European Conference on Antisemitism

Vorfälle besser erfassen   

Die Nationale Strategie gegen Antisemitismus der Bundesregierung sieht unter anderem eine Verbesserung der EU-weiten Datenlage zu antisemitischen Hassverbrechen vor. Am 18./19. Mai 2022 fand in Wien die erste European Conference on Antisemitism statt.

European Conference on Antisemitism: Antonio Martino, Eddo Verdoner, Felix Klein, Alexandru Muraru, Ringo Ringvee, Katharina von Schnurbein, Karoline Edtstadler, Oskar Deutsch, Michael O’Flaherty.
European Conference on Antisemitism: Antonio Martino, Eddo Verdoner, Felix Klein, Alexandru Muraru, Ringo Ringvee,
Katharina von Schnurbein, Karoline Edtstadler, Oskar Deutsch, Michael O’Flaherty. © BKA/Andy Wenzel

In der am 21. Jänner 2021 präsentierten „Nationalen Strategie gegen Antisemitismus“ (siehe „Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 3-4/22, S 35-38) sind 38 Maßnahmen definiert, deren Umsetzung der Förderung und Absicherung jüdischen Lebens in Österreich dient. Darin enthalten ist die bereits umgesetzte Maßnahme zum Monitoring der innerstaatlichen Datenlage antisemitischer Vorfälle sowie jene, betreffend die aktive Mitarbeit auf europäischer Ebene zur Förderung der Vergleichbarkeit der durch die Mitgliedsstaaten erhobenen Daten über antisemitische Hassverbrechen.

Konferenz.

Zu diesem Zweck fand am 18./19. Mai 2022 die European Conference on Antisemitism (ECA) statt, ein High-Level-Meeting von Sonderbeauftragten und Koordinatorinnen und Koordinatoren zur Bekämpfung von Antisemitismus sowie Expertinnen und Experten aus der EU, die sich mit der Erfassung von (antisemitischen) Hassverbrechen und der Verarbeitung diesbezüglicher Daten beschäftigen.
Vertreten waren 15 EU-Mitgliedsstaaten sowie der World Jewish Congress (WJC), der European Jewish Congress (EJC), die Organisation A Jewish Contribution to an Inclusive Europe (CEJI), die Israelitische Religionsgesellschaft (IRG), die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS), der Europarat, das Office for Democratic Institutions and Human Rights (ODHIR) sowie die Beobachtungsstelle Observatory for Security Against Discriminatory Acts (OSCAD) der OSCE, die EU-Grundrechteagentur (FRA) und die Europäische Kommission. 

Zweck des Meetings war die Schaffung einer verstärkten Zusammenarbeit von gleichgesinnten EU-Mitgliedstaaten im Kampf gegen den Antisemitismus sowie der wechselseitige Austausch guter Praktiken, die Aufarbeitung bestehender Problematiken und die Harmonisierung der Methodologien zur Sammlung und Analyse von Daten zu antisemitischen Hassverbrechen.

Vertrauen in Behörden schaffen.

Katharina von Schnurbein und Karoline Edtstadler mit dem Team der Stabstelle Österreichisch-Jüdisches Kulturerbe im Bundeskanzleramt: Cathrin Colussi (li.), Antonio Martino, Alice Penz.
Katharina von Schnurbein und Karoline Edtstadler mit dem
Team der Stabstelle Österreichisch-Jüdisches
Kulturerbe im Bundeskanzleramt: Cathrin Colussi (li.),
Antonio Martino, Alice Penz. © BKA/Andy Wenzel

