Porträt

Ein Mann für viele Fälle

Brigadier Bernhard Gaber ist Experte für die Abwicklung komplexer Wirtschaftsermittlungsverfahren und hat jahrzehntelange Erfahrung in der Leitung von Sonderkommissionen (Sokos).

Bernhard Gabers größter Fall war die Leitung der Ermittlungen im Kriminalfall Hypo Alpe Adria.
Bernhard Gabers größter Fall war die Leitung der
Ermittlungen im Kriminalfall Hypo Alpe Adria.
© Michael Rausch/Schott/
Verlagsgruppe News/Picturedesk.com

Einige der größten Fälle von Wirtschaftskriminalität der vergangenen Jahre haben eines gemeinsam: Der polizeiliche Leiter der Ermittlungen war Brigadier Bernhard Gaber, MBA MPA. Gaber, ursprünglich Gendarm in Kärnten, hat sich zum Spezialisten für heikle und komplexe Wirtschaftsermittlungsverfahren entwickelt. Vor 40 Jahren ist der provisorische Leiter des Büros 8.3 im Bundeskriminalamt (Sonderermittlungen zur Bekämpfung des Sozialleistungsbetruges, des illegalen Glücksspiels und der Visaerschleichung) in den Exekutivdienst eingetreten und kann auf eine bewegte und erfolgreiche Laufbahn zurückblicken.

Beginn in der Gendarmerie.

Als sich Gaber 1982 dazu entschloss, die Gendarmeriegrundausbildung in Kärnten zu absolvieren, hätte er nicht geahnt, eines Tages Büroleiter im Bundeskriminalamt in Wien zu werden. Nachdem er die Offiziersausbildung an der Sicherheitsakademie absolviert hatte, wurde Gaber 1997 Referent für Wirtschafts- und Eigentumsdelikte in der Kriminalabteilung Kärnten. Er besuchte zahlreiche Seminare, in denen er sein fachspezifisches Wissen erweitern konnte. Um den Wissensdurst zu stillen, schloss Gaber 2005 das Masterstudium Public Administration und 2012 sein zweites Masterstudium Business Administration ab.

Soko-BAWAG.

Die „BAWAG-Affäre“ sorgte 2006 für großes Aufsehen, als die Tragweite der Verlustgeschäfte der österreichischen „Bank für Arbeit und Wirtschaft AG“ und Versuche, diese zu vertuschen, publik wurden. Schnell wurde klar, dass es in diesem Fall eine umfassende Aufklärung braucht und Gaber wurde die Leitung der Soko-BAWAG übertragen. Da diese im Bundeskriminalamt angesiedelt war, wurde Gaber zum Pendler zwischen Kärnten und Wien. Nachdem der Ex-BAWAG-Chef Helmut E. in Südfrankreich verhaftet und von Gaber nach Österreich überführt worden war, rückte die erfolgreiche Arbeit der Soko-BAWAG in das mediale Interesse. Da sich der Ermittler in der Leitung bewiesen hatte, wurde er später nicht nur mit der Leitung der Soko-Constantia betraut, die 2009 zur Aufklärung des Finanzskandals rund um die Immofinanz eingesetzt worden war, sondern auch mit der Soko-Hypo, die Gaber ebenfalls von Beginn an leitete. Bis zu 27 Beamtinnen und Beamte der Soko ermittelten acht Jahre lang im größten Kriminalfall Österreichs mit einem Schaden von 10 Milliarden Euro.
Von Oktober 2020 bis Jänner 2022 war Gaber behördlicher Leiter der Soko-Commerz. In der Causa Commerzialbank Mattersburg gibt es Ermittlungsverfahren gegen mehrere Beschuldigte, u. a. wegen gewerbsmäßig schweren Betruges, Untreue, betrügerischer Krida sowie Geldwäscherei.

Causa Hypo.

1896 wurde die Hypo Alpe Adria gegründet und war als Landesbank von Kärnten hauptsächlich für die Finanzierung öffentlicher Institutionen zuständig. Durch den 1988 neu eingesetzten Chef der Alpe Adria wurde die Bank nachhaltig verändert: Die Bank expandierte in zwölf Länder und schrieb aufgrund von Bilanzfälschungen Schlagzeilen. Nachdem die Bank 2009 nicht mehr über das zur Bilanzierung nötige Eigenkapital verfügte und die Gefahr der Insolvenz bestand, wurde die Bank verstaatlicht. Der Skandal rund um die Hypo Alpe Adria Bank gilt als der größte Bankenskandal in der Zweiten Republik und verlangte eine gründliche Aufklärung. Dem erfolgreichen Soko-Ermittler Gaber wurde die Aufgabe zuteil, die Soko Hypo aufzubauen und zu leiten.

Große Anforderungen.

In der Causa Hypo wurden große Anforderungen an die Soko-Ermittlerinnen und -Ermittler gestellt. „Die Hypo Alpe Adria war mit 350 Standorten in zwölf Staaten vertreten, es mussten Millionen von Aktenseiten bearbeitet werden, was ohne technische Unterstützung nicht zu bewältigen gewesen wäre“, erinnert sich Gaber. „Daneben mussten wir eine Vielzahl an operativen Ermittlungsschritten setzen und Hunderte Einvernahmen durchführen.“ Aufgrund der vielfältigen Verflechtungen ins Ausland, die beim Fall Hypo noch stärker als bei der BAWAG gegeben waren, standen internationale Arbeitsbesprechungen neben den täglichen Teambesprechungen an der Tagesordnung.

