Kriminalstatistik 2021

Radikalisierung und Cyber-Delikte     

411.000 Anzeigen 2021 bedeuten einen Tiefstand in der Erfassung der Strafdelikte. Die Polizei beschäftigten im Vorjahr zunehmend die Internetkriminalität und strafbare Handlungen im Zusammenhang mit den Corona-Demonstrationen.

Präsentation der Kriminalstatistik: Generaldirektor Franz Ruf, Innenminister Gerhard Karner, Andreas Holzer, Direktor des Bundeskriminalamts.
Präsentation der Kriminalstatistik: Generaldirektor Franz Ruf,
Innenminister Gerhard Karner, Andreas Holzer, Direktor des
Bundeskriminalamts. © Karl Schober

Ich durfte in den vergangenen zwei Monaten – vom Bodensee bis zum Neusiedler See – viele der 38.000 hoch motivierten und engagierten Polizistinnen und Polizisten in den verschiedensten Verwendungen kennenlernen. Diese Bediensteten waren in letzter Zeit besonderen und neuartigen Herausforderungen und Belastungen ausgesetzt. Herausforderungen, die sie neben der klassischen Polizeiarbeit mit Bravour gemeistert haben“, sagte Innenminister Mag. Gerhard Karner bei der Präsentation der „Polizeilichen Kriminalstatistik 2021“ am 15. Februar 2022 in Wien.
Gemeinsam mit dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Dr. Franz Ruf, MA und dem Direktor des Bundeskriminalamtes, General Mag. Andreas Holzer, MA, gab der Innenminister einen Rück- und Ausblick auf die Entwicklung der Kriminalität in Österreich.
„Die sinkende Anzahl der Anzeigen und die stetig steigende Aufklärungsrate sind einerseits Beweis für die gute Arbeit unserer Polizistinnen und Polizisten und erklären auf der anderen Seite die hohe Positionierung der Polizei im Vertrauensindex Österreichs“, sagte Generaldirektor Ruf.
„In den vergangenen 20 Jahren konnten wir einen erfreulichen Aufwärtstrend bei der Aufklärungsrate beobachten und einen Abwärtstrend bei der Zahl der Anzeigen. Diese Trends konnten wir auch im vergangenen Jahr beobachten“, sagte BK-Direktor Holzer. „Bereits das fünfte Jahr in Folge klärt die Polizei mehr als jeden zweiten Fall auf.“

Rückgang der Anzeigenzahl und Steigerung der Aufklärungsquote.

Die Anzahl der gerichtlich strafbaren Handlungen ist auf einem Tiefstand angelangt. Vergangenes Jahr wurden knapp 411.000 Anzeigen erstattet, was einen Rückgang um mehr als fünf Prozent gegenüber 2020 bedeutet. Das bedeutet erneut den niedrigsten Wert seit Beginn der elektronischen Datenerfassung im Jahr 2001. Die Zahl der Eigentumsdelikte wie Kfz- oder Einbruchs-Diebstähle ging um 15,2 Prozent auf 108.613 Anzeigen zurück. Die Aufklärungsquote wurde auf 55,3 Prozent gesteigert, das ist eine weitere Steigerung um ein Prozent und eine der höchsten Aufklärungsquoten seit Beginn der Aufzeichnungen. 

Anstieg der Cyber-Kriminalität.

Anstieg von Cybercrime: Die Zahl der von der Polizei erfassten Cyber-Delikte nahm im Jahr 2021 um 30 Prozent zu.
Anstieg von Cybercrime: Die Zahl der von der Polizei erfassten
Cyber-Delikte nahm im Jahr 2021 um 30 Prozent zu.
© nimito/Stock.adobe.com

„Globalisierung und Digitalisierung haben unsere Welt in den vergangenen beiden Jahrzehnten verändert. Die Auswirkungen sind auch in der Kriminalstatistik 2021 wahrnehmbar und haben die Anzeigenzahl bei Cyber-Delikten in die Höhe schnellen lassen. Knapp 46.200 Anzeigen wegen Internetkriminalität wurden 2021 festgestellt“, sagte Innenminister Karner. Das sind knapp 30 Prozent mehr als 2020. Meist handelt es sich um Betrugsdelikte, die sich in den virtuellen Raum verlagert haben. 2021 wurden 22.440 Fälle von Internetbetrug angezeigt, ein starkes Plus von 19,5 Prozent (2020: 18.780). Der Bestellbetrug – sowohl käufer- als auch verkäuferseitig – ist der mit Abstand größte Bereich, gefolgt von unbefugten Abbuchungen von Bankkonten der Opfer. Hier waren vor allem die „FluBot“-Attacken, die Mitte 2021 verstärkt auftraten, verantwortlich.
Ein Anstieg wurde auch bei Cybercrime-Delikten im engeren Sinne, wie Hacking, Datenbeschädigung oder -fälschung und Datenverarbeitungsmissbrauch (plus 19,9 Prozent auf 15.484 Anzeigen; 2020: 12.914) verzeichnet. Der Online-Kindesmissbrauch hat mit 1.921 Anzeigen erneut den Höchststand der letzten Jahre erreicht. Die Zahl an Erpressungsdelikten im Internet ist ebenfalls sprunghaft angestiegen: Über 1.800 Anzeigen wurden von der Polizei bearbeitet. 

Demonstrationen und Radikalisierung.

„Die Pandemie hat zur Radikalisierung an den extremen Rändern unserer Gesellschaft geführt. Besonders die Demonstrationen der Corona-Maßnahmengegner haben die Polizistinnen und Polizisten 2021 vor besondere Herausforderungen gestellt“, betonte Karner. Bei mehr als 2.100 Versammlungen wurden etwa 25.000 Verwaltungsanzeigen und etwa 550 strafrechtliche Anzeigen erstattet. Es wurden knapp 200 Personen nach der Strafprozessordnung und mehr als 200 nach den Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes festgenommen. Polizistinnen und Polizisten leisteten bei diesen Veranstaltungen knapp 600.000 Einsatzstunden. Etwa 60 Polizistinnen und Polizisten wurden dabei seit Januar 2021 verletzt.

