Kriminalgeschichte

Serienmorde an Dienstmädchen

Ende des 19. Jahrhunderts wurden in Wien und Niederösterreich zahlreiche Dienstmädchen beraubt und ermordet. Hugo Schenk und seine Komplizen brachten 1883 mindestens vier Dienstmädchen um. Franz Schneider ermordete mit Unterstützung seiner Frau 1891 drei Dienstmädchen.

Verhaftung des Serienmörders Hugo Schenk (Bild im Wiener Kriminalmuseum).
Verhaftung des Serienmörders Hugo Schenk (Bild im
Wiener Kriminalmuseum). © Werner Sabitzer

Ottokar von Buschmann, ein Beamter des Finanzministeriums, kehrte am 20. August 1883 nach einem längeren Italien-Aufenthalt nach Wien zurück. Seine Wohnung in der Florianigasse in Wien-Josefstadt war versperrt und die Köchin Theresia Ketterl, die während seiner Abwesenheit die Wohnung beaufsichtigen hätte sollen, war verschwunden. Buschmann musste einen Schlosser holen, der die Wohnungstür öffnete. Die Wohnung war durchwühlt und es fehlten Wertgegenstände. Auch der Hund und der neue Hundekoffer waren verschwunden. Buschmann wandte sich an die Polizei. Die 37-jährige Köchin war am 4. August 1883 zuletzt gesehen worden  – in Begleitung eines 30 bis 35 Jahre alten Mannes, der Theresia Ketterl schon vorher mehrmals in der Wohnung Buschmanns besucht hatte. Ketterl galt als anständig und sparsam, hatte in noblen Häusern gearbeitet und ihren Verdienst in Schmuck und Sparbüchern angelegt. Der leere Hundekoffer wurde am 10. August 1883 in einem Waggon eines Zuges der Westbahn gefunden. Die Polizei erließ einen Steckbrief mit einer Personsbeschreibung des unbekannten Begleiters von Theresia Ketterl: stattlich, blond, bärtig und elegant gekleidet.
Vier Monate später, am 20. Dezember 1883, zeigten besorgte Angehörige im Kommissariat Rossau in Wien an, dass die 47-jährige Köchin Katharina Timal und ihre 33-jährige Nichte Josefine Timal seit dem Sommer verschwunden seien und dass man ein Verbrechen vermute, weil die beiden aus Böhmen stammenden Frauen als verlässlich galten. Sie sollen im Sommer 1883 mit dem angeblichen Bauingenieur Hugo Schenk nach Krakau gereist sein, hätten sich aber nicht mehr bei den Angehörigen gemeldet.

Hugo Schenk und seine Opfer (Darstellung im „Interessanten Blatt“).
Hugo Schenk und seine
Opfer (Darstellung im „
Interessanten Blatt“).
© Das interessante Blatt

Vom Kommissariat Rossau wurde der Fall der verschwundenen Dienstmädchen mit einem Zirkulartelegramm an das Wiener Sicherheitsbüro gemeldet. Die Ermittler setzten beim Namen „Hugo Schenk“ an. Er war in der Verbrecherkartei unter der Rubrik Heiratsschwindler eingetragen. Auf ihn passte die Personsbeschreibung, die nach dem Verschwinden Theresia Ketterls angefertigt worden war. Die Kriminalisten durchsuchten nun in Wien Wohnungen, um Schenk zu finden. Der Leiter des Wiener Sicherheitsbüros Karl Breitenfeld, der Konzeptsbeamte Moritz Stukart, und zwei Kriminalbeamte fuhren nach Linz, wo Schenk eine Wohnung gemietet hatte. Der Gesuchte war aber in der Zwischenzeit mit der Bahn nach Wien gefahren, wo er am 10. Jänner 1884 in der Wohnung seines Komplizen Karl Schlossarek in der Sturzgasse verhaftet werden konnte. Bei Hausdurchsuchungen wurden Gegenstände aus dem Besitz der verschwundenen Frauen gefunden. In den folgenden Tagen wurden auch Hugo Schenks um zwei Jahre jüngerer Bruder Karl sowie Karl Schlossarek festgenommen.
Es stellte sich heraus, dass Hugo Schenk mit Unterstützung seines Bruders und Schlossarek mindestens vier Dienstmädchen ermordet hatte – Theresia Ketterl, Katharina und Josefine Timal sowie Rosa Ferenczy. Die drei Männer verübten zudem Raubüberfälle und Betrugsdelikte.

