Reisegenhmigungssystem

Sicherheitskontrollen verbessern

Mit der Einrichtung der nationalen ETIAS-Stelle Österreich im Innenministerium wurde ein weiterer Schritt für die Inbetriebnahme des Europäischen Reiseinformations- und -genehmigungssystems (ETIAS) als neue elektronische Einreisevoraussetzung für den Schengenraum umgesetzt.

ETIAS wird für rund 1,4 Milliarden Menschen aus 62 Drittländern eine Einreisevoraussetzung für den Schengenraum sein.
ETIAS wird für rund 1,4 Milliarden Menschen aus
62 Drittländern eine Einreisevoraussetzung für den
Schengenraum sein. © Gerd Pachauer

Voraussetzung für die Gewährleis­tung der Freizügigkeit innerhalb des Schengen-Raumes ist das Management der Außengrenzen. Daher räumte die Europäische Kommission 20081 die Notwendigkeit ein, ein System einzuführen, mit dem bei visabefreiten Drittstaatsangehörigen noch vor Reiseantritt überprüft werden kann, ob sie die Einreisebedingungen erfüllen. Als Vorbild dient das von den USA verwendete „Electronic System for Travel Authorization“ (ESTA). 
Im Jahr 2015 hat die Europäische Kommission daher, insbesondere als Reaktion auf das durch Terroranschläge und die Migrationskrise gestiegene Sicherheitsbedürfnis der EU-Bürgerinnen und Bürger, diese Sicherheitsfragen in Form konkreter Vorschläge adressiert.
In ihrer Mitteilung „Solidere und intelligentere Informationssysteme für das Grenzmanagement und mehr Sicherheit“ vom 6. April 20162 werden mehrere Informationslücken im Grenzmanagement benannt. Zu diesen Lücken zählt auch der Umstand, dass die Grenzbehörden an den Schengen-Außengrenzen über wenige Informationen von visabefreiten Reisenden verfügen. Mit Einführung und Betrieb des ETIAS3 soll diese Informationslücke nun geschlossen werden.

Das ETIAS ist über seinen Zweck als Reisegenehmigungssystem hinaus auch eingebunden in die Interoperabilität zwischen den EU-Informationssystemen, durch die die korrekte Identifizierung von Personen erleichtert und Identitätsbetrug bekämpft werden soll. Für Personen, die eine Reisegenehmigung beantragen, bedeutet dies, dass ihre im Antrag angeführten Identitätsdaten auch in anderen, gesetzlich bestimmten EU-Informationssystemen überprüft werden. Dazu zählen die bestehenden Datenbanken des Schengener Informationssystems (SIS II), die Visa-Datenbank (VIS), das European Dactyloscopy (Eurodac) sowie die noch einzuführenden neuen Systeme Entry-Exit-System (EES), das Europä­ische Strafregisterinformationssystem – Drittstaatsangehörige (ECRIS-TCN) und eben das ETIAS.

Zielgruppe für die ETIAS-Reisegenehmigung sind Drittstaatsangehörige, die für einen geplanten Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von höchstens 90 Tagen innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen von der Visumpflicht befreit sind. Das bedeutet, dass ETIAS für rund 1,4 Milliarden Menschen aus 62 Drittländern (wie den USA, Japan oder Serbien), also ca. 20 Prozent der Weltbevölkerung, eine Einreisevoraussetzung für den Schengenraum sein wird. Diese bedingt jedoch kein automatisches Recht auf Einreise und Aufenthalt, da auch die sonstigen Einreisevoraussetzungen für Drittstaatsangehörige gemäß dem Schengener Grenzkodex vorliegen müssen.

Das Ziel von ETIAS besteht darin, die Sicherheitskontrollen durch die Identifizierung und Vorabbewertung von Risikogruppen zu verbessern. Konkret wird noch vor der Einreise in den Schengenraum überprüft, ob visumbefreite Drittstaatsangehörige ein Risiko für die öffentliche Sicherheit oder ein Epidemierisiko darstellen könnten, oder ob sie beabsichtigen illegal einzuwandern. Damit soll nicht nur die innere Sicherheit und öffentliche Gesundheit geschützt sowie illegale Einwanderung verhindert, sondern auch eine Verringerung der Wartezeiten an den Grenzen ermöglicht werden. Besondere Auswirkungen soll ETIAS auch auf die erfolgreiche Bekämpfung des Terrorismus und andere schwere Straftaten haben. Die Einrichtung von ETIAS folgt dem wachsenden Trend zur Digitalisierung auch im Bereich der Grenzkontrollen, der sich in der virtuellen Antragstellung und großteils vollautomatisierten Entscheidungsfindung der Anträge widerspiegelt.

Antragstellung.

Ein Reiseantrag muss online über eine von der Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (eu-LISA) zur Verfügung gestellten Website oder via mobiler Applikation eingebracht werden und kostet sieben Euro. Mit dem Zeitpunkt der Einbringung beginnt die 96-stündige Bearbeitungsfrist zu laufen. Sollte keine Entscheidung während dieser Frist erfolgen, wird vom EU-Zentralsystem automatisch eine Reisegenehmigung erteilt.

Entscheidungsfindung.

