Frontex
Rückkehr-Unterstützung
Die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) unterstützt die EU-Länder und die assoziierten Schengen-Staaten nicht nur bei der Verwaltung ihrer Außengrenzen sondern auch bei der zwangsweisen und freiwilligen Rückkehr.
Ein Großteil der Rückführungen wird auf dem Luftweg
abgewickelt, dabei kommen Charter- und Linienflüge
zum Einsatz. © Gerd Pachauer
Frontex ist in Zusammenarbeit mit den EU-Mitgliedstaaten und assoziierten Schengen-Ländern zuständig für die Kontrolle und den Schutz der Außengrenzen der Europäischen Union. Zu den zentralen Aufgaben der Agentur zählt die Koordination von Unterstützungsleistungen zwischen den EU-Mitgliedstaaten beim Grenz- und Migrationsmanagement an den EU-Außengrenzen. Weithin bekannt sind dabei die Such- und Rettungssätze (Search and Rescue – SAR) auf hoher See. Weniger geläufig ist, dass die Agentur die Mitgliedstaaten und assoziierten Schengen-Länder auch im Bereich Rückkehr unterstützt.
Neue Aufgaben.
Speziell seit der Reform, die durch die Verordnung (EU) 2019/1896 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Europäische Grenz- und Küstenwache im Jahr 2019 in Kraft getreten ist, kam es zu einer Erweiterung der Aufgaben und Zuständigkeiten für die Agentur – vor allem im Bereich Rückkehr.
Während zuvor nur zwangsweise Rückführungen unterstützt werden konnten, umfasst das neue Mandat auch die Unterstützung der freiwilligen Rückkehr. 2020 konnte deshalb, bedingt durch den hohen Bedarf, der erste Charterflug für freiwillige Rückkehrerinnen und Rückkehrer organisiert werden.
Ständige Reserve.
Eskorten aus Österreich: Begleitungen von Abschiebungen
auf dem Land- und Luftweg. © Gerd Pachauer
Zentrales Element der gestärkten Europäischen Grenz- und Küstenwache bildet die ständige Reserve, die bis 2027 schrittweise auf bis zu 10.000 Einsatzkräfte ausgebaut werden soll. Dabei handelt es sich um einen Pool aus Bediensteten, die mit Exekutivbefugnissen ausgestattet die Mitgliedstaaten beim Grenzmanagement unterstützen. Der Pool besteht aus Einsatzkräften, die direkt bei Frontex angestellt sind und Einsatzkräften, die von den Mitgliedstaaten für Kurz- oder Langzeiteinsätze zur Verfügung gestellt werden. Daneben besteht eine Reserve für Soforteinsätze, die noch bis 2024 beibehalten wird.
Return-Specialists.
Neben den für den Schutz der Außengrenzen erforderlichen Aufgabenprofilen, die Spezialisten für die verschiedenen Bereiche umfassen, wurden bei der ständigen Reserve auch zwei Tätigkeitsbeschreibungen für den Rückkehrbereich geschaffen. Einerseits sind dies „Return-Specialists“, die die Mitgliedstaaten bei Angelegenheiten im Vorfeld einer Rückkehr unterstützen. Dies umfasst zum Beispiel die Hilfe bei der Erlangung diplomatischer Kontakte zu Botschaften von Drittstaaten. Solche Kontakte können für die Bestätigung der Nationalität und die Ausstellung von Ersatzreisedokumenten wichtig sein. Daneben werden „Return-Specialists“ auch als Experten bei der Entwicklung und Anwendung zielgerichteter IT-Systeme im Migrationsbereich eingesetzt.
FRESO.
Beim zweiten Aufgabenprofil handelt es sich um die sogenannten „Frontex Return Escorts and Support Officers“ (FRESO). Diese haben entweder bei Frontex oder in ihrem Herkunfts-Mitgliedstaat ein Training zur Begleitung von Rückführungen absolviert. Auch Österreich verfügt über einen Pool an Expertinnen und Experten, die an der Sonderausbildung „Begleitungen von Abschiebungen auf dem Land- und Luftweg“ von Frontex teilgenommen haben.
Rückkehr.