Bei einer der ECA vorausgehenden Pressekonferenz betonte Bundesministerin Mag. Karoline Edtstadler, dass es im Kampf gegen Antisemitismus einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung bedürfe. „Wir müssen effizienter werden, wir müssen unsere Kräfte bündeln“, sagte die Bundesministerin, die die rasant steigenden Zahlen antisemitischer Vorfälle sowie die fehlende Harmonisierung in deren Erfassung kritisierte. Es gebe weiters keine strukturierte Zusammenarbeit auf europäischer Ebene zwischen den relevanten Stakeholdern und es müsse mehr Vertrauen in die Behörden geschaffen werden, um das Phänomen des Underreportings zu vermeiden, da 80 Prozent der Fälle überhaupt nicht gemeldet würden. Nichtsdestotrotz sprach Edtstadler offen ihre Freude bezüglich der bereits in einigen Mitgliedsstaaten verbreiteten Annahme der IHRA Arbeitsdefinition von Antisemitismus aus, da dies einen grundlegenden Schritt zur Vereinheitlichung der Registrierung von antisemitischen Hassverbrechen darstellt.

Bessere Datenvergleichbarkeit.

Oskar Deutsch, Präsident der IKG Wien, sprach sich ebenso für eine bessere Datenvergleichbarkeit innerhalb Europas aus, und plädierte dafür, dem Antisemitismus den Nährboden zu entziehen, bevor es zu Übergriffen komme.
Die Antisemitismusbeauftragte der Europäischen Kommission, Katharina von Schnurbein, betonte: „Antisemitismus ist unvereinbar mit allem, wofür Europa steht.“ Auch sie mahnte angesichts steigender Zahlen und hoher Dunkelziffern zur Sichtbarmachung des Phänomens, „damit wir nicht nur die Spitze des Eisbergs sehen, sondern wirklich wissen, was wir ganz gezielt bekämpfen können“. Die Erfassung sei dort am besten, wo Polizei, jüdische Gemeinden und zivilgesellschaftliche Organisationen zusammenarbeiten.
Michael O’Flaherty, Direktor der Grundrechteagentur, bezeichnete Antisemitismus als eine Geißel für Europa, die es entschieden zurückzuweisen gelte. Er kritisierte die fehlende Datenerhebung in einigen europäischen Ländern und begrüßte die österreichische Initiative der jährlich stattfindenden ECA, da sie sich insbesondere auf Datenerhebung konzentriert.

Vienna Declaration.

Am Ende der Pressekonferenz wurde die sogenannte Vienna Declaration, eine Erklärung für den gemeinsamen Kampf gegen Antisemitismus und die Förderung des jüdischen Lebens in Europa, von acht Mitgliedsstaaten (AT, DE, EE, ES, HU, NL, RO, SK) unterzeichnet. Weitere Mitgliedstaaten unterzeichneten die Erklärung in einer Sitzung der Arbeitsgruppe der Europäischen Kommission zur Umsetzung der EU-Strategie zur Bekämpfung von Antisemitismus am 1./2. Juni 2022.

Internationale Kooperation.

Die im Oktober 2021 vorgestellte EU-Strategie zur Bekämpfung von Antisemitismus bietet zwar eine gute Basis für länderübergreifende Zusammenarbeit, jedoch bedürfe es nach Ansicht der Teilnehmenden der ECA neben größerer nationaler Bemühungen auch eines höheren Maßes an internationaler Kooperation im Bereich der Erfassung antisemitischer Vorfälle. Dies wurde nun mit der European Conference on Antisemitism ermöglicht, bei der den Vertretungspersonen der Mitgliedsstaaten ein geeigneter Rahmen für Vernetzung und Austausch geboten wird.

Antisemitismus-Definition.

In der Besprechung besonders hervorgehoben wurde die Notwendigkeit einer Angleichung der Antisemitismus-Definition, einer Harmonisierung der Methodik sowie Schulungen der Polizei und der Verwaltung.  Wenngleich noch ein langer Weg zurückzulegen ist, so wurde mit der jährlichen European Conference on Antisemitism zweifelsohne ein Meilenstein in der EU-weiten Bekämpfung von Antisemitismus und der Umsetzung der Maßnahmen der Nationalen Strategie gelegt.     

Cathrin Colussi


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 7-8/2022

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