Polizeigeschichte

„Toscanini von der Opernkreuzung“

Josef Lukits war der populärste Wiener Verkehrspolizist in den 1950er- und 1960er-Jahren. Wegen seiner virtuosen Art, den Verkehr zu regeln; wurde er als „Toscanini von der Opernkreuzung“ bezeichnet.

Verkehrspolizist Josef Lukits auf der Opernkreuzung in Wien: „Pionier der Wiener individuellen Verkehrsregelung“.
Verkehrspolizist Josef Lukits auf der Opernkreuzung in
Wien: „Pionier der Wiener individuellen Verkehrsregelung“
© Barbara Pflaum/Brandstaetter images/picturedesk.com

In den 1950er-Jahren wurden viele Kreuzungen am Ring von Verkehrspolizisten händisch geregelt, es gab nur wenige Ampeln. Unter den Verkehrspolizisten, die regelmäßig an der Kreuzung Ring/Babenbergerstraße zur Verkehrsregelung eingeteilt waren, befand sich Josef Lukits, der als „Toscanini von der Opernkreuzung“ in die Polizeigeschichte einging.
Josef Lukits, geboren am 24. November 1926 in Breitensee im Bezirk Gänserndorf, begann eine Maurerlehre in Breitensee und wurde Anfang August 1943 zum Reichsarbeitsdienst eingezogen. Als 18-Jähriger rückte er Ende November 1944 zur Wehrmacht in Znaim ein. Kurz nach Kriegsende kam er in britische Kriegsgefangenschaft, aus der er am 27. November 1945 entlassen wurde.
Lukits trat am 29. Dezember 1947 in die Wiener Sicherheitswache ein, versah nach der Grundausbildung Rayonsdienst im ersten Bezirk und arbeitete ab November 1949 als Verkehrsposten in der Verkehrsabteilung, der er am 1. März 1950 offiziell zugeteilt wurde.
Ab 1951 regelte er immer wieder händisch den Verkehr auf der Opernkreuzung. Dabei fiel er durch seine ungewöhnlichen, teils virtuosen Handzeichen auf. Das habe er sich bei einer Reise mit Kollegen in Italien abgeschaut, berichtete einer seiner Kollegen. Es habe ihn fasziniert, wie die italienischen Verkehrspolizisten auf der Kreuzung herumgetänzelt seien.
Mit seinem eigenwilligen Handzeichenspiel wurde Lukits in Wien rasch populär. Zeitungen und Zeitschriften berichteten über den „Toscanini von der Opernkreuzung“. In der „Österreichischen Neuen Tageszeitung“ erhielt er das Prädikat: „Dirigent Lukits, der Pionier der Wiener individuellen Verkehrsregelung“.
In einer ganzseitigen Reportage in der Schweizer Kraftfahrzeitschrift „Automobil-Revue“ stand: „Der Polizist, der auf Wiens Straßen zu befehlen hat, steht wie ein Dirigent vor seinem Orchester, dessen Solisten und Mitglieder den Willen zu freudigem Mittun bekunden. Es ist eine Augenweide, unserem Toscanini des Verkehrs und seinem Mienenspiel zuzuschauen, zu sehen, wie er vollkommen über der Sache steht und auch der eigenwilligste Musiker wohl ein Solo gibt, sich aber doch seiner Stabführung unterzieht und die Spielregeln beherrscht und befolgt.“

Rügen für den „Dirigenten“.

Verkehrspolizist Josef Lukits: „Hearst, Gscheater, wüllst fliagn?“
Verkehrspolizist Josef Lukits: „Hearst,
Gscheater, wüllst fliagn?“
© Polizeiarchiv Wien

Josef Lukits, 1954 zum Polizeioberwachmann befördert, fand nicht überall Zustimmung. Denn sein „Dirigat“ entsprach nicht den offiziellen Handzeichen für die Verkehrsregelung. Und auch seine „volksnahen“ Zurufe an die Autolenker („Gemma, gemma!“, „Do kumm her!“) wurden nicht immer wohlwollend aufgenommen. Aus einem Polizisten dürfe kein „Hampelmann“ werden, wurde ein dienstführender Polizeibeamter in einer Zeitschrift zitiert. Im „Bild Telegraf“ vom 20. März 1956 wurde berichtet, dass der „Verkehrs-Toscanini“ nicht mehr „dirigieren“ dürfe. Er habe sich an die klassischen Handzeichen „Halt“, „Achtung“ und „frei“ zu halten. „Ich habe Lukits wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass er seine Narretei bei der Verkehrsregelung mäßigen soll. Man kann sich nicht wie ein Artist aufführen“, wurde ein Polizeimajor im „Bild Telegraf“ zitiert.
Manchmal nahm Lukits seinen Dienst etwas zu locker. Am 3. Jänner 1966 kam es im Bereich der Kreuzung Landesgerichtsstraße/Universitätsstraße zu einem Stau. Autolenker begannen zu hupen, weil die Grünlichtphasen der Ampel viel zu kurz waren. Ein Kriminalbeamter, der zu Fuß unterwegs war, ging zum Schaltkasten der Ampel, traf aber dort nicht auf einen Polizisten, sondern auf einen betrunkenen Burschen, der hektisch die Lichtsignalanlage bediente. Kurz darauf kam Lukits zur Kreuzung zurück, übernahm die Schaltung und riet dem Burschen, davonzulaufen. Als ihm der Kriminalbeamte mit einer Meldung an die Dienstbehörde drohte, erwiderte Lukits, er habe nur „kurz austreten“ müssen. An einem heißen Tag im August 1967 hätte Lukits die Kreuzung Kärntnerstraße/Karlsplatz regeln sollen. Sein Wachkommandant fand ihn aber in einer kühlen Garage am Karlsplatz vor, wo er einem Bürger die Funktionsweise seiner Dienstpistole erklärte. Als ihn der Wachkommandant aufforderte, sich zu rechtfertigen, erwiderte Lukits: „Ich schreibe keine Rechtfertigung, meine Freizeit ist mir dafür zu gut.“

