Zentraler Erkennungsdienst

Unsichtbare Spuren    

257.000 DNA-Profile sind in der nationalen DNA-Datenbank gespeichert. Durch den Abgleich von biologischen Spuren an Tatorten können zahlreiche Delikte geklärt werden.

Kriminalistische Tatortarbeit: Auf dem Seitenfenster des Wagens können Fingerabdruck- oder DNA-Spuren zu finden sein.
Kriminalistische Tatortarbeit: Auf dem Seitenfenster des Wagens
können Fingerabdruck- oder DNA-Spuren zu finden sein.
© Gerd Pachauer

Fünf Jahre dauerte die Suche nach der 16-jährigen Julia K., die im Juni 2006 in Niederösterreich verschwunden war. Ihre skelettierten Überreste wurden später in einem Erdkeller gefunden. Der tatverdächtige Grundstücksbesitzer musste aufgrund mangelnder Beweise aus dem Gewahrsam entlassen werden. Erst die Untersuchung eines angebrannten Deckenstücks vom Fundort brachte den entscheidenden Hinweis – die gefundene DNA-Mischspur ermöglichte die Verurteilung des Mannes. 

200 Delikte im Monat klären.

Neben Blut, Haaren, Speichel und Urin reichen durch immer sensitiver werdende Analysen bereits kleine Haut­abrieb-spuren, um ein DNA-Muster zu erstellen. „Die DNA-Untersuchung stellt in Kombination mit Abgleichen in der nationalen und in den internationalen Datenbanken einen großen kriminalistischen Mehrwert dar“, sagt Gunther Herbst, Leiter des Referates 6.1.3 (DNA-Datenbank) im Bundeskriminalamt. Derzeit kann die österreichische Polizei bis zu 200 Delikte im Monat durch Treffer in der nationalen DNA-Datenbank klären. Die DNA-Analyse wird außerdem auch bei der Suche nach vermissten Personen, unbekannten Leichen und zur Vermeidung von Trugspuren durch Polizistinnen und Polizisten eingesetzt.

25 Jahre DNA-Datenbank.

Gunther Herbst: „Wir können Mischspuren automatisch abgleichen.“
Gunther Herbst: „Wir können
Mischspuren automatisch abgleichen.“
© Diva Shukoor Photography

Seit 1997 gibt es eine zentrale operative forensische DNA-Datenbank in Österreich – seither konnten knapp 30.000 Tatverdächtige durch Treffer identifiziert werden. Eingerichtet wurde die nationale Datenbank anlässlich des Kriminalfalls „Jack Unterweger“, der als erster DNA-Fall Österreichs gilt. Ein Haar, das im Fahrzeug des Verdächtigen gefunden wurde, konnte einem Mordopfer zugeordnet werden und ein dementsprechendes Gutachten wurde erstmals vor Gericht zugelassen.
Mittlerweile konnten 627 Morddelikte geklärt werden, darunter 23 Cold-Case-Fälle, bei denen die Straftaten teilweise bereits Jahrzehnte zurücklagen. „Die ständige Weiterentwicklung sorgt dafür, dass wir auf dem höchsten technischen Niveau bleiben“, sagt Referatsleiter Herbst.

Mischspuren.

„Die österreichische DNA-Datenbank ist weltweit die einzige, die in der Lage ist, Mischspuren, in denen biologische Merkmale von zwei Personen vorhanden sind, automatisch abzugleichen“, sagt Herbst. Mischspuren spielen vor allem bei Sexualdelikten eine große Rolle, da es hier fast immer zu direktem Körperkontakt kommt und sehr oft sowohl die DNA des Täters, als auch die des Opfers in derselben Spur enthalten sind.

Datenbankabgleich.

Ob ein Datenbankabgleich hinsichtlich der Qualität der Spur aus kriminalpolizeilicher und biologischer Sicht sinnvoll ist, entscheiden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Referats 6.1.3 (DNA-Datenbank) im Bundeskriminalamt. Hier findet auch die kriminalpolizeiliche Erstbeurteilung der DNA-Treffer in der nationalen Datenbank statt. Das Team arbeitet mit vier DNA-Laboren in Österreich zusammen: Mit der Gerichtsmedizin Innsbruck, Salzburg und Wien sowie dem DNA-Labor Mödling. Diese führen neben reinen Laboranalysen auch Spurendokumentationen durch. Nach der Laboranalyse ordnen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Referats die DNA-Profile mithilfe von Barcodes Personen, Spuren und Tatorten zu.
„Den gerichtsmedizinischen Instituten darf biologisches Material nur in anonymisierter Form übermittelt werden. Die Zuordnung erfolgt dann mittels Barcodes, unter denen die Personen- und Spurenprofile gespeichert sind“, erklärt der Referatsleiter. „Ausschließlich im DNA-Referat kann diese Entanonymisierung erfolgen.“ Außerdem werden hier unter anderem Folgemaßnahmen nach nationalen biometrischen Treffern eingeleitet. International werden die DNA-Abgleiche über Interpol und über den Prümer Datenverbund durchgeführt, bei dessen Entwicklung Österreich federführend war. So konnten im Jahr 2020 einem Tatverdächtigen nach einem Raubüberfall mit Geiselnahme in einem Juweliergeschäft in Luxemburg durch einen Treffer in der luxemburgischen DNA-Datenbank auch eine Serie von Einbruchsdiebstählen in Wien zugewiesen werden.
Ein Straftäter konnte 2021 wegen Drogenhandels und schweren Körperverletzungen in Österreich, Schleppertransporten in Österreich und Ungarn sowie Diebstählen und Sachbeschädigungen in Frankreich belangt werden. Außerdem wurde festgestellt, dass er auch in Deutschland zur Festnahme ausgeschrieben war.

Die Auswertung von DNA kann zu einer bestimmten Person führen. DNA-Spuren gelten als Indizien mit starker Beweiskraft.
Die Auswertung von DNA kann zu einer bestimmten Person führen. DNA-Spuren gelten als Indizien mit starker Beweiskraft.
© Egon Weissheimer

Datenschutz.

275.000 Profile sind derzeit in der nationalen DNA-Datenbank gespeichert – vom Datenbestand ist sie eine der größten der Welt. Dabei werden die Analyse von biologischem Material und die dazugehörigen Personen- und Fallinformationen strikt getrennt. Vollen Zugriff auf die Daten haben nur Beamtinnen und Beamten des Bundeskriminalamts, die tatsächlich mit der Datenbankanalyse beschäftigt sind. Ergibt die Datenbanksuche einen Treffer, wird eine zweite systematische Analyse durchgeführt. Besteht eine forensisch absolut gesicherte Datenüber­einstimmung, wird das Ergebnis den lokalen Behörden mitgeteilt.

Eine Verarbeitung

Den gerichtsmedizinischen Instituten darf biologisches Material nur in anonymisierter Form übermittelt werden.
Den gerichtsmedizinischen Instituten darf
biologisches Material nur in anonymisierter
Form übermittelt werden.
© Egon Weissheimer

Eine Verarbeitung von biologischen Spuren erfolgt nur bei Delikten, die mit einer mindestens einjährigen Freiheitsstrafe bedroht sind. Zudem muss eine Wiederholungsgefahr des Täters erwartet werden. Gesicherte DNA-Spuren zu anderen Delikten, zum Beispiel Diebstähle oder Sachbeschädigungen, können zwar auch einer biologischen Auswertung zugeführt werden, werden allerdings nach einmaligem Abgleich mit dem Bestand der DNA-Datenbank gelöscht und dürfen in dieser nicht weiterverarbeitet werden.

Internationaler Datenverbund.

Die nationale DNA-Datenbank war die zweite in Europa (nach Großbritannien) und die dritte weltweit (nach den USA), was Österreich eine Vorreiterrolle verschaffte. Mittlerweile sind alle EU-Staaten verpflichtet, zentrale DNA-Datenbanken zu betreiben, die über den Prümer Datenverbund miteinander vernetzt sind. Dieser internationale Datenverbund ermöglicht Onlineabfragen zwischen allen EU-Staaten und bald auch mit den Westbalkanstaaten innerhalb weniger Minuten. Durch diese Abgleiche können jährlich noch weitere Straftaten in erheblichem Umfang geklärt werden.

Anna Strohdorfer


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 5-6/2022

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