Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes

Unfallursachen untersuchen    

Mitarbeiter der Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes: Im Bereich Zivilluftfahrt werden vor allem Unfälle mit Motorflug zeugen, Hubschraubern und Segelflugzeugen untersucht.
Mitarbeiter der Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes:
Im Bereich Zivilluftfahrt werden vor allem Unfälle
mit Motorflugzeugen, Hubschraubern und Segelflugzeugen
untersucht. © SUB

Die Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes (SUB) untersucht Unfälle und Störungen im Bereich Schiene, Schifffahrt, Seilbahn und Luftfahrt, um aus Fehlern zu lernen und Wiederholungen zu vermeiden.

Am 18. Juni 2016 kollidierten auf der Donau zwei Ausflugsschiffe; verletzt wurde dabei niemand. Die mögliche Unfallursache ist noch Gegenstand der laufenden Untersuchung.
Am 12. Februar 2018 kollidierten zwei Personenzüge im Bahnhof Niklasdorf in der Steiermark. Bei beiden Zügen entgleisten jeweils mehrere Wagen mit allen Radsätzen. Die Bilanz: 1 Toter, 1 Schwerverletzter, 30 leichtverletze Personen und beträchtlicher Sachschaden. Ursache für den seitlichen Zusammenstoß war das Anfahren gegen „Halt“ mit anschließender Signalüberfahrung – „menschliches Versagen“.
Bei der Bergeübung auf einer Einseil-Umlaufbahn am 1. Dezember 2011 in Tirol, stürzte ein Seilbahnmitarbeiter ab und wurde schwer verletzt. Drei Bergeteams bestehend aus je zwei Mitarbeitern sollten Personen aus den Gondeln retten. Die ersten Abseilvorgänge verliefen ohne Zwischenfälle. Während der Bergeübung des dritten Teams stürzte ein Seilbahnmitarbeiter während des Abseilvorgangs aus einer Höhe von ca. 10 Meter ab. Der Mitarbeiter wurde aufgrund des Absturzes schwer verletzt und mit dem Rettungshubschrauber nach Innsbruck in das Landeskrankenhaus gebracht. Kommunikation und Kommandos zwischen den am Unfall beteiligten Personen waren nicht klar und eindeutig. Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse war davon auszugehen, dass die Ursache für diesen Vorfall in einer menschlichen Fehlhandlung begründet ist.
Am 30. März 2011 stürzte ein Hubschrauber des Innenministeriums in den Achensee, in Tirol. „Alle Insassen kamen bei dem Absturz bedauerlicherweise ums Leben. Aus unserer Sicht ist die Absturzursache geklärt. Das Innenministerium hat eine Expertenkommission eingerichtet, die den Unfall neuerlich untersucht. Das Ergebnis steht noch aus“, sagt Hofrätin Dipl-HTL-Ingin Bettina Bogner, BA, MA, seit Anfang 2019 Leiterin der Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes (SUB) und vormals Leiterin des Assistenzbereichs Tatort des Landeskriminalamtes Wien.

Untersucht

Zugsunglück in Niklasdorf: Zwei Personenzüge kollidierten. Bei beiden Zügen entgleisten jeweils mehrere Wagen.
Zugsunglück in Niklasdorf: Zwei Personenzüge
kollidierten. Bei beiden Zügen
entgleisten jeweils mehrere Wagen.
© Erwin Scheriau/APA/picturedesk.com

Untersucht werden solche Fälle von Bediensteten der Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes. SUB-Teams untersuchen Unfälle und schwere Störungen, Beinaheunfälle, in den Verkehrsbereichen Zivilluftfahrt, Schiene, Seilbahn sowie Schifffahrt und veröffentlichen Berichte. „Um ähnlich gelagerte Vorfälle zukünftig zu verhindern, sprechen wir gegebenenfalls Sicherheitsempfehlungen aus“, sagt Bogner. „Die SUB hat aufgrund gesetzlicher Bestimmungen bis 30. September jeden Jahres einen Bericht über ihre Tätigkeiten im jeweils vorangegangenen Jahr zu erstellen und diesen zu veröffentlichen sowie dem Nationalrat zu übermitteln.“

Die am häufigsten gemeldeten Vorfälle

Die am häufigsten gemeldeten Vorfälle betreffen den Bereich Zivilluftfahrt und hier vor allem Motorflugzeuge gefolgt von Paragleitern und Hubschraubern. „Wir untersuchen Vorfälle im Bereich der Verkehrs­träger Schiene (Eisenbahn, Seilbahn und Schifffahrt) und zivile Luftfahrt, die gemäß der rechtlichen Rahmenbedingungen untersuchungspflichtig sind, darüber hinaus können wir Vorfälle in diesen Bereichen untersuchen, von denen wir annehmen, dass sich aus den Untersuchungen Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit ableiten lassen“, erläutert Bogner. „Hier ergibt sich ein breites Untersuchungsspektrum von Unfällen mit Toten und Schwerverletzten bis hin zu Beinahe-Unfällen. Sehr häufig sind Unfälle auf Human Factors zurückzuführen, die die menschliche Leistung beeinflussen, Der Begriff „Human Factors“ umfasst psychische, kognitive und soziale Faktoren, die zwischen menschlichen und technischen Systembestandteilen wirken. Ein menschlicher Fehler kann daher bei Unfalluntersuchungen nicht isoliert betrachtet werden“, erklärt Bogner.

