Verkehrssicherheit

Lauter, tiefer, schneller   

Gesetzesnovellen, bessere Ausstattung der Polizei und Schwerpunktkontrollen in den Bundesländern gegen die „Road-Runner-­Szene“ sollen die Straßen sicherer machen.

Roadrunner-Treffen: Am Kahlenberg in Wien versammelten sich etwa 300 Kraftfahrzeuglenker.
Roadrunner-Treffen: Am Kahlenberg in Wien versammelten
sich etwa 300 Kraftfahrzeuglenker. © LPD Wien

Nahezu täglich erfährt man aus den Medien teilweise erschreckende Details zu Verkehrsunfällen, die bei illegalen Straßenrennen verursacht werden. Zudem häufen sich Beschwerden von Menschen bei den Behörden, die sich durch sogenannte „Tunertreffen“ in ihrer Ruhe gestört fühlen oder dadurch Sachschäden erlitten haben. Zahlreiche Anhänger der „Raser- und Tunerszene“ treffen einander an fast jedem Wochenende an den unterschiedlichsten Orten in Österreich. Dort wird ausgiebig gefeiert, lautstark Musik gespielt, getunte Autos zur Schau gestellt – und es finden illegale Autorennen statt. Dabei werden stark motorisierte Fahrzeuge von meist unerfahrenen jungen Fahrern und Fahrerinnen zur Erreichung von Höchstgeschwindigkeiten getrieben.
Derartige Rennen finden innerorts sowie außerorts statt und führen immer wieder zu gefährlichen Situationen mit anderen Verkehrsteilnehmern und schweren oder sogar tödlichen Unfällen, wobei nicht ausschließlich direkt beteiligte Fahrer oder Beifahrer sondern auch Unbeteiligte zu Schaden kommen. 

Kooperation.

Illegales Straßenrennen: Bei einem illegalen Rennen in Salzburg-Maxglan wurde ein Lenker scher verletzt.
Illegales Straßenrennen: Bei einem illegalen Rennen in
Salzburg-Maxglan wurde ein Lenker scher verletzt.
© Markus Tschepp

Durch enge Zusammenarbeit sowie regelmäßigem Erfahrungsaustausch soll es den Behörden gelingen, gemeinsam und rasch auf neue Entwicklungen zu reagieren. Oft lösen sich Tuner-Treffen in einem Bundesland wegen einer polizeilichen Kontrollaktion rasch auf und finden kurze Zeit später in einem benachbarten Bundesland statt. Hier ist es sinnvoll, rasch wertvolle Informationen auszutauschen.

Roadrunnerszene in Wien.

Oberstleutnant Andrea Anders, interimistische Abteilungsleiter-Stellvertreterin und Fachgruppenoffizierin der Landesverkehrsabteilung Wien, ist zuständig für die Bereiche Zivilstreife, Abstandsmessung, Schwerverkehr, Gefahrgut und Autobahn. Sie hat einen Überblick über die „Roadrunner- und Tuningszene“ im Stadtgebiet von Wien und der näheren Umgebung und teilt die Beobachtungen, dass sich seit 2020 die Szene stärker etabliert hat. Öffentliche Straßen wurden 2021 wieder vermehrt als Rennstrecken missbraucht. Zu Beginn des Jahres 2022 wurde die Roadrunner-Szene in kleinen Gruppen an den bereits bekannten Örtlichkeiten wahrgenommen. Die Anzahl der szenetypischen Fahrzeuge stieg dort auch kontinuierlich an.
Aufgrund des massiven Auftretens der Roadrunner-Szene – insbesondere an den Wochenenden oder an Feiertagen – kommt es vermehrt zu Anrainerbeschwerden und Polizeieinsätzen. Als Treffpunkt wird in der Szene immer wieder via Social-Media-Gruppen der Kahlenberg vereinbart, wo beispielsweise am 9. April 2022 der bisherige Höhepunkt an versammelten szenetypischen Fahrzeugen erreicht wurde: Die Polizei zählte am Parkplatz ca. 300 Fahrzeuge.
Die Treffen der Roadrunner-Szene werden kurzfristig in sozialen Medien bekannt gegeben, sodass ein frühes polizeiliches Entgegenwirken schwer möglich ist. Sobald Treffen oder illegale Straßenrennen stattfinden, werden „Späher“ vorgeschickt, um vor Polizeikräften zu warnen. In diesen Fällen werden die Orte rasch und flexibel verlegt.

