Vorurteilskriminalität

Hass im Netz bekämpfen    

Hass im Netz kann bei Betroffenen zu Depressionen, posttraumatischen Belastungsstörungen oder Suizidgedanken führen.
Hass im Netz kann bei Betroffenen zu Depressionen,
posttraumatischen Belastungsstörungen ode
Suizidgedanken führen.
© Wordley Calvo Stock/Stock.adobe.com

Hasspostings sind provokante, verletzende, menschenverachtende Äußerungen im Internet, meist in sozialen Medien, und teilweise als Hasskommentare strafrechtlich zu verfolgen. Wer sind die Opfer, wer die Täter und wie sieht die Gesetzeslage aus?

Sie sind oft jünger, als man glauben mag und beschimpfen, erniedrigen oder terrorisieren ganze Bevölkerungsgruppen. Vielfach sind ihre Zielgruppe Frauen. Andere wiederum attackieren Menschen mit Behinderung oder einem anderen Glauben. Statistiken werden von der Polizei seit 1. November 2020 im Rahmen von Vorurteilskriminalität hinsichtlich betroffener geschützter Gruppen geführt. Alleine in der Beratungsstelle Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit – kurz ZARA – gehen durchschnittlich 1.960 Meldungen pro Jahr ein. „Diese Meldungen sind nur ein Bruchteil dessen, was vorfällt, sie machen aber sichtbar, dass sich Hass im Netz häufig auf Merkmale oder Zuschreibungen wie ethnische Zugehörigkeit, Hautfarbe, sexuelle Orientierung, Geschlecht, Religion, Behinderung, soziale Herkunft oder Alter bezieht“, sagt Mag. Meike Kolck-Thudt von der Pressestelle ZARA. „2020 waren 65,8 Prozent der Meldungen in der Beratungsstelle rassistischer Hass im Netz. Die bei ZARA gemeldeten Vorfälle reichen von Hasskommentaren wie rassistische und wiederbetätigende Postings auf Facebook, über das ungewollte Hochladen und Verbreiten von Nacktfotos ohne Zustimmung der betroffenen Person bis hin zu Cyberstalking, wo Betroffene über einen längeren Zeitraum mehrmals täglich Hass­nachrichten erhalten, in denen ihnen Gewalt angedroht wird.“ 

Gesetzeslage neu.

Mit 1. Jänner 2021 trat das Gesetzespaket „Hass im Netz“ in Kraft. Es bringt wirksamere Möglichkeiten zum Vorgehen gegen Hassposter. Sie können leichter ausgeforscht, Postings schneller gelöscht werden, das Kostenrisiko für Opfer entfällt, auf den verschiedensten Plattformen finden sich transparente Meldeverfahren und bei Nichteinhaltung drohen Geldstrafen. „Hass im Netz ist eine Form von Gewalt und muss ernst genommen werden“, sagt Kolck-Thudt von ZARA. „Wenn menschenverachtende Inhalte als Meinungsfreiheit abgetan oder verharmlost werden, oder statt dem Täter oder der Täterin die betroffene Person für den Vorfall verantwortlich gemacht wird, kann das zu weiteren Verletzungen führen. Für Betroffene kann Hass im Netz extrem belastend sein, das kann zu Depressionen, posttraumatische Belastungsstörungen oder Suizidgedanken führen.“

Kommunikationsplattformen-Gesetz gegen Hass im Netz.

Seit 1. April 2021 müssen Onlineplattformen wie Facebook, Instagram oder Twitter einfachere Möglichkeiten bieten, rechtswidrige Inhalte zu löschen. Enthalten Beiträge offensichtlich Hetze, Verleumdung, gefährliche Drohungen oder stellen Mobbing dar, müssen die Plattformbetreiber den betroffenen Inhalt innerhalb von 24 Stunden entfernen. Ist eine genauere Prüfung der Inhalte nötig, muss gegebenenfalls eine Löschung innerhalb von sieben Tagen erfolgen.

Kein typisches Täterprofil.

Aus dem Pilotbericht des Projektes des Innenministeriums „Systematische Ermittlung und Erfassung vorurteilsbedingter Straftaten“ geht hervor, dass die meis­ten Hassdelikte – online wie offline – im Vergleich mit anderen Straftaten im Jahr 2020 von Jugendlichen und jungen Straftätern begangen wurden. Die Gruppe der Personen, die aufgrund vorurteilsmotivierter Straftaten polizeibekannt wird, ist im Durchschnitt eher jung, häufiger männlich und im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft. In ganz besonderem Ausmaß trifft dies auf Verhetzungen und nationalsozialistische Wiederbetätigungen zu. Hasspostings können sich rasch verbreiten und erreichen damit eine breite Öffentlichkeit – die Intensität der Wirkung der Botschaft erhöht sich dadurch. „Hass im Netz“ kann sowohl eine zivilrechtliche Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellen, aber auch einen Straftatbestand erfüllen, und somit unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich ziehen.“

Kein klassisches Opfer.

