Verkehrsrecht

Straßenverkehr und Recht

Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs zu den Themen verantwortlicher Beauftragter, Kundmachung der Geschwindigkeitsbeschränkung und Entzug der Lenkberechtigung.

Verantwortlicher Beauftragter

Sattelkraftfahrzeuge: Laut VwGH stellt § 101 Abs. 1 lit. a KFG nicht auf ein höchst zulässiges Gesamtgewicht eines Sattelkraftfahrzeugs an sich ab, sondern auf die Überschreitung der „Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte“.
Sattelkraftfahrzeuge: Laut VwGH stellt § 101 Abs. 1
lit. a KFG nicht auf ein höchst zulässiges
Gesamtgewicht eines Sattelkraftfahrzeugs an sich ab,
sondern auf die Überschreitung der „Summe
der höchsten zulässigen Gesamtgewichte“.
© Werner Sabitzer

Ein auf eine GmbH zugelassenes Sattelkraftfahrzeug wurde von einem Bediensteten der GmbH gelenkt. Zu diesem Zeitpunkt betrug das Gesamtgewicht des Sattelkraftfahrzeuges 42.680 kg. Laut Zulassung des Sattelzugfahrzeuges und des Sattelanhängers hätte das höchste zulässige Gesamtgewicht des Sattelkraftfahrzeuges aber nur 42.000 kg und die Summe der Gesamtgewichte 40.000 kg betragen dürfen.
Der verantwortlichen Beauftragten der GmbH wurden mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden zwei Verwaltungsübertretungen nach dem Kraftfahrgesetz zur Last gelegt. Sie habe nicht dafür Sorge getragen, dass der Zustand des Kraftfahrzeuges den Vorschriften des KFG entspreche, weil 1.) das höchste zulässige Gesamtgewicht des Sattelkraftfahrzeuges von 42.000 kg durch die Beladung um 680 kg und 2.) die Summe der Gesamtgewichte für Kraftwagen mit Anhänger von 40 Tonnen um 2.680 kg überschritten worden war. Es wurden zwei Geldstrafen in der Höhe von jeweils 1.000 Euro verhängt.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich wies die Beschwerde der GmbH als unbegründet ab, woraufhin außerordentliche Revision erhoben wurde. Die verantwortliche Beauftragte machte einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot geltend, weil das für eine Übertretung des § 101 Abs. 1 lit. a KFG maßgebliche Tatbestandsmerkmal („Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte des Sattelkraftfahrzeuges“) in der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat nicht aufscheine.
Der VwGH gab der Revision statt: Der VwGH habe schon früher ausgesprochen, dass § 101 Abs. 1 lit. a KFG nicht auf ein höchst zulässiges Gesamtgewicht eines Sattelkraftfahrzeuges an sich abstellt, sondern auf die Überschreitung der „Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte“ (vgl. VwGH 16.1.2019, Ra 2018/02/ 0300). Weder dem Straferkenntnis noch dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichts lasse sich eine Berechnung dieser Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte entnehmen. „Es würde dem Konkretisierungsgebot widersprechen, dass das für dieses Delikt maßgebende Tatbestandsmerkmal der Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte des Sattelkraftfahrzeuges in der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat nicht aufscheine“, meinte der VwGH, der das Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufhob.
VwGH Ra 2020/02/0225, 16.12.2021

Kundmachung der Geschwindigkeitsbeschränkung

Geschwindigkeitsbeschränkung: Ordnungsgemäße Kundmachung durch Verkehrszeichen erforderlich.
Geschwindigkeitsbeschränkung: Ordnungsgemäße
Kundmachung durch Verkehrszeichen erforderlich.
© Werner Sabitzer