Unabhängige Stelle.

Wrack eines im Großglocknergebiet abgestürzten Hubschraubers: Dokumentation des Unfallsortes durch SUB-Mitarbeiter.
Wrack eines im Großglocknergebiet abgestürzten
Hubschraubers: Dokumentation des Unfallsortes durch
SUB-Mitarbeiter.
© JFK / EXPA / picturedes.com

Die SUB wurde 2006 eingerichtet. Vorher war die Untersuchungsstelle als „Flugunfallkommission“ bekannt. Die Aufgabe der Untersuchung von Vorfällen im Bereich der zivilen Luftfahrt obliegt seither der Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes, Fachbereich Zivilluftfahrt. Die SUB war bis 2017 eine Organisationseinheit der Bundesanstalt für Verkehr. Seit deren Auflösung und um Interessenskonflikte und eine Verwicklung in die Ursachen des untersuchten Vorfalles zu vermeiden, ist die SUB nun als unabhängige Stelle im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) eingerichtet. „Sie agiert weisungsfrei und ungebunden und verfügt über ein eigenes Budget und einen eigenen Fuhrpark“, erklärt Bogner. „Vorfalluntersucher können bei Untersuchungen nur von mir als SUB-Leiterin Weisungen erhalten.“ Die Büros der SUB befinden sich im BMK im dritten Wiener Bezirk. Die mit Krananlage ausgestattete Sicherstellungshalle befindet sich in Wien-Strebersdorf. Derzeit verfügt die SUB über 28 Mitarbeiter/-innen, davon 16 Vorfallsuntersucher.

Breite Fachkenntnisse.

„Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Fachbereichs zivile Luftfahrt haben luftfahrtspezifische Kenntnisse, z. B. Berechtigungen zur Wartung von Luftfahrzeugen“, sagt Bogner. Ein Teil sind aktive Pilotinnen und Piloten und verfügen über Fluglizenzen. Drei Mitarbeiter studieren an der technischen Universität Graz, Lehrgang „Aviation Safety“, zwei weitere Mitarbeiter studieren am Joanneum Graz im Lehrgang „Luftverkehrsmanagement“, wobei die Studiengebühren vom Dienstgeber übernommen werden. Darüber hinaus werden internationale Ausbildungen absolviert (z. B. IATA-Schulungen, Cranfield University, University of Southern California).
Im Fachbereich Schiene sind überwiegend Ingenieure tätig, die zusätzliche fachspezifische Ausbildungen erhalten z. B. im Rahmen des Ausbildungsprogrammes der ÖBB, universitäre Lehrgänge, etc. Die SUB nimmt auch an internationalen Meetings und Kongressen teil und hält Kontakt zu Untersuchungsstellen weltweit. Die Bediensteten der SUB sind mit Dienstfahrzeugen, persönlich zugewiesener Schutzausrüstung, Fotoausrüstung und den technisch erforderlichen Hilfsmitteln (u. a. Drohne) für die Untersuchung an Ort und Stelle ausgestattet. In der Sicherstellungshalle befindet sich eine Krananlage, für Untersuchungen von Wrackteilen steht ein hochwertiges Digitalmikroskop zur Verfügung. Die SUB plant die Beschaffung eines 3D-Laserscanners für die Dokumentation und Vermessung von Unfallstellen.

Arbeitsweise.

Nach einem Unfall beginnen Mitarbeiter der Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes rasch mit den Erhebungen.
Nach einem Unfall beginnen Mitarbeiter der Sicherheits-
untersuchungsstelle des Bundes rasch mit
den Erhebungen. © SUB