Hugo Schenk, geboren am 11. Februar 1849 in Czech in Mähren (Morava, Tschechien) als Sohn des 1959 verstorbenen Kreisgerichtsrats Wilhelm Schenk, verhielt sich schon als Schüler auffällig und undiszipliniert. Er flog vom Gymnasium und trat 16-jährig als Kadett in die k. k. Armee ein. Wegen seines Verhaltens beim Militär wurde er degradiert. Während eines Urlaubs von der Armee versprach er einem 17-jährigen Mädchen aus einer wohlhabenden Familie die Ehe. Er gab sich als „Boleslav Fürst Wolopolsky“ aus, der aus Polen flüchten hätte müssen. Er lockte der Mutter seiner Verlobten einen hohen Geldbetrag heraus und verschwand. Die Betrogene erstattete Anzeige bei der Polizei. Daraufhin wurde Schenk verhaftet und im Dezember 1870 in Olmütz wegen Heiratsschwindels und Betrug zu einer fünfjährigen Kerkerstrafe verurteilt. Das Berufungsgericht reduzierte die Haft auf zweieinhalb Jahre. Nach der Haftentlassung arbeitete er in mehreren Fabriken, lernte eine Frau kennen und heiratete sie.
1881 wurde Schenk erneut wegen Heiratsschwindels festgenommen. Er wurde neuerlich zu einer Kerkerstrafe verurteilt und saß zwei Jahre lang in der Strafanstalt Stein an der Donau, wo er den Mithäftling Karl Schlossarek kennenlernte. Nach seiner Haftentlassung im Jänner 1883 planten Hugo Schenk, sein Bruder Karl und Schlossarek, Raubüberfälle und andere Straftaten zu verüben.

„Hochzeitsreise“ in den Tod.

Der Schädel des Serienmörders Hugo Schenk (Wiener Kriminalmuseum).
Der Schädel des
Serienmörders Hugo Schenk
(Wiener Kriminalmuseum).
© Werner Sabitzer

Durch ein Zeitungsinserat lernte Hugo Schenk im Juni 1883 die Dienstbotin Josefine Timal kennen. Er gab sich als Bahningenieur aus, versprach ihr die Ehe und lud die Frau zu einer „Hochzeitsreise“ nach Krakau ein. In einem Wald bei Mährisch-Weißkirchen betäubte er Timal und warf die Bewusstlose, beschwert mit einem Stein, in einen Tümpel. Er stahl ihr Sparbuch, den Schmuck und einige Habseligkeiten. Bei diesem Raubmord unterstützte ihn Karl Schlossarek. Die Leiche wurde sechs Wochen später, am 17. Juli 1883, gefunden. Weil Schenk befürchtete, er könnte von Katharina Timal, der Tante seines Opfers, verraten werden, plante er, sie ebenfalls umzubringen. Er lockte die Frau nach Krummnußbaum in Niederösterreich. In einem Auwald fielen Schenk und Schlossarek über die Frau her, stachen auf sie ein und erschlugen sie. Die Männer beschwerten die Leiche mit einem Stein und warfen sie in die Donau. Auch Hugos Bruder Karl war am Tatort anwesend.
Über ein Zeitungsinserat lernte Hugo Schenk die Köchin Theresia Ketterl kennen. Schenk traf sich mit ihr vor der Votivkirche in Wien, wo er vorschlug, am 4. August 1883 eine „Landpartie“ nach Pöchlarn in Niederösterreich zu machen. Schlossarek und Hugo Schenks Bruder Karl begleiteten das Paar. In einem Wald wurde Theresia Ketterl umgebracht. Die Mörder nahmen ihren Schmuck und andere Habseligkeiten mit und ließen die Leiche im Wald liegen. Hugo Schenk behauptete bei den Einvernahmen, Ketterl hätte sich beim „Russischen Roulette“ selbst in den Schädel geschossen.