Nationalsozialistische Strömungen und Extremismus.

Die Demonstrationen der Corona-Maßnahmengegner haben die Polizistinnen und Polizisten 2021 besonders herausgefordert.
Die Demonstrationen der Corona-Maßnahmengegner haben die
Polizistinnen und Polizisten 2021 besonders herausgefordert.
© Gerd Pachauer

Wurden 2019 noch 1.388 Anzeigen nach dem Verbotsgesetz gelegt, waren es 2021 1.671 Fälle. „Diese Zahlen zeichnen ein klares Bild einer Veränderung im Bereich des Rechtsextremismus, das auch von der Pandemie beeinflusst wurde. Das zeigt auch die Verharmlosung des Holocaust im Rahmen von Corona-Demos, aber auch im Internet und in sozialen Medien. Die enge Vernetzung zwischen der Szene der Corona-Maßnahmengegner sowie alten und neuen Rechtsextremisten ist evident, wie eine Versammlung in einem Lokal Mitte Februar 2022 in Neunkirchen zeigte“, unterstrich der Innenminister. Der Verfassungsschutz beobachte diese Entwicklung genau und gehe konsequent gegen das Entstehen parallelgesellschaftlicher Strukturen vor.
„Der Kampf gegen Antisemitismus ist nicht nur Teil unserer historischen Verantwortung, sondern aktueller denn je, wie uns die Zahlen der Kriminalstatistik zeigen“, sagte Karner.

Anstieg der Schlepperkriminalität.

„Die internationale Entwicklung der illegalen Migration macht auch vor Österreich nicht halt, wir haben mit etwa 38.600 Asylanträgen im vergangenen Jahr einen Anstieg der illegalen Migration gesehen“, sagte Karner. Diese Entwicklung bringe einen Anstieg der damit im Zusammenhang stehenden Zahl an gerichtlich strafbaren Handlungen mit sich.
3.570 Anzeigen wegen Schlepperei wurden 2021 erstattet, das ist eine Verdoppelung zum Vorjahr. Als Antwort auf diese Phänomene wurden vom Bundeskriminalamt Strukturermittlungen, vor allem in enger Zusammenarbeit mit Ermittlern aus den Staaten des Westbalkan, durchgeführt. Das Ergebnis waren 400 festgenommene Schlepper im Jahr 2021.

Leichter Anstieg der Gewaltkriminalität.

Die Zahl der Gewaltdelikte stieg im zweiten Pandemiejahr im Vergleich mit 2020 um 0,6 Prozent (2021: 67.441, 2020: 67.051). 86,2 Prozent der angezeigten Gewaltdelikte konnten aufgeklärt werden. Die Zahl der ausgesprochenen Betretungs- und Annäherungsverbote ist 2021 auf 13.690 gestiegen (2020: 11.652), 11.238 Gefährderinnen und Gefährder wurden 2021 weggewiesen (2020: 9.689). Die Beratungsstellen für Gewaltprävention sind in ganz Österreich eingerichtet und übernehmen seit September 2021 die verpflichtenden Beratungen für Gefährderinnen und Gefährder. 2021 wurden 3.832 Personen von diesen Stellen beraten.
Auch die Zahl der sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen stieg 2021 auf 57 (2020: 25) und das Team der speziell ausgebildeten Präventionsbediensteten bei Gewalt in der Privatsphäre wurde von 530 auf 842 verstärkt. Das Bundeskriminalamt unterstützt aber auch die NGOs bei ihrer Arbeit: 2020 wurden zusätzlich fünf Millionen Euro für Gewaltschutzzentren und Interventionsstellen in ganz Österreich ausbezahlt. Darüber hinaus wurden unterschiedliche Gewaltpräventionsprojekte in Österreich mit einer Million Euro unterstützt.

Ausblick und Maßnahmen

  • Cybercrime: Im Bundeskriminalamt wurde die Einheit der Cyber-Spezialisten auf 100 Polizistinnen und Polizisten aufgestockt. Dazu soll durch die Kriminaldienstreform eine Spezialisierung der Ermittler in den Bundesländern durch überregionale Ermittlungsgruppen forciert werden. „Gemeinsam mit der Justizministerin werde ich auch die bestehenden Strafen, vor allem die Strafrahmen und Straftatbestände, evaluieren“, erklärte Innenminister Karner.
  • Demonstrationen der Corona-Maßnahmengegner: Die Beobachtung der rechtsextremen Szene, insbesondere deren Vernetzung mit den Corona-Maßnahmengegnern, soll durch die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst fortgesetzt werden. „Neben einer engen Vernetzung zwischen Kriminalpolizei und Verfassungsschutz spielt Prävention zur Verhinderung von Radikalisierung eine bedeutende Rolle. Diese Art von Prävention kann nur gesamtgesellschaftlich funktionieren“, betonte Karner.
  • Schlepperkriminalität: „Die Bündelung des Know-hows im Bereich der Ermittlungen durch die Einrichtung einer spezialisierten Abteilung im Bundeskriminalamt ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die Schlepperkriminalität“, sagte der Innenminister. Ein weiterer Punkt ist die Intensivierung der bewährten länderübergreifenden internationalen Zusammenarbeit durch gemischte Streifen. Die soll vor allem in Zusammenarbeit mit den Staaten des Westbalkans passieren.       

J.L.H./R.T.


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 3-4/2022

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