Verkehrsrecht

Straßenverkehr und Recht

Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs zu den Themen Nachfahren mit Dienstfahrzeugen, Mindestentziehungsdauer des Führerscheins bei Inbetriebnahme eines Kfzs in alkoholisiertem Zustand und Beeinträchtigung durch Suchtgift.

Das Nachfahren und Ablesen der Geschwindigkeit vom ungeeichten Tachometer eines Polizeifahrzeugs ist ein taugliches und zulässiges Beweismittel zur Feststellung einer Fahrgeschwindigkeit.
Das Nachfahren und Ablesen der Geschwindigkeit vom ungeeichten Tachometer eines Polizeifahrzeugs ist
ein taugliches und zulässiges Beweismittel zur Feststellung einer Fahrgeschwindigkeit.
© Gerd Pachauer

Nachfahren mit Dienstfahrzeug

Ein Lenker flüchtete vor einer Verkehrskontrolle. Trotz Anhaltesignalen der Beamten hielt er nicht an, sondern beschleunigte und überschritt im Zuge der Verfolgungsjagd massiv die höchstzulässige Geschwindigkeit. Das Stoppen des Fahrzeuges gelang erst mit Hilfe der Sektorstreife. Der Lenker wurde wegen erheblicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in mehreren Fällen zu Geldstrafen verurteilt.
Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde des Lenkers ab. Dagegen erhob er außerordentliche Revision, die sich als unzulässig erwies: „Das Nachfahren mit dem Dienstfahrzeug und Ablesen des Tachometers stellt ein taugliches und zulässiges Beweismittel zur Feststellung einer Fahrgeschwindigkeit dar.“ Dies setze voraus, dass das Nachfahren über eine Strecke und eine Zeitspanne hinweg erfolge, die lange genug seien, um die Einhaltung etwa derselben Geschwindigkeit wie der des beobachteten Fahrzeuges prüfen und dann das Ablesen der eigenen Geschwindigkeit ermöglichen zu können. Es gebe keinen Grund, warum diese Grundsätze nicht auch für den vorliegenden Fall gelten sollten. Der Lenker hatte weiters ausgeführt, es folge aus „unionsrechtlichen Normen“, dass der Tachometer eines Pkws um „bis zu 10 Prozent plus 4 km/h“ von der tatsächlichen Geschwindigkeit nach oben abweichen dürfe, aber nicht müsse. Es könne also sein, dass der Tachometer 114 km/h anzeige, der Pkw aber nur 100 km/h fahre. Das Verwaltungsgericht habe diese möglichen Tachometerabweichungen nicht berücksichtigt. Mit diesen nicht näher erläuterten Behauptungen wurde laut VwGH eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht dargetan, weshalb die Revision zurückgewiesen wurde.

VwGH Ra 2021/02/0248
17.1.2022

Mindestentziehungsdauer des Führerscheins

Ein Lenker nahm einen Pkw in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Alkoholgehalt der Atemluft 0,67 mg/l) auf einem Parkplatz in Betrieb. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau entzog ihm daraufhin die Lenkberechtigung für vier Monate, ordnete die Absolvierung einer Nachschulung an und erkannte die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ab.
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich wies die Beschwerde als unbegründet ab. Der Lenker erhob dagegen außerordentliche Revision. Darin machte er unter anderem geltend, es fehle Rechtsprechung zu der Frage, ob sich auch aus der bloßen Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges eine Verkehrsunzuverlässigkeit im Sinn des § 7 FSG ableiten lasse.
Der Verwaltungsgerichtshof sprach aus, dass als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 FSG, die gegen die Annahme der Verkehrszuverlässigkeit spricht, insbesondere die Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges in alkoholisiertem Zustand gilt. Der Deliktskatalog des § 7 Abs. 3 FSG knüpft nicht daran an, dass diese Tatbestände beim Lenken eines Fahrzeuges verwirklicht wurden. Vielmehr zählt er unterschiedliche, zum Teil die bloße Inbetriebnahme umfassende Konstellationen auf, bei denen typischerweise von mangelnder Verkehrszuverlässigkeit auszugehen ist. Dass ein Lenker auch durch die bloße Inbetriebnahme seines Fahrzeuges in alkoholisiertem Zustand die Verkehrszuverlässigkeit verliert und daher den Entziehungstatbestand erfüllt, unterliegt im Hinblick auf § 7 Abs. 3 Z 1 FSG keinem Zweifel.
Dass eine Nachschulung zwingend erforderlich ist, hat das Verwaltungsgericht ebenfalls im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs angenommen. Die Bestimmungen der Nachschulungsverordnung stehen dieser Annahme nicht entgegen. Soweit der Lenker die Notwendigkeit der Nachschulung daher unter Berufung auf diese Verordnung zu bestreiten versucht, zeigt er keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.
Über die Zuerkennung oder Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist nach einer Interessenabwägung im Einzelfall zu entscheiden. Fand diese Interessenabwägung auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze statt, so ist sie im Allgemeinen nicht revisibel.
Da der Lenker keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt hat, war die Revision insgesamt zurückzuweisen.