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld wurde ein Pkw-Lenker wegen Übertretung einer Geschwindigkeitsbeschränkung zu einer Geldstrafe verurteilt. Anlässlich der hiergegen erhobenen Beschwerde – und weiterer Beschwerden, die Bestrafungen wegen Übertretungen derselben Geschwindigkeitsbeschränkung zum Gegenstand hatten – beantragte das Landesverwaltungsgericht Steiermark beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung der Verordnung über die Geschwindigkeitsbeschränkung, die Rechtsgrundlage für die Bestrafung des Pkw-Lenkers gewesen war. Diese Verordnung, so das Verwaltungsgericht, war zur Tatzeit nicht ordnungsgemäß kundgemacht.
Der Verfassungsgerichtshof teilte diese Ansicht nicht und kam zum Ergebnis, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung zum Tatzeitpunkt ordnungsgemäß kundgemacht war. An der Richtigkeit der Ausführungen des als Zeugen einvernommenen Bediensteten des Bauführers, denen zufolge die Verkehrszeichen vorschriftsgemäß aufgestellt worden seien, bestünden keine Zweifel. Im fortgesetzten Verfahren wies das Verwaltungsgericht daher die Beschwerde des Pkw-Lenkers ab.
Dagegen erhob der Lenker außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Deren Zulässigkeit begründete er damit, dass das Verwaltungsgericht sein Vorbringen zur fehlerhaften Aufstellung des Verkehrszeichen und damit zur fehlerhaften Kundmachung der Geschwindigkeitsbeschränkung rechtswidrig übergangen habe. Unter Verletzung seiner Ermittlungspflicht sei es dadurch von bestehender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 21.11.2008, 2008/ 02/0231) abgewichen.
Der VwGH wies die Revision zurück. In der Rechtsprechung, auf die sich der Pkw-Lenker bezieht, geht es um erhebliche Abweichungen zwischen dem tatsächlichen Aufstellungsort eines Verkehrsschildes und dem in der Verordnung verfügten räumlichen Geltungsbereich. Eine solche Abweichung liegt hier aber nicht vor, weshalb die vom Pkw-Lenker zitierte Rechtsprechung gar nicht einschlägig ist. Das Verwaltungsgericht ist somit nicht von bestehender Rechtsprechung des VwGH abgewichen, weshalb die Revision zurückzuweisen war.
VwGH Ra 2022/02/0004, 24.01.2022

Entzug der Lenkberechtigung

Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 19. September 2019 wurde in Bestätigung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag einem Lenker die Lenkberechtigung für vier Monate entzogen und eine Nachschulung angeordnet.
Begründend stellte das Verwaltungsgericht fest, der Lenker sei mit rechtskräftiger Entscheidung eines ungarischen Amtsgerichts vom 21. November 2017 wegen Trunkenheit am Steuer schuldig gesprochen und mit einer Geldstrafe belegt worden, weil er ein Kraftfahrzeug im alkoholisierten Zustand (0,78 bzw. 0,77 mg/l Atemluft) gelenkt habe. Diese Feststellungen stützte das Verwaltungsgericht auf die aus Ungarn übermittelten und übersetzten Dokumente, deren inhaltliche Richtigkeit der Lenker im Verfahren nicht bestritt.
Rechtlich bezog sich das Verwaltungsgericht auf § 7 Abs. 2 FSG, wonach im Ausland begangene Verkehrsverstöße nach inländischen Rechtsvorschriften zu beurteilen sind. Das in Ungarn verwirklichte Delikt entspreche jenem nach § 99 Abs. 1a StVO 1960, weshalb angesichts der rechtskräftigen Bestrafung zwingend eine Entziehung der Lenkberechtigung für die vorgesehene Mindestdauer auszusprechen und eine Nachschulung anzuordnen gewesen sei. Dagegen erhob der Lenker außerordentliche Revision. Er bestritt dabei nicht, dass im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses eine rechtskräftige Bestrafung wegen eines Alkoholdelikts vorlag.
Der VwGH wies die Revision zurück. Die Ansicht des Lenkers, dass zwischen der Entziehung der Lenkberechtigung und der Begehung des Alkoholdeliktes, das den Anlass für diese Entziehung geboten hat, kein allzu langer Zeitraum, in dem sich der Lenker wohlverhalten hat, verstreichen dürfe, finde im Gesetz keine Deckung. Dieser Ansicht sei auch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes entgegenzuhalten, der bereits im Erkenntnis vom 14. März 2003, VfSlg 16855, festgehalten hat, dass ein zeitliches Auseinanderklaffen zwischen dem Eintritt der Verkehrsunzuverlässigkeit und der faktischen Wirksamkeit einer Entziehung der Lenkberechtigung weder gegen das Sachlichkeitsgebot noch gegen das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK) verstößt.
Auch die Ansicht des Lenkers, eine Nachschulung hätte nicht angeordnet werden dürfen, weil er das Delikt nicht in Österreich begangen habe, hielt einer Überprüfung durch den VwGH nicht stand. Denn mit § 7 Abs. 2 FSG in der hier anzuwendenden Fassung hat der Gesetzgeber gerade erreichen wollen, dass es „keinen Unterschied im Entziehungsverfahren dahingehend geben soll, ob das Delikt in Österreich oder im Ausland begangen wurde“. Die Revision war daher zurückzuweisen.
VwGH Ra 2019/11/0200, 17.01.2022

Valerie Kraus


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2022

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