„Tuner-Szene“ vs. „Poser-Szene“.

Andrea Anders: „Die Poser-Szene ist das Klientel der Polizei.“
Andrea Anders: „
Die Poser-Szene
ist das Klientel
der Polizei.“
© LPD Wien

Laut Oberstleutnant Anders teilt sich die Szene in zwei Lager auf. Einerseits in die „Tuner-Szene“, die sich offensiv auf Social-Media-Plattformen auf die „Poser-Szene“ schimpft. Es wird das Vorgehen der Poser-Szene (z. B. illegale Straßenrennen) verurteilt, da diese das Tuning in Verruf bringen.
Die „Poser-Szene“ zielt darauf ab, illegale Straßenrennen abzuhalten, Burn-outs durchzuführen, um aufzufallen und meist ihre hochpreisigen und technisch veränderten Fahrzeuge zur Schau zu stellen. Man spricht von einem Burn-out, wenn das Fahrzeug auf der Stelle stehen bleibt, während die Reifen durchdrehen. Sehr oft überschätzen diese Lenker ihr Fahrkönnen, was zu schweren Unfällen führt.

Die „Poser-Szene“ 

Die „Poser-Szene“ ist das eigentliche Klientel der Polizei, das im Zuge von Schwerpunktaktionen beobachtet wird und wogegen Maßnahmen gesetzt werden müssen. Die illegalen Straßenrennen erfolgen auf öffentlichen Straßen und oftmals vor Publikum, wobei auch unbeteiligte Personen gefährdet werden. Darüber hinaus werden freie Flächen dazu benutzt, um mit den Fahrzeugen zu „driften“, „Gummi zu geben“ und den Auspuff durch Fehlzündungen knallen zu lassen. Außerdem werden einige Straßenzüge für Vorführungen (z. B. zu hohen Geschwindigkeitsübertretungen, übermäßigen Rauchentwicklung, Hupen sowie ungebührlichen Lärm u. a.) von den Szene-Anhängern genutzt, weiß Anders zu berichten.

Schwerpunktaktionen.

Fahrzeugtuning: Änderungen am Fahrzeug erfolgen meist am Fahrgestell, den Reifen und am Auspuff.
Fahrzeugtuning: Änderungen am Fahrzeug erfolgen meist
am Fahrgestell, den Reifen und am Auspuff.
© LPD Kärnten

Von den Landespolizeidirektionen finden in Abstimmung mit den Landesregierungen Schwerpunktaktionen statt, an denen Spezialisten der Landesverkehrsabteilungen und zur Unterstützung Beamte aus unterschiedlichen Organisationseinheiten teilnehmen. Es werden „Roadrunner-Hotspots“ analysiert und die Lage bzw. die Szene beobachtet, um gezielt kontrollieren zu können. Dabei kommt es mittlerweile auf ein sehr hohes technisches Know-how der Kontrollorgane sowie deren Ausrüstung an. Viele Manipulationen werden an der Fahrzeugsoftware vorgenommen – diese sind für ein nicht geschultes Auge oft schwer zu erkennen.

Zusammenarbeit.

Dass die Zusammenarbeit über die Landesgrenzen hinaus sehr gut funktioniert, zeigt der Einsatz beim GTI-Treffen in Kärnten, wo Verkehrsspezialisten aus mehreren Bundesländern zusammenarbeiteten. Für Innenminister Mag. Gerhard Karner steht fest: „Mit diesen Maßnahmen wollen wir den Kontrolldruck auf die Roadrunner-Szene erhöhen und damit das verkehrsgefährdende Verhalten der Szene eindämmen. Für diese Verkehrsrowdys gilt Null Toleranz.“
Um entschlossen gegen die Roadrunner-Szene vorzugehen, wurden die Kontrollen erhöht. Die Landesverkehrsabteilung Wien koordinierte Verkehrsplanquadrate unter Einbindung zusätzlicher Kräfte aus den Stadtpolizeikommanden. Darüber hinaus wird bei allen Schwerpunkten die Landesfahrzeugprüfstelle (MA 46) eingebunden, da nicht nur die Geschwindigkeitsübertretung in der Roadrunner-Szene eine Herausforderung darstellt, sondern auch der technische Zustand der kontrollierten Fahrzeuge aufgrund der nicht angezeigten technischen Umbauten. (Anzeigen nach dem KFG, Kennzeichenabnahmen, Lärmmessungen etc.). Des Weiteren wird bei jedem Schwerpunkt ein Schnellrichter hinzugezogen und wenn möglich ein Amtsarzt.