Eine Untersuchung beginnt mit der Meldung des Vorfalls, sie erfolgt in der Regel von der Austro Control GmbH. Hierfür verfügt die SUB über eine 24/7 erreichbare Meldezentrale. „Dort wird die Meldung einer Erstbeurteilung unterzogen und entschieden, ob eine Untersuchungspflicht vorliegt oder nicht, in Datenbanken gespeichert und dem jeweiligen Fachbereich zur Verfügung gestellt“, schildert Bogner das Prozedere.
Nur wenige gemeldete Zwischenfälle sind tatsächlich untersuchungspflichtig: 2020 gingen 3.195 Meldungen im Bereich Schiene ein. 968 Meldungen davon wurden von der SUB als Unfälle, 1.718 als Störungen und 509 als sonstige Ereignisse bewertet. Insgesamt wurden zwei Sicherheitsuntersuchungen im Bereich Schiene eingeleitet.
„Im Fachbereich nimmt der Bereitschaftsdienst, bestehend aus zumindest zwei Untersuchungsbeauftragten, die Erhebungen vor Ort so rasch wie möglich auf. Sofern erforderlich und möglich, unterstützt uns die Flugpolizei beim Transport der Untersuchungsbeauftragten zum Ereignisort“, erklärt Bogner. Der Unfallort wird dokumentiert, die Lage von Wrack- und Wrackteilen wird festgehalten, das Wrack wird soweit wie möglich ersten Untersuchungen unterzogen. In dieser Phase wird eng mit den zuständigen Polizeidienststellen, bei Personenschäden auch mit der Justiz, zusammengearbeitet. Informationen werden ausgetauscht, es werden gemeinsame Erhebungen und Befragungen durchgeführt, die Polizei unterstützt die SUB bei der Absperrung der Unfallstelle. Wrack, bzw. Wrackteile werden beschlag­nahmt und nach Wien-Strebersdorf gebracht, sämtliche relevante Unterlagen und Informationen wie Unterlagen zur Flugvorbereitung, Wetterberichte oder Radarauswertungen werden erhoben, Zeugen werden befragt. Sofern der Pilot oder die Pilotin zum Vorfall befragt werden kann, wird dies so bald wie möglich gemacht.“

Berichterstellung.

Innerhalb weniger Stunden erstellt die SUB einen Bericht mit ersten Informationen, in dem der Unfall und die Einleitung einer Untersuchung (s.g. „Notification“) mitgeteilt werden. Nach Abschluss der Erhebungen beginnt der Prozess der Berichterstellung. „Die Berichtsvorlage der SUB orientiert sich an den Vorgaben des Annex 13 der Konvention über die internationale Zivilluftfahrtorganisation, auch Chicago-Konvention genannt“, erklärt Bogner. „Beteiligte werden in die Untersuchung einbezogen und erhalten die Möglichkeit, vor Veröffentlichung des Abschlussberichts Stellungnahmen abzugeben. Jede Sicherheitsuntersuchung ist mit einem Bericht in einer Form abzuschließen, die der Art und Schwere des Unfalls oder der Störung angemessen ist. Im Bericht ist festgehalten, dass das einzige Ziel der Sicherheitsuntersuchung die Verhütung künftiger Unfälle und Störungen ist, ohne eine Schuld oder Haftung festzustellen. Die SUB sanktioniert nicht, dies ist der Justiz, bzw. der Luftfahrtbehörde vorbehalten.“
Doch liegen genau hier die Herausforderungen. „Unser Bericht ist kein Gutachten, dass zur Verwendung in straf- oder zivilrechtlichen Verfahren bestimmt ist. Von der Untersuchung betroffene Personen haben teilweise Schwierigkeiten, das zu akzeptieren“, sagt Bogner. „Es erfolgen immer wieder Versuche, den Inhalt unserer Berichte zu beeinflussen, sei es durch Beschwerden oder durch Anzeigen, z. B. wegen Amtsmissbrauch, wenn negative rechtliche Konsequenzen durch den Inhalt unserer Berichte befürchtet werden.“

Herausforderungen.

Die zivile Luftfahrt hat Methoden und Konzepte entwickelt, die das Flugzeug zu einem der sichersten Massentransportmittel gemacht haben. „Die kontinuierliche Verbesserung der Flugsicherheit ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen, unter anderem auf Designverbesserungen, neue Technologien, effektivere Pilotenausbildung sowie signifikante Verbesserungen der Herstellungsprozesse, des Flugzeugbetriebs und auf Seiten der Regulierung und eine von allen Beteiligten getragene Sicherheitskultur“, sagt Bogner. „Die zunehmende Komplexität des Systems Luftfahrt, die prognostizierte weitere Zunahme an Flugbewegungen, aber auch die wachsende Zahl von Drohnen und die steigende Abhängigkeit der Luftfahrt von IT, stellen Herausforderungen für die Sicherheit der Luftfahrt der Zukunft dar.“
Die Entwicklung neuer Technologien und Konzepte zur Dekarbonisierung der Luftfahrt schreitet voran. Die weltweite Covid-Pandemie führt zu längeren Stehzeiten von Luftfahrzeugen und damit verbundenen Wartungsproblemen. „Steigende Fallzahlen erfordern einen effizienten, qualitätsgesicherten Prozess der Sicherheitsuntersuchung. Die SUB muss Untersuchungen am Stand der Technik gewährleisten; die Untersuchungsbeauftragten der SUB werden sich auch in komplexen Materien laufend weiterbilden müssen, um diese Anforderung zu erfüllen“, sagt die SUB-Leiterin.

Julia Brunhofer/Herbert Zwickl


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 3-4/2022

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