Weitere Gewalttaten.

Nachdem die Zeitungen von der Verhaftung Schenks und seiner Komplizen berichteten, meldete sich ein Wiener Apotheker bei den Ermittlern. Im Juli 1883 begegnete der Apotheker bei einem Spaziergang in Weidlingau einem großen Mann, der ihm zurief, dass im Wald eine sterbende Frau liege und er einen Arzt holen werde. Der Apotheker fand ein bewusstloses Mädchen, das bald zu sich kam und sich erholte. Die junge Frau erzählte, dass sie von einem freundlichen Mann angesprochen worden sei. Sie habe sich mit ihm auf einer Bank unterhalten. Er habe gesagt, er wolle für sie Blumen pflücken, habe sich aber dann ihr von hinten genähert und ein weißes, stark riechendes Tuch über Mund und Nase gedrückt. Danach wisse sie nichts mehr. Ihr fehlten ihre Ringe, die Geldbörse und andere Wertgegenstände. Der Unbekannte ließ ein Buch („La Fontaines Fabeln“) zurück, in dem der Name „Hugo Schenk“ eingetragen war. Der Apotheker sagte zur Überfallenen, sie solle am nächsten Tag zu ihm in die Apotheke kommen, er würde sie als Zeuge zur Polizei begleiten. Das Mädchen erschien aber nicht und die Anzeige unterblieb.
Die Brüder Schenk und Schlossarek planten, im Juli 1883 in Marbach einen Briefträger zu überfallen. Sie bestellten auf den Namen des Pfarrers und des Försters bei Juwelieren und Wechselstuben Schmuck und Devisen per Nachnahme. Schenk wusste, dass der Briefträger die bestellten Wertsachen von der Bahnstation abholen und durch einen Wald zum Postamt bringen musste. Sie hatten vor, den Briefträger im Wald zu betäuben und zu berauben. Der Plan scheiterte, weil der Briefträger an diesem Tag nicht wie üblich allein unterwegs war, sondern von einem Postamtsdiener begleitet wurde.
Über ein Zeitungsinserat suchte das kriminelle Trio „kautionsfähige“ Dienstnehmer. Als sich daraufhin der Müllergehilfe Franz Podpera meldete, wurde ihm eine gut bezahlte Arbeitsstelle versprochen. Während Schlossarek am 3. April 1883 mit dem Opfer durch einen Wald ging, folgte ihnen Schenk unauffällig. Schlossarek zog eine Pistole und schoss auf Podpera. Es begann ein Kampf um den Revolver. Obwohl Podpera durch Schüsse verletzt wurde, konnte er flüchten. Auch Schlossarek erlitt Verletzungen. Der in der Nähe wartende Schenk hatte in den Kampf nicht eingegriffen.
Achtzehn Tage nach dem missglückten Überfall auf Podpera wurde der Gehilfe Franz Bauer in Weidlingau in einen Wald gelockt, betäubt und ausgeraubt. Bauer hatte sich ebenfalls über ein Inserat bei Schenk gemeldet. Schenk und Schlossarek verzichteten darauf, Bauer wie geplant zu erschießen. Vermutlich wollten sie keine Aufmerksamkeit durch den Schussknall erwecken.
Im Jänner 1881 lockte Hugo Schenk in Wien einem Mann einen Geldbetrag heraus, indem er vorgab, ihm einen gut bezahlten Posten bei einer Schuhfabrik zu verschaffen. Bei der Aufteilung der Beute ihrer Opfer behielt Hugo Schenk den Großteil für sich. Sein Bruder und Schlossarek erhielten nur einen geringen Teil. Es kam deshalb zu einem heftigem Streit.
Die 25-jährige Josefine Eder überlebte, weil sie die Geliebte Hugo Schenks war. Er sagte ihr, er sei nach Linz versetzt worden und mietete für sie eine Wohnung in Linz. Sie galt als sparsam und hatte ein Sparbuch. Auch sie wurde als vermutliche Komplizin bzw. Mitwisserin festgenommen. Sie hatte über Aufforderung Schenks ihrer Dienstgeberin eine wertvolle Perlenkette gestohlen. Als sie erfuhr, dass ihr Geliebter als Raubmörder und Heiratsschwindler verdächtigt wurde, wollte sie sich das Leben nehmen. Wegen des Diebstahls wurde Eder am 8. Februar 1884 zu drei Jahren Kerker verurteilt.
Auch Emilie Höchsmann war längere Zeit die Geliebte von Hugo Schenk. Im April 1883 suchte sie über eine Zeitungsannonce einen Lebenspartner und wurde von Schenk kontaktiert. Beim ersten Treffen am 26. April gab er sich als „Zivilingenieur“ aus. Als sie ihn später bat, sie zu heiraten, erzählte er der leichtgläubigen Frau eine abenteuerliche Geschichte: Er heiße nicht Schenk, sondern sei in Wirklichkeit ein polnischer Adeliger aus der Grafenfamilie Wielopolski und habe aus politischen Gründen aus Polen flüchten müssen. Auf seinen Kopf seien 20.000 Gulden ausgesetzt und er sei ein Vertreter der russischen Nihilisten, die ihn großzügig finanzieren würden. Er könne sie nicht unter seinem Tarnnamen Schenk heiraten, weil sonst die Ehe ungültig wäre und unter seinem „echten“ Namen Graf Wielopolski auch nicht, weil sonst sein Leben gefährdet sei. Höchsmann wohnte bei der Familie ihrer Schwester und besaß keine nennenswerten Wertsachen. Das rettete ihr möglicherweise das Leben. Hugo Schenk unternahm mit ihr Reisen und schenkte ihr im August 1883 Schmuckstücke, von denen er behauptete, ein guter Freund hätte sie ihm geschenkt. Die Pretiosen stammten allerdings aus dem Besitz der kurz zuvor ermordeten Theresia Ketterl. Die anderen von Ketterl geraubten Schmuckstücke verkaufte Schenk einem Juwelier in Breslau. Schenk mietete für Höchsmann Anfang September 1883 eine Wohnung in Weidlingau. Er versprach ihr, sie zu heiraten und mit ihr nach Cincinnati zu ziehen. Dort hätte er einen reichen Onkel mit ausgedehnten Ländereien. Im November 1883 brachte Schenk seine Geliebte in Salzburg unter.

