Schlepperei und Menschenhandel 2021

Mehr Illegale und Schlepper

Die Polizei griff 2021 mehr illegal eingereiste Personen und Schlepper auf als 2020. Es wurden Menschenhändler, Sozialleistungsbetrüger und Anbieter von illegalem Glückspiel festgenommen.

Illegale Migration: Die meisten Aufgriffe erfolgten an der österreichisch-ungarischen Grenze.
Illegale Migration: Die meisten Aufgriffe erfolgten an der
österreichisch-ungarischen Grenze. © Gerd Pachauer

Schlepperkriminalität ist ein brutales und skrupelloses Geschäft – einer der größten Zweige der organisierten Kriminalität. Unter Vorspiegelung falscher Tatsachen werden Menschen nach Europa gelockt, bei denen keinerlei Bleibewahrscheinlichkeit besteht“, sagte Innenminister Mag. Gerhard Karner bei der Präsentation des „Lageberichts Schlepperei und Menschenhandel 2021“ am 20. Juni 2022 in Wien. Das Jahr 2021 war wie das Jahr davor von den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie geprägt. Es wurde jedoch ein Anstieg der Zahl der Aufgriffe illegal eingereister Personen registriert. Dies war auf die Lockerungen der Ein- und Durchreisekontrollen in den Ländern entlang der Routen zurückzuführen, die Flüchtlinge benutzten. Die meisten Aufgriffe gab es an der österreichisch-ungarischen Grenze.

Neue Abteilung im Bundeskriminalamt.

„Mit 1. Dezember 2021 haben wir eine auf die Bekämpfung von Schlepperei und Menschenhandel spezialisierte Abteilung geschaffen, die sämtliche Kompetenzen an einer Stelle bündelt“, sagte Brigadier Gerald Tatzgern, Leiter der neuen Abteilung 8 (Schlepperei, Menschenhandel und Sonderermittlungen) im Bundeskriminalamt, bei der Präsentation des „Schlepperberichts. Die Abteilung führt mit 50 Expertinnen und Experten nicht nur Ermittlungen gegen Schlepperei und Menschenhandel, sondern auch bei Delikten wie Visaerschleichung, Sozialleistungsmissbrauch und illegales Glücksspiel. Ziel ist es, die Kriminalität im Zusammenhang mit illegaler Migration effektiv zu bekämpfen. Neben einer konsequenten Asylpolitik, die „glaubwürdig bleiben muss“, „schnellen Verfahren“ sowie „konsequenten Außerlandesbringungen und Rückführungen“ liege der Schlüssel im Kampf gegen Schlepperei und Menschenhandel in internationalen Kooperationen. „Österreich nimmt gerade in der Zusammenarbeit mit den Staaten des Westbalkans seit Jahrzehnten eine Vorreiterrolle ein“, betonte Tatzgern.

Joint Operational Office.

Präsentation des Lageberichts Schlepperei und Menschenhandel: Gerald Tatzgern, Gerhard Karner.
Präsentation des Lageberichts Schlepperei und
Menschenhandel: Gerald Tatzgern, Gerhard Karner.
© Jürgen Markowecz

Die Polizei setzt neben operativen Ermittlungsmaßnahmen auf internationale Kooperation. Das Joint Operational Office (JOO) im Bundeskriminalamt stellt eine zentrale Ermittlungsdrehscheibe in der Bekämpfung der internationalen Schlepperkriminalität mit dem Schwerpunkt auf den Balkanrouten dar. In seiner Tätigkeit als verlängerter Arm von Europol werden hier sowohl nationale als auch internationale Ermittlungsverfahren koordiniert sowie unterschiedlichste Informationen mit Bezug auf Schlepperei und illegale Migration zusammengeführt und an die unterschiedlichen Stakeholder gestreut.

Operation Dragon.

In Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt Steiermark, polnischen und slowenischen Ermittlungsbehörden sowie Europol wurde umfangreich gegen eine internationale Tätergruppe ermittelt, die Schleppungen über Slowenien nach Österreich und weiter nach Deutschland organisierte. Zehn Schlepper konnten in Österreich ausgeforscht und sieben festgenommen werden. Aufgrund der Auslandsermittlungen wurden bei der Staatsanwaltschaft Graz zwei europäische Haftbefehle für zwei Beschuldigte erwirkt. Diese konnten wenig später in Polen festgenommen werden.

Operation Loma.

Seit Oktober 2020 wird in Zusammenarbeit mit deutschen Ermittlungsbehörden gegen eine syrische Tätergruppe ermittelt, die vorwiegend syrische Staatsangehörige nach Österreich und weiter nach Deutschland schleppte. Allein in Österreich konnten bislang über zehn Verdächtige festgenommen werden. Weitere Festnahmen erfolgten in Deutschland, Ungarn und Polen. Das Stadtpolizeikommando Schwechat konnte infolge eines Ermittlungsverfahrens auch eine Verbindung zu diesem Fall herstellen: Nach einem Aufgriff von illegalen Migrantinnen und Migranten in Mannswörth wurden Ermittlungen gegen die Betreiber von sogenannten Bunkerwohnungen in Wien und den Hintermännern aufgenommen.
Die Inhaber der Wohnungen, in denen die illegalen Migrantinnen und Migranten vorübergehend untergebracht waren, konnten ermittelt und festgenommen werden. Weitere Mittäter und Organisatoren wurden ebenfalls ausgeforscht.

Menschenhandel.

Der Begriff Menschenhandel wird oft synonym für Schlepperei verwendet. Auch wenn es Überschneidungen gibt, sind die Deliktsfelder unterschiedlich. Schlepperei ist immer durch einen Grenzübertritt gekennzeichnet, Menschenhandel kann auch innerhalb des Landes stattfinden. Bei der Schlepperei steht die Unterstützung bei der illegalen Einreise in ein Zielland im Fokus.
Menschenhandel konzentriert sich auf die Ausbeutung einer Person in Verbindung mit Zwang. Menschenhandel ist die moderne Form der Sklaverei und stellt eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung dar, die Frauen, Männer und Kinder gleichermaßen betrifft. Menschenhandel hat viele Gesichter und umfasst Zwangsarbeit, Bettelei, sexuelle Ausbeutung oder unter Zwang begangene Straftaten.

Ermittlungserfolge.

Das Landeskriminalamt Steiermark führte Ermittlungen in Kooperation mit dem Bundeskriminalamt gegen eine rumänische Tätergruppe, die im Verdacht stand, sich des Menschenhandels beziehungsweise der sexuellen Ausbeutung schuldig zu machen. Die Verdächtigen brachten ihre Opfer in eine finanzielle Abhängigkeit und zwangen sie unter Gewaltanwendung und Verabreichung von Suchtmitteln in Deutschland und der Steiermark zur illegalen Prostitution. Drei Verdächtige wurden verhaftet.

Zuhälterei.

Menschenhandel: Viele illegal nach Österreich gelangende Frauen werden zur Prostitution genötigt.
Menschenhandel: Viele illegal nach Österreich gelangende
Frauen werden zur Prostitution genötigt.
© Motortion/Stock.adobe.com

In einem weiteren Fall ermittelte das Landeskriminalamt Tirol in Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt Wien gegen eine kriminelle Vereinigung, da der Verdacht der Zuhälterei bestand. Es wurden fünf Täter festgenommen sowie mehrere Hausdurchsuchungen und Sicherstellungen durchgeführt. Die Täter zwangen mindestens 24 Opfer aus Moldawien in Wien und Tirol zur Prostitution und behielten den Erlös aus den Sexdienstleistungen.

Sozialleistungsmissbrauch.

Sozialleistungen sind ein wichtiger Eckpfeiler unserer Gesellschaft und unterstützen diejenigen, die Hilfe benötigen. Doch das Sozialsystem wird nicht nur von Bedürftigen genutzt, sondern auch von Kriminellen missbraucht. Seit 2018 kämpft die Taskforce Sozialleistungsmissbrauch (TF SOLBE) gegen Betrügerinnen und Betrüger an, die sich Sozialleistungen auf vielfältigste Weise erschleichen. Die Schwerpunktaktionen auf dem Luft- sowie Landweg waren trotz der Covid-19-Beschränkungen erfolgreich: 2021 bearbeitete die TF SOLBE 4.346 Verdachtsfälle, ein Plus von 13,8 Prozent (2020: 3.820). 4.730 Verdächtige konnten aufgrund der Ermittlungen ausgeforscht werden (2020: 4.118). 2021 wurden 19,3 Millionen Euro zu Unrecht an Sozialleistungen bezogen.

Illegales Glücksspiel.

Das organisierte illegale Glücksspiel ist ein österreichweit auftretendes Phänomen, das von polykriminellen Tätergruppen betrieben wird. Auf vielen Ebenen birgt das illegale Glücksspiel soziale, gesellschaftliche und gesundheitliche Gefahren: Es reicht von der Missachtung des Jugend- und Spielerschutzes über Sozialbetrug und Steuer- sowie Abgabenhinterziehung, Prostitution, unlautere Kreditvergaben, Drogenhandel, Schutzgelderpressungen bis hin zur organisierten Kriminalität. Seit 1. Dezember 2021 wird das illegale Glücksspiel von einem Referat in der neuen Abteilung 8 im Bundeskriminalamt bekämpft. Als bundesweite Zentralstelle ist das Referat auch im ständigen Austausch mit den Landespolizeidirektionen. Da die Täter auch über die nationalen Grenzen hinweg agieren, werden auf europäischer Ebene im Rahmen eines Europol-Projektes, bei dem Österreich federführend ist, neue Bekämpfungsstrategien erarbeitet.

Erfolge.

In bundesweiten Ermittlungsverfahren ist es gelungen, mehrere polykriminelle Organisationen auszuforschen und zu zerschlagen. Die Täter operierten über komplexe Unternehmensnetzwerke im In- und Ausland und konnten über mehrere Jahre die Strukturen für das illegale Glücksspiel in Österreich aufbauen. Bei Hausdurchsuchungen wurden unter anderem 750 Glückspielautomaten, 120 Kartons an Unterlagen sowie einer Vielzahl an Datenträgern, wie Handys oder Laptops sichergestellt. Die Polizei arbeitet dabei eng mit dem Bundesministerium für Finanzen und den zuständigen Behörden zusammen.

Schädigungs des Staatshaushalts.

Schlepperkriminalität und Menschenhandel, unerlaubte Einreisen und Aufenthalte sowie Asylmissbrauch, Sozialleistungsbetrug und Schwarzarbeit sind aufgrund der Folgen, insbesondere der hohen finanziellen Belastungen für das Gemeinwesen, ein bedeutsames Deliktsfeld.
Die organisierte Schlepperkriminalität und der Menschenhandel sind eng mit anderen Deliktsformen wie Dokumentenfälschung, Prostitution, Suchtmittelhandel sowie Korruption verbunden und gefährden die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Die Bekämpfung dieser Delikte muss daher verstärkt behördenübergreifend erfolgen und darf sich nicht auf das Kerndelikt allein beschränken. Besonders wichtig sind neben der Bekämpfung auch präventive Maßnahmen in den Transit- und Herkunftsländern, um unerlaubte Einreisen und Schleppungen bereits im Vorfeld zu verhindern.

Der Jahresbericht „Schlepperei und Menschenhandel 2021“ ist downloadbar unter https://bundeskriminalamt.at/304/files/Schlepperei-Bericht_2021.pdf .

Romana Tofan

BILANZ

Mehr Aufgriffe

2021 wurden 41.612 Personen aufgegriffen – um 92 Prozent mehr im Vergleich mit 2020 (21.641). Darunter befanden sich 15.941 geschleppte Personen – deren Zahl sich im Vergleich mit 2020 mehr als verdreifacht (4.832) – sowie 25.230 Personen, die rechtswidrig eingereist beziehungsweise aufhältig waren, was eine Zunahme von 53 Prozent gegenüber 2020 (16.498) bedeutet.
441 Schlepper wurden registriert – das markiert somit den höchsten Wert der letzten fünf Jahre (2020: 311). Veränderungen sind bei den Nationalitäten der aufgegriffenen Personen im Vergleich mit 2020 zu erkennen: Zu den Ländern mit den höchsten Zuwächsen nach absoluten Zahlen zählten Syrien (12.276), Afghanistan (6.239), Pakistan (1.351) und Marokko (1.791). Im Bezirk Oberpullendorf wurden die meisten Personen (7.747) aufgegriffen, gefolgt vom Bezirk Neusiedl am See (5.270), dem zehnten Wiener Bezirk (2.371) und Bruck an der Leitha (1.934).

Aufgriffe.

2021 wurden insgesamt 38 Verdächtige, davon 25 männliche und 13 weibliche, nach § 104a Strafgesetzbuch (StGB) und 31 Verdächtige, darunter 23 männliche und acht weibliche, nach § 217 StGB Grenzüberschreitender Prostitutionshandel angezeigt. Im Berichtsjahr wurden trotz Covid-19 und den damit verbundenen erschwerten Kontrollmöglichkeiten 75 Opfer, davon 24 männliche und 51 weibliche, nach § 104a StGB Menschenhandel und 44 Opfer, darunter ein männlicher und 43 weibliche, nach § 217 Grenzüberschreitender Prostitutionshandel ermittelt. Im Vergleich mit 2020 wurden 34 Prozent mehr Opfer identifiziert. 87 Prozent der Betroffenen stammten aus EU-Mitgliedsstaaten, wie Rumänien, Moldau und Ungarn. 13 Prozent waren Drittstaatsangehörige aus Serbien und Nigeria. Es konnten neun österreichische Opfer identifiziert werden.


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2022

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