Anstieg der Zahl an Verkehrstoten.

In Österreich gab es 2021 insgesamt 362 Verkehrstote. Aufgrund des Anstieges von über 5 Prozent gegenüber 2020 starben auch mehr Menschen aufgrund nicht angepasster Fahrgeschwindigkeit. Diese zählte mit etwa 27 Prozent zur Hauptunfallursache der tödlichen Verkehrsunfälle im Jahr 2021.

KFG-Novellen

KFG-Novellen erleichtern behördliches Einschreiten. Im Herbst 2021 und im Mai 2022 wurde im Parlament jeweils eine Novellierung (21. und 40. Novelle) des Kraftfahrgesetzes beschlossen, um den Sicherheitsbehörden und in weiterer Folge der Exekutive bessere Werkzeuge zur Überwachung der „Raser- und Tuningszene“ zu ermöglichen.
Politikern einiger Bundesländer geht dieser Maßnahmenkatalog noch nicht weit genug. Beispielsweise fordert der Kärntner Landesrat Sebastian Schuschnig ein österreichweites Strafregister, in das alle Behörden einsehen können. Ebenso wird die Möglichkeit der Beschlagnahmung von Fahrzeugen beim Verkehrsministerium weiter vorangetrieben. Hier bietet die Novelle des KFG bereits mit der vorläufigen Untersagung der Weiterfahrt von bis zu 72 Stunden bereits erste praktische Ansatzpunkte für die Polizei.

Bessere Ausstattung der Landesverkehrsabteilungen.

2021 erfolgte die Auslieferung von 37 stark motorisierten zivilen Dienst-Kraftfahrzeugen an alle Landesverkehrsabteilungen. Mit dieser Investition soll die Schlagkraft der Exekutive bei der Überwachung des Straßenverkehrs erhöht werden. Damit sich „Road-Runner“ aufgrund der überlegenen Motorisierung ihrer Fahrzeuge nicht der Polizeikontrolle entziehen können, werden diese Zivilfahrzeuge gezielt eingesetzt und von besonders geschulten Exekutivbeamten gelenkt.

Fahrtechniktraining  

Fahrtechniktraining für Einsatzlenker der Polizei. Besonders bei Einsatzfahrten im Hochgeschwindigkeitsbereich sind die Bediensteten der Landesverkehrsabteilungen einem hohen Risiko ausgesetzt. Die in den neuen Dienstfahrzeugen eingebauten Sicherheits­systeme helfen, Unfälle zu vermeiden. Meist liegt die Unfallursache jedoch eher im menschlichen oder physikalischen Bereich. Um die Einsatzfahrer bestmöglich auf derartige Szenarien vorzubereiten, werden diese von Profis in der Fahrtechnik ausgebildet.
Chefinspektor Harald Fraiss und Gruppeninspektor Georg Gruber sind seit 2018 für die bundesweite Koordination des Fahrtechniktrainings für ­Pkws inklusive der rund 80 Fahrtechnik-Instruktoren verantwortlich. Man gelangte rasch zu der Erkenntnis, dass „gewöhnliche Fahrtechniktrainings“ für hochmotorisierte Dienst-Kfz nicht mehr ausreichen. Daher wurden im Jahr 2021 ausgewählte Instruktoren zu „Speed-Trainern“ ausgebildet. Dabei werden Schwerpunkte auf fahrtechnische Übungen bei hoher Geschwindigkeit gelegt, bei denen fahrphysikalische Veränderungen und die entsprechend richtigen Reaktionshandlungen behandelt werden.
Es kommen vor allem Gefahren aus der Fahrphysik auf die Einsatzfahrer zu, die im niedrigeren Geschwindigkeitsbereich nicht so spürbar auftreten, weil Reaktions- oder Bedienungsfehler zumeist von in den Fahrzeugen verbauten Assistenzsystemen ausgeglichen werden. Diese stoßen jedoch bei hohen Geschwindigkeiten ebenfalls an die Grenzen der Physik, sodass ein fahrtechnisches „Vorgefühl“ benötigt wird, mit dem solche Situationen hintangehalten werden können. Auch die mentale Komponente darf nicht unterschätzt werden und ist Bestandteil der Ausbildung (Konzentration, Übermüdung, andere Beeinträchtigungen, Emotionen).

