Exekutivgeschichte und Traditionspflege

Neue Felder, neue Chancen

Fachzirkel-Tagung 2022 in Keutschach: Teilnehmer aus dem BMI und den Landespolizeidirektionen.
Fachzirkel-Tagung 2022 in Keutschach: Teilnehmer aus dem BMI und den Landespolizeidirektionen. © Privat

Die Arbeitsbereiche der neuen Abteilung „Historische Angelegenheiten“ im Innenministerium bildeten den Schwerpunkt beim 4. Treffen des Fachzirkels „Exekutivgeschichte und Traditionspflege“.

Vom 19. bis 22. September 2022 fand in Keutschach (Kärnten) das 4. Treffen des Fachzirkels „Exekutivgeschichte und Traditionspflege“ statt. Landespolizeidirektor-Stellvertreter Hofrat Mag. Markus Platzer, Leiter des Geschäftsbereichs B der LPD Kärnten, begrüßte die Teilnehmer aus allen Bundesländern. Mit 1. Juli 2022 wurde in der Rechtssektion des Bundesministeriums für Inneres (BMI) die Abteilung III/S/3 (Historische Angelegenheiten) etabliert. Abteilungsleiter Stephan Mlczoch, BA BA MSc, definierte in seiner Eröffnungsansprache die Tätigkeitsbereiche der neuen Abteilung. Dazu gehören die Bundesanstalt Mauthausen (Mauthausen Memorial; Fachaufsicht), die Kriegsgräberfürsorge und die Thematik Exekutivgeschichte und Traditionspflege.

Stephan Mlczoch, Leiter der BMI-Abteilung für historische Angelegenheiten, Fachzirkel-Leiter Joachim Steinlechner: „Neue Felder, neue Chancen!“
Stephan Mlczoch, Leiter der BMI-Abteilung für historische
Angelegenheiten, Fachzirkel-Leiter Joachim Steinlechner:
„Neue Felder, neue Chancen!“
© Alexander Tuma / Privat

„Die Fachzirkel-Mitglieder aus dem Bereich der Zentralstelle und aus den Bundesländern verfügen über großes Wissen und große Erfahrung in der Exekutivgeschichte und Traditionspflege“, betonte Mlczoch. Ministerialrat Mag. Dr. Joachim Steinlechner, Leiter des Fachzirkels im BMI, berichtete über die Tätigkeiten der Fachzirkel-Mitglieder in den Bundesländern. „Aufgrund der Schwerpunktsetzung auf das NS-Projekt sind neben den originären Aufgabenbereichen des Fachzirkels, zahlreiche Sicherungs-, Erhaltungs- und Digitalisierungsarbeiten erfolgt, die nicht nur dem Innenressort, sondern auch externen Forschungspartnern zugutekommen“, erläuterte Steinlechner und ergänzte: „Die Abteilung III/S/3 inkludiert jetzt auch neue Arbeitsbereiche, mit denen sich der Fachzirkel zukünftig beschäftigen wird!“
Projektleiter Mag. Gerald Hesztera und Nicole Antal, BA von der Abteilung I/A/3 referierten über den Stand im BMI-Projekt „Die Polizei in Österreich: Brüche und Kontinuitäten 1938-1945“. Abteilungsleiter Hesztera hob die unterstützenden Arbeiten der Fachzirkel-Mitglieder hervor: „Gerade in Bezug auf die Sicherung exekutiv-historischer Quellen für den Zeitraum von 1938 bis 1945 konnten wichtige Quellenbestände gesichert werden. Beispielgebend sind hier die Arbeiten des Tiroler Fachzirkels um Peter Hellensteiner zu erwähnen.“ Gruppeninspektor Hellensteiner war bis zu seiner Pensionierung im März 2022 Mitglied des Fachzirkels. Seit April 2022 arbeitet er auf Werkvertragsbasis mit einem Expertenteam die Aktenbestände der Tiroler Exekutivarchive auf.
Leutnant Gernot Sattler, Fachzirkel-Mitglied der LPD Steiermark, verfasste im Zuge seiner Offiziersausbildung an der FH Wiener Neustadt eine Arbeit unter dem Titel: „Die ‚lange NS-Zeit‘ in Österreich 1930-1955. Opfer/Täter/Mitläufer? Die Geschichte der Exekutive im Raum Leoben“ die erste wissenschaftliche Arbeit im Zusammenhang mit dem NS-Projekt (siehe Beitrag „Täter, Opfer, Mitläufer“ auf Seite 58 dieser Ausgabe) .
Im Hinblick auf die Tätigkeitsbereiche der Abteilung III/S/3 und die weiterführenden Arbeiten des Fachzirkels wurden bei der Klausur in Kärnten drei Arbeitsgruppen gebildet, die sich mit den Grundlagen der zukünftigen Tätigkeiten auseinandersetzten.