Nationale- und Frontex-Bedienstete werden auf ihre
Aufgaben in der Eskortierung von Rückzuführenden
vorbereitet. © Frontex
Neben der Schaffung der ständigen Reserve wurden auch die Aufgaben im Rückkehrbereich erweitert. Rückkehrentscheidungen können weiterhin nur von den Mitgliedstaaten erlassen werden. Durch das erweiterte Mandat ist es jedoch grundsätzlich zulässig, dass Frontex die Mitgliedstaaten in jeder Phase des Rückkehrprozesses unterstützt. Hilfeleistungen sind möglich bei der Identifizierung der Nationalität, bei der Beschaffung von Ersatzreisedokumenten, der Finanzierung und Organisation von gemeinsamen Rückführungsmaßnahmen bis hin zur Unterstützung unmittelbar nach Ankunft im Zielland. Aus diesem Grund hat Frontex mit 1. April 2022 zahlreiche Aufgaben im Reintegrationsbereich bei sich im „Joint Reintegration Services“ (JRS) gebündelt und bietet in Kooperation mit langjährigen Reintegrationspartnern in den Herkunftsländern Reintegrationsunterstützung für Rückkehrerinnen und Rückkehrer an. Sowohl für Frontex als auch für das BMI kommt der freiwilligen Rückkehr Priorität vor zwangsweiser Außerlandesbringung zu und dabei handelt es sich auch um die bevorzugte Variante der Ausreise.
Frontex-Return-Teams in Österreich.
Hilfe für freiwillige Rückkehrer beim Check-in am
Flughafen Wien-Schwechat. © Frontex
Seit 8. November 2021 befindet sich ein Frontex-Return-Team am Flughafen Schwechat. Das Team besteht aus fünf Frontex-Return-Escorts and Support-Officers (FRESO). Sie sind dem Referat für grenzbezogene Sonderaufgaben zugeteilt. Diese Dienststelle, die auch unter der Bezeichnung „Terminal 240“ bekannt ist, übernimmt am Flughafen wichtige Aufgaben im Bereich Außerlandesbringung und Migrationsmanagement.
Die Expertinnen und Experten von Frontex unterstützen die Kolleginnen und Kollegen des „Terminals 240“ bei ihrer Aufgabenerfüllung. Diese umfasst unter anderem die Begleitung von Rückkehrerinnen und Rückkehrern auf Charter- und Linienflügen, sofern dies erforderlich ist. Unterstützt wird auch der Transfer von Alleinreisenden bzw. unbegleiteten Rückkehrerinnen und Rückkehrern zum Fluggerät. Zusätzlich bieten sie Hilfestellung für Begleitkräfte aus anderen EU-Mitgliedstaaten und assoziierten Schengen-Ländern, die bei Rückführungen am Flughafen Wien umsteigen und dabei einen Aufenthalt am Flughafen Wien haben. Bei Bedarf helfen sie österreichischen Kolleginnen und Kollegen bei Zurückweisungen, die bei ankommenden Flügen am Flughafen Schwechat anfallen.
Die Frontex-Bediensteten erfüllen ihre Aufgaben ohne Bewaffnung, verfügen aber über eingeschränkte exekutive Befugnisse für ihre Tätigkeit am Flughafen Schwechat. Die Anwendung von Exekutivgewalt ist eingeschränkt und darf nur unter Aufsicht und nach Weisung ihrer österreichischen Kolleginnen und Kollegen ausübt werden.
Das Frontex-Team am Flughafen Schwechat setzt sich aus Expertinnen und Experten aus Griechenland, Rumänien, der Slowakei, Slowenien und Ungarn zusammen. Die Dauer der Stationierung ist derzeit bis 31. Oktober 2022 vorgesehen, eine Verlängerung ist im Einvernehmen zwischen Frontex und dem BMI möglich.
Neben dem Flughafen Schwechat versehen Frontex Return Escorts and Support Officers derzeit auf den Flughäfen Frankfurt, Amsterdam (Schiphol), Rom (Fiumicino) und Paris (Charles de Gaulle) diesen Dienst.
Keine Exekutivbefugnisse benötigen jene vier Frontex-Bediensteten der ständigen Reserve, die seit 4. Juli 2022 bei der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) in Wien tätig sind. Ihre Aufgaben umfassen nur die Unterstützung bei der freiwilligen Rückkehr. Die vier Kolleginnen und Kollegen (zwei Frauen und zwei Männer) stammen aus Bulgarien, Griechenland, Litauen und Portugal.