Christina Gabriel: „Personen, die in sozialen Netzwerken sozialkritische Themen aufgreifen, werden oft Opfer.“
Christina Gabriel: „Personen, die in sozialen Netzwerken
sozialkritische Themen aufgreifen, werden oft Opfer.“
© Bernhard Elbe

Genauso wie es keinen typischen Täter gibt, gibt es auch kein typisches Opfer von Hass­postings. Niemand ist gefeit vor dieser Art, Menschen zu erniedrigen. „Personen, die in den sozialen Netzwerken unterwegs sind und vor allem sozialkritische Themen aufgreifen, werden verhältnismäßig oft Opfer“, sagt Chefinspektorin Christina Gabriel von der Kriminalprävention des Landeskriminalamts Wien, die mit ihrem Kollegen Gruppeninspektor Jörg Kohlhofer Präventionsarbeit zu Vorurteilskriminalität betreibt. Doch sich als Schutz einfach aus dem Internet zurückzuziehen, ist nicht die beste Entscheidung.
Auch DI Barbara Buchegger, M.Ed. von der Plattform saferinternet.at kennt den Ratschlag: „Dann poste nichts, sag nichts, sei anonym und zieh dich aus dem Internet zurück.“ Sie findet ihn jedoch nicht gut. „Jene, die den Mund offen haben, gewinnen dann. Es geht darum, dass alle ihre Meinung äußern dürfen. War es früher nahezu normal, dass sich Frauen und Mädchen öffentlich den Mund verbieten haben lassen, so hat sich dieses erniedrigende Phänomen nun ins Netz verlagert.“ Auch der persönliche Frust in der Covid-19-Pandemie hat viele Menschen dazu ermutigt, das Internet als vermeintlich anonymes Ventil zu benutzen.
„Hass im Netz betrifft die gesamte Gesellschaft“, sagt Kolck-Thudt von ZARA.Studien zeigen, dass die meisten Menschen, die das Internet nutzen, bereits mit Hass im Netz konfrontiert waren. Das hat massive Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft: Menschen gewöhnen sich an Online-Hass, verlieren an Empathie und wenden Hassrede in Folge selbst an – sogar das Aggressionspotenzial steigt laut Studien an.“ Erwachsene sind dazu aufgerufen, als gutes Beispiel voran zu gehen.

Täter werden meist ausgeforscht.

„Auch wenn man nicht die Polizei ist, kommt man in 80 Prozent der Fälle auf die Täter, weil das Internet doch nicht so anonym ist“, sagt Dr. Karl Gladt von der Internet Ombudsstelle. Aus kriminaltaktischen Gründen hüllt man sich zu Details in Schweigen. Man wolle keine Betriebsanleitung geben, wie man im Netz ungestraft andere beschimpfen kann. Auf alle Fälle handelt es sich bei Hass im Netz in den meisten Fällen um strafrechtliche Tatbestände. Also jene Straftaten, die der Gesetzgeber als Offizialdelikt erkennt und die von den Staatsanwaltschaften von Gesetzes wegen verfolgt werden müssen.
„Es geht darum, welche Art von Hassposting vorliegt – daraus ergeben sich unterschiedliche Tatbestände wie Cyberstalking, Cybermobbing, Verhetzung, Üble Nachrede oder Beleidigung“, sagt Gladt. „Damit hat man auch unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten. Bei Letzteren handelt es sich etwa um Privatanklagedelikte, das bedeutet, man muss sich wehren wie bei einer Zivilrechtsverletzung. Die Privatanklage gegen den Beleidiger muss das Opfer selbst einbringen. Wenn es sich jedoch um Beleidigungen wegen der Zugehörigkeit zu einer geschützten Gruppe handelt, liegt ein Ermächtigungsdelikt vor, sodass nach Ermächtigung durch das Opfer die Polizei ermitteln und eine Anzeige einbringen muss.“

Präventionskonzepte.

