte, sondern beteiligt sich auch regelmäßig an den meist EU-weit oder international akkordierten Kontrollaktionen“, sagt Oberst Günter Wendt, BA. Er vertritt Österreich in RAILPOL-Arbeitsgruppen. Die wichtigsten RAILPOL-Themen sind für Österreich die illegale Migration und Verhinderung grenzüberschreitender Kriminalität. „Bis vor ein paar Jahren hat der Diebstahl von Buntmetall, vor allem von Kupfer, und der damit verbundene Handel eine große Rolle gespielt“, erklärt Wendt. Die Bedeutung dieses Phänomens sei zuletzt aber deutlich zurückgegangen, vor allem durch den Verfall des Kupferwerts. Anders als in Staaten wie Großbritannien besteht in Österreich keine eigenständige Bahnpolizei. Bahnpolizeiliche Aufgaben werden von der Bundespolizei wahrgenommen, umgesetzt durch die Landespolizeidirektionen. Seit dem Wegfall der Grenzkontrollen an den EU-Binnengrenzen mit dem Schengener Durchführungsübereinkommen am 1. Dezember 1997 führen österreichische Polizistinnen und Polizisten Kontrollen im Rahmen der Schengener Ausgleichsmaßnahmen (AGM) durch; seit 2018 verfügt dazu jede Landespolizeidirektion über eine fremden- und grenzpolizeiliche Einheit („Puma“), in der Beamte der Polizeiinspektionen „Ausgleichsmaßnahmen“, der AGM-Sachbereiche in Polizeiinspektionen und Autobahnpolizeiinspektionen sowie der Polizeiinspektionen für Grenzkontrolle und der Polizeikooperationszentren zusammengefasst sind. „Puma“-Beamte durchstreifen Züge und Bahnstationen, sie führen Personenkontrollen und Identitätsfeststellungen durch. Viele Aufgriffe und Anhaltungen im Schienenbereich erfolgen durch Bedienstete der fremden- und grenzpolizeilichen Einheiten. „Die uniformierten AGM-Kontrollen haben einen präventiven Charakter, sie tragen aber auch zu einer Steigerung des Sicherheitsgefühls der Fahrgäste bei“, schildert Günter Wendt. Zu weiteren Polizeikräften im Eisenbahnbereich gehören beispielsweise „Szenekundige Beamte“, die Fans zu Sportveranstaltungen begleiten, oder Einheiten im Großen Sicherheitspolizeilichen Ordnungsdienst, die bei Bedarf zusätzlich für die notwendige Polizeipräsenz bei größeren Ereignissen sorgen.

Zusammenarbeit in Österreich.

„Im Eisenbahnbereich ist die Zusammenarbeit mit den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) besonders eng“, unterstreicht Oberst Günter Wendt. Bereits seit 2005 kooperiert das Innenministerium mit der ÖBB-Konzernsicherheit. Ziel der Zusammenarbeit ist es, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu vermeiden, das Sicherheitsgefühl von Passagieren und ÖBB-Bediensteten zu heben, Straftaten vorzubeugen und die Aufklärung von Delikten zu steigern. Zusammen mit den ÖBB erstellt die Polizei etwa Einsatzpläne für Zugkontrollen, um mobile Tätergruppen aufzuspüren. „Auf diese Weise sind uns unter anderem beachtliche Erfolge bei der Bekämpfung von Taschendiebstählen in Zügen gelungen“, betont Wendt. Auch mit der „Westbahn GmbH“ hat das Innenministerium eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen.
Am 25. Mai 2020 verlängerte das BMI die Partnerschaft „GEMEINSAM.SICHER mit den ÖBB“. In der Vereinbarung wurden u. a. eine enge Abstimmung zwischen Polizei und ÖBB in Krisensituationen festgehalten, insbesondere bei Kontrollen der Polizei im Bereich der Infrastruktur und der Verkehrsmittel der ÖBB, die Unterstützung des ÖBB-Sicherheitsdienstes „Mungos“, die Zusammenarbeit bei der Abwicklung von Veranstaltungen von besonderer nationaler oder internationaler Bedeutung, die Fanbegleitung in Verkehrsmitteln der ÖBB durch szenekundige Beamte und Abstimmungen zur Verhinderung terroristischer Aktivitäten. Auch die Durchführung gemeinsamer Aktivitäten (etwa durch den Einsatz einer Lokomotive im „GEMEINSAM.SICHER“-Design), eine enge Zusammenarbeit in Bereichen der Informationsgewinnung und Videoüberwachung, ein regelmäßiger Informationsaustausch zu sicherheitspolizeilichen Themen und die Durchführung von gemeinsamen Übungen und Veranstaltungen wurden festgelegt.

