Großer polizeilicher Ordnungsdienst 

Polizeieinsätze dokumentieren

Beweissicherungs- und Beweisdokumentationstrupps der Polizei tragen mit ihrer Arbeit dazu bei, Behörden bei Strafverfahren be- oder entlastendes Beweismaterial zur Verfügung zu stellen

Beweissicherungsteam der Landespolizeidirektionen Steiermark und Salzburg: Ziel der Trupps ist es, neben der Dokumentation von Einsätzen, durch ihre Präsenz strafbare Handlungen zu verhindern.
Beweissicherungsteam der Landespolizeidirektionen Steiermark und Salzburg: Ziel der Trupps ist es, neben der Dokumentation von Einsätzen,
durch ihre Präsenz strafbare Handlungen zu verhindern. © Bernhard Elbe, Gerd Pachauer

Zu den Vorbereitungen zur Fußball-Europameisterschaft 2008 wurde vom Innenministerium entschieden, im „großen sicherheitspolizeilichen Ordnungsdienst“ (GSOD) „Beweissicherungs-Teams“ („BeSi“) einzusetzen. Diese hatten die Aufgabe, gewaltbereite Fußballfans bei Straftaten zu filmen oder zu fotografieren und die Daten als Beweismittel für den Kriminaldienst bzw. die Staatsanwaltschaft auszuwerten. „BeSi“-Teams setzten sich anfänglich aus Polizistinnen und Polizisten der WEGA (Wiener Einsatzgruppen Alarmabteilung), den Einsatzeinheiten (EE) in den Bundesländern zusammen. Diese beiden Einheiten gehören neben den Bereitschaftseinheiten (BE) und Ordnungsdiensteinheiten (ODE) zur Ordnungsdienstpolizei (ODP).

Bei gewalttätigen Anlässen

Beweissicherungsteam der Landespolizeidirektion Wien: Die Aufzeichnungen ermöglichen, rechtswidriges Verhalten bei Großveranstaltungen zu dokumentieren.
Beweissicherungsteam der Landespolizeidirektion Wien: Die
Aufzeichnungen ermöglichen, rechtswidriges Verhalten bei
Großveranstaltungen zu dokumentieren.
© Gerd Pachauer

Bei gewalttätigen Anlässen oder solchen, wo Ausschreitungen befürchtet werden, kommen bevorzugt Kräfte der WEGA sowie der EE zum Einsatz. Diese Einheiten bestehen aus Exekutivbediensteten, die für die Bewältigung von halb- und unfriedlichen Anlässen ausgebildet und ausgerüstet sind. Aus diesem Grund wurde 2008 damit begonnen, ausgewählte WEGA- und EE-Bedienstete als „BeSi“-Bedienstete zu schulen. In den darauffolgenden Jahren fand ein Erfahrungsaustausch mit internationalen Polizeieinheiten statt, die bereits über langjährige Erfahrungen in diesem Bereich verfügten. Engagierte Bedienstete der WEGA, der Landespolizeidirektionen (LPD) Steiermark und Salzburg nahmen sich dieses Themas an und damit begann der Aufbau von „BeSi-Teams“ zuerst in diesen Bundesländern. Aufgrund der Neuartigkeit dieser Sonderverwendung mussten unterschiedliche taktische Zugänge ausprobiert und teilweise wieder verworfen werden.

Anfängliche Skepsis.

Die Kolleginnen und Kollegen der WEGA und der EE standen dem Vorhaben anfangs skeptisch bis ablehnend gegenüber, da nun auch das Einschreiten jedes Einzelnen durch Bild- und Tonaufzeichnungen (Fotos und Videos) detailliert festgehalten wurde. Es stand die unbegründete Befürchtung im Raum, dass schwerpunktmäßig auf Fehler beim Einschreiten geachtet wird. Auch die Sinnhaftigkeit und Effizienz dieses neuen Einsatzmittels wurde verkannt und von manchen Entscheidungsträgern als unwichtig abgetan.
Aufgrund der professionell und engagiert arbeitenden „BeSi-Teams“ der WEGA/EE sowie vieler Informationsveranstaltungen bei Aus- und Fortbildungen gelang es, dieses wirkungsvolle Instrument der ODP-Einheiten als fixen Bestandteil der WEGA- und EE-Züge einzurichten und auch die Skeptiker zu überzeugen. Im Jahr 2019/2020 wurde vom BMI entschieden, diese Sonderverwendung auch für die Bereitschaftseinheit freizugeben, da diese bei unvorhersehbaren und plötzlich eintretenden halb- und unfriedlichen Anlässen die Erstmaßnahmen im GSOD durchzuführen haben. 

Ziel der Beweissicherung

Ziel der Beweissicherung im GSOD ist es, einerseits durch die Anwesenheit von „BeSi-Trupps“ so auf das polizeiliche Gegenüber zu wirken, dass es zu keinen strafbaren Handlungen kommt, andererseits sollen „BeSi-Trupps“ sich anbahnende oder bereits stattfindende Straftaten erkennen und möglichst lückenlos dokumentieren. Polizisten dürfen im Rahmen der rechtlichen Zulässigkeit und unter taktischen Gesichtspunkten Bild- und Tonaufzeichnungen anfertigen. Diese Aufzeichnungen sollen beispielsweise dazu beitragen, Straftäter noch während des Einsatzes festnehmen zu können. Aufgrund der hohen Qualität (4K) soll bei eventuellen Strafverfahren verlässliches be- oder entlastendes Beweismaterial zur Verfügung stehen. 

Beweis-Dokumentations-Trupps.

Ergänzend zu den „BeSi-Trupps“ werden bundesweit „BeDo-Trupps“ (Beweis-Dokumentations-Trupps) im GSOD-Einsatz verwendet. Diese beiden taktisch wichtigen Elemente arbeiten „überlappend“. Während „BeSi-Trupps“ als besonders ausgebildete ODP-Bedienstete „mitten im Geschehen“ ihre Videos und Fotos anfertigen, befinden sich „BeDo-Trupps“ meist etwas abgesetzt davon, um möglichst einen Überblick über das Gesamtszenario zu haben. Im Anlassfall werden die Dateien so aufbereitet, dass ein möglichst umfassendes Bild zur sachlichen Darstellung der Geschehnisse entsteht. Die Originaldaten werden dabei nicht verändert.

Ausrüstung.

Die Aufzeichnungen der Beweissicherungsteams der Polizei unterstützen die kriminalpolizeiliche Ermittlungsarbeit und im Gerichtsverfahren.
Die Aufzeichnungen der Beweissicherungsteams der Polizei unterstützen
die kriminalpolizeiliche Ermittlungsarbeit und im Gerichtsverfahren.
© Gerd Pachauer

Anfangs wurden „BeSi-Trupps“ mit einfachen Camcordern ausgestattet. Nachdem erste Einsatzerkenntnisse gewonnen worden waren, erfolgte 2015 ein Probebetrieb mit digitalen spiegellosen Wechselobjektivkameras. Dieser verlief erfolgreich, woraufhin bis dato sämtliche „BeSi-Trupps“ in ganz Österreich mit professionellen BeSi-Kamerapaketen ausgestattet wurden. Zudem verfügt jede Einsatzabteilung der Landespolizeidirektionen über mindestens eine BeSi/BeDo-Auswertestation, um das oft sehr umfangreiche Datenmaterial in 4K-Qualität verarbeiten zu können. Die Einsatzkoordinatoren verfügen in der Regel über einen zusätzlichen Laptop, der während der GSOD-Einsätze für dringende Auswertungen (z. B. für Fahndungen zur Festnahme etc.) oder zu Ausbildungszwecken der BeSi/BeDo-Bediensteten verwendet wird.

Qualifikation, Aus- und Fortbildung.

Als Mitglied einer ODP-Einheit muss zuerst die jeweilige Grundausbildung absolviert und Praxiserfahrung gesammelt werden. In weiterer Folge besteht die Möglichkeit, sich für die Sonderverwendung „BeSi“ zu qualifizieren. Die Bewerbung erfolgt im Wege der jeweils zuständigen Einheitskommandanten. Die Anwärterinnen und Anwärter absolvieren eine BeSi-Grundausbildung, die von ODP-Bundestrainern des Kompetenz- und Informationszentrums (KIZ WEGA) gemeinsam mit BeSi-Trainern der Landespolizeidirektionen im Auftrag des Innenministeriums, Referat II/2/b, abgehalten wird.
Inhaltlich werden u. a. Themen wie Kamerahandling, Video- und Fototechnik, Recht, Taktik und Formularwesen geschult. Die Teilnehmer/-innen müssen das theoretische Wissen durch praktische Übungen festigen. Mit einem Wissenstest findet diese Ausbildung ihren Abschluss und die Teilnehmer/-innen erhalten die Qualifizierung, innerhalb ihrer jeweiligen ODP-Einheit als BeSi-Bedienstete tätig sein zu dürfen. Durch regelmäßige Teilnahmen an Fortbildungen innerhalb der Landespolizeidirektionen ist diese Qualifikation zu erhalten. Besonders engagierte BeSi-Bedienstete können sich nach einiger Zeit zum BeSi/BeDo-Trainer oder zur Trainerin ausbilden und qualifizieren lassen.

BeSi/BeDo – Einsatzkoordinatoren.

Bei größeren GSOD-Einsätzen, an denen mehr als drei BeSi- oder BeDo-Trupps teilnehmen, ist ein eigenes BeSi/BeDo-Einsatzkoordinatoren-Team einzusetzen. Diese Teams bestehen aus ausgebildeten und erfahrenen BeSi-Bediensteten, die mit den besonderen Abläufen vertraut sind. Seine Aufgaben bestehen darin, die eingesetzten Trupps bereits im Vorfeld mit Informationen zur Lage und der beabsichtigten Einsatzziele zu versorgen und einen Arbeitsauftrag zu verfassen. Während des Einsatzes werden die BeSi- und BeDo-Trupps regelmäßig kontaktiert bzw. serviciert (z. B.: Hilfestellung bei technischen Gebrechen, Austausch von SD-Karten, Unterstützung bei Ad-hoc-Auswertungen zur Fahndung nach Straftätern etc.). Aufgrund der Rückmeldungen können BeSi/BeDo-Einsatzkoordinatoren einen wesentlichen und wichtigen Beitrag zur Lageinformation für die jeweiligen Einsatzkommandant/-innen liefern und haben zudem einen Überblick über die im Einsatz angefertigten Bild- und Tonaufzeichnungen. Nach dem Einsatzende sind Einsatzkoordinator/-innen dafür verantwortlich, dass alle Datenträger mit dem zugehörigen Formularwesen an die einsatzführende Einsatzabteilung übermittelt und dort gesichert verwahrt wird. Zudem leitet Koordinatoren in Absprache mit der fachlich zuständigen Einsatzabteilung die nötigen Vorbereitungsschritte für etwaige Auswertungsmaßnahmen der im Einsatz angefertigten Bild- und Tonaufzeichnungen für die Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaften oder Gerichte ein.

Erfolgreiche Videoauswertungen.

Seit ihrer Einrichtung haben die mittlerweile rund 200 BeSi- und BeDo-Bediensteten zahlreiche Einsätze bei halb- und unfriedlichen Anlässen absolviert. Dabei konnten etliche Auswertungen von Bild- und Tonaufzeichnungen als qualifizierte Sachbeweise vor Verwaltungsstrafgerichten und Strafgerichten zu Verurteilungen aber auch zu Freisprüchen von zu Unrecht beschuldigten Personen beitragen. Besonders bei komplexen strafrechtlichen Sachverhalten (z. B.: Landzwang, früher: Landfriedensbruch) war es in der Vergangenheit ohne Videoaufnahmen nahezu unmöglich, Vorgänge nachvollziehbar zu dokumentieren. Dies kann mittlerweile durch den klugen und taktisch richtigen Einsatz von BeSi- und BeDo-Trupps erreicht werden. Die Auswertung von derartigen Einsätzen ist zeitintensiv, da unzählige Videos und Fotos (teilweise vielfach) gesichtet, bewertet und von mehreren BeSi/BeDo-Trupps mittels einer Videosoftware zusammengeführt werden müssen. Hier kann es zu längeren Auswertezeiten kommen – was sich jedoch bezahlt macht, wie nachfolgend angeführte Beispiele bestätigen:

  • Zusammentreffen verfeindeter Fußball-Anhänger in Wien: Ausforschung und gerichtliche Verurteilung etlicher Straftäter wegen Landfriedensbruch, Körperverletzung etc.
  • Platzsturm bei Fußballspiel Rapid gegen Austria in Wien: Ausforschung zahlreicher Straftäter in Zusammenarbeit von BeSi/BeDo-Bediensteten mit Kollegen des „Szenekundigen Diens­tes“ (SKD).
  • Demonstration der Identitären in Wien: Ein Demo-Teilnehmer wurde durch einen von einem Hausdach herabgeworfenen Stein lebensgefährlich verletzt. Der Aufmerksamkeit des BeSi-Trupps der LPD Steiermark ist es zu verdanken, dass der Vorfall gefilmt und der Täter ausgeforscht und verurteilt werden konnte.
  • Ausschreitungen von Fußballfans in Wien-Ottakring: Durch Böllerwürfe wurden Unbeteiligte schwer verletzt. Die Auswertung des BeSi-Videomaterials der EE Wien führte zur Ausforschung des Täters. Er wurde in einem der Videos erkannt und in weiterer Folge strafgerichtlich verurteilt.
  • Verletzter Journalist bei Fußballspiel in der Steiermark: Durch einen Böllerwurf wurde ein Journalist verletzt. Aufgrund der Auswertung von BeSi-Aufnahmen konnte der Täter innerhalb des Sektors ausgeforscht und angezeigt werden.
  • Schwer verletzter Polizeibeamter in Salzburg: Der Beamte wurde durch den Wurf eines Bengalen am Hals schwer verletzt. Aufgrund der Auswertung durch die BeSi- und BeDo-Bediensteten der LPD Salzburg konnte der Täter identifiziert und verurteilt werden.
  • Freispruch wegen eines vermeintlichen „Hitlergrußes“ in der Steiermark: Gegendemonstranten manipulierten eigenes Videomaterial dahingehend, dass der Beschuldigte auf einem Video offenbar einen „Hitlergruß“ als Demoteilnehmer zeigte. Durch BeSi-Videomaterial konnte diese Anschuldigung vor Gericht eindeutig widerlegt werden – Freispruch.
  • Angriff auf Polizeibeamten in Wien: Im Zuge einer Demonstration wurde der EE-Kommandant von einem Teilnehmer angegriffen. Aufgrund der umsichtigen Reaktion des BeSi-Trupps der EE Kärnten konnte der Angreifer identifiziert und gerichtlich verurteilt werden.
  • Fan-Ausschreitungen in Salzburg: Bei internationalen Fußballspielen kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern und zu Angriffen auf die Polizei bzw. Sachbeschädigungen. Auswertungen des BeSi-Teams der LPD Salzburg führten zu zahlreichen Identifizierungen und nachträglichen Verurteilungen in Österreich, Deutschland, Großbritannien und in den Niederlanden.
  • Schmerzensgeldzuspruch für Polizeibeamten: Bei Angriffen auf EE-Bedienstete der LPD Salzburg konnte aufgrund des vorhandenen BeSi-Videomaterials der Täter eindeutig identifiziert und strafgerichtlich verurteilt werden. Außerdem erhielt der schwer verletzte EE-Bedienstete Schmerzensgeld zugesprochen.
  • Entlastung von Amtsmissbrauch und Misshandlungsvorwürfen: Da die Festnahme und Verbringung eines gewaltbereiten Fußballanhängers in Salzburg durch den BeSi-Trupp lückenlos dokumentiert wurde, konnte der Vorwurf der Misshandlung von den festnehmenden Bediensteten widerlegt werden. Zudem konnten Anschuldigung seitens des Betroffenen, die Polizisten hätten ihm während des Transportes Suchtgift zugesteckt (dieses wurde im Rahmen der Durchsuchung sichergestellt), aufgrund des BeSi-Videos entkräftet werden. Eine zusätzliche Anzeige gegen die Person wegen Verleumdung war die Folge.

Unterstützung für kriminalpolizeiliche Ermittlungsarbeit und im Gerichtsverfahren.

Die im polizeilichen Einsatz durch BeSi- und BeDo-Trupps angefertigten Bild- und Tonaufzeichnungen bieten laut Auskunft von Staatsanwält/-innen eine große Hilfestellung bei der Bewertung des Sachverhaltes. Da diese nicht selbst vor Ort waren, können sie sich vor allem aufgrund der vorliegenden Videos ein besseres „Bild“ bei der Vermittlung von Ortskenntnissen und der Grundstimmung vor Ort machen. Dies erleichtert den Einstieg in das Verfahren sehr. Außerdem haben Bild- und Tonaufzeichnungen einen hohen Beweiswert, die Videos führen in den einzelnen Fällen von der Feststellung zur Beurteilung des Sachverhaltes und können im Verfahren leicht verwertet werden. Nach Auskunft von Staatsanwält/-innen, die bereits mit polizeilichem Bild- und Tonmaterial gearbeitet haben, stellen derartige Beweismittel einen unverzichtbaren Teil im Rahmen des Ermittlungsverfahrens dar und können aufgrund ihrer Qualität sogar als „König“ unter den Beweismitteln betrachtet werden.

A. H.


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 3-4/2022

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