Tschechische Republik

Im Dienst des Präsidenten

Die Prager Burg ist der Amtssitz des tschechischen Staatspräsidenten. Die „Burgwache“ und eine Dienststelle der tschechischen Nationalpolizei sorgen für die Sicherheit des Areals und des Staatsoberhaupts.

Wachwechsel der Prager „Burgwache“: Schutz der Außenbereiche des Hradschin.
Wachwechsel der Prager „Burgwache“: Schutz der
Außenbereiche des Hradschin. © Gregor Wenda

Die Prager Burg ist nicht nur die bedeutendste Festungsanlage der Tschechischen Republik, sondern auch eine der ältesten und größten Burganlagen der Welt, die sich über eine Fläche von knapp 45 Hektar erstreckt. Seit dem 9. Jahrhundert ist sie Herrschaftssitz; auch gekrönte Häupter aus Österreich residierten auf dem „Hradschin“. Seit 1918 befinden sich die Amtsräume des tschechischen Präsidenten im Burgbezirk, der zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Tschechiens zählt. Vor Ausbruch der Corona-Pandemie besichtigten pro Jahr mehr als zwei Millionen Touristinnen und Touristen die Burg; in der aktuellen Saison ist nach einem Rückgang der Besucherzahlen in den beiden vergangenen Jahren wieder ein starker Zuwachs zu verzeichnen. Die historischen Krönungsinsignien und der Veitsdom mit den Gräbern zahlreicher Herrscher, unter ihnen vier Kaiser, sind die Hauptattraktionen. Daneben sind die Büro- und Repräsentationsräumlichkeiten des tschechischen Präsidenten von besonderer Bedeutung: Empfänge, Staatsbesuche, Audienzen und offizielle Feierlichkeiten finden dort ebenso statt, wie die Ernennung von Regierungsmitgliedern, Richtern oder hohen Staatsbeamten. Am 1. Juli 2022 hat Tschechien den Ratsvorsitz in der Europäischen Union übernommen, sodass die Burg für ein halbes Jahr noch mehr ins Zentrum der internationalen Politik rückt.

Wachwechsel.

Prager Burg: Amtssitz des Präsidenten der tschechischen Republik.
Prager Burg: Amtssitz des Präsidenten der
tschechischen Republik. © Gregor Wenda

An den Zugängen zum Hradschin sind Posten der Burgwache (Hradní stráž) und Kontrollpunkte der tschechischen Nationalpolizei (Policie) eingerichet. Seit 2016 müssen alle Besucher eine polizeiliche Personen- und Gepäckskontrolle durchlaufen und alle in den Komplex einfahrenden Fahrzeuge werden überprüft. Jeden Tag um 12 Uhr präsentiert sich die Burgwache mit einem imposanten Wachwechsel im Ehrenhof; darüber hinaus findet stündlich ein kleinerer Wachwechsel statt.
Die Hradní stráž ist eine brigadeähnliche Militäreinheit, der über 900 Personen angehören. Ihr kommt die Bewachung der Außenbereiche des Burggeländes als Präsidentensitz und, im Ernstfall, dessen Verteidigung zu. Auch die Sicherung weiterer Aufenthaltsorte des Präsidenten, insbesondere der Sommerresidenz auf Schloss Lány, gehört zu den Aufgaben der Burgwache. Sie stellt die militärische Ehrengarde bei offiziellen Staatsbesuchen sowie diplomatischen Empfängen und nimmt weitere protokollarische und repräsentative Funktionen wahr. Die Wacheinheiten sind in zwei Bataillone untergliedert. Dazu kommen eine Musikkapelle und eine Sicherheitskompanie, der unter anderem eine Motorrad­eskorte für Begleit- und Schutzdienste bei offiziellen Empfängen des Staatspräsidenten und des Ministerpräsidenten angehört. Die Motorradgruppe verfügt über eine große Flotte von BMW-Maschinen. In der Diensthundeeinheit werden Schutz- und Spürhunde eingesetzt, beispielsweise zur Suche nach Sprengstoffen.

Polizeifahrzeug der Dienststelle für Präsidentenschutz.
Polizeifahrzeug der Dienststelle für
Präsidentenschutz. © Gregor Wenda

Die geschichtlichen Wurzeln der Burgwache gehen auf die Gründung der Tschechoslowakei im Jahr 1918 zurück. Am 6. Dezember 1918 befahl Tomáš Garrigue Masaryk, das erste Staatsoberhaupt der neuen Republik, die Aufstellung einer eigenen „Hundertschaft“ zu seinem Schutz. 166 Mann wurden aus der 28. Prager Infanterieeinheit abgezogen und bildeten ab dem 7. Dezember die neue Burgwache. Während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg wurde der tschechische Landesteil zum „Protektorat Böhmen und Mähren“; die Armee des Protektorats entsandte eine Wacheinheit zum Schutz des unter deutscher Herrschaft amtierenden Emil Hácha.
Zugleich gab es eine tschechische Exilregierung in Großbritannien, die von Edvard Beneš angeführt wurde. Beneš wurde von einer eigenen Wachformation geschützt, aus der nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges für kurze Zeit erneut die Burgwache hervorging. 1948, mit der kommunistischen Machtübernahme in der Tschechoslowakei, wurde diese durch eine Schutzabteilung des Staatssicherheitsdienstes abgelöst. Die Staatssicherheit unterstand dem tschechischen Innenministerium und war für den Schutz von Parteifunktionären und hochrangigen Amtsträgern abgestellt. Mit der politischen Wende des Jahres 1989, kam es erneut zur Etablierung der Burgwache.

Neue Uniformen.

Uniform der Burgwache seit 1990.
Uniform der Burgwache seit 1990.
© Gregor Wenda

Der 1989 ins Amt gekommene Staatspräsident Václav Havel drang darauf, der Burgwache als „seiner“ Schutzeinheit ein frisches Erscheinungsbild zu geben. Er beauftragte den bekannten Designer und Kos­tümbildner Theodor Pištěk mit der Schaffung einer neuen Uniform. Am 15. März 1990 wurde die neue Dienstkleidung der Burgwache der Öffentlichkeit präsentiert. Die ersten Kappen und Uniformen wurden in den USA gefertigt. Am 1. Jänner 1993 wurden aus der föderalen Tschechoslowakei zwei neue Staaten – die Republiken Tschechien und Slowakei. Daher erhielt auch die Burgwache ein neues Emblem: Statt des Wappens der Slowakei wurde in das Abzeichen das Provinzwappen Schlesiens aufgenommen. Präsident Václav Klaus betrieb eine Professionalisierung der Burgwache: Seit 2005 ist die Ableistung des militärischen Grundwehrdienstes bei der Hradní stráž nicht mehr möglich; alle Angehörigen sind Berufssoldaten. Damit wurde auch der Weg für die ersten Frauen in den Reihen der Burgwache frei. Für Funktionen in einer der Wacheinheiten Interessierte müssen zwischen 178 und 188 cm groß sein, und dürfen keine sichtbaren Tätowierungen, Piercings oder Ohrringe tragen.

Polizei-Einheit für Präsidentenschutz.

Neben der Burgwache ist eine spezielle Organisationseinheit der tschechischen Nationalpolizei mit dem Schutz des Präsidenten und seines Amtssitzes betraut – die Dienststelle zum Schutz des Präsidenten der Tschechischen Republik (Útvar pro ochranu prezidenta České republiky – UOP). Beamte der Dienststelle werden umgangssprachlich als „Burgpolizei“ bezeichnet (Hradni policie). Bei der Sicherung der Prager Burg arbeiten die Nationalpolizei und die militärische Burgwache eng zusammen. Die Polizeiabteilung UOP ist für die Sicherheit am Sitz des Staatsoberhauptes und weiterer Aufenthaltsorte des Präsidenten, etwa von Schloss Lány, verantwortlich; sie gewährleistet landesweit den Personenschutz für den tschechischen Präsidenten. Ehemalige Präsidenten und deren Angehörige sowie Staatsgäste werden ebenfalls von der Polizeieinheit geschützt.

Burgwache: Sicherheitsvorkehrungen während des tschechischen EU-Ratsvorsitzes.
Burgwache: Sicherheitsvorkehrungen während des
tschechischen EU-Ratsvorsitzes. © Gregor Wenda

Uniformierte Beamte der Nationalpolizei führen etwa Sicherheitskontrollen von Personen und Fahrzeugen an den Eingängen zur Prager Burg durch, sie bestreifen das Burggelände und die Umgebung des Komplexes und begleiten Fremde in den Staatsräumlichkeiten. Nicht-uniformierte Beamte nehmen vielfältige Kontroll-, Sicherungs- und Schutzaufgaben wahr, zum Teil in unmittelbarer Nähe des Präsidenten und weiterer Personen in seinem Umfeld. Spezialisten der UOP treffen Risikoeinschätzungen und sind zum Beispiel in der Erkennung von Brandmitteln, Spreng- und Giftstoffen sowie der Abwehr von Drohnen geschult.
Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes blieb die Schutzabteilung des Innenministeriums, die über vierzig Jahre als Teil der Staatssicherheit den Präsidentenschutz und den Schutz der verfassungsmäßigen Organe wahrgenommen hatte, vorerst erhalten. Mit 1. Februar 1990 wurde sie jedoch durch eine neue Organisationseinheit, die „Schutzverwaltung“ des Präsidenten, abgelöst, die nicht mehr dem Innenministerium zugeordnet war, sondern direkt dem Militärbüro des tschechischen Staatsoberhaupts unterstand. Zur Gewährleistung des Personenschutzes wurden der „Schutzverwaltung“ allerdings Polizeibeamte zugewiesen. Das „Gesetz über die föderale Polizei und das Burgpolizeikorps“ vom 10. Juli 1991 führte dazu, dass die „Schutzverwaltung“ des Präsidenten durch ein unabhängiges „Burgpolizeikorps“ ersetzt wurde. Anders als die neu geschaffene Polizeibehörde, die dem Innenminister unterstellt wurde, blieb die Burgpolizei aber in der Verantwortlichkeit des Militärbüros des Präsidenten der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik.
Mit der Gründung von Tschechien und der Slowakei als zwei souveränen Staaten kam es per 1. Jänner 1993 erneut zu einer Reorganisation: Der Präsidentenschutz auf dem Hradschin wurde der neuen tschechischen Polizei übertragen. Mitglieder des bisherigen Burgpolizeikorps und der Föderalen Polizei konnten automatisch in die nunmehrige Nationalpolizei übernommen werden. Der Schutz des Staatspräsidenten und der Schutz der verfassungsmäßigen Organe gelangte damit wieder in die Ägide des Innenministeriums. 2002 wurden für den Schutz des Präsidenten und von bestimmten „Verfassungsbeamten“ jeweils eigene Spezialabteilungen geschaffen.

Abzeichen der Polizeidienststelle für Präsidentenschutz und der Burgwache.
Abzeichen der Polizeidienststelle für Präsidentenschutz
und der Burgwache. © Gregor Wenda

Das Emblem der Dienststelle für den Präsidentenschutz ist jenes, das nach dem Zusammenbruch des Eisernen Vorhangs erstmals von der damals neuen „Schutzverwaltung“ getragen wurde: Es geht, wie die Uniformierung der Burgwache, aufgrund einer Initiative von Präsident Vaclav Havel auf den Designer Theodor Pištěk zurück. Das Motto der Einheit wird seit dem 19. Jahrhundert auch von den U.S.-Marines verwendet und soll die besondere Loyalität zum Staat und seinem Präsidenten zum Ausdruck bringen: „Semper Fidelis“ – „Für immer treu“.

Gregor Wenda


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2022

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