Polizeigeschichte

Polizeiwachen in den Hochschulen

Nach politisch und antisemitisch motivierten Ausschreitungen an Österreichs Universitäten und Hochschulen wurde im Herbst 1933 eine „Hochschulwache“ eingerichtet.

Festsaal der Universität Wien: In der Hauptuniversität befand sich von 1933 bis 1938 die personalstärkste Hochschulwache.
Festsaal der Universität Wien: In der Hauptuniversität befand
sich von 1933 bis 1938 die personalstärkste Hochschulwache.
© Werner Sabitzer

Anfang der 1930er-Jahre häuften sich die innenpolitischen Auseinandersetzungen. Vor allem die Nationalsozialisten verstärkten ihre illegalen Aktivitäten. Nach dem Simmeringer „Blutsonntag“, bei dem am 16. Oktober 1932 vier Menschen bei einem Umzug der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) erschossen worden waren, darunter der Polizist Karl Tlasek, verbot der neu ernannte Staatssekretär für das Sicherheitswesen Emil Fey Aufmärsche und Versammlungen der NSDAP sowie der Sozialisten und Kommunisten in Wien.
Nachdem Adolf Hitler am 30. Jänner 1933 als Kanzler mit der NSDAP die Macht in Deutschland übernommen hatte, stieg die Zahl der Gewalttaten der Nationalsozialisten gegen ihre Gegner und öffentliche Einrichtungen in Österreich an. Es gab fast täglich Anschläge oder andere illegale Aktionen. Die Dollfuß-Regierung verbot am 20. Juni 1933 die Tätigkeit der NSDAP und ihrer Wehrformationen in Österreich. Auch in den Hochschulen und Universitäten nahm die Zahl an Auseinandersetzungen zu. Arge Ausschreitungen gab es in der Universität Wien beim Schottenring. Hier häuften sich antisemitische Gewalttaten, besonders durch die „Deutsche Studentenschaft“. 

Ständige „Hochschulwache“.

Sicherheitswachebeamter der Hochschulwache in Wien.
Sicherheitswachebeamter der
Hochschulwache in Wien.
© Polizeiarchiv

Um weitere Ausschreitungen zu verhindern, löste die Regierung im Juni 1933 die Hochschulautonomie auf. Die Polizei konnte nun die Hochschulgebäude betreten. Im Juli 1933 ordnete das Unterrichtsministerium „Maßnahmen gegen die Störung von Ruhe und Ordnung“ an. Das Anschlagsrecht, also die Erlaubnis, auf akademischem Boden Plakate und Zeitschriften auszuhängen, wurde nur mehr den „Fachvereinen“ eingeräumt. Die Publikationen unterlagen der Zensur des Rektors.
Die „Deutsche Studentenschaft“ wurde mit Erlass des Unterrichtsministeriums vom 23. September 1933 mit 1. Oktober 1933 aufgelöst. Außerdem wurde ein Legitimationszwang eingeführt.
Mit Beginn des Studienjahres 1933/34 wurde in den Hochschulgebäuden eine ständige „Hochschulwache“ eingerichtet. Rechtliche Grundlage war der Erlass des Bundesministeriums für Unterricht vom 26. Juli 1933, Zahl 21.974-I/1. Die Errichtung der Wache erfolgte im Einvernehmen mit dem Bundeskanzleramt und mit Zustimmung des Ministerrats. Die Wache war Teil der bundesstaatlichen Sicherheitsexekutive. In allen Hochschulgebäuden musste für sie ein Raum als Wachzimmer zur Verfügung gestellt werden. In den Hochschulstädten Innsbruck und Leoben versahen Gendarmeriebeamte Dienst, sonst Sicherheitswachebeamte der jeweiligen Bundespolizeidirektionen.
Hochschulwachen gab es in Wien in der Universität am Schottenring, in der Akademie der bildenden Künste, in der Tierärztlichen Hochschule, in der Technischen Hochschule, im Elektrotechnischen Institut und im Institut für Chemie und Maschinenbau der Technischen Hochschule, im Medizinisch-chemischen Laboratorium und im Anatomischen Institut der Universität, in der Hochschule für Bodenkultur und in der Hochschule für Welthandel. Die personelle Stärke richtete sich nach der Größe der Hochschule und bewegte sich in Wien zwischen drei und sechzehn Sicherheitswachebeamten plus jeweils einem Wachkommandanten.

Dienstabzeichen.