Schienennetz.

Zusammenarbeit der Polizei mit den ÖBB: Unterstützung des ÖBB-Sicherheitsdienstes „Mungos“.
Zusammenarbeit der Polizei mit den ÖBB: Unterstützung des
ÖBB-Sicherheitsdienstes „Mungos“.
© Gerd Pachauer

Das österreichische Schienenverkehrsnetz hat im gesamten Bundesgebiet eine Betriebslänge von 5.607 Kilometern. 2020 waren 17 Eisenbahnverkehrsunternehmen in der Personenbeförderung tätig. Die ÖBB sind das größte österreichische Bahnunternehmen. Österreich galt 2019 aufgrund der hohen Popularität des Schienenverkehrs als „Bahnland Nummer eins“ innerhalb der EU. 2020 brach der Personenverkehr in österreichischen Zügen aufgrund der Covid-19-Pandemie allerdings ein: Die Anzahl der Reisenden sank österreichweit auf 192 Millionen Fahrgäste, was einen Rückgang von 39 Prozent gegenüber 316 Millionen Passagieren im Jahr 2019 bedeutete. Der Güterverkehr war mit einem Minus von rund sieben Prozent weniger stark betroffen. Im Jahr 2021 konnten im Personen- und Güterverkehr wieder Steigerungen verzeichnet werden.

Aktionstage.

Die RAILPOL-Mitgliedstaaten einigten sich, europaweite operative Maßnahmen u. a. durch gemeinsame Aktionen und Schwerpunktveranstaltungen zu setzen. Dadurch soll die Zusammenarbeit bahnpolizeilicher Organisationen optimiert und das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die Sicherheit im Eisenbahnverkehr gestärkt werden. Bei Aktionstagen der RAILPOL-Arbeitsgruppe gegen Terrorismus führten Sicherheitskräfte in zahlreichen Ländern von 2. bis 3. Juli 2021 Kontrollen durch. Dabei wurden Passagiere, Gepäckstücke, Stationen und Schienenfahrzeuge durchsucht; zum Teil kamen Metalldetektoren und Spürhunde zum Einsatz.
Von 19. bis 20. Jänner 2022 organisierten Bahnpolizeikräfte des RAILPOL-Netzwerks beim bislang letzten „Rail Action Day“ unter Berücksichtigung der jeweiligen Covid-19-Vorgaben Schwerpunktaktionen in Bahnhöfen und Zügen: 6.900 Stationen und 6.700 Bahngarnituren wurden kontrolliert; 13.810 Polizeibedienstete überprüften dabei die Identität von 37.887 Personen. Knapp 1.200 Personen wurden festgenommen oder angezeigt. Die nächste großflächige RAILPOL-„Aktionswoche“ ist für 14. bis 20. März 2022 geplant.

Gregor Wenda

RAILPOL

23 Mitglieder

Österreich ist seit 2007 Mitglied bei RAILPOL, vertreten durch das Bundesministerium für Inneres, hatte jedoch bereits ab 2005 eine Beobachterrolle inne.

Weitere europäische Mitglieder sind Belgien (Bundespolizei, Abteilung Bahnpolizei – SPC), Bulgarien (Nationale Polizei, Bereich Transportpolizei), Deutschland (Bundespolizei), Frankreich (Nationale Polizei), Griechenland (Nationale Polizei), Italien (Nationale Polizei – Bereich Bahnpolizei), Lettland (Nationale Polizei), die Niederlande (Nationale Polizei), Portugal (Gendarmerie „Guarda Nacional Republicana“ und Nationale Polizei), Rumänien (Nationale Polizei), Serbien (Nationale Polizei), Slowakei (Innenministerium bzw. Nationale Polizei), Slowenien (Nationale Polizei), Spanien (Nationale Polizei), die Schweiz (Grenzwache und Bundespolizei – Fed Pol), Tschechische Republik (Nationale Polizei, Abteilung für öffentliche Ordnung und Bahnpolizei), Ungarn (Nationale Polizei) und das Vereinigte Königreich (Britische Bahnpolizei – British Transport Police). Assoziierte Mitglieder sind zwei U.S.-Organisationen: die Amtrak Police und die nationale Verkehrssicherheitsbehörde (Transport Security Administration).

www.railpol.eu/site/home 


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 3-4/2022

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