Polizeigeschichte

100 Jahre Wirtschaftspolizei

Um Wucher, Preistreiberei, Schleichhandel, Korruption, Wirtschaftsbetrug und Insolvenzdelikte in der Nachkriegszeit zu bekämpfen, wurde vor 100 Jahren die Wiener Wirtschaftspolizei gegründet.

Kokarde für Erhebungsbeamte der Wirtschaftspolizei von 1947 bis 1949.
Kokarde für Erhebungsbeamte der
Wirtschaftspolizei von 1947 bis 1949.
© Werner Sabitzer

Nach dem Ersten Weltkrieg verschärfte sich die Lage in der Grundversorgung in Österreich. Lebensmittellager und -transporte mussten von Polizisten bewacht werden. Grundversorgungsgüter wurden immer teurer. Es kam vermehrt zu Diebstählen, Einbrüchen und Raubüberfällen. Die neue, kleine Republik Österreich war wirtschaftlich kaum lebensfähig. Milliardenkredite, organisiert vom Völkerbund, die Pfändung von Staatsvermögen, eine Währungsreform und eine rigorose Einsparungspolitik im öffentlichen Dienst und anderen Bereichen verhinderten einen Staatsbankrott.
Schwarzmärkte hatten Konjunktur, Kriegsgewinnler waren in unlautere Geschäfte verwickelt, es gab Insidergeschäfte bei Börsenspekulationen, einige Banken und große Unternehmen wurden bankrott, die Zahl der kleinen und großen Wirtschaftsdelikte stieg an. Die Korruption blühte.

Gründung der Wirtschaftspolizei.

Das Kriegswucheramt war diesen Herausforderungen nicht mehr gewachsen und auch der Name war nicht mehr aktuell. Deshalb wurde am 16. August 1922 über Auftrag des Polizeipräsidenten Johann Schober die „Wirtschaftspolizeiliche Abteilung der Polizeidirektion Wien“ (Wirtschaftspolizei) eingerichtet. Das Kriegswucheramt ging in der neuen Abteilung auf.
1924 bestand die Wirtschaftsabteilung aus neun Juristen, zwei Verwaltungsbeamten, acht Kanzlisten und 31 Hilfsbeamten. Die neue Wirtschaftspolizei war zuständig für Erhebungen in Fällen von Preistreiberei sowie bei Übertretungen aller Bestimmungen, die mit Rücksicht auf die außergewöhnlichen wirtschaftlichen Verhältnisse der Kriegs- und Nachkriegszeit erlassen worden waren. Im Laufe der Jahre kamen weitere Aufgaben hinzu. Die Wirtschaftspolizei war mit der Aufklärung aller mit dem geschäftlichen wirtschaftlichen Leben zusammenhängenden Straftaten zuständig, bei deren Ermittlungen besondere wirtschaftliche Kenntnisse erforderlich waren. Zu den Deliktsbereichen zählten unter anderem fahrlässige und betrügerische Krida, Betrug und Veruntreuung im Geschäftsleben, Kreditwucher, Wohnungs- und Lokalwucher sowie Preistreiberei und Taxigebühr-Überschreitung. Allein 1924 ermittelten die Wirtschaftspolizisten gegen die Verantwortlichen von 18 Bankinstituten, die zusammengebrochen oder in strafbare Geschäfte verwickelt waren. Im Sommer 1924 startete die Wirtschaftspolizei eine Aktion gegen Brotfabriken wegen Preisüberschreitung, später ermittelten die Beamten auch gegen Fleischfabriken und in anderen Bereichen der Grundnahrungsmittelbranche. Leiter der Wirtschaftspolizei in der Zwischenkriegszeit waren Hofrat Raimund Zorn (1922–1933) und Oberpolizeirat Dr. Oswald Tschepper (1933–1938). 1924 wurde eine neue Wucherverordnung erlassen.

Drogenbekämpfung.

