Verkehrsrecht

Straßenverkehr und Recht

Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs zu den Themen Wendemanöver in Autobahntunnel, Alkoholisierung und Entfernung von dem Ort, an dem ein Alkotest durchgeführt werden soll.

Einfahrt in den Pfändertunnel: Wer sein Kraftfahrzeug in einem Autobahntunnel wendet, verhält sich im Sinne des § 7 FSG (Verkehrszuverlässigkeit) besonders rücksichtlos. Das Wendemanöver erscheint geeignet, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen.
Einfahrt in den Pfändertunnel: Wer sein Kraftfahrzeug in einem Autobahntunnel wendet, verhält sich im Sinne des
§ 7 FSG (Verkehrszuverlässigkeit) besonders rücksichtlos. Das Wendemanöver erscheint geeignet,
besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen. © Weingartner-Foto/Picturedesk.com

Wendemanöver in Autobahntunnel

Einem Fahrer wurde von der Bezirkshauptmannschaft Bregenz für sechs Monate der Führerschein entzogen, weil er sein Kfz während eines Staus in einem Autobahntunnel, dem sogenannten „Citytunnel“, gewendet hatte. Die Behörde ging vom Vorliegen besonders gefährlicher Verhältnisse aus, da der Lenker bei dem Wendemanöver eine doppelte Sperrlinie überfahren und einen Lkw zum Abbremsen genötigt hatte.
Der Beschwerde des Lenkers gab das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg insoweit Folge, als es die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung auf drei Monate herabsetzte. Dies begründete das Verwaltungsgericht damit, dass aus seiner Sicht keine besonders gefährlichen Verhältnisse vorlägen: Zum Zeitpunkt des Wendemanövers habe kein Gegenverkehr bestanden und gute Sicht geherrscht. Auch sei der Citytunnel keine Autobahn, da in diesem Bereich eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 km/h und ein Gegenverkehrsbereich vorgesehen sei.
Die BH Bregenz erhob dagegen Amtsrevision und machte geltend, es handle sich bei dem in Rede stehenden Tunnel entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts um ein Teilstück einer Autobahn.
Der Verwaltungsgerichtshof befasste sich mit dem Vorliegen besonders gefährlicher Verhältnisse: „Diese setzen nicht voraus, dass es zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gekommen ist, sondern es genügt, dass der Verstoß unter Umständen erfolgte, die das Verhalten des Lenkers an sich geeignet erscheinen lassen, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen.“ Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Straßenverlauf nicht als Autobahn zu qualifizieren wäre. Das Bestehen einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 km/h und die Tatsache, dass es sich um einen Gegenverkehrsbereich handelte, seien ohne rechtliche Relevanz.
Darüber hinaus hatte der Lenker in einem Straßentunnel von erheblicher Länge im Gegenverkehrsbereich mit zwei voneinander durch eine doppelte Sperrlinie getrennten Richtungsfahrbahnen sein Fahrzeug gewendet. Vor allem falle ins Gewicht, dass im Tunnel bei einem Verkehrsunfall besonders schwerwiegende Folgen zu befürchten seien. Da sich zu dieser Zeit in dem Autobahntunnel aufgrund eines Verkehrsstaus mehrere Fahrzeuge in unmittelbarer Nähe befanden, waren dieser Gefahr zahlreiche Personen ausgesetzt. Überdies zähle zur Verkehrssicherheit, dass sich auf den Fahrstreifen der Autobahnen nach Möglichkeit keine Hindernisse in Form von anhaltenden, wendenden oder erst anfahrenden Fahrzeugen befänden. Somit sei das Vorliegen besonders gefährlicher Verhältnisse zu bejahen. Das angefochtene Erkenntnis war daher aufzuheben.

VwGH Ra 2020/11/0221, 25.1.2022)

Alkoholisierung und fortgesetztes Delikt

Verwaltungsgerichtsentscheidung: Es ist nicht erforderlich, einen geprüften Fahrzeuglenker über die Rechtsfolgen einer allfälligen Verweigerung der Atemluftprobe zu belehren, weil ihm die Bestimmungen der StVO bekannt sein müssen.
Verwaltungsgerichtsentscheidung: Es ist nicht erforderlich,
einen geprüften Fahrzeuglenker über die Rechtsfolgen
einer allfälligen Verweigerung der Atemluftprobe zu belehren,
weil ihm die Bestimmungen der StVO bekannt sein müssen.
© Werner Sabitzer

Ein Lenker verursachte in alkoholisiertem Zustand einen Verkehrsunfall. Er ließ sein beschädigtes Kfz stehen und ging zu Fuß zurück zu seinem Arbeitsplatz. Dort nahm er ein anderes Kraftfahrzeug in Betrieb, fuhr damit zum Unfallfahrzeug zurück, lud seine Sachen aus dem Unfallfahrzeug um und fuhr nach Hause.
Mit Straferkenntnis der BH Dornbirn wurde dem Lenker zur Last gelegt:

  1. das Unfallfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben,
  2. bei einem Verkehrsunfall mit Sachschaden nicht sofort die nächste Polizeidienststelle verständigt zu haben,
  3. das Verkehrsschild „Halten und Parken verboten“ beschädigt und nicht unverzüglich die nächste Polizeidienststelle oder den Straßenerhalter verständigt zu haben sowie
  4. das andere Kfz vom Arbeitsplatz in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben.

Es wurden Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen verhängt. Dagegen erhob der Lenker Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg, das der Beschwerde nicht Folge gab. In der Revision wurden ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum Vorliegen eines fortgesetzten Delikts unter Verweis auf einen einheitlichen Tatvorsatz hinsichtlich beider Alkoholfahrten und ein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot behauptet.
Der VwGH sprach dazu aus: „Um von einem fortgesetzten Delikt sprechen zu können, müssen die Einzelakte von einem vorgefassten einheitlichen Willensentschluss, dem Gesamtvorsatz, getragen sein.“ Das heißt, der Täter muss von vornherein ein bestimmtes Ziel ins Auge gefasst haben, das er durch die Begehung mehrerer Teilakte, somit schrittweise, erreichen will. Wie groß der Zeitraum zwischen den einzelnen Tathandlungen sein darf, um noch von einem fortgesetzten Delikt sprechen zu können, ist von Delikt zu Delikt verschieden und hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.
Trotz eines engen zeitlichen Zusammenhanges könne der Beurteilung eines Deliktes als fortgesetzt begangen ein Ereignis innerhalb dieses Zeitraumes entgegenstehen. „Der vom Revisionswerber verursachte Verkehrsunfall und der darauf neu gefasste Tatentschluss, zu Fuß zurück zu seinem Arbeitsplatz zu gehen, dort ein anderes Kraftfahrzeug in Betrieb zu nehmen, um seine Sachen aus dem Unfallfahrzeug umzuladen und danach heimzufahren, stellte zweifellos ein solches Ereignis dar“, meinte der VwGH, der ein fortgesetztes Delikt daher verneinte.
Der Lenker sei auch nicht der Gefahr einer Doppelbe­strafung ausgesetzt. Es wurde von ihm nicht bestritten, dass er zwei Fahrten mit zwei unterschiedlichen Fahrzeugen jeweils von seinem Arbeitsplatz bis zum Unfallort tätigte. Die Revision wurde zurückgewiesen.

VwGH Ra 2021/02/0227, 1.12.2021

Entfernung vom Ort des Alkotestes

Ein Pkw-Lenker wurde nach einer Fahrzeugkontrolle zu einem Alkotest mit dem Alkomaten im Einsatzfahrzeug aufgefordert. Der Lenker verließ aber den Ort der Kontrolle, ging zu seiner ca. 25 Meter entfernten Werkhalle und kam nach kurzer Zeit zurück. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel wurde daraufhin wegen Verweigerung der Atemluftuntersuchung eine Geldstrafe verhängt. Das Landesverwaltungsgericht Tirol wies die Beschwerde des Lenkers als unbegründet ab. Dagegen erhob er außerordentliche Revision und brachte vor, er habe das Sichtfeld des Beamten nicht verlassen und sei vor Ablauf der fünfzehnminütigen Wartezeit zurückgekehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof erörterte dazu sein Erkenntnis vom 26.1.2000, 99/03/0318, worin er ausgesprochen hatte, dass der Lenker während des Zeitraumes von 15 Minuten vor Beginn der ersten Messung nicht vom Exekutivorgan beobachtet werden müsse. Maßgebend sei vielmehr, dass der Lenker Handlungen, die zu einer Verfälschung des Messergebnisses führen könnten, unterlasse.
Laut VwGH bestehe das strafbare Verhalten in der Weigerung, die Atemluft auf Alkohol untersuchen zu lassen, obwohl eine rechtmäßige Aufforderung ergangen sei. Das Delikt sei bereits mit der Weigerung, sich dem Alkotest zu unterziehen, vollendet. Als Weigerung gelte auch ein Verhalten, das das Zustandekommen des vorgesehenen Tests verhindere, wie beispielsweise, dass der Lenker jenen Ort, an dem der Alkotest durchgeführt werden sollte, verlasse. Es sei nicht erforderlich, einen geprüften Fahrzeuglenker über die Rechtsfolgen einer Verweigerung des Alkotests zu belehren, weil ihm die Bestimmungen der StVO bekannt sein müssten. Die Revision war daher zurückzuweisen.

VwGH Ra 2021/02/0245, 16.12.2021

Valerie Kraus


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 7-8/2022

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