Sie übernehmen die Abholung von freiwilligen Rückkehrerinnen und Rückkehrern von ihrem Aufenthaltsort in Österreich und den Transfer zum jeweiligen Ausreisepunkt. Ein Großteil dieser Fahrten erfolgt zum Flughafen Schwechat. Dabei helfen sie den Reisenden und ihren Familienmitgliedern mit dem Transport des Gepäckes, beim Check-in, bei der Absolvierung der Sicherheitskontrolle und beim Boarding. Daneben erfolgen auch Transfers von Rückkehrerinnen und Rückkehrern zum Abfahrtsort anderer Verkehrsmittel, wie z. B. zum internationalen Busterminal in Wien-Erdberg. Die Übernahme diese Aufgaben führt zu einer Entlastung der Rückkehrberaterinnen und Rückkehrberater der BBU, die sich dadurch verstärkt auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können.
Die Stationierung des Frontex-Rückkehr-Teams bei der BBU ist vorerst bis Ende Jänner 2023 geplant und kann ebenso bei Bedarf verlängert werden. Sowohl am Flughafen Schwechat als auch bei der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen verfügen die Return-Teams von Frontex über jeweils zwei Dienstkraftfahrzeuge. Diese zivilen Kleinbusse wurden von Frontex angemietet und verfügen über die zur Aufgabenerfüllung nötige Anzahl an Sitzplätzen und Raum für Gepäck.
Reintegration.
Die Erweiterung des Aufgabenfeldes bedeutet für Frontex, dass die Unterstützungsleistung im Bereich Rückkehr nicht mit der Übergabe der Rückkehrerinnen und Rückkehrer an die Behörden des Ziellandes endet.
Frontex kann im Rahmen der „Post-Return“-Unterstützung Hilfe anbieten, die nach Ankunft im Zielland erforderlich ist. Dabei geht es oft um die Organisation und Bezahlung der Weiterreise zum jeweiligen Wohnort. Es gibt auch Rückkehrerinnen und Rückkehrer, die nicht unmittelbar an die beabsichtigte Zieldestination reisen können und daher eine temporäre Unterkunft benötigen. Auch medizinische Hilfe kann unmittelbar nach der Ankunft im Herkunftsland zur Verfügung gestellt werden.
Bei der Reintegration geht es um langfristige Maßnahmen, die es den Rückkehrerinnen und Rückkehrern ermöglichen sollen, wieder in ihrer Heimat Fuß zu fassen. Diese Maßnahmen umfassen z. B. die Gründung von beruflichen Aktivitäten im Bereich Handwerk, Dienstleistungen oder Handel. Je nach persönlicher Qualifikation ist es potenziellen Rückkehrerinnen und Rückkehrern möglich, solche Geschäftsmodelle selbst vorzuschlagen.
Bei positiver Überprüfung werden die vorgesehenen Reintegrationsgelder unter Aufsicht und Begleitung des Reintegrationspartners der geplanten Widmung zugeführt. Die Unterstützung für diese zumeist „Small-Business-Unternehmungen“ erfolgt dabei zum Großteil durch Sach- bzw. Direktinvestitionen. Maßnahmen zur Erhöhung der Qualifikationen sind ebenfalls Teil dieser Hilfe und ermöglichen es Rückkehrerinnen und Rückkehrern, eine Berufsausbildung zu absolvieren oder eine bereits früher begonnene abzuschließen.
ERRIN.
Beginnend mit April 2022 hat Frontex schrittweise die Aufgaben von ERRIN, dem European Return- and Reintegration-Network, übernommen. Dieses Netzwerk wurde von einer Reihe von EU-Mitgliedstaaten unter Federführung der Niederlande gemanagt und aus Mitteln des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) finanziert. Mit dem Übergang dieser Aufgaben auf Frontex kann derzeit bereits in 26 Drittstaaten im Rahmen des „Joint-Reintegration-Services“ (JRS) Reintegrationsunterstützung angeboten werden.
Die Umsetzung des gestärkten Mandats wird von Frontex auch in den kommenden Jahren dafür genutzt werden, um den EU-Mitgliedstaaten und assoziierten Schengen-Ländern ein ganzheitliches Service, das den Herausforderungen im Bereich der irregulären Migration Rechnung trägt, bieten zu können.
Clemens Lederer
Robert Reifschneider
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2022
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