Lockere Sprüche.

Josef Lukits war auch wegen seiner eigenwilligen Kommentare gegenüber den Verkehrsteilnehmern bekannt. Darüber gibt es einige Anekdoten, darunter folgende: Als sich ein VW-Käfer mit niederösterreichischem Kennzeichen und ausgeklappten Winkern der Opernkreuzung näherte, rief Lukits dem Lenker zu: „Hearst, Gscheater, wüllst fliagn?“. Einem zögerlich fahrenden Mann gab er den Rat: „Gemma Vaterl, die Mama wartet schon!“ Lukits konnte auch schimpfen, das brachte ihm einige Beschwerden von Autofahrern ein. Kolportiert sind Sprüche wie: „Na, jetz hast die Rostlaubn wieder abg’würgt.“
Viele Autofahrer überreichten Lukits und auch anderen Verkehrspolizisten zu Weihnachten oder aus einem anderen Anlass Geschenke. Eines Tages blieb vor der Opernkreuzung ein schwarzer Mercedes stehen und ein Mann übergab Lukits zwei Flaschen Wein. Es war der Erzbischof von Wien, DDr. Franz Kardinal König. Lukits war so populär, dass der ÖAMTC für ihn Spenden sammeln wollte, nachdem sein Auto bei einem Unfall Totalschaden hatte. Der Polizist hatte seinen fast neuen Opel Rekord, ein Hochzeitsgeschenk seines Schwiegervaters, einem jungen Mechaniker geliehen. Der Bursche fuhr mit der Limousine gegen einen Oberleitungsmast. Die Polizeidirektion Wien untersagte die Spendensammlung. Der Chef einer Autofirma wollte Lukits im Oktober 1952 über die Polizeidirektion 100 Schilling überreichen lassen. Er schrieb dem Generalinspektor der Sicherheitswache: „Wir können aus eigener Erfahrung nur sagen, dass es wirklich ein Vergnügen ist, die Kreuzung Ring/Babenbergerstraße zu befahren, wenn dieser Beamte Dienst tut.“

Anerkennung und Auszeichnungen.

Grabstätte von Josef Lukits auf dem Südwest-Friedhof in Wien.
Grabstätte von Josef Lukits auf dem
Südwest-Friedhof in Wien.
© Werner Sabitzer

Lukits erhielt von seiner Dienstbehörde mehrere Anerkennungsschreiben. Unter anderem hatte er 1948 eine Lebensmüde aus dem Donaukanal gerettet und 1950 in der Straßenbahn eine Taschendiebin „ganz großen Formats“ festgenommen. 1977 erhielt er das „Silberne Verdienstzeichen des Landes Wien“ überreicht. Die Republik Österreich ehrte ihn mit der Verleihung der „Bronzenen Medaille für Verdienste“. Als Begründung hieß es im Auszeichnungsantrag: „Durch seine besondere Wendigkeit und überaus geschickte Verkehrsregelung war es immer wieder möglich, den Verkehr bestens in Fluss zu halten und die Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer zum Vorteil der Verkehrsabwicklung auf sich zu lenken. Er ist auf Grund seiner unermüdlichen Tätigkeit und Geschicklichkeit einer der bekanntesten Verkehrsposten in Wien und ist infolge seines freundlichen Wesens insbesonders bei den Fahrzeuglenkern sehr beliebt. Auch wurden in der Presse wiederholt über seine auffallend wendige und vorteilhafte Verkehrsregelung anerkennende Artikel gebracht.“ Zudem wurde ihm „unermüdliche Einsatzfreudigkeit“ und „auffallender Diensteifer“ bescheinigt.
Der populäre Verkehrspolizist ließ sich 1966 von einer politischen Partei als Kandidat für die Nationalratswahl aufstellen und 1969 kandidierte er auch bei der Wiener Gemeinderatswahl. Josef „Toscanini“ Lukits starb am 27. Dezember 1981 im Alter von 55 Jahren an Magenkrebs.

Werner Sabitzer


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2022

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