Gedenkstätten für Exekutivbeamte (13)

Erinnerung an ein Wilderer-Opfer

Karl Walzer vom Gendarmerieposten Herzogenburg wurde im Juni 1913 von einem Wilderer erschossen. Eine 1937 zerstörte Gedenkstätte in der Traisenau erinnerte an das Mordopfer. Im Friedhof Herzogenburg gibt es ein Grabdenkmal für den Gendarmen.

Vom Gendarmeriekorps gewidmeter Grabobelisk auf dem Friedhof Herzogenburg für den 1913 ermordeten Gendarmeriewachtmeister Karl Walzer.
Vom Gendarmeriekorps gewidmeter Grabobelisk auf
dem Friedhof Herzogenburg für den 1913 ermordeten
Gendarmeriewachtmeister Karl Walzer. © Werner Sabitzer

Gendarmerie-Wachtmeister Karl Walzer vom Posten Herzogenburg in Niederösterreich und sein Kollege Rudolf Praska befanden sich am 24. Juni 1913 in der Nacht auf einem Patrouillengang, um in den Auen der Traisen gegen Wilderer vorzugehen. Die beiden Gendarmen trennten sich und platzierten sich auf jeweils einem Ufer der Traisen.
Gegen drei Uhr früh hörte Praska einen Schuss und kurz darauf einen dumpfen Ton wie von einem Fall. Praska ging in der Früh zum Gendarmerieposten zurück und berichtete davon dem Postenkommandanten Anton Ecker. Dieser ging zu jener Stelle, an der er seinen Kollegen vermutete, traf ihn aber nicht an. Nachdem Walzer um 13 Uhr nicht wie vereinbart zurückgekehrt war, suchten seine Kollegen nach ihm. Der Gendarm Franz Trautsch fand am 26. Juni 1913 in der Ossarner Au am rechten Ufer der Traisen die Leiche Walzers. Der Gendarm war durch einen Schuss in den Rücken getötet worden. Das Projektil war in das Herz eingedrungen und auf der Brust ausgetreten. Die Leiche wurde vom Fußweg in einen Graben geschleppt. Bereits am 17. September 1912 war von einem Unbekannten in der Au auf Walzer geschossen worden. Der Schuss verfehlte den Kopf des Gendarmen knapp.
Der Polizeihund „Lux“ aus Wien verfolgte eine Spur vom Leichenfundort bis in den Hof der Familie Artner in St. Andrä an der Traisen. Als der 22-jährige Gustav Artner erschien, verbellte ihn der Hund. Artner wurde als Mordverdächtiger festgenommen. Danach lief der Diensthund weiter zum Haus des Schmiedemeisters Friedrich Hofbauer, wo er den 18-jährigen Karl Hofbauer verbellte. Die beiden Männer waren als Wilderer amtsbekannt. Artner galt als gewalttätig und war immer wieder in Raufereien verwickelt. Mehrmals wurde der Arbeitslose vom Gendarmen Walzer wegen Wilderei angezeigt. Die beiden Festgenommenen bestritten den Gendarmenmord. Eine Reihe von Indizien belastete Artner: Bevor er zur Armee einrücken hätte sollen, erwähnte er einem Taglöhner gegenüber, dass vor seinem Einrücken „der Gendarm, der Hundling, hin sein“ müsse. Gemeint war Karl Walzer. Die Schuhe Artners stimmten mit zwei Schuhspuren überein, die am Auffindungsort der Leiche gesichert worden waren. Beim Wildern nahm er immer ein abschraubbares Gewehr, eine Pistole und ein Stilett mit.
Karl Hofbauer legte am 11. Oktober ein Geständnis ab. Artner habe ihn geweckt und aufgefordert mitzukommen, um in der Au Rehe und Hasen zu schießen. Artner habe im Gebüsch liegend auf die Beute gelauert, Hofbauer sei einige Meter hinter ihm gelegen. Als sie den Gendarmen auf dem Damm wahrnahmen, habe Artner gesagt, er werde auf den Mann schießen, Hofbauer habe versucht, ihn davon abzubringen. Artner habe geschossen und Hofbauer sei daraufhin davongerannt. Am nächsten Tag widerrief Hofbauer das Geständnis. Die Ermittler gingen aufgrund der Spuren davon aus, dass Hofbauer Artner geholfen haben musste, die Leiche in den Graben zu schleifen.
Gustav Artner wurde wegen meuchlerischen Mordes und Karl Hofbauer wegen Vorschubleistung zum Mord angeklagt. Bei der Schwurgerichtsverhandlung im Juni 1914 bestritt Artner weiterhin die Tat. Er behauptete, er habe nicht gewildert und sein Gewehr sei ihm gestohlen worden. In der Mordnacht habe er seine Geliebte besucht. Diese sagte aber aus, dass Artner erst zwischen halb vier und vier Uhr früh zu ihr gekommen sei. Das sei ihr durch die Schläge der Kirchturmuhr in Erinnerung geblieben. Ein Revierjäger sagte aus, Artner in der Tatnacht um zwei Uhr früh in der Nähe des Tatorts am Traisen-Ufer eindeutig gesehen zu haben.
Gustav Artner wurde am 30. Juni 1914 von den Geschworenen des Meuchelmordes für schuldig gesprochen und zum Tod durch den Strang verurteilt. Nach der Verurteilung begann er in seiner Zelle zu brüllen und zu toben, sodass er in einen Kellerraum gesperrt wurde, wo er weitertobte. Karl Hofbauer erhielt zweieinhalb Jahre schweren Kerkers. Am 29. September 1914 verwarf der Kassationshof die Nichtigkeitsbeschwerden als unbegründet. Im Dezember 1914 sah Kaiser Franz Joseph die Todesstrafe gegen Artner im Gnadenweg nach und der Oberste Gerichtshof wandelte die Todesstrafe in eine lebenslange Kerkerstrafe um. Gleichzeitig wurde die über Hofbauer verhängte Kerkerstrafe auf fünf Jahre erhöht. Nach elf Jahren Haft wurde Artner zu Weihnachten 1924 durch einen Gnadenakt des Bundespräsidenten Michael Hainisch aus der Haft entlassen. Artner blieb gewalttätig. So versuchte er am 3. Februar 1928 in der Nähe von Herzogenburg, eine Schülerin zu vergewaltigen. Als das Mädchen schrie und sich ein Fuhrwerk näherte, flüchtete er. Er wurde drei Tage später festgenommen. Im September 1935 wurde Artner neuerlich verhaftet, weil er seine Freundin in Wien mit dem Umbringen bedroht hatte. Im August 1937 kam er abermals wegen gefährlicher Drohung in Haft, weil er mit einem Messer seinen Untermieter mit dem Tod gedroht hatte.

Gedenkstätte in der Au.

1913 errichteter Gedenkstein für den ermordeten Gendarmen Karl Walzer in der Traisenau bei Ossarn; 1937 von Dieben zerstört.
1913 errichteter Gedenkstein für den
ermordeten Gendarmen Karl Walzer in der
Traisenau bei Ossarn; 1937 von Dieben
zerstört. © Archiv BMI

Am Traisen-Ufer gegenüber Oberndorf, in der Nähe jener Stelle, an der Karl Walzer erschossen worden war, wurde am 7. Juni 1914 eine Gedenkstätte enthüllt. Es handelte sich um eine zweieinhalb Meter hohe Pyramide aus braunem Konglomeratstein mit einem Reliefbild des ermordeten Gendarmen in Lebensgröße. Das Reliefbild stammte vom Bildhauer Prof. Karl M. Schwerdtner. Die Finanzierung erfolgte überwiegend durch eine Sammlung der Jäger im Bezirk St. Pölten. Der Gedenkstein wurde Anfang 1937 zerstört und die Bronzetafel gestohlen. Im Februar 1937 wurden im Kreisgericht St. Pölten zwei Männer verurteilt, die das Denkmal zertrümmert und die Bronzetafel einem Altwarenhändler zum Kauf angeboten hatten.

Grabstätte in Herzogenburg.

Für Karl Walzer gibt es auf dem Friedhof Herzogenburg ein Grabdenkmal. Es wurde am 28. Oktober 1913 über Anordnung des Ministeriums für Landesverteidigung, dem die Gendarmerie unterstand, von den Stadtsteinmetzmeistern Salaun und Weninger, St. Pölten, errichtet. Das Grabdenkmal besteht aus einem Obelisken aus schwarzem Granit, der am Scheitel das Relief des weinenden Christus trägt. Die Inschrift lautet: „Hier ruht / Karl / WALZER / k. k. Gendarmerie- / Wachtmeister, / welcher im 25. Lebensjahre / in treuester Pflichterfüllung / am 25. September 1913 / bei Ossarn / im Dienste gefallen ist. / Gewidmet / vom k. k. Gendarmeriekorps“.

Zwei Gendarmen von Wilderern ermordet.

In der Traisenau, in der Karl Walzer erschossen worden war, ermordete ein Wilderer 23 Jahre später zwei weitere Gendarmen. Als Forstorgane in der Nacht auf den 23. Februar 1936 in der Nähe von Pottenbrunn einige Wilderer entdeckten, schoss einer der Wilddiebe aus einer Pistole fünfmal auf die Forstorgane. Dabei wurde ein Förster durch einen Schuss in das rechte Knie schwer verletzt. Der Förster schoss aus seiner Schrotflinte zurück, aber die Wilderer konnten flüchten. Noch in der Nacht wurden Gendarmen mit einem Lastwagen in die Traisenauen gebracht, um nach den Tätern zu fahnden. Sieben Gendarmen gingen zum Wohnhaus eines Verdächtigen, des 24-jährigen, mehrmals vorbestraften Leopold Rieder. Nach wiederholtem Klopfen öffnete die Mutter des Verdächtigen die Tür. Als drei Gendarmen das Zimmer Rieders betraten, schoss dieser aus einer Pistole auf die Beamten. Ein Projektil zerfetzte die Aorta des stellvertretenden Postenkommandanten in Pottenbrunn, Rayonsinspektors Franz Ramsauer. Sein Kollege Rayonsinspektor Josef Steirer vom Posten St. Pölten wurde in die Brust getroffen. Beide Gendarmen verstarben am Tatort. Der dritte Beamte hatte Glück. Ein Projektil durchschlug seine Pistolentasche und prallte an der Pistole ab. Rieder erschoss sich unmittelbar nach der Bluttat. Er war jener Wilderer, der auch auf den Förster geschossen hatte. Rieder war von einem Schrotgeschoß des Försters getroffen worden, in seinem Körper steckten noch viele Schrotkörner. Seine durchlöcherte Hose wurde im Haus eines Mittäters gefunden. Die Gendarmen verhafteten dreizehn mutmaßliche Mitglieder der Wildererbande.

Werner Sabitzer

Quellen:

  • Nordegg, Theodor: Der Gendarmenmord bei Herzogenburg. In: Archiv für Kriminologie, Band 68, 1917, S. 81 ff.
  • Vom Schwurgerichte. Der Gendarmenmord bei Herzogenburg. In: St. Pöltner Bote, 25. Juni 1914, S. 2-5.
  • Vom Schwurgerichte. Der Gendarmenmord bei Herzogenburg (Dritter Tag). In: St. Pöltner Bote, 2. Juli 1914, S. 13.
  • Der Gendarmenmord von Herzogenburg. In: Illustrierte Kronen Zeitung, 22. Juni 1914, S. 12-13.
  • Der Gendarmenmord bei Herzogenburg. In: Volksblatt für Stadt und Land, 28. Juni 1914, S. 7-8.
  • Herzogenburg. (Denkmalsenthüllung.). In: St. Pöltner Bote, 18. Juni 1914, S. 10.
  • Das Gendarmendenkmal in Herzogenburg. In: Das interessante Blatt, 18. Juni 1914, S. 3.
  • Herzogenburg. (Setzung eines Grabdenkmals.). In: St. Pöltner Bote, 6. November 1913, S. 9.
  • Heldentod zweier Gendarmeriebeamten. In: Öffentliche Sicherheit, Nr. 3/1936, S. 29-30.
  • Denkmal gestohlen. In: Alpenländische Rundschau, 30. Jänner 1937, S. 10.

Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 7-8/2022

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