Geheimnis erfolgreicher Sokos.

Verschiedene Faktoren sind für die Erfolgsbilanz einer Soko entscheidend. „Man braucht einerseits qualifizierte Ermittlerinnen und Ermittler, die gut im Team arbeiten können, aber auch engagiert sind und verschiedene Fähigkeiten sowie Erfahrungen mitbringen“, erklärt Gaber. „Auf der anderen Seite braucht es einen Leiter, der die Übersicht bewahrt und mit Sachkenntnis und Fingerspitzengefühl agiert. Der persönliche Austausch mit meinem Team steht deshalb immer an oberster Stelle.“
Die besonderen Fähigkeiten und Eignungen seiner Teammitglieder zu erkennen, ist dem Experten ein wichtiges Anliegen. Jene zu fördern, die motiviert und ambitioniert sind, war und ist für Gaber selbstverständlich.
Neben der personellen Komponente ist die infrastrukturelle Ebene wichtig, denn so müssen Arbeitsräume adaptiert und passendes, technisches Equipment besorgt werden. Im Zuge der Aufbauarbeit gilt es, die Kontakte zu Staatsanwaltschaften oder Sachverständigen zu knüpfen und in der Hypo-Causa mussten die internationalen Polizei- und Justizbehörden eingebunden werden.
„In Sokos ist ein gemeinsam festgelegter Arbeitsstandard essenziell, denn nur so kann ein Team gute Arbeit leisten. In internationalen Fällen ist es zudem wichtig, auf die verschiedenen Gepflogenheiten und Mentalitäten einzugehen“, erzählt Gaber. „Es kann schnell passieren, dass etwas falsch verstanden oder aufgefasst wird. Deshalb war der direkte, persönliche Austausch immer sehr wichtig für mich. Unklarheiten oder Missverständnisse können immer auftreten, aber so können sie auch schnell wieder ausgeräumt werden.“

Taskforce Sozialleistungsbetrug.

Bernhard Gaber leitet die Taskforce Sozialleistungsbetrug im Bundeskriminalamt.
Bernhard Gaber leitet die Taskforce
Sozialleistungsbetrug im
Bundeskriminalamt.
© Gerd Pachauer

Mit 1. April 2018 erhielt der motivierte Soko-Leiter eine Planstelle im Kompetenzzentrum für Wirtschaftskriminalität (KWK) im Bundeskriminalamt und wurde drei Monate später Projektleiter der Taskforce Sozialleistungsbetrug (TF Solbe). Diese wurde gegründet, um österreichweit gezielt gegen Sozialleistungsbetrügerinnen und -betrüger vorgehen zu können und die Bilanz zeigt die Wichtigkeit ihrer Arbeit. „Rund 700 Anzeigen wegen Sozialleis­tungsbetrug zählten wir im ersten Jahr der Task Force, 2021 verzeichneten wir bereits über 4.000 Fälle“, berichtet der Projektverantwortliche.
Beim Aufbau der Taskforce profitierte Gaber von seinen Erfahrungen. „Zu Beginn wurde eine Kick-off Veranstaltung mit den Verantwortlichen aus den Landespolizeidirektionen organisiert, um die Kriterien für die gemeinsame Bekämpfung festzulegen. Einen Meilenstein der Taskforce Solbe stellt die dauerhafte Zusammenarbeit der Exekutive mit den zuständigen Institutionen dar“, erklärt Gaber. Daher wurde eine interministerielle Steuerungsgruppe mit Vertretern aus fünf Ministerien ins Leben gerufen, um die professionelle Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen mit allen Stakeholdern top-­down sicherzustellen. Mittlerweile wurden jährliche Vernetzungstreffen etabliert, um Sozialleistungsbetrügerinnen und -betrüger auf allen Ebenen effizient ausforschen zu können.

Ausblick.

Mit Juli 2020 wurde die zweijährige Projektphase beendet. Bis dahin erarbeitete Gaber mit seinem Team die Grundlagen und baute den gemeinsamen Austausch mit den Stakeholdern aus. Seither wird daran gearbeitet, die Bekämpfung des Sozialleistungsbetrugs schrittweise auf Bezirksebene zu organisieren und zu koordinieren. Auch auf internationaler Ebene sorgte die TF Solbe für Aufsehen. So wurde im Bundeskriminalamt Wiesbaden ebenfalls ein Projekt namens „Union“ zur dortigen Bekämpfung des Sozialleistungsbetruges eingerichtet. Dazu gibt es laufende Kontakte mit den deutschen Kollegen, um auch die grenzüberschreitende Bekämpfung des Sozialleistungsbetrugs weiter zu forcieren.
Als besonderes persönliches Highlight auf internationaler Ebene nennt Gaber die Präsentation der Taskforce bei der Staatsanwaltschaft in Palermo, anlässlich einer internationalen Fachtagung im Mai dieses Jahr. „Unser oberstes Ziel für 2022 ist, das bestehende flächendeckende Netz an Beamtinnen und Beamten innerhalb der Polizei eng mit allen Stakeholdern zu verknüpfen und mit allen auszahlenden Stellen geeignete Rahmenbedingungen für eine dauerhafte und professionelle Kooperation zu schaffen“, sagt Gaber.

Romana Tofan


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2022

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