AG historische Angelegenheiten, quo vadis?

Traditionspflege: Chefinsp. i. R. Josef Huber in historischer Uniform.
Traditionspflege: Chefinsp. i. R.
Josef Huber in historischer Uniform.
© Werner Sabitzer

Die Arbeitsgruppe wurde von Oberstleutnant Karl-Heinz Wochermayer (LPD Salzburg) und Oberstleutnant Wilfried Brocks, BA (LPD Niederösterreich) geleitet und von Oberrat Mag. Dr. Richard Reiter, MA (LPD Salzburg) koordiniert. Die zentralen Schwerpunkte betrafen die Bereiche Organisationsstruktur (Zeitleiste und innerorganisatorische Abläufe), Themenbereiche, Kooperationen, Projekte (intern/extern), Einbindung von Mitarbeitern des Aktivstandes und pensionierter Kollegen (Generationenmanagement; Möglichkeiten/Nutzen) sowie die organisatorisch-personellen Rahmenbedingungen für die zukünftigen Aktivitäten (Planstellen, Werkverträge, Zuteilungen, Zeitkontingente).

AG Historie und (Aus-)Bildung.

Diese Arbeitsgruppe wurde von Mag. Dr. Mario Muigg (SIAK/IWF) und Oberst Michael Holzer (Abteilung I/B/7/B) geleitet und von Chefinspektor Hans Wolfgruber, MA (LPD Salzburg) koordiniert. Die Schwerpunkte der AG lagen auf folgenden Bereichen: Historische Inhalte in BMI-Ausbildungen (chronologische Entwicklungen, Bedarfe), Verbindungen zu anderen Inhalten (Organisationskultur, NS-Thematik u. a.), Möglichkeiten der (exekutiv-) historischen Wissensvermittlung (am Beispiel des thematischen „Stadtrundgangs Innsbruck“), Aufarbeitungen und Strukturierungen (Datenbanken), exekutivhistorische Forschung (Forschungsagenda, Projekte), Darstellungsmöglichkeiten/Präsentationen (intern/extern – inklusive wissenschaftlichem Output), Koordinierungsmaßnahmen und Kooperationen (intern/extern) und der Auseinandersetzung mit dem Bereich Verwaltungsgeschichte.

AG Kriegsgräberfürsorge und Fachzirkel.

Dieser Themenbereich wurde in zwei Gruppen unterteilt, die von den KGF-Experten des Innenressorts, Ministerialrat Georg Mandl, BA, MBA, stellvertretender Leiter der Abteilung III/S/3, und Hofrat Andreas Drmola, BA, MA, geleitet wurden. Als Koordinatoren fungierten Inspektor MMag. Christian Reisinger (LPD Oberösterreich, Gruppe 1) und Kontrollinspektor Markus Lemp (LPD Niederösterreich, Gruppe 2).

Fachvorträge.