Schwarzmarkt beim Resselpark in Wien 1945: In den Nachkriegsjahren beschäftigten sich die Wirtschaftspolizisten vor allem mit der Eindämmung des Schleichhandels und der Einhaltung der Preisvorschriften.
Schwarzmarkt beim Resselpark in Wien 1945: In den
Nachkriegsjahren beschäftigten sich die Wirtschaft-
spolizisten vor allem mit der Eindämmung des
Schleichhandels und der Einhaltung der Preisvorschriften.
© Votava/Brandstaetter images/picturedesk.com

Die Wirtschaftspolizei war nach der Gründung auch für die Bekämpfung des unbefugten Verkehrs mit narkotischen Giften zuständig und es wurde die Rauschgiftstelle eingerichtet. 1924 ermittelten die Beamten in 364 Rauschgift-Fällen. 1928 wurde die Wirtschaftspolizei österreichische Zentralstelle für die Bekämpfung des Rauschgifthandels. Der Missbrauch von Kokain und anderen Suchtmitteln nahm stark zu. Bei der Bekämpfung des Kokainschmuggels kooperierte die Wiener Wirtschaftspolizei mit ausländischen Strafverfolgungsbehörden, etwa in Deutschland, England, Italien und Ägypten. In den 1920er-Jahren war Kokain vor allem in der Rotlichtszene und im Schauspielgewerbe verbreitet.

Standorte.

Die Wirtschaftspolizei war nach der Gründung 1922 im ehemaligen Gebäude der Arbeiterunfallversicherungsanstalt in der Webergasse 6 in Wien-Brigittenau untergebracht. Anfang 1925 übersiedelte sie in das Polizeigebäude in der Rossauer Lände 7-9/Berggasse in Wien-Alsergrund. Nach Kriegsende befand sich die Wirtschaftspolizei im Gebäude Maria-Theresienstraße 19 und im Jänner 1948 zog sie in die Aspernbrückengasse 2 in Wien-Leopoldstadt. Nächster Sitz der Wirtschaftspolizei war wieder das Polizeigebäude Rossauer Lände/Berggasse. 1981 zog die Wirtschaftspolizei vom Amtsgebäude Berggasse/Rossauer Lände in die Wasagasse 22 in Wien-Alsergrund, wo sich heute die Nachfolgeorganisation, der Ermittlungsbereich 4 (Wirtschaftskriminalität) des Landeskriminalamts (LKA), befindet.

Führungskräfte und Mitarbeiter der Wiener Wirtschaftspolizei Mitte der 1980er-Jahre.
Führungskräfte und Mitarbeiter der Wiener
Wirtschaftspolizei Mitte der 1980er-Jahre.
© Wirtschaftspolizei Wien

Zu den spektakulärsten Fällen der Wirtschaftspolizei in der Zwischenkriegszeit zählten der Zusammenbruch der Creditanstalt und die „Wöllersdorfer Affäre“. Fritz Ehrenfest, Vorstandsdirektor der Creditanstalt, wurde Ende Juli 1930 in den Ruhestand versetzt. Davor hatte er der Bank durch Effektenkäufe auf eigene Rechnung einen hohen Schaden zugefügt. Die Malversationen des ehemaligen Direktors konnten strafrechtlich nicht geahndet werden, weil sie dem Gesetz nach nicht strafbar waren. Deshalb wurde 1931 im österreichischen Strafgesetz der Tatbestand der Untreue eingefügt und rückwirkend in Kraft gesetzt.
Nach dem Ersten Weltkrieg sollte die staatliche Rüstungsproduktion im Raum Wöllersdorf in Niederösterreich in die Produktion ziviler Güter umgestellt werden. Die Umstellung unter staatlicher Führung scheiterte, deshalb wurde 1922 die Wöllersdorfer Werke AG (WWAG) gegründet. Eigentümer waren die Republik Österreich (1/3) und die AEG Berlin (2/3). Die Rettung des Unternehmens misslang; Ende 1922 wurde der Betrieb eingestellt und Hunderte Beschäftigte verloren die Arbeit. 1923 verkaufte die AEG-Berlin ihre Anteile an eine internationale Firmengruppe. Der neue Mehrheitseigentümer wurde beschuldigt, die Lagerbestände und Einrichtungen verschleudert, übermäßige Provisionen bezahlt, hohe Zinsen für angeblich gewährte Darlehen verlangt und Funktionäre mit unberechtigt hohen Gehältern bedacht zu haben. Der Staat als Minderheitsgesellschafter wurde dadurch geschädigt.
Die Wöllersdorfer Affäre wurde zu einem innenpolitischen Skandal. Im Sommer 1924 nahm die Wirtschaftspolizei Ermittlungen auf. Die Schwurgerichtsverhandlungen wurden nach mehreren Wochen vertagt, ein geplanter Untersuchungsausschuss kam nicht zustande und die Regierung versuchte mit dem Mehrheitseigentümer einen Vergleich zu schließen, der erst 1927 zustande kam. Der Bund wurde 1933 Alleinaktionär und liquidierte den Wöllersdorfer Konzern.

Wiederaufbau 1945.

Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme im März 1938 wurde die österreichische Polizei in das deutsche Polizeisystem eingegliedert. Während des Zweiten Weltkriegs von 1939 bis 1945 bestand in Wien ein kriegswirtschaftliches Dezernat mit wirtschaftspolizeilichen Aufgaben.
Nach dem Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurde mit dem Geschäftsplan vom 31. Juli 1945 die Wirtschaftspolizei wieder eingerichtet. Sie bildete mit dem Sicherheitsbüro, der Jugendpolizei, dem Erkennungsamt, dem Fahndungsamt und dem Kriminal-Korrespondenzbüro die Kriminalpolizeiliche Abteilung der Bundespolizeidirektion Wien. Die Wirtschaftspolizei bestand damals aus nur zwei Juristen, drei Kriminalbeamten und einigen Verwaltungs- und Kanzleibediensteten.

Schleichhandel.

Während der wirtschaftlichen Not in den Nachkriegsjahren beschäftigten sich die Wirtschaftspolizisten vor allem mit der Eindämmung des Schleichhandels und der Einhaltung der Preisvorschriften. Die Zahl der Mitarbeiter stieg an. Im Herbst 1945 wurde in der Wirtschaftspolizei ein Referat für Schleichhandel und Übertretung von Preisvorschriften eingerichtet. Noch vor Jahresende 1945 wurde das Referat in zwei Organisationseinheiten geteilt – ein Referat zur Bekämpfung des Schleichhandels und des Schwarzmarktes und ein Referat für Preisüberwachung.
Anfang 1946 hatte die Wirtschaftspolizei 191 Mitarbeiter. Sie war auch für die Bekämpfung von Devisenvergehen zuständig. Die neue Zentralevidenzstelle für Devisenstrafsachen wurde der Wirtschaftspolizei eingegliedert. Ein weiterer Ermittlungsbereich waren Betrugsfälle bei der Umsatzsteuerrückvergütung. Im Mai 1948 wurde die Wirtschaftspolizei in eine selbstständige, dem Wiener Polizeipräsidenten direkt unterstellte Abteilung umgewandelt, geleitet von Oberpolizeirat Dr. Hans Walchshofer. Er leitete zuvor die gerichtliche Pressepolizei beim Landesgericht Wien. Die Änderung erfolgte nach einer Amtsmissbrauchsaffäre. Zwei Beamte der Wirtschaftspolizei hatten von einem ungarischen Staatsbürger widerrechtlich 35.000 Dollar beschlagnahmt und nicht mehr ausgefolgt. Die Summe war aber vom Ungarn ordnungsgemäß bei der Zollbehörde angemeldet worden. Der Geschädigte zeigte die beiden Wirtschaftspolizisten an. Walchshofers Nachfolger wurde im Dezember 1949 Dr. Erwin Hutterer. Er leitete die Abteilung bis zur Eingliederung in die Abteilung II (Kriminalpolizeiliche Abteilung) der Bundespolizeidirektion Wien Mitte März 1961. Zu dieser Abteilung gehörten auch das Sicherheitsbüro, das Büro für Erkennungsdienst, Kriminaltechnik und Fahndung (EKF), das Strafregisteramt, die Polizeiabteilung der Staatsanwaltschaft Wien und die Jugendpolizei.

Menschenraub.

Hofrat Heinrich Tintner, Vorstand der Wirtschaftspolizei von 1962 bis 1984, mit historischer Kokarde.
Hofrat Heinrich Tintner, Vorstand der
Wirtschaftspolizei von 1962 bis 1984,
mit historischer Kokarde.
© Wirtschaftspolizei Wien

Während der Besatzungszeit kam es immer wieder zu Entführungen und Verschleppungen von Menschen durch die russische Besatzungsmacht. In einem Fall wurde die Wirtschaftspolizei „Werkzeug“ eines Menschenraubs. Der 34-jährige Emmerich Bosniak wurde am 24. Jänner 1948 am Abend wegen Schleichhandelsverdachts in seiner Wohnung in Wien-Döbling von zwei Beamten der Wirtschaftspolizei verhaftet. Polizeikommissär Dipl.-Ing. Kurt Armand Frisch, Leiter des Polizeikommissariats Wien-Innere Stadt von 1948 bis 1950, hatte die Festnahme von der Wirtschaftspolizei ausführen lassen. Emmerich Bosniak hieß ursprünglich Gömbös Ferenc und war ein Neffe des ehemaligen ungarischen Ministerpräsidenten Gömbös Gyula. Der Festgenommene wurde in das Amtsgebäude der Schleichhandelsabteilung in die Aspernbrückenstraße gebracht. Dort erschienen am 26. Jänner 1948 russische Militärpolizisten und nahmen Bosniak mit. Polizeipräsident Josef Holaubek war im Gebäude anwesend, konnte aber die Verschleppung nicht verhindern. Die US-amerikanische Besatzungsmacht verlangte die sofortige Freilassung des Ungarn. Die Sowjets argumentierten, bei Görös handle es sich um einen amerikanischen Spion. Innenminister Oskar Helmer gab bekannt, dass die Wirtschaftspolizisten ihre Befugnisse überschritten hätten. Helmer ließ die Beziehungen der beiden Beamten zu den Russen überprüfen und verfügte, dass die Schleichhandelsabteilung von der russischen Zone in eine der Westzonen verlegt werde. Kurt Armand Frisch war Kommunist und im Zweiten Weltkrieg Major der Partisanen im französischen Widerstand („Rèsistance“). Nach Kriegsende wurde er im Juni 1945 in die Staatspolizei aufgenommen. Von 1948 bis 1950 leitete er das Polizeikommissariat Wien Innere Stadt. 1951 wurde er in das Verkehrsamt und 1953 nach Wiener Neustadt versetzt. 1955 kam er in das Polizeikommissariat Wien-Alsergrund. Frisch wurde im Fall Bosniak und wegen weiterer Fälle von Menschenraub während der Besatzungszeit angezeigt.

„Büro Hofrat Dr. Wagner“.

Eine Besonderheit war das „Büro Hofrat Dr. Wagner“. Für besonders herausragende („klamorose“) Fälle von Wirtschaftskriminalität war Hofrat Dr. Wagner zuständig. Das Büro bestand von Dezember 1949 bis Ende Jänner 1955 und wurde danach mit der Wirtschaftspolizei vereinigt. Wagner wurde Leiter der nun erweiterten Wirtschaftspolizei. Ab Dezember 1956 leitete er bis zu seiner Ruhestandsversetzung am 31. Dezember 1960 die Kriminalpolizeiliche Abteilung.
Nach der Unterzeichnung des Staatsvertrags am 15. Mai 1955, mit der die volle Souveränität Österreichs wiederhergestellt wurde, änderten sich auch die Prioritäten der Wirtschaftspolizei. Die Bereiche Schwarzmarkt, Schleichhandel und Preistreiberei verloren an Bedeutung und die kriminalpolizeiliche Bearbeitung „echter“ Wirtschaftsdelikte, zu deren Aufklärung besondere Kenntnisse erforderlich waren, stieg an. Der Personalstand wurde auf 70 Mitarbeiter reduziert.
Wesentliche Ermittlungsbereiche der Wirtschaftspolizei waren Betrug und Veruntreuung in der Wirtschaft, Insolvenzdelikte, Korruption und Bestechung, Verletzung von strafrechtlichen Nebengesetzen wie des Devisengesetzes, des Kartellgesetzes und des Außenhandelsgesetzes sowie alle weiteren Straftaten, bei denen besondere wirtschaftliche Kenntnisse zur Aufklärung erforderlich sind. Dazu kamen weiterhin Erhebungen im Rahmen des Preisgesetzes, wie die Kontrolle der Preisauszeichnung und Preistreiberei. In diesen Fällen wurden auch die Verwaltungsverfahren von Referenten der Wirtschaftspolizei bearbeitet. Hofrat Dr. Heinrich Tintner, geboren am 21. November 1919, war der bekannteste und längstdienende Vorstand der Wirtschaftspolizei. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften trat er als Konzeptsbeamter in die Bundespolizeidirektion Wien ein. In den 1960er-Jahren kam er zur Wirtschaftspolizei, deren Vorstand er am 1. Jänner 1962 wurde – als Nachfolger von Dr. Franz Konhäuser, der die Einheit ab 1956 geleitet hatte. Er begann, die Wirtschaftspolizei zu einem schlagkräftigen Instrument zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität und Korruption aufzubauen. In seine Amtszeit fielen unter anderem der Bauskandal mit Preisabsprachen und Bestechungsfällen, der AKH-Skandal, die Insolvenz der Österreichischen Klimatechnik Gesellschaft mit einer enormen Schadenssumme und 30 Folgeinsolvenzen, die Bundesländer-Versicherungsaffäre und der aufsehenerregende Mord- und Versicherungsbetrugsfall „Lucona“. Dazu kamen unter anderem Ermittlungen nach Waffentransporten in kriegführende Länder (Noricum-Skandal), die zu einer innenpolitischen Krise führen. Bei vielen großen Unternehmensinsolvenzen in Österreich ermittelte die Wirtschaftspolizei in strafrechtlicher Hinsicht. Für Einsätze außerhalb von Wien wurden die Beamten für die Dauer der Ermittlungen der Abteilung II/10 (Kriminalpolizei – Interpol) zugeteilt.
In- und ausländische Besucher, die sich über die Arbeit Wirtschaftspolizei informierten, führte Hofrat Tintner auf den Kahlenberg, zeigte dort auf das neue AKH und andere große öffentliche Neubauten in Wien und sagte: „Das sind alles unsere Klienten!“ Mit 1. Jänner 1985 trat Tintner in den Ruhestand. Er starb am 11. April 2013 im 94. Lebensjahr in Wien. Nachfolger Tintners als Leiter der Wirtschaftspolizei waren Hofrat Mag. Josef Sturz (1985–1989), Hofrat Dr. Peter Stiedl (1990–1993) und Mag. Roland Horngacher (1997–2002).

Ausbildung.

Die Kriminalbeamten der Wirtschaftspolizei absolvierten Lehrgänge in Betriebswirtschaft, Buchhaltung und Bilanzwesens, später kamen Computerkurse hinzu. Von Jänner bis Mai 1969 waren etwa 50 Polizei- und Gendarmeriebeamte aus Österreich der Wirtschaftspolizei Wien zur praktischen Schulung zugeteilt. Vom 22. September bis 10. Oktober nahmen weitere 23 Beamte, die noch zu keinem wirtschaftspolizeilichen Lehrgang einberufen waren, an diesem Fachkurs in Wien teil. Insgesamt gab es 104 Unterrichtsstunden und mehrere Exkursionen. 1984 erhielt die Wirtschaftspolizei fünf PCs, als erste kriminalpolizeiliche Dienststelle in Österreich.
In der Wiener Wirtschaftspolizei wurden auch Beamte aus den Bundesländern in mehrwöchigen ausgebildet, die in den Bundespolizeidirektionen und Landesgendarmeriekommanden mit der Bekämpfung von Wirtschaftsdelikten befasst waren.
Um die Professionalisierung der Ermittlungskompetenz bei wirtschafts- und computerunterstützten Delikten zu professionalisieren, wurde in Kooperation mit dem Bundesministerium für Inneres wurde von der Fachhochschule Wiener Neustadt der Master-Lehrgang „Wirtschaftskriminalität & Cyber-Crime“ entwickelt.

Ende und Neubeginn.

Im Amtsgebäude Wasagasse erinnert ein Hinweisschild an die ehemalige Wiener Wirtschaftspolizei.
Im Amtsgebäude Wasagasse erinnert ein Hinweisschild
an die ehemalige Wiener Wirtschaftspolizei.
© Werner Sabitzer

Mit der Reform des Kriminaldienstes 2002 endete das Bestehen der traditionsreichen Wiener Wirtschaftspolizei. In der Bundespolizeidirektion Wien wurde das Kriminalamt geschaffen und ein Teil der Wirtschaftspolizistinnen und -polizisten kam in die neue Kriminaldirektion 1 (zentrale Ermittlungen). Seit der Einrichtung des LKA Wien bilden die wirtschaftspolizeilichen Agenden den Ermittlungsbereich 4 (Wirtschaftskriminalität) im LKA.
Die anderen Beamten der ehemaligen Wiener Wirtschaftspolizei wechselten 2002 in das Büro 3.4 (Wirtschaftskriminalität) des neuen Bundeskriminalamts, das 2002 den Betrieb aufgenommen hat. Mit 1. Juli 2010 wurde die Abteilung 7 (Wirtschaftskriminalität) des Bundeskriminalamts eingerichtet. Diese Abteilung bestand aus den Büros 7.1 (Betrug und Wirtschaftsdelikte) und 7.2 (Vermögenssicherung) mit jeweils zwei Referaten. Die Abteilung wurde später erweitert.
Heute besteht die Abteilung 7 aus der Koordinierungsstelle Ermittlungen (CCI) und den drei Büros 7.1 (Betrug, Fälschung und Wirtschaftskriminalität), 7.2 (Finanzermittlungen: Vermögenssicherung und Geldwäscherei) und 7.3 (Zentrale Geldwäschemeldestelle – FIU). In der FIU gibt es drei Referate: 7.3.1 (Internationale Angelegenheiten), 7.3.2 (Strategische Finanzstromanalyse) und 7.3.3 (Operative Finanzstromanalyse).

Werner Sabitzer

Polizeidirektion Wien

Kriegswucheramt

Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs kam es in Österreich zu einer Nahrungsmittelverknappung. Auch bei anderen Grundversorgungsgütern sank das Angebot. Die Folge waren starke Preissteigerungen. Auf Schwarzmärkten wurden Wucherpreise verlangt. Wien als Großstadt war von der Situation besonders betroffen. Es kam zu Protesten, Unruhen, Plünderungen; die Armutskriminalität stieg.
Zur Bekämpfung von Schleichhändlern und Preistreibern wurde 1916 in der k. k. Polizeidirektion Wien das Kriegswucheramt eingerichtet. Im Wiener Sicherheitsbüro war die Zentralstelle zur Bekämpfung des Lebensmittelwuchers. In Oberösterreich, der Steiermark, Salzburg, Tirol, Kärnten und Vorarlberg bestanden ebenfalls Organisationseinheiten gegen Kriegswucher. Hauptaufgabe des Kriegswucheramtes in Wien war die Bekämpfung der Preistreiberei, des Wuchers, des Kettenhandels und des „Hamsterns“ von Lebensmitteln. 1918 gab es im Wiener Kriegswucheramt 139 Bedienstete; im Jahr darauf mit 417 schon dreimal so viele.
Vorstand des Kriegswucheramtes war von der Gründung bis 1918 Hofrat Dr. Anton Baumgarten; er leitete davor das Büro für sittenpolizeiliche Agenden. Baumgartens Nachfolger im Kriegswucheramt war Regierungsrat Raimund Zorn, der 1922 die Leitung der neu gegründeten Wirtschaftspolizei übernahm.

 

Quellen/Literatur:

  • Pichler Franz A.: Polizeihofrat P. Ein treuer Diener seines ungetreuen Staates. Wiener Polizeidienst 1901–38. Verlag für Gesellschaftskritik, Wien 1984.
  • Sabitzer, Werner: Lexikon der inneren Sicherheit (Polizeilexikon Österreich). Neuer Wissenschaftlicher Verlag, Wien/Graz 2008.
  • Tintner, Heinrich: Die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität. In: Die Wiener Polizei. Ein Porträt. Herausgegeben vom Verein der Freunde der Wiener Polizei. Bohmann Verlag, Wien 1985.
  • Verband der Bundeskriminalbeamten Österreichs (Hg.): Der österreichische Bundes-Kriminalbeamte. Gedenkwerk anlässlich des 80jährigen Bestandes des Kriminalbeamtenkorps Österreichs. Buch- und Kunstdruckerei Herold, Wien, 1933

Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2022

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