Abzeichen der Hochschulwache.
Abzeichen der Hochschulwache.
© Polizeiarchiv

Die Hochschulpolizisten trugen auf ihrer Sicherheitswache- bzw. Gendarmerieuniform ein Dienstabzeichen. Es bestand aus einer runden Scheibe aus goldfarbiger Bronze im Durchmesser von 50 Millimetern. An der Vorderseite befand sich der Wappenschild mit dem in Schwarz ausgeführten Adler der Republik Österreich mit dem rot-weiß-roten Bindenschild. Die Flügelfedern waren mit Goldstreifen eingesäumt. Unterhalb des Wappenschildes befand sich die goldfarbige Inschrift „Hochschulwache“. Auf der Rückseite befand sich die goldfarbige Schlupfe für das Befestigen des Dienstabzeichens am Mantel oder an der Bluse. An der Schlaufe war die Nummer des Dienstabzeichens eingepresst. 

Aufgaben und Befugnisse.

Die Hochschulwache hatte die Aufgabe, die akademischen Behörden bei der Ausübung der Disziplinarbefugnisse zu unterstützten. Außerdem war sie verpflichtet, bei einer Störung der Ruhe und Ordnung im Rahmen der polizeilichen Vorschriften einzuschreiten und aus eigener Initiative auch ohne Auftrag der akademischen Behörden die notwendigen Vorkehrungen zu treffen.
Die Bundespolizeidirektion Wien war verpflichtet, der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit jederzeit über die Vorgänge im Inneren der Hochschule und Hochschulinstitute sofort zu berichten und dass insbesondere bei einer Gefährdung des Lebens und der körperlichen Sicherheit ohne Aufforderung eingeschritten werde. Die 1930 eingerichtete Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit war dem Bundeskanzleramt unterstellt.
„Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass ein rechtzeitiges und von vollem Erfolg begleitetes Einschreiten der Sicherheitsexekutive nur dann gewährleistet werden kann, wenn sie durch ihre Anwesenheit in den fraglichen Gebäuden selbst in die Lage versetzt ist, den Gang der Ereignisse aus unmittelbarer Nähe zu verfolgen. Sie wird daher die weitere Aufgabe haben, eine Bewegung schon in ihrem Anfang nach Möglichkeit zu unterdrücken und allenfalls Vorkehrungen zur Verhütung einer solchen zu treffen. Nur auf diese Weise ist es möglich, die Schuldtragenden zu erfassen und damit einerseits weitergehende, zwangsweise sich auch gegen Schuldlose richtende Maßnahmen zu vermeiden, anderseits eine bedeutende Ursache von Ruhestörungen wirksam zu bekämpfen“, hieß es in einer amtlichen Mitteilung vom 30. August 1933.
Trotz der verschärften Sicherheitsmaßnahmen begann das Studienjahr mit Krawallen. In der Technischen Hochschule explodierten am 16. Oktober 1933 fünf Papierböller, die im Gebäude starken Rauch verursachten. Nationalsozialistisch gesinnte Studenten verschütteten Reizgas und beschädigten eine Telefonzelle. Sie brüllten im ganzen Haus und hissten auf dem Balkon im zweiten Stock eine Hakenkreuzfahne. Die Hochschulwache jagte die Lärmenden aus dem Haus und nahm zwei Studenten fest.
In der Universität am Ring explodierten Papierböller. Nazi-Studenten sangen in der Aula das Deutschlandlied. Die Hochschulwache räumte mit Knütteln das Gebäude. An beiden Unis wurden insgesamt 13 Studenten verhaftet. Unruhen gab es auch in den Hochschulen in Graz und Innsbruck.
Der Unterrichtsminister und der für die Hochschule für Welthandel in Wien und die Montanistische Hochschule in Leoben zuständige Handelsminister verschärften am 16. Oktober 1933 mit einer Notverordnung nach dem Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetz die Disziplinarordnung an den Hochschulen. In beiden Ministerien wurde eine besondere Disziplinarkommission eingesetzt, vor der sich Studierende zu verantworten hatten, die die öffentliche Ruhe an den Hochschulen gestört hatten. Die Disziplinarstrafen gingen von der Verweisung von allen Hochschulen für das laufende Semester bis zur dauernden Verweisung. Nationalsozialistische Agitationshandlungen gingen weiter. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme im März 1938 wurde die Hochschulwache aufgelöst.        

Werner Sabitzer

 


Quellen/Literatur:

  • Buchsbaum, Leopold (Hg.): Taschenjahrbuch für Sicherheitswachebeamte Österreichs. 9. Jahrgang, Selbstverlag, Wien 1934.
  • Oberhummer, Hermann: Die Wiener Polizei. 200 Jahre Sicherheit in Österreich, Band I. Wien 1938.
  • Sabitzer, Werner: Lexikon der inneren Sicherheit (Polizeilexikon Österreich), NWV, Wien/Graz 2008.

Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 3-4/2022

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