Es geht darum, Menschen klar zu machen, dass ihr Handeln im Netz alles andere als anonym ist, dass jede Aussage oder Meinung im Internet genauso strafbar ist, als würde man sie im gesprochenen Wort tätigen.
„Der Kampf gegen Hass im Netz kann nicht nur auf individueller Ebene geführt werden kann“, sagt Kolck-Thudt von ZARA. „Es braucht deutlich mehr Präventions-, Informations- und Bildungsarbeit und gleichzeitig müssen die Plattformen Verantwortung übernehmen.“ Dem kann auch Buchegger nur zustimmen: „Die Täter plagt oft Langeweile, sie können mit ihren Gefühlen nicht umgehen. Viele kennen die Grenze zwischen Spaß und Ernst nicht. Es geht hier viel um Gefühlskontrolle und um das Bewusstsein dafür. Je reflektierter Menschen sind, egal welchen Alters, und je mehr sie über die Auswirkungen von Hasspos­tings wissen, desto weniger machen sie es.“

Digitale Grundbildung.

Die Schulen sind dazu angehalten, bei den 10- bis 14-Jährigen das Fach „digitale Grundbildung“ als verpflichtenden Gegenstand zu unterrichten. Dabei geht es vor allem um das richtige Verhalten im Netz, aber auch um Gefahren im Internet. „In Zukunft könnte es ein eigenständiges Fach werden, derzeit kann es nach dem Ermessen jeder Schule entsprechend eingebunden werden – in Deutsch, Sprachen, aber auch Informatik oder Zeichnen“, sagt Buchegger. „Auch im Rahmen der Cybermobbing-Prävention an Schulen werden Hass­postings immer wieder thematisiert.“ 

Die neue Rechtslage

Die neue Rechtslage hat den Kampf gegen Hass im Netz erleichtert. „Mit dem Hass-im-Netz-Bekämpfungsgesetz erhalten Betroffene die Möglichkeit ihre Rechte leichter durchzusetzen und eine rasche Löschung von Postings, die Straftatbestände erfüllen, zu erwirken“, sagt Christina Gabriel von der Kriminalprävention. In einem gerichtlichen Eilverfahren vor dem Bezirksgericht kann ohne vorhergehende Verhandlung ein Unterlassungsauftrag beantragt werden. Ein solches Mandatsverfahren kann nicht nur gegen die Täterin oder den Täter angestrengt werden, sondern bei erfolgloser Meldung auch gegenüber der Plattform selbst.
Wenn ein Täter oder eine Plattform einen solchen gerichtlichen Unterlassungsauftrag erhält, muss das Posting sofort gelöscht werden. Facebook und Instagram haben sich bereits an das neue österreichische Gesetz angepasst und verpflichten sich, einen rechtswidrigen Beitrag gemäß Kommunikationsplattformen-Gesetz innerhalb von 24 Stunden zu löschen.
Organisationen und Initiativen, die sich im Netzwerk „Hate Crime kontern“ zusammengeschlossen haben, bieten Unterstützung und Auskünfte über Strategien gegen Hasspostings an. So kann eine Gegenrede hilfreich sein: Durch sie wird der Verfasser des „Hate-Posts“ mit Gegenargumenten konfrontiert. 

Beratungen, Vorträge, Webinare.

Beamtinnen und Beamte der Kriminalprävention des Landeskriminalamts Wien bieten Beratungen an, die Gruppe „Digitale Sicherheit“ des LKA ­Wien organisiert Vorträge, Webinare oder Workshops für die Zielgruppe Erwachsene. Das Gewaltpräventionsprogramm „Click & check“ des Bundeskriminalamtes mit der Zielgruppe Kinder/Jugendliche bis 17 Jahren beschäftigt sich mit der digitalen Welt und enthält viele interaktive Übungen zum Thema Cybercrime.

Maßnahmen.

Das „Hass-im-Netz“-Gesetz bietet wirksameren Schutz vor Hasspostings. Täter können leichter ausgeforscht, Postings schneller gelöscht werden.
Das „Hass-im-Netz“-Gesetz bietet wirksameren Schutz
vor Hasspostings. Täter können leichter ausgeforscht,
Postings schneller gelöscht werden.
© Myboys.me/Stock.adobe.com