VwGH Ra 2021/11/0137
9.3.2022

Beeinträchtigung durch Suchtgift

Ein Lenker lenkte ein Kraftfahrzeug in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand, weshalb ihm am Ort der Anhaltung der Führerschein abgenommen wurde. In der Folge wurde ihm die Lenkberechtigung gemäß § 26 Abs. 1 FSG für einen Monat entzogen. Außerdem erging die Anordnung, binnen vier Monaten ein Verkehrscoaching zu absolvieren sowie ein amtsärztliches Gutachten, eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme sowie ein verkehrspsychologisches Gutachten beizubringen.
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich wies die Beschwerde des Lenkers ab, insbesondere weil er das Lenken des Kraftfahrzeuges in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand nicht bestritten hatte, und erklärte die Revision für unzulässig.
In der außerordentlichen Revision argumentierte der Lenker zunächst, es sei klärungsbedürftig, ob die einmonatige Entziehungsdauer gemäß § 26 Abs. 1 FSG eine Mindest- oder eine fixe Entziehungsdauer sei. Damit hatte er keinen Erfolg, weil die angeordnete Entziehungsdauer die Zeitspanne von einem Monat ohnehin nicht überstieg, weshalb die Rechtsfrage, ob es sich hier um eine fixe Entziehungsdauer oder um eine Mindestentziehungsdauer handle, von bloß abstrakter Bedeutung gewesen wäre.
Außerdem führte die Revision ins Treffen, es sei ungeklärt, ob der Ablauf der verhängten Entziehungsdauer vom Vorliegen der ärztlichen Stellungnahmen abhängig gemacht werden dürfe und ob für die Beibringung der verkehrspsychologischen und fachärztlichen Stellungnahmen eine angemessene, auf die Entziehungsdauer abgestimmte Frist zu setzen sei.
Auch dieses Vorbringen hatte keinen Erfolg. Mit Verweis auf das Erkenntnis vom 24. Februar 2022 (Ra 2021/11/0001) führte der VwGH aus, dass die Anordnung einer die Entziehung der Lenkberechtigung begleitenden Maßnahme der Wiederherstellung bzw. dem Nachweis der Verkehrszuverlässigkeit diene. Die Entziehung der Lenkberechtigung solle nicht vor der Erfüllung dieser Anordnung und damit der nachweislichen Wiederherstellung der Verkehrszuverlässigkeit enden. Für die Erfüllung der Anordnung sei keine die Entziehungsdauer überschreitende Frist heranzuziehen. Wurde die Anordnung innerhalb der verfügten Entzugszeit nicht erfüllt, so verlängert sie sich gemäß § 24 Abs. 3 sechster Satz FSG von Gesetzes wegen bis zur späteren Erfüllung, ohne dass der Entziehungsbescheid dies eigens anzuordnen braucht. Dass es dem Lenker in manchen Konstellationen realistischerweise schwer fallen oder nicht möglich sein könnte, den Anordnungen innerhalb der verfügten Entzugszeit zu entsprechen, habe der Gesetzgeber in Kauf genommen. Die vom Lenker aufgeworfene Rechtsfