Kulturgutkriminalität

Weniger Anzeigen, mehr Schaden

2021 wurden deutlich weniger Kulturgutdiebstähle angezeigt als im Jahr davor. Die Schadenssumme hingegen stieg um 300 Prozent gegenüber 2020. Laut Polizei wurden vermehrt gefälschte Kunstgegenstände auf Onlineplattformen angeboten und zahlreiche Objekte beschädigt.

Die 1990 gestohlenen Statue „Gnadenstuhl“ wurde Im Sommer 2021 in einem Wiener Auktionshaus identifiziert.
Die 1990 gestohlenen Statue
„Gnadenstuhl“ wurde
Im Sommer 2021 in einem Wiener
Auktionshaus identifiziert.
© Bundeskriminalamt

Kulturgüter sind Güter, die das kulturelle Erbe, die Geschichte und Identität eines Landes repräsentieren und sind daher nicht nur besonders wertvoll, sondern auch schützenswert. Da sie teilweise sehr hochpreisig sind, locken sie Kriminelle an. „Der Schutz unserer Kulturgüter ist eine historische Verantwortung. Die Polizei leistet hier einen wesentlichen Beitrag – sei es bei der Ausforschung der Täter als auch der Prävention“, sagt Innenminister Mag. Gerhard Karner.

Weniger Diebstähle, höhere Schadenssumme.

2021 wurden in Österreich 111 Kulturgutdiebstähle angezeigt, ein Minus von rund 17 Prozent im Vergleich mit dem Jahr davor (2020: 134). Die meisten Anzeigen wurden in Niederösterreich (30) und Wien (28) erstattet. Obwohl die Anzahl an angezeigten Delikten zurückgegangen ist, stieg die Schadenssumme um 307 Prozent auf insgesamt 4,7 Millionen Euro an (2020: 1,1 Millionen Euro). 2021 wurden insbesondere teure Plastiken von bekannten Künstlern wie Erwin Wurm („Der Kapuzenmann“) und Talos Kedl gestohlen, nach denen national und international gefahndet wird. Die Aufklärungsquote ist 2021 um vier Prozent auf insgesamt 24,3 Prozent gesunken (2020: 28,4).

Beschädigte Kulturgüter.

Neben Diebstahlsdelikten weist die polizeiliche Kriminalstatistik 136 Anzeigen wegen Sachbeschädigung von Kulturgut im Jahr 2021 auf, die meisten davon in Niederösterreich (30) und Wien (29). Der Wert der beschädigten Kulturgüter beträgt rund 386.000 Euro (2020: 165.000).

Fahndungen.

Chinesisches Speiseeopfergefäß: Von Beamten des LKA Wien sichergestellt.
Chinesisches Speiseeopfergefäß: Von Beamten des
LKA Wien sichergestellt. © Bundeskriminalamt

Doch nicht nur Kulturgut, sondern auch sonstige Wertgegenstände und Schmuck beschäftigten das Kulturgutreferat des Bundeskriminalamtes. Die gestohlenen Objekte werden auf die Fahndungsseite des Bundeskriminalamtes gestellt. 2021 wurden rund 100 Schmuckstücke und Kulturgüter auf der Webseite veröffentlicht.

Vermehrt Fälschungen.

2021 wurden 26 Delikte wegen Betrug mit Kulturgut oder Kunstgegenständen zur Anzeige gebracht. Hier dürfte die Dunkelziffer jedoch weit größer sein. Die Expertinnen des Fachreferates Kulturgutfahndung des Bundeskriminalamts konnten beobachten, dass vermehrt Fälschungen, vor allem auf Onlineplattformen, zum Kauf angeboten wurden. Mit zunehmender Intensität wird das Kulturgutreferat von österreichischen Künstlerinnen und Künstlern um Intervention wegen Fälschungen ersucht, die im In- und Ausland bei öffentlichen Versteigerungen angeboten werden.

Statue „Gnadenstuhl“.

Goldmünze (Valentinianus), aus einem Museum in Parma gestohlen und in einem Wiener Auktionshaus zur Versteigerung angeboten.
Goldmünze (Valentinianus), aus einem
Museum in Parma gestohlen und in
einem Wiener Auktionshaus zur
Versteigerung angeboten.
© Bundeskriminalamt

Die Expertinnen des Bundeskriminalamtes überprüfen in regelmäßigen Abständen die auf Onlineplattformen oder in Auktionshäusern angebotenen Güter. Im Sommer 2021 konnte die Statue „Gnadenstuhl“ in einem Wiener Auktionshaus identifiziert werden, obwohl die 1990 aus der Dorfkapelle Seeben in Niederösterreich gestohlene Statue nach dem Diebstahl eine neue Fassung erhalten hatte. Die Ermittlungen führten Ermittler des Landeskriminalamts (LKA) Niederösterreich, die Statue wurde am 24. Februar 2021 an die Dorfgemeinschaft Seeben zurückgegeben.

Gestohlene Heiligenfigur.

Bei der Überprüfung eines Angebotes des Flohmarktes am Naschmarkt in Wien konnte eine Heiligenfigur, die den Apostel Paulus darstellt, festgestellt werden. Die Statue war 1998 aus dem Schauraum eines Auktionshauses gestohlen und in der Kulturgutfahndung gespeichert worden. Nach einem Hinweis des Kulturgutreferates stellte das LKA Wien im März 2021 die Statue sicher. Wie sich herausstellte, hatte der Anbieter am Naschmarkt die Figur auf einer Onlineplattform von einem Wiener erworben, der sie wiederum von seinem Vater geerbt hatte. Der Anbieter gab die Heiligenfigur freiwillig an den Geschädigten zurück.

Zusammenarbeit mit Italien.

Das Kulturgutreferat wurde über Interpol von Italien über die Sicherstellung eines Buches mit Hinweis auf Österreich (Stempel) informiert und nahm daraufhin mit dem Staatsarchiv und dem Bundesministerium für Finanzen (BMF) Kontakt auf. Die Leiterin der Bibliothek des Finanzministeriums konnte beweisen, dass sich dieses Buch bis 1919 im Bestand des Ministeriums befand.

Gestohlene Goldmünze.

In einem weiteren Fall wurde das Kulturgutreferat über Interpol von Italien darüber informiert, dass eine Goldmünze (Valentinianus) aus dem vierten Jahrhundert nach Christus in einem Wiener Auktionshaus zur Versteigerung angeboten wurde. Diese sowie 386 weitere Münzen wurden aus dem Museo Archeologico Nazionale di Parma gestohlen. Es stellte sich heraus, dass die Goldmünze bereits um 1.400 Euro verkauft wurde.
Der ungarische Käufer hatte die Münze jedoch noch nicht bezahlt und auch nicht ausgeliefert bekommen. Das Auktionshaus einigte sich mit dem Einbringer und stimmte der Herausgabe der Münze zu. Diese wurde von Beamten des LKAs Wien im Dezember 2021 an Vertreter der zuständigen Carabinieri übergeben.

Gestohlene chinesische Bronzen.

Statue des Apostels Paulus: 1998 aus dem Schauraum eines Auktionshauses gestohlen und im März 2021 von der Polizei in Wien sichergestellt.
Statue des Apostels Paulus: 1998
aus dem Schauraum eines Auktions-
hauses gestohlen und im März 2021
von der Polizei in Wien sichergestellt.
© Bundeskriminalamt

2013 wurden in Wien chinesische Bronzen gestohlen, das Kulturgutreferat leitete die in- und ausländische Fahndung nach den Bronzen ein. Über die Interpoldatenbank hatte auch die private Firma Art Loss Register (ALR) London Zugang zur Fahndung. Nach einem entscheidenden Hinweis des ALR an das Kulturgutreferat führten Beamte des LKA Wien Ermittlungen und forschten einen Österreicher aus, der als ehemaliger Angestellter einer Kunsttransportfirma des gewerbsmäßigen Diebstahls von Kulturgut beschuldigt worden ist. Es konnten Kulturgüter aus der Sammlung „Julius Eberhardt“ im Wert von 850.000 Euro sichergestellt werden. Bei weiteren Ermittlungen wurde bekannt, dass es mehrere Geschädigte, unter anderem auch das Wiener Dommuseum, gibt. Bei Hausdurchsuchungen konnten zahlreiche Zeichnungen von Gustav Klimt, ein Gemälde von Ferdinand Georg Waldmüller, Druckgrafiken von Egon Schiele und weitere Kunstgegenstände im Gesamtwert von 1,3 Millionen Euro sichergestellt werden.

Kulturgüter aus Peru.

Häufig langen im Kulturgutreferat Rückgabeersuchen von Interpol Lima ein. Die Anfragen betreffen vor allem Keramiken und peruanische Textilien, die auf österreichischen Online-Auktionen zum Verkauf stehen. In vielen Fällen wurden die Gegenstände als Touristenware erworben.
Den Anbieterinnen und Anbietern ist jedoch nicht immer bewusst, dass es sich hierbei um nationales Kulturgut aus Peru handelt, weshalb das Kulturministerium in Lima österreichische Internetseiten regelmäßig kontrolliert und immer wieder fündig wird. 2021 konnte so ein Keramikpfeiferl von einer Privatperson in Wien und ein Nacza-Textil von einem Auktionshaus an den peruanischen Botschafter zu-rückgegeben werden.

Tipps beim Ankauf.

Beim Ankauf von Kunst- oder Wertgegenständen sollte die Herkunft genau hinterfragt werden: Wann und wie kam der Gegenstand in den Besitz der Verkäuferin oder des Verkäufers? Welche Dokumente, wie zum Beispiel Rechnungen, Kaufverträge, Expertisen, Nachlasspapiere, Ausfuhrgenehmigungen, Fotos oder Publikationen sind vorhanden?

Romana Tofan

Kriminalprävention

Schutz vor Diebstahl

  • Fertigen Sie Fotos in guter Qualität und eine Beschreibung des Objektes an, um im Falle eines Diebstahls die Polizei mit Fahndungsinformationen zu unterstützen. Die Aufnahmen sollten die Vorder- und Rückseite sowie Detailaufnahmen, wie die Signatur, gut abbilden.
  • Geben Sie Ihren Haus- oder Wohnungsschlüssel vor einer längeren Abwesenheit in ein Schlüsseldepot oder vertrauen Sie ihn einer Vertrauensperson an.
  • Verwenden Sie in den Abendstunden Zeitschaltuhren und bringen Sie Bewegungsmelder an.
  • Sichern Sie Terrassentüren durch einbruchshemmende Rollbalken oder Scherengitter.
  • Lassen Sie eine möglichst lückenlose Außenbeleuchtung installieren.
  • Beleuchten Sie Kellerabgänge.
  • Lassen Sie sich ausschließlich hochwertige Schlösser und Schließzylinder einbauen.
  • Vermeiden Sie Zeichen der Abwesenheit. Während des Urlaubes oder sonstiger Abwesenheit sollten die Briefkästen geleert und Werbematerial beseitigt werden. Das Haus sollte keinen unbewohnten Eindruck machen. Die Nachbarschaftshilfe ist hier besonders wichtig.
  • Räumen Sie weg, was Einbrechern zum Einsteigen in das Haus nützen könnte, wie zum Beispiel Leitern oder Kisten.

Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2022

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