Die Entwicklung 

GTI-Treffen: Es wurden 3.700 Anzeigen wegen verkehrsrechtlicher Übertretungen und rund 4.300 Organmandate verhängt, die Polizei nahm 408 Kennzeichen ab.
GTI-Treffen: Es wurden 3.700 Anzeigen wegen
verkehrsrechtlicher Übertretungen und rund
4.300 Organmandate verhängt, die Polizei nahm
408 Kennzeichen ab. © LPD Kärnten

Die Entwicklung der Tuning-Szene wird von den beiden Koordinatoren vor allem hinsichtlich der Neuerungen aus dem Motorsport beobachtet und bewertet. „Die damit verbundenen Gefahren müsste man den Fahrern der Tuningszene bezüglich Umbaumaßnahmen und deren Auswirkungen auf die Fahrsicherheit näherbringen. Als weiteren Tipp würden wir der Zielgruppe den Umstieg in den Motorsport empfehlen, um den ,Spaß am Autofahren‘ nicht zu verlieren. Öffentliche Straßen sind definitiv kein Platz für technische Selbstversuche oder Raserei“, sagt Georg Gruber.

Technische Neuerungen.

Ab 2024 ist der Event-Data-Recorder (Ereignisdatenspeicher) verpflichtend. Damit werden die letzten fünf Sekunden vor einem Unfall dokumentiert: Geschwindigkeit, Beschleunigung, Bremsvorgang, möglich ist aber deutlich mehr. Das erleichtert die Rekonstruierung von Unfallhergängen und macht es einfacher, Geschwindigkeitsüberschreitungen zu belegen.

GTI-Treffen am Wörthersee 2022.

Die Kärntner Polizei hat nach Ablauf des Hauptwochenendes des GTI- und Tuningtreffens in Kärnten Ende Mai 2022 – rund um Christi Himmelfahrt –  eine Bilanz „ohne Zwischenfälle“ gezogen. Die Zahl an Besuchern war heuer geringer. „Aus polizeilicher Sicht verlief das Wochenende, wie der gesamte Monat, ruhig“, hieß es am 31. Mai 2022 in einer Aussendung.
48 Lenker wurden wegen Lenkens im alkoholisierten Zustand angezeigt, 29 davon mussten ihren Führerschein vorläufig abgeben. Zudem wurden 3.700 Anzeigen wegen verkehrsrechtlicher Übertretungen erfasst und rund 4.300 Organmandate verhängt, 408 Kennzeichen nahm die Polizei ab.

A. H.

Kraftfahrgesetz 

Einschreiten erleichtert

Bei den KFG-Novellen handelt es sich um nahezu ausschließlich repressive Maßnahmen, wie auszugsweise der 40. KFG-Novelle (gültig seit 14.05.2022) zu entnehmen ist:

  • Höhe der Geldstrafen von mindestens 300 bis zu 10.000 Euro.
  • Untersagung der Weiterfahrt sowie vorübergehende Abnahme von Kennzeichentafeln und Zulassungsschein bis zu 72 Stunden:
    „… wenn festgestellt wird, dass mit dem Fahrzeug gesteuerte Fehlzündungen, Geräusche durch schlagartiges Abblasen von Überdruck im Ansaugsystem oder Flammen aus dem Endschalldämpfer erzeugt werden.“
    „… Durchdrehen eines oder mehrerer Räder, insbesondere mit daraus resultierender Geräuschentwicklung.
    „… Driften, schnelles Kreisenlassen des Fahrzeuges um die eigene Achse im Stand …“.
    „… Anheben von Rädern durch Hydraulik- oder Pneumatikpumpen…“.

Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 7-8/2022

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