Die Bearbeitung des Antrages beginnt mit der Überprüfung durch das ETIAS-Zentralsystem, ob Gründe für die Verweigerung einer Reisegenehmigung vorliegen (automatischer Bearbeitungsprozess). Dazu werden die in jedem Antrag enthaltenen Informationen automatisch mit den EU-Informationssystemen, der Europol-Datenbank und den einschlägigen Interpol-Datenbanken für gestohlene und verlorene Reisedokumente (SLTD) und zur Erfassung von Ausschreibungen zugeordneten Reisedokumenten (TDAWN) abgeglichen. Liegen keine Verweigerungsgründe vor – das heißt, in keinem der Systeme scheint ein „Treffer“ auf – wird unverzüglich die Genehmigung automatisch erteilt. Dies wird bei schätzungsweise 95 Prozent der eingereichten Anträge der Fall sein.
Liegt ein „Treffer“ vor, ist eine manuelle Bearbeitung des Antrages erforderlich. Kann der „Treffer“ durch die EU-Zentralstelle (welche bei der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (FRONTEX) angesiedelt ist) nicht geklärt werden, wird der Antrag an die nationale ETIAS-Stelle des zuständigen Mitgliedstaats weitergeleitet. Das ist z. B. jener Mitgliedsstaat, der die Daten, die den Treffer ergeben haben, eingegeben oder übermittelt hat.
Wenn die Reisegenehmigung verweigert wird, hat die Antragstellerin bzw. der Antragsteller die Möglichkeit, ein Rechtsmittel gemäß den jeweiligen nationalen Vorschriften einzulegen (in Österreich kann eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht eingebracht werden).

Grundlage für ETIAS ist die Verordnung (EU) 2018/1240 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. September 2018 über die Einrichtung eines Europäischen Reiseinformations- und -genehmigungssystems (ETIAS-VO). Österreich kommt seiner Verpflichtung zum Aufbau einer nationalen ETIAS-Stelle mit der Einrichtung einer entsprechenden Einheit in der Abteilung V/B/7 Fremdenpolizei, Visaangelegenheiten und ETIAS des Bundesministeriums für Inneres nach.
Als Leiterin der nationalen ETIAS-Stelle wurde Ministerialrätin Mag.a Sieglinde Stockinger, BA ernannt. Die Juristin ist seit 2016 im Innenministerium tätig und ist auch im Projektteam ETIAS (operativ seit 2020) für den Bereich Recht und Datenschutz verantwortlich. Im Vollbetrieb sollen insgesamt zehn Referentinnen und Referenten die manuelle Bearbeitung der Reiseanträge durchführen.

Die Aufgabe der nationalen ETIAS-Stelle wird vorrangig in der manuellen Bearbeitung von Reiseanträgen bestehen, die nicht automationsunterstützt finalisiert werden konnten. Dies umfasst die Bewertung, ob mit der Anwesenheit eines Drittstattangehörigen im Schengenraum ein Risiko für die öffentliche Sicherheit oder ein Epidemierisiko verbunden sein könnte oder ob sie beabsichtigen illegal einzuwandern.

Basierend auf dieser Bewertung erfolgt die Genehmigung, Ablehnung, Annullierung oder Aufhebung des Reiseantrages und stellt für die Dauer von drei Jahren eine verbindliche Entscheidung für den gesamten Schengenraum dar. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der nationalen ETIAS-Stelle bringen ein hohes Maß an Eigenverantwortung und Belastbarkeit mit. Sie müssen ihre Entscheidungen unter Zeitdruck treffen und über umfassende Kenntnisse der relevanten EU-Rechtsakte verfügen.

Die nationale ETIAS-Stelle ist derzeit mit dem organisatorischen und technischen Aufbau beschäftigt. Viele Entscheidungen, die nun getroffen werden (müssen) sind richtungsweisend, da sie direkten Einfluss auf die Gestaltung und die zukünftige Arbeits- und Funktionsweise der nationalen ETIAS-Stelle nehmen.
Jean-Claude Juncker beschrieb in seiner Rede zur Lage der Union 2016 die geplante Europäische Reisegenehmigung mit den Worten „So werden wir wissen, wer nach Europa reist, noch bevor er oder sie ankommt.“4
ETIAS wird im Spannungsfeld zwischen der Europäischen Sicherheitsagenda und der Europäischen Migrationsagenda einen maßgeblichen Beitrag zur inneren Sicherheit und zur Bewahrung des Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts leisten und fügt sich in das durch die Interoperabilität eingerichteten System des Datenaustausches auf EU-Ebene ein. Österreich ist somit auf dem besten Weg seinen Beitrag zur Verbesserung des Außengrenzschutzes zu leisten.        

Anmerkungen:

1 Vorbereitung der nächsten Schritte für die Grenzverwaltung in der Europäischen Union, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 13. Februar 2008, KOM (2008) 69 EUR-Lex – 52008DC0069 – EN – EUR-Lex (europa.eu).

2 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52016DC0205&from=de.

3 Dieses Projekt wird aus Mitteln des Fonds für die Innere Sicherheit kofinanziert.

4 https://op.europa.eu/de/publication-detail/-/publication/c9ff4ff6-9a81-11e6-9bca-01aa75ed71a1.


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 7-8/2022

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