Britischer Soldatenfriedhof Klagenfurt: Die Kriegsgräberfürsorge fällt in die Zuständigkeit der neuen Abteilung für historische Angelegenheiten im BMI.
Britischer Soldatenfriedhof Klagenfurt: Die
Kriegsgräberfürsorge fällt in die
Zuständigkeit der neuen Abteilung für
historische Angelegenheiten im BMI. © Werner Sabitzer

Die Fachzirkel-Klausur 2022 wurde traditionsgemäß durch Fachvorträge einzelner Mitglieder abgerundet. Die Vorträge hatten unmittelbaren Bezug zu den „Tätigkeiten und der Etablierung der Abteilung III/S/3 im Innenressort. Oberstleutnant Karl-Heinz Wochermayer informierte über die Tätigkeiten im Zuge der Ausstellung „100 Jahre Bundespolizei Salzburg“, die vom SEM (Salzburger Exekutivhistorischer Museumsverein) erfolgten. Wochermayer brachte auch einen Überblick über seine Sicherungs- und Digitalisierungsarbeiten im Bundesland Salzburg. Oberstleutnant i. R. Reinhold Hribernig, Präsident der Gendarmerie- und Polizeifreunde Kärntens und bis zu seiner Pensionierung Mitglied des Fachzirkels „Exekutivgeschichte und Traditionspflege“, und Chefinspektor i. R. Josef Huber, Mitglied der Traditionsgendarmerie in der LPD Kärnten, gaben Einblicke in ihre (Repräsentations-)Tätigkeiten im Geiste einer gelebten Traditionspflege.
Oberrat Mag. Dr. Mario Muigg von der Sicherheitsakademie, Institut für Wissenschaft und Forschung, informierte über die Forschungsaktivitäten im BMI und gab einen Überblick über die unterschiedlichen wissenschaftlichen Zugangsmöglichkeiten. Er präsentierte seine neueste Publikation mit dem Titel: „Polizei im Friedenseinsatz. Das österreichische UN-Polizeikontingent in Zypern, 1964-1977“. Muigg berichtete über die Recherchen und Forschungsarbeiten, die diesem Buch zugrunde liegen. Das Werk ist im Studien-Verlag erschienen.
Werner Sabitzer, MSc, referierte über den Stand der Erfassung und Dokumentation der Gedenkstätten für Exekutivbeamte. Die 2020 begonnenen Arbeiten werden nun mit dem Gedenkbereich der KGF verknüpft. Durch die Synergien soll der Gedenkarbeit/Traditionspflege ein breiterer Raum eingeräumt werden.
Hofrat Mag. Michael Beyrer (LPD Vorarlberg) referierte unter dem Titel „Rechtshistorische Quellen am Beispiel Bildmaterial“ über die grundlegenden Zugänge zu exekutiv-historischen Quellen (inklusive Quellenmaterial, Quellensicherung und Quellenkritik) und veranschaulichte anhand bildlicher Darstellungen die Chancen und Möglichkeiten im exekutiv-historischen Diskurs.

Kamingespräche.

Die Fachzirkel-Tätigkeiten wurden traditionell mit „Kamingesprächen“ ergänzt. Werner Sabitzer referierte unter dem Titel „Geniale Techniker als Geldfälscher“ (mit Kärnten-Bezug) über die Biografien zweier Geldfälscher, die ihre technischen Fertigkeiten auch für die Fälschung von Papiergeld nutzten. Sabitzer ist Spezialist für Polizei- und Kriminalgeschichte und hatte von 2018 bis zu seiner Pensionierung mit 1. April 2021 das Wiener Polizeimuseum in der Marokkanerkaserne geleitet.
Georg Mandl und Andreas Drmola gaben in einem weiteren Kamingespräch Einblicke in die Arbeiten der Kriegsgräberfürsorge, wobei es ihnen gelang, eine nach außen „trockene Materie“ zum Leben zu erwecken und aufgrund praxisnaher Schilderungen auch innerhalb des Fachzirkels Interesse an den KGF-Tätigkeiten und zukünftigen Kooperationen zu wecken.
„Auch durch die zusätzlichen Arbeitsfelder der Abteilung III/S/3 wird die verstärkte Mitarbeit der Fachzirkel-Mitglieder an Projekten erforderlich sein. Neue Felder, neue Chancen“, betonte Fachzirkel-Leiter Joachim Steinlechner. „Ich bin überzeugt davon, dass wir gemeinsam Meilensteine im Bereich der historischen Angelegenheiten setzen werden“, resümierte Abteilungsleiter Stephan Mlczoch.

J. S.


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2022

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