Schenks letztes Mordopfer.

Hugo Schenk und Karl Schlossarek warfen die Leiche ihres Opfers Josefine Timal in die Donau (Acrylbild im Wiener Kriminalmuseum).
Hugo Schenk und Karl Schlossarek warfen die Leiche
ihres Opfers Josefine Timal in die Donau
(Acrylbild im Wiener Kriminalmuseum). © Werner Sabitzer

Die 33-jährige Rosa Ferenczy lernte Hugo Schenk ebenfalls durch ein Zeitungsinserat kennen. Schenk behauptete, Eisenbahndirektor mit einem hohen Jahresgehalt zu sein. Ferenczy verliebte sich in den attraktiven Mann und verfasste für ihn Gedichte in ungarischer Sprache. Sie hatte etwas Geld erspart und drängte auf eine baldige Heirat. Hugo Schenk und sein Bruder Karl besprachen, wie sie Ferenczy beseitigen könnten und wählten als Tatort Pressburg. Hugo Schenk kaufte eine Axt und Draht und im Dezember 1883 holte Schenk die Frau in ihrer Unterkunft ab. Sie fuhren mit der Bahn nach Pressburg, begleitet von Karl Schlossarek. Sie kehrten in einem Gasthaus ein und als es dunkel wurde, spazierten sie zum Donauufer. Schlossarek trat von hinten an Rosa Ferenczy heran und schlug ihr mit der Axt auf den Kopf. Die Frau fiel zu Boden und Schlossarek versetzte dem Opfer weitere Axthiebe. Dann nahm er ihre goldene Uhr, die Ringe, Geld und andere Habseligkeiten und warf den reglosen Körper über eine Böschung in die Donau.

Todesurteile.

Am 13. März 1884 begann im Landesgericht Wien der Gerichtsprozess über die Angeklagten Hugo Schenk, Karl Schlossarek und Karl Schenk. Im Gerichtsverfahren wurde bekannt, dass Hugo Schenk einmal die Absicht geäußert hatte, ein Opfer an einen Baum zu binden, es mit Petroleum zu übergießen und anzuzünden. Hugo Schenk und Karl Schlossarek wurden am 15. März 1884 im Landesgericht Wien wegen mehrfachen meuchlerischen Raubmordes, versuchten meuchlerischen Raubmordes sowie Raubes zum Tod durch den Strang verurteilt. Karl Schenk erhielt wegen meuchlerischen Raubmordes, der Mitschuld an einem Raub und der Teilnahme an einem meuchlerischen Raubmord ebenfalls die Todesstrafe. Er wurde aber von Kaiser Franz Joseph Mitte April 1884 begnadigt; die Todesstrafe wurde in lebenslangem Kerker umgewandelt.
Hugo Schenk und Karl Schlossarek wurden am 22. April 1884 im Wiener Landesgericht vom Scharfrichter Heinrich Willenbacher und seinen Gehilfen auf dem Würgegalgen hingerichtet. Der Schädel des hingerichteten Schenk wurde nach der Obduktion abgetrennt, um untersuchen zu können, ob eine Abnormität vorliege. Der Schädel ist im Wiener Kriminalmuseum ausgestellt.

Raubmorde im Dreiföhrenwald.

Mörderisches Paar: Franz und Rosalia Schneider (zeitgenössische Darstellung).
Mörderisches Paar: Franz und Rosalia Schneider
(zeitgenössische Darstellung).

Eine Taglöhnerin machte am 23. Juli 1891 im Dreiföhrenwald bei Neulengbach eine grausige Entdeckung: Im Gestrüpp lag die nur mit Unterwäsche bekleidete Leiche einer Frau. Daneben befand sich ein Strohhut mit roten Rosen. Als der Goldarbeiter Karl Hornung in einer Zeitung von der Entdeckung der Leiche las, vermutete er, dass es sich um den Hut seiner verschwundenen Geliebten Marie Hottwanger handeln könnte. Er fuhr nach Neulengbach und erkannte die Leiche als jene seiner Geliebten. Drei Wochen davor, am 2. Juli 1891, hatte Hornung seine Freundin zum Dienstvermittlungsbüro Meixner am Franziskanerplatz gebracht und im Gasthaus gegenüber auf sie gewartet. Kurz darauf hatte Marie in Begleitung einer Frau das Vermittlungsbüro verlassen. Die Frau hatte das Gasthaus betreten, sich an einem Mann auf dem Nebentisch gewandt und sich mit ihm kurz unterhalten. Dann hatte sie das Gasthaus verlassen und war mit Marie Hottwanger in Richtung Kärntner Straße gegangen. Der Mann war den beiden in kurzem Abstand gefolgt. Karl Hornung war die Situation eigenartig vorgekommen; er war aber im Gasthaus sitzen geblieben, weil er nicht gewollt hatte, dass die möglichen neuen Dienstgeber wissen, dass Marie einen Freund hatte. Seither war Hottwanger verschwunden. Hornung gab bei der Polizei eine Beschreibung des Mannes und der Frau ab.
Der Fund der Frauenleiche und Berichte über verschwundene Dienstmädchen führte zu Angst und Unsicherheit in der Bevölkerung. Schon acht Jahre davor hatte es eine Raubmordserie an Dienstmädchen gegeben. Hugo Schenk und Karl Schlossarek hatten 1883 mindestens vier Dienstmädchen umgebracht.
Im Juli 1891 erstattete das Dienstmädchen Anna Gyuricz Anzeige gegen einen Mann. Dieser hatte ihr einige Wochen zuvor eine Arbeit als Dienstmädchen bei einer „Baronin in Neulengbach“ versprochen und versucht, sie in einen Wald zu locken. Weil sie sich geweigert hatte, mit ihm in den Wald zu gehen, hatte er sie in ein Gasthaus in Neulengbach gebracht und versucht, sie in einem Nebenzimmer zu vergewaltigen. Wegen ihrer heftigen Gegenwehr hatte der Unbekannte von ihr abgelassen und das Gasthaus verlassen.
Die Beschreibung des Gewalttäters stimmte mit jener überein, die Karl Hornung abgegeben hatte. Ein Stammgast des Gasthauses in Neulengbach, in dem der Gesuchte das Dienstmädchen zu vergewaltigen versucht hatte, informierte die Gendarmerie, dass die Beschreibung auf den Knecht Heinrich Schneider passe. Die Ermittler holten den Knecht zur Einvernahme; er kam aber als Täter nicht in Frage. Der Knecht hatte einen Bruder, der ihm sehr ähnlich sah und übel beleumundet war. Es handelte sich um Franz Schneider. Nun konzentrierte sich die Fahndung auf ihn und seine Frau Rosalia.
Franz Schneider wurde 1856 als Sohn eines Schuhmachers in Murstetten in Niederösterreich geboren. Die Schule besuchte er nur kurz und unregelmäßig. Er arbeitete als Hilfsarbeiter und Knecht und wurde mehrmals wegen Diebstahls und Betrugs zu Arrest- und Kerkerstrafen verurteilt. Seine um fünf Jahre ältere Frau Rosalia stammte aus Villach in Kärnten und arbeitete gelegentlich als Köchin.
Die Ermittler stellten fest, dass das Ehepaar Schneider unter den Namen Ferdinand und Rosalia Riedler ein kleines Zimmer in der Rudolfstraße (heute Johnstraße) in Wien-Rudolfsheim gemietet hatte. Bei der Durchsuchung des Wohnraums fanden die Polizeiagenten unter anderem Gegenstände aus dem Besitz von Hottwanger.
Franz und Rosalia Schneider wurden verhaftet. Im Polizeigefangenenhauses verübte die Frau einen Selbstmordversuch. Sie sprang aus dem dritten Stock in einen Lichthof, überlebte aber schwer verletzt.

Die beiden Verdächtigen wurden verhört. Während Franz Schneider die vorgeworfenen Gewaltverbrechen abstritt, gab seine Frau die Tötung Marie Hottwanger nach längerem Leugnen zu. Rosalia Schneider hatte die junge Frau im Dienstvermittlungsbüro mitzukommen überredet, um einen gut bezahlten Posten in einer Villa in Rekawinkel anzunehmen. Franz Schneider hatte Hottwanger in einen Wald bei St. Christophen gebracht und sie erwürgt. Dann hatte er die Leiche entkleidet und sie in einem Graben unter Reisig verborgen. Die Wertsachen des Opfers hatte er mitgenommen.

Am 4. Juli war Rosalia Schneider zum Quartiergeber Hottwangers in die Mariahilfer Straße gegangen und hatte den Koffer mit den Habseligkeiten des Mordopfers geholt. Um keinen Verdacht zu erregen, hatte Schneider davor einen entsprechenden Brief an den Unterkunftsgeber geschrieben.

Weitere Mordopfer.

Dienstmädchenmörder Franz und Rosalia Schneider nach ihrer Verurteilung (zeitgenössische Darstellung).
Dienstmädchenmörder Franz
und Rosalia Schneider nach ihrer
Verurteilung
(zeitgenössische Darstellung).

Ein besorgter Vater führte zur Aufdeckung eines weiteren Mordes. Rosalia Kleinrath aus Wiesmuth in Niederösterreich war Dienstmädchen in Wien. Ihr Vater machte sich Sorgen, weil seine Tochter seine Briefe seit einiger Zeit nicht mehr beantwortet und er in der Zeitung über die Verhaftung des Ehepaars Schneider gelesen hatte. Er fuhr nach Wien und fand ihre Wohnung leer vor. Deshalb wandte er sich an die Polizei und entdeckte dort den Koffer seiner Tochter, der in der Wohnung des Ehepaars Schneider sichergestellt worden war.

Franz Schneider hatte Rosalia Kleinrath am 18. Juni 1891 auf der Straße angesprochen und ihr eine gut bezahlte Stelle als Dienstmädchen bei einer „gelähmten Gräfin in Klosterneuburg“ in Aussicht gestellt. Das 18-jährige, unerfahrene Dienstmädchen hatte den Versprechungen geglaubt, ihre Habseligkeiten bei ihrem Dienstgeber geholt und war mit dem Ehepaar mitgegangen. Franz Schneider hatte sie umgebracht, ihre Wertsachen gestohlen und den toten Körper in die Donau geworfen. Die Leiche dürfte bei Raggendorf (heute Rajka) in Ungarn angeschwemmt worden sein.

Schneiders letztes Opfer.

Am 8. Juli 1891 geriet ein weiteres Dienstmädchen in die Fänge des Ehepaars Schneider. Es handelte sich um Friederike (Frieda) Zoufar, die kurz zuvor von Hermannstadt in Siebenbürgen nach Wien gekommen war. Rosalia Schneider gaukelte dem Mädchen vor, es könne eine glänzende Stelle als Stubenmädchen in einer Neulengbacher Villa annehmen. Zoufar ließ sich überreden, packte ihr Geld und ihre Wertsachen in eine Tasche und ging mit dem Ehepaar Schneider mit. In einem Wald schlug Franz Schneider die junge Frau nieder, warf sich auf sie und erwürgte sie. Wieder entkleidete er die Leiche, um eine Identifizierung des Opfers anhand ihrer Kleidung zu erschweren. Schneider schleppte die Leiche in ein Gestrüpp und nahm die Tasche der Toten mit den Wertsachen mit.
Das Mörderpaar verbrachte die Nacht im Wald. Am nächsten Tag sandte Schneider in Neulengbach unter dem Namen von Zoufar ein Telegramm an die Quartiergeberin des Mordopfers, mit dem Ersuchen, die persönlichen Gegenstände Zoufars an die neue „Hausmeisterin“ zu übergeben. Als „Hausmeisterin“ erschien Rosalia Schneider. Sie erhielt Zoufars Koffer mit den Habseligkeiten und einen Reisekorb. Franz und Rosalia Schneider machten die Beute zu Geld, mieteten das Zimmer in Wien-Rudolfsheim und kauften Möbel.
Gendarmen, Forstleute und Bewohner durchstreifen am 17. und 18. August 1891 mit Hunden die Wälder bei Neulengbach, um Mordopfer des Ehepaars Schneider zu finden. 600 Helfer beteiligten sich an der Suche. Die Leiche von Frieda Zoufar wurde erst am 15. November 1891 im Wald entdeckt.
Franz und Rosalia Schneider dürften weitere Dienstmädchen in Raubabsicht ermordet haben, aber diese Taten ließen sich nicht anklagereif nachweisen. So erhielt Sidonie Brabetz aus Meidling von Schneider das Angebot, einen gut bezahlten Dienst in Konstantinopel anzutreten. Brabetz ging mit dem Ehepaar Schneider mit und wurde nie mehr gesehen. Eine weitere junge Frau, die einen Posten als Dienstmädchen gesucht hatte, teilte vor ihrem Verschwinden ihrem Bruder mit, dass sie in einem Dienstvermittlungsbüro eine Frau getroffen habe, die ihr einen lukrativen Arbeitsplatz versprochen habe. Zwei weitere Dienstmädchen, die an der Südbahnstrecke verschwanden, könnten ebenfalls vom Ehepaar Schneider ermordet worden sein.
Franz und Rosalia Schneider hielten weiter nach Mädchen und Frauen Ausschau. Ihre rasche Verhaftung verhinderte weitere Morde.

Tod durch den Strang.

Gipsabdruck des Schädels von Franz Schneider im Wiener Kriminalmuseum.
Gipsabdruck des Schädels
von Franz Schneider im
Wiener Kriminalmuseum
© Werner Sabitzer

Im Jänner 1892 begann die Schwurgerichtsverhandlung in Wien. „Die Taten des Franz Schneider weisen darauf hin, dass der Gedanke, Dienstmädchen in die Einsamkeit zu locken und sohin zu berauben, schon lange in ihm steckte“, hieß es in der Anklageschrift. Nach den brutalen Morden sei Schneider gefühllos gewesen und lediglich verärgert wegen des geringen Werts der Beute.
Angeklagt wurde Schneider auch wegen des Vergewaltigungsversuch an Anna Gyuricz und einer weiteren Vergewaltigung: Der Gewaltverbrecher hatte am 25. Mai 1891 am Rennweg in Wien Johanna Stoiber angesprochen und ihr vorgespielt, er könne ihr einen gut bezahlten Arbeitsplatz vermitteln. Er hatte sie in einen Wald gelockt und war bei einer Kapelle über sie hergefallen. Am nächsten Tag in der Früh hatte er Stoiber laufen lassen, weil sie kein Geld und keine Wertsachen hatte.
Franz Schneider schob bei der Verhandlung die Hauptschuld seiner Frau zu. Sie habe ihn schon 1889 verleiten wollen, ihre damalige Dienstgeberin zu ermorden und zu berauben. Er habe aber den Raubmord abgelehnt. Seine Frau sei auch die treibende Kraft bei den Dienstmädchenmorden gewesen. Sie habe ihm ein Fläschchen mit einer Flüssigkeit gegeben, um die Opfer zu betäuben. Rosalia Schneider wies die Vorwürfe ihres Mannes entrüstet von sich. 
Franz Schneider wurde am 29. Jänner 1892 vom Geschworenengericht wegen dreifachen meuchlerischen Raubmordes sowie wegen versuchter und vollendeter Vergewaltigung („Notzucht“) zum Tod durch den Strang verurteilt. Seine Frau Rosalia erhielt wegen Mitschuld an zwei Morden und Teilnahme an der Beraubung eines Mordopfers ebenfalls die Todesstrafe. Der Oberste Gerichtshof verwarf die Nichtigkeitsbeschwerden. Kaiser Franz Joseph begnadigte – wie bei Frauen in der ausgehenden Monarchie fast immer üblich – Rosalia Schneider und die Todesstrafe wurde bei ihr in lebenslangen Kerker umgewandelt. Die Verurteilte wurde am 26. März 1892 zur Strafverbüßung in die „Weiberstrafanstalt“ Wiener Neudorf gebracht.
Franz Schneider trat am 17. März 1892 in der Früh den Gang zur Hinrichtung an. Sein Wunsch, noch einmal mit seiner Frau zu sprechen, wurde von ihr brüsk abgelehnt. Er verabschiedete sich von seinem Bruder Heinrich und gegen sieben Uhr endete sein Leben auf dem Würgegalgen. Die Hinrichtung erfolgte vom Scharfrichter Josef Seyfried und von zwei Gehilfen. Nach vier Minuten Todeskampf auf dem Würgegalgen stellte der Gerichtsarzt den Tod Schneiders fest. Ein Gipsabdruck des Schädels des Serienmörders befindet sich im Wiener Kriminalmuseum.

Werner Sabitzer

Quellen/Literatur:

  • Altmann, Ludwig: Hugo Schenk und seine Genossen. Aus dem Archiv des grauen Hauses – Eine Sammlung merkwürdiger Wiener Straffälle, Band 2. Rikola Verlag, Wien/Leipzig/München, 1925.
  • Benedikt, Moriz; Frank, Rudolf: Anthropologischer Befund bei dem Mörder Hugo Schenk. In: Wiener Medizinische Blätter, 14. Jg., Nr. 1/1885.
  • Bundespolizeidirektion Wien: Kriminalpolizeiliches Museum – Bundespolizeidirektion Wien (Redaktion: Harald Seyrl, Ernst Trybus). Amtsdruckerei der BPD Wien, Wien, 1984.
  • Der Proceß der Mädchenmörder; in: Die Presse, 15. März 1884, S. 10-12.
  • Der Raubmörder Schenk und seine Complicen; in: Die Presse, 12. Jänner 1884, S. 13-14.
  • Ein Professions-Raubmörder und seine Opfer; in: Die Presse, 10. Jänner 1884, S. 10-11.
  • Proceß gegen Hugo Schenk und Genossen; in: Neue Freie Presse, 16. März 1884, S. 6-7.

Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 7-8/2022

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