Interview

„Digitalisieren und straffen“

Andreas Achatz: „Die Polizei wird in den nächsten Jahren voraussichtlich Mehrflächen von fast 50.000 Quadratmetern benötigen.“
Andreas Achatz: „Die Polizei wird in den nächsten Jahren
voraussichtlich Mehrflächen von fast 50.000 Quadratmeter
benötigen.“ © Gerd Pachauer

Sektionschef Andreas Achatz, BA MA, neuer Leiter der Sektion IV (Service) im Bundesministerium für Inneres, über Vorhaben, Herausforderungen und Änderungen in seinem Verantwortungsbereich, die vor allem die Digitalisierung mit sich bringt.

Sie übernehmen die Sektion IV in einer Phase, in der sehr große Vorhaben umzusetzen sind und zukunftsweisende Projekte vor der Tür stehen. Was sind für Sie die größten Herausforderungen?

Die Herausforderungen, die die Sektion IV in den nächsten Jahren erwarten, sind gewaltig. Alleine die Bauprojekte, die von der Sektion IV in den kommenden Jahren abzuwickeln sind, sind sowohl von der Anzahl als auch den Dimensionen her fordernd. Die Polizei wird in den nächsten Jahren voraussichtlich Mehrflächen von fast 50.000 Quadratmetern inklusive Sportflächen benötigen, um den aktuellen und zukünftigen Anforderungen vor allem im Bereich der Cyber-Kriminalität, Terrorismusbekämpfung und der Erreichung internationaler Standards in der kriminaltechnischen Ermittlung und Untersuchung sowie Ausbildung gerecht werden zu können.
Beispielsweise genannt seien die Immobilienoffensive Wien, mit dem neuen Sicherheitszentrum in Meidling, in dem künftig das Bundeskriminalamt sowie die Direktion für Digitale Services untergebracht werden sollen. Ein Ziel dieser Bauvorhaben ist auch die Bündelung von Organisationseinheiten und somit die Reduktion von Dienstwegen zwischen unterschiedlichen Standorten sowie eine Optimierung von Abläufen im Raumverband.
Mit den neuen modernen Einsatztrainingszentren, die in jedem Bundesland umgesetzt werden, wird eine moderne Infrastruktur für das gesamte polizeiliche Einsatztraining an einem Ort mit Schießausbildung und Einsatztechnik-, Einsatztaktik- sowie interaktivem Szenarientraining geschaffen und ein bundesweit einheitliches Trainingskonzept umgesetzt.
Moderne neue Einatztrainingszentren entstehen beispielsweise in Süßenbrunn in der Donaustadt und in Innsbruck im Zusammenhang mit der Errichtung des Sicherheitszentrums und Bildungszentrums Tirol.

Das Regierungsprogramm 2020-2024 sieht vor, ein ressortübergreifendes Lagezentrum einzurichten. Wann soll das Projekt umgesetzt werden?

Mit diesem Bundeslagezentrum, dessen Projektstart im vorigen Jahr war, wird ein neues Instrument zur professionellen Abwicklung von besonderen Lagen, etwa Pandemien, Migration, Terroranschläge usw. geschaffen. Der Architektenwettbewerb wurde bereits abgeschlossen und mit den konkreten Planungen begonnen. Im Herbst/Winter 2022 soll der Baustart in den Untergeschoßen des Amtsgebäudes Minoritenplatz und im Sommer 2024 die Fertigstellung erfolgen. Für das Amtsgebäude Minoritenplatz steht im Zuge des Baus des Bundeslagezentrums eine Generalsanierung an, dessen Planung schon sehr weit fortgeschritten ist. Vor allem die anstehende Renovierung und die damit im Zusammenhang stehenden Übersiedlungsmaßnahmen, die Hunderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreffen werden, die vorübergehend in einem anderen Gebäude untergebracht werden müssen, wird alle Anstrengungen der Abteilung IV/4 erfordern.

In Ihren Zuständigkeitsbereich fällt auch die Fahrzeugflotte des Innenministeriums Gibt es da Neuerungen?

Die Fahrzeugflotte des BMI wird laufend erneuert. Im Dezember des vorigen Jahres wurde für die nächsten Jahre ein neuer Fuhrparkmanagementvertrag nach einer europaweiten Ausschreibung der Bundesbeschaffungs GmbH abgeschlossen. Zur Erprobung der Einsatzmöglichkeit von Elektro-Fahrzeugen wurde bereits eine KIRAS-Studie, WALL-E, durchgeführt, die Ende 2020 abgeschlossen wurde. Im November 2021 wurde die Folgestudie DELOREAN gestartet, die unter anderem die Erprobung von 20 E-Fahrzeugen für den Streifendienst ab Ende 2022 beinhaltet. 

Im Bund sind die IT-Konsolidierung und Digitalisierung der Verwaltung große Themen. Wie schlägt sich das im BMI in der Sektion IV nieder?

Ein ganz zentrales Projekt der Sektion IV ist die bevorstehende Gründung der Direktion für Digitale Services (DDS), in der die Aufgabenbereiche der jetzigen Gruppe IV/B – Informations- und Kommunikationstechnologie – und der in anderen Organisationseinheiten des BMI bestehenden IT-Einheiten konsolidiert und neu formiert werden. Um die Effizienz und Effektivität zu steigern sollen die IKT-Prozesse zentralisiert und straffer gestaltet und die Verantwortlichkeiten klar zugewiesen werden, um die Professionalisierung der IT für den sehr speziellen polizeilichen Bereich weiter voranzutreiben und deren Resilienz weiter zu verbessern.
Die steigende Cyber-Bedrohung zeigt, dass eine zentrale Informationskoordination und ein Präventionsmonitoring notwendig sind. Dieser Prozess – wie mit digitalen Services in Zukunft umgangen wird – wird für die Sektion IV und das BMI insgesamt wegweisend sein. Am 1. Dezember 2021 ist die Sektion IV bereits um eine spezielle Abteilung mit Cyber-Sicherheitsagenden gewachsen, die neue Abteilung IV/10, Netz- und Informationssystemsicherheit (NIS), hat ihre Tätigkeit aufgenommen. Die bevorstehende Novellierung des NIS-Gesetzes wird demnächst große Veränderungen bringen, der Aufgabenumfang dieser Abteilung wird sich nahezu verzehnfachen.

Bei der Gründung der DDS steht die Konsolidierung und Neuaufstellung der IT und kritischen Infrastruktur des BMI im Vordergrund. Welche neuen Projekte stehen vor dem Abschluss und welche Digitalisierungsvorhaben für die Polizei zeichnen sich für die Zukunft ab?

Andreas Achatz: „Die steigende Cyber-Bedrohung zeigt, dass eine zentrale Informationskoordination und ein Präventionsmonitoring notwendig sind.“
Andreas Achatz: „Die steigende Cyber-Bedrohung zeigt, dass eine
zentrale Informationskoordination und ein Präventionsmonitoring
notwendig sind.“ © Gerd Pachauer

Das Projekt E-ID (Elektronische Identität) befindet sich derzeit in der Finalisierungsphase und soll noch dieses Jahr ihren Echtbetrieb aufnehmen. Das ist nicht nur eine technische Herausforderung, es sind auch sehr viele Steakholder beteiligt. Neben dem BMI sind auch das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, die Privatwirtschaft, die Staatsdruckerei und das Bundesrechenzentrum gefordert, den Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen eine praxistaugliche Lösung bereitzustellen. Zukünftig werden erstmalig digitale Nachweise, etwa der Führerschein, in digitaler Form direkt auf dem Smartphone zur Verfügung stehen. Über die E-ID können auch die bestehenden E-Government-Services besser genutzt werden. Es wird die Anforderung einer Meldebestätigung, die bereits möglich ist, oder die Beantragung von Wahlkarten mit der E-ID möglich sein. Durch die verstärkte Nutzung von digitalen Identitäten im Alltag wird auch das Angebot digitaler Leistungen sowohl in der Verwaltung als auch in der Wirtschaft zunehmen. Die Nutzungsmöglichkeiten der E-ID sollen im Laufe des nächsten Jahres schrittweise erweitert werden.
Ein zweites Projekt, das ich hervorheben möchte, ist die mobile Polizeikommunikation (MPK), deren Ziel es ist, dass die Polizistin, der Polizist zum Bürger, zur Bürgerin kommt und man sich weitere Amtswege erspart. Die Bediensteten sollen künftig ihre Amtshandlungen auf der Straße nicht nur beginnen, sondern auch abschließen können und zwar mit dem Smartphone oder Tablet, dafür gibt es bereits unzählige Applikationen und neue sind im Entstehen. Jetzt werden Straftaten und Verwaltungsübertretungen an Ort und Stelle analog aufgenommen und erst auf der Dienststelle in das digitale Sys­tem eingebracht.
Ziel ist es, dass die Anzeigenbestätigung für Bürgerinnen und Bürger an Ort und Stelle elektronisch zugestellt wird und die Kollegen auf der Polizeiinspektion künftig immer mehr von administrativen Tätigkeiten entlastet werden, weil sie bereits vor Ort mittels App erledigt werden können. Die Umsetzung einer solchen Vision erfordert eine Zusammenarbeit mit der Generaldirektion für öffentliche Sicherheit, mit den Landespolizeidirektionen und der IT des Hauses.
Ein ganz zentrales Projekt für die Polizeiarbeit der Zukunft, ist der Einsatz der „Bodycams“. Sie haben sich bisher im Streifendienst bewährt sowohl was ihre Präventivwirkung betrifft, wie auch ihre Tauglichkeit als Beweismittel in Verfahren. Bisher waren 375 solcher Kameras im Einsatz, künftig werden es österreichweit mehr als 4.000 sein. Die Aufnahmen, die von Bodycams erzeugt werden, stellen die IT des Hauses vor große Herausforderungen: diese müssen ins interne IT-Sys­tem eingespielt und gesichert auch für längere Zeiträume aufbewahrt werden. Zur Verarbeitung und Aufbewahrung dieser riesigen Datenmengen werden künftig sehr große Speicher- und Rechnerkapazitäten benötigt werden.

Sie haben als Jugendlicher Ihre Ausbildung bei der Polizei begonnen, waren viele Jahre in Spezialverwendungen und auch in der Ausbildung von Polizistinnen und Polizisten tätig. Wie haben Sie den Wandel in der Polizei über die Jahrzehnte erlebt?

Als Fünfzehnjähriger bin ich im Jahr 1977 in Wien in die Polizei eingetreten und habe die dreijährige Ausbildung als Polizeipraktikant absolviert, mit einer zweimonatigen Ausbildungsphase beim Bundesheer. Im Schulwachzimmer im 15. Bezirk habe ich den ersten Einblick in den Polizeialltag bekommen, am Westbahnhof mit dem Bahnhofsgasthaus Schwemme, wie es dort zugegangen ist, das war für mich sehr spannend und einprägsam. Besonders der Anfang der 1990er-Jahre war geprägt vom technischen Umstieg – von der Schreibmaschine in das digitale Zeitalter, auch für die Polizei. Das Wachzimmer in der Blindengasse im achten Bezirk, in dem ich damals tätig gewesen bin, ist das ers­te Wachzimmer in ganz Wien gewesen, das komplett vernetzt war und in dem Computer zum Einsatz gekommen sind. Das war eine Herausforderung für die Polizei diesen Umstieg zu bewältigen, von der analogen in die digitale Welt und die Digitalisierung der Polizeiarbeit beschäftigt uns noch immer.
Für mich persönlich einschneidend war der Abschluss des Dienstführenden-Kurses und meine erste Führungsfunktion. Das bedeutete eine starke Veränderung der eigenen Rolle für mich, in der ich Mitarbeiter-Führung lernen durfte und musste. Im Jahr 1992 wechselte ich als Sportlehrer in die Polizeischule. Die Polizeischüler fit für den Außendienst zu machen – nicht nur was körperliche Fitness anbelangt, sondern auch zur Selbstverteidigung, das war für mich sehr erfüllend. Mir war es immer sehr wichtig auch die einschlägigen Ausbildungen zu absolvieren und zwar bis zum staatlich geprüften Trainer oder den Lehrschein für das Rettungsschwimmen zu erwerben, denn fachspezifische Ausbildungen legen das Fundament für eine erfolgreiche Lehrtätigkeit.

Prägt der Sport Ihren Führungsstil?

Sicher sogar – ich bin im Rettungsschwimmen, Polizei-Fünfkampf und Triathlon aktiv gewesen, da lernt man, obwohl es Einzelsportarten sind, dass das Team wichtig ist, dass man auch beim Training darauf achtet, gemeinsam die Leistung zu erbringen, sich gegenseitig anzuspornen, auch wenn man sich im Wettkampf als Gegner gegenübersteht. Das hat mich sicher geprägt und hat auch Auswirkungen auf mein Führungsverständnis. Ich sage immer: Der Teamkapitän ist immer nur so stark wie seine Mannschaft, das gilt umgekehrt auch. Miteinander Ziele zu erreichen, die man sich gemeinsam gesteckt hat – das ist es, worauf es ankommt. 

Interview: Michaela J. Löff

Zur Person

Andreas Achatz trat 1977 als Polizeipraktikant in die Polizei Wien ein. Nach Absolvierung der Grundausbildung startete Achatz als Wachkommandant im 8. Wiener Gemeindebezirk. 1992 wechselte er als Sportlehrer in die Polizeischule Wien. 1999 begann Achatz mit dem zweijährigen Offiziersausbildungskurs. Nach der Offiziersausbildung wechselte er zur Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung (WEGA) und war dort über zwei Jahre lang als Kompaniekommandant tätig. Ab 2004 baute Achatz das neue Sportreferat im Innenministerium auf. Das Referat hatte zwei Aufgaben: den Polizeisport neu zu organisieren und ein Sicherheitskonzept für die damals bevorstehende Fußball-Europameisterschaft 2008 auszuarbeiten. Nach der Fußball-Europameisterschaft wurde Achatz Leiter des Bildungszentrums in Wien, wo unter seiner Führung die Grundausbildungslehrgänge von zwölf auf 24 sowie der Personalstand von rund 30 Lehrerinnen und Lehrern auf 60 aufgestockt wurden. Berufsbegleitend hat Achatz zwei Studien absolviert: Polizeiliche Führung und das Masterstudium Strategisches Sicherheitsmanagement in Wiener Neustadt. Im August 2012 wechselte Achatz ins Kabinett der damaligen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Dort war er für Polizeiangelegenheiten und andere Angelegenheiten wie Präventionsprojekte, Cyber-Sicherheit, das Bundeskriminalamt sowie Bau-und Liegenschaftsangelegenheiten zuständig. Im Herbst 2016 wurde Achatz zum Leiter der Gruppe IV/A ernannt. Im Jänner 2017 wurde er vom damaligen Innenminister Wolfgang Sobotka zum stellvertretenden und in weiterer Folge zum Kabinettschef ernannt. Achatz war Kabinettschef des ehemaligen Innenministers und nunmehrigen Bundeskanzlers Karl Nehammer während dessen Amtszeit im Innenressort. Achatz leitet auch das Kabinett von Innenminister Gerhard Karner. Mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2022 wurde er zum Leiter der Sektion IV (Service) im Bundesministerium für Inneres bestellt. Er folgte Hermann Feiner als Sektionschef nach, der Ende Dezember 2021 in den Ruhestand trat.


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 3-4/2022

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