Irland

Wächter der grünen Insel

Vor 100 Jahren wurde die irische Polizei „Garda Síochána“ gegründet.
Das Jahr 2022 steht im Zeichen zahlreicher Feiern.

An Garda Síochána: Die irische Polizei hat rund 14.000 Bedienstete in vier Polizei-Regionen.
An Garda Síochána: Die irische Polizei hat rund 14.000 Bedienstete in vier Polizei-Regionen. © Patrick Sabitzer

Kurz nach der Gründung Irlands Ende 1921 wurde auf der „grünen Insel“ im Norden Europas die Garda Síochána errichtet, die dieses Jahr ihr hundertjähriges Bestehen feiert. Der Geburt Irlands mit seiner Polizei war eine Phase jahrhundertelanger britischer Herrschaft vorausgegangen. Nach der einseitig proklamierten Unabhängigkeit 1919 brach ein Krieg mit Großbritannien aus, der in den folgenden zwei Jahren auf britischer und irischer Seite Hunderte Tote forderte. Am 6. Dezember 1921 erkannte die britische Krone Irlands Unabhängigkeit an und Irland erhielt den Status eines Freistaats innerhalb des britischen Commonwealth. Die sechs überwiegend protestantischen Grafschaften der Provinz Ulster im Norden der Insel (Nordirland) blieben allerdings Teil des Vereinigten Königreichs.

Die Wurzeln

100 Jahre Garda Síochána: Im Polizeimuseum im Dubliner Tower ist die Geschichte der irischen Polizei dokumentiert.
100 Jahre Garda Síochána: Im Polizeimuseum im Dubliner
Tower ist die Geschichte der irischen Polizei dokumentiert.
© Patrick Sabitzer

Die Wurzeln des irischen Polizeiwesens liegen in der gemeinsamen britischen Vergangenheit: Im Jahr 1786 wurde mit dem Dublin Police Act die erste Rechtsgrundlage für ein organisiertes Polizeiwesen auf der „grünen Insel“ geschaffen. 1814 setzte Sir Robert Peel, britischer Hauptsekretär für Irland, eine neue Ordnungstruppe auf der Insel ein – die Peace Preservation Force. Sie sollte soziale Unruhen und die ausufernde Kriminalität vor allem in den ländlichen Gebieten in den Griff bekommen; die örtlichen Wachen waren an zunehmenden Aufruhren und Clan-Kämpfen gescheitert. Als Peel 1822 britischer Innenminister wurde und 1829 die London Metropolitan Police gründete, griff er auf seine Erfahrungen in Irland zurück. Die neue Londoner Polizei wurde zu einem Modell für moderne Polizeiorganisationen. Die Polizeibeamten wurden in Anspielung auf den Gründer Robert Peel „Peelers“ oder „Bobbies“ genannt. 1822 wurden in Irland mit dem Constabulary Act in allen Grafschaften professionelle Polizeieinheiten (County Constabularies) installiert und 1836 zu einer einheitlichen Polizeibehörde, der Irish Constabulary, zusammengeführt. Dublin erhielt 1836 eine eigenständige Kommunalpolizei (Dublin Metropolitan Police), die bis 1925 bestand. Nach der Niederschlagung des Fenien-Aufstands erhielt die Irish Constabulary 1867 das Prädikat „Royal“ zur Betonung der Zugehörigkeit der Insel zum britischen Königreich.
Im Unabhängigkeitskrieg von 1919 bis 1921 verloren rund 400 Polizisten ihr Leben. Auf Grundlage des britisch-irischen Friedensvertrages, der am 6. Dezember 1921 unterzeichnet wurde, folgte im Jänner 1922 die Einigung, die Royal Irish Constabulary aufzulösen. Anfang Februar 1922 fiel der Beschluss, eine unabhängige irische Polizei aufzustellen. Am 22.  Februar 1922 wurde die Civic Guard aus der Taufe gehoben. Vorgesehen war, die neue Polizei – wie zuvor die Royal Irish Constabulary – als bewaffneten Wachkörper auszubilden. Nur wenige Monate später sollte diese Entscheidung jedoch widerrufen werden: Am 20. September 1922 erschoss ein Angehöriger der Civic Guard während seines Dienstes versehentlich einen Kollegen. Daraufhin wurde, wie in Großbritannien, ein Polizeisystem mit unbewaffneten Streifenbeamten etabliert. „Der Garda Síochána wird nicht durch die Stärke von Waffen oder Männern, sondern durch ihre moralische Autorität als Diener der Bevölkerung Erfolg beschert sein“, erklärte Polizeipräsident Michael Staines im Jahr 1922.

Gälischer Name.

1923 wurde für die Civic Guard der neue gälische Name Garda Síochána (Wächter des Friedens) eingeführt. Gälisch ist bis heute neben Englisch Amtssprache in Irland. Die gälische Bezeichnung wird auch im Englischen verwendet, wobei die Kurzform Garda gebräuchlich ist. Der offizielle Name lautet An Garda Síochána na hÉireann (Wächter des Friedens von Irland); der Ausdruck Police ist nicht gebräuchlich. 1925 wurde die Polizei des Großraums Dublin mit der landesweiten Garda zusammengelegt.
1949 erfolgte mit der Gründung der Republik die Loslösung Irlands vom Commonwealth. 1973 wurde Irland Mitglied der heutigen Europäischen Union. Das Vereinigte Königreich formierte nach der Abtrennung des irischen Freistaats eine eigene Polizeitruppe für Nordirland, die Royal Ulster Constabulary (RUC). Diese wurde 2001 – nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs – neu organisiert und in Police Service of Northern Ireland (PSNI) umbenannt. 2002 unterzeichneten die Regierungen Irlands und des Vereinigten Königreichs ein Abkommen, in dem die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Garda Síochána und der Polizei von Nordirland festgelegt wurde. Innerstaatlich wurde die Zusammenarbeit zwischen Garda und PSNI, die auch gegenseitige Dienstzuteilungen und die Ausübung von Exekutivgewalt im jeweils anderen Staat ermöglicht, in einem Kooperationsgesetz festgelegt.

Die Republik Irland

Die Republik Irland hat knapp fünf Millionen Einwohner. Es gibt vier Provinzen mit 31 lokalen Grafschaften bzw. Bezirken. Zur Garda Síochána als nationaler irischer Polizeiorganisation gehören rund 14.000 Bedienstete. Sie untersteht einem Polizeipräsidenten (Commissioner), der dem irischen Justizminister verantwortlich ist. Die Aufgaben und Befugnisse der Garda Síochána decken das gesamte Spektrum sicherheits- und kriminalpolizeilicher Agenden in Irland ab. Das Garda-Terroritorum ist in vier Regionen unterteilt, die jeweils von einem Assistant Commissioner geführt werden. Die Regionen sind weiter in Divisions, Districts und Sub-Districts unterteilt. Die Zahl der Divisions wurde 2019 von 28 auf 19 reduziert, zugleich wurden die Kompetenzen auf Ebene einer Division vergrößert. Die kleinste Einheit, der Sub-District, verfügt in der Regel über eine Garda-Station, in der zwischen drei und hundert Beamtinnen und Beamte ihren Dienst versehen. Als zusätzliche Hilfspolizei ist die Garda Reserve konzipiert, in der speziell ausgebildete Freiwillige vor allem den Streifendienst und die Präventionsarbeit unterstützen. 

Bewaffnung.

Garda-Abzeichen.
Garda-Abzeichen. © Gregor Wenda

Seit 1922 sind die Angehörigen der Garda grundsätzlich ohne Schusswaffen auf Patrouille. Die Polizisten führen im Streifendienst einen Schlagstock, Pfefferspray und Handfesseln mit sich. Kriminalbeamte (Detectives) dürfen in riskanten Situationen eine Schusswaffe verwenden. Nach einer internen Überprüfung im Jahr 2019 wurden zahlreichen Kriminalbeamten im Innendienst die Schusswaffenberechtigung entzogen. Der Gebrauch von Schusswaffen ist auf die Emergency Response Unit (ERU) und die Armed Response Units (ARU) sowie auf besonders gefährdete Ermittlungseinheiten beschränkt. Die ERU ist die nationale Sondereinheit Irlands und Mitglied im ATLAS-Verbund der europäischen Polizei-Spezialeinheiten. Armed Response Units sind in den verschiedenen Polizei-Regionen eingerichtet, um bei Einsätzen mit mittlerem Risikograd bewaffnete Polizeibedienstete zur Verfügung zu haben. 

Jubiläumsfeiern.

Das Jahr 2022 ist geprägt von Feiern und Initiativen zum 100. Bestandsjubiläum der irischen Polizei. Dazu gehört eine Veranstaltung im Gresham Hotel in Dublin, wo im Februar 1922 die Vorbereitungen zur Gründung der unabhängigen Civic Guard getroffen wurden. Bei einem Festakt wird des historischen Moments gedacht werden, als 380 Polizisten am 27. August 1922 in die Burg von Dublin marschierten und das letzte Symbol britischer Regentschaft übernahmen.

Gregor Wenda

www.garda.ie 


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 3-4/2022

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