Um sich gegen „Hass im Netz“ zu wehren, raten Polizeibedienstete der Kriminalprävention dazu einen Screenshot des Postings machen oder es abfotografieren; dabei ist darauf zu achten, dass das Datum sichtbar ist. Sie empfehlen, die gesamte Abfolge der Postings zu Beweiszwecken zu fotografieren, selbst wenn es später durch den Verfasser oder die Plattform gelöscht werden sollte.
Weiters sollte man beim Betreiber der Plattform die Löschung beantragen, unerwünschte Nutzer sollte man blockieren. Über Inhalte, die beleidigen oder herabwürdigen, sollte man mit professionellen Beratern reden, man sollte sich bewusst von „Shit-Storm“ fernhalten, nichts persönlich nehmen und sich keinesfalls schämen, Hilfe zu holen.
Bei strafrechtlicher Relevanz eines Postings sollte man Anzeige bei der Polizei erstatten. Sofern Unsicherheit besteht, ob ein strafrechtlicher Tatbestand vorliegt, können die Expertinnen und Experten der Kriminalprävention kontaktiert werden. Diese findet man unter www.polizei.gv.at > Kontakt > Dienststellenverzeichnis > Ihr Bundesland.
Für saferinternet.at ist klar: „Hol dir Hilfe, versuch es nicht alleine zu lösen! Viele lassen sich mundtot machen, was nicht sein sollte.“ Und bei ZARA heißt es: „Hasspostings können triggern, weh tun, einschüchtern und ermüden. Deswegen ist es wichtig, auf sich zu achten und sich gegebenenfalls Unterstützung zu holen. Denn niemand muss alleine mit Hass im Netz fertig werden.“ 

Prozessbegleitung.

Auf ihr Verlangen ist Opfern von Hass im Netz psychosoziale und juristische Prozessbegleitung zu gewähren, soweit dies zur Wahrung ihrer prozessualen Rechte unter größtmöglicher Bedachtnahme auf ihre persönliche Betroffenheit erforderlich ist. Konkret werden die Opfer von Psycholog/-innen und Rechtsanwält/-innen bei den jeweiligen Verfahren betreut, wobei die Kosten für diese Personen von der Republik übernommen werden. Um Prozessbegleitung gewährt zu bekommen, können sich Opfer von Hass im Netz an Opferhilfeeinrichtungen werden, zum Beispiel an den Weissen Ring oder an den Verein ZARA.

Buchtipp:

„Hass im Netz“ von Franz Galla, ehrenamtliches Vorstandsmitglied beim Weissen Ring und ZARA. Im Buch werden die neuen Regelungen praxisorientiert dargestellt, die Erläuterungen zu den Regierungsvorlagen behandelt sowie auch die EU-rechtliche Dimension beim Kommunikationsplattformen-Gesetz. Erschienen im Facultas Verlag, www.facultas.at. 

Julia Brunhofer/Herbert Zwickl

Banhate-App 

11.000 Hasspostings

2.817 Meldungen gingen im Jahr 2020 alleine über die BanHate-App ein, der europaweit ersten App zum Melden von Hasspostings. Ins Leben gerufen wurde sie 2017 von Daniela Grabovac, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle Steiermark sowie der Extremismuspräventionsstelle Steiermark „next – no to extremism“.
Seit dem Start der App am 19. April 2017 gingen bisher über 11.000 Meldungen zu Hasspostings ein. Der überwiegende Teil der gemeldeten Inhalte betrifft Österreich, der Rest andere deutschsprachige Länder. Knapp 90 Prozent der gemeldeten Postings wurden auf Facebook veröffentlicht. Seit Mai 2020 verfügt die BanHate-App auch über eine Erweiterung zum Melden von „Hate-Crimes“.
www.banhate.com 

 

Anlaufstellen 

Hilfe für Opfer

Von Hass im Netz Betroffene können sich an Opferhilfeeinrichtungen oder Beratungsstellen wenden.

  • www.zara.or.at/de/beratungsstellen  – Unterstützung und Beratung bei Hass im Netz – kostenlos und auf Wunsch anonym.
  • www.zara-training.at  – laufend Termine für Trainings, u. a. für digitale Zivilcourage.
  • www.schnellerkonter.at  – ZARAs Gegenrede-Tool: Bausteine, Tipps und Ideen für kreative Online-Gegenrede.
  • www.banhate.com  – App zum Melden von Hass im Netz.
  • saferinternet.at  – das Internet sicher nutzen.
  • www.ombudsstelle.at  – die kostenlose Anlaufstelle bei rechtlichen Fragen und Problemen im digitalen Bereich.
  • hatecrimekontern.at  – Netzwerk um Hate-Crime sichtbar zu machen, sowie effektiv und präventiv entgegenzutreten.
  • www.opfer-notruf.at  – Anlaufstelle für Opfer von Gewalt und Straftaten – eine Initiative des Bundesministeriums für Justiz, betrieben vom WEISSEN RING: 0800 112 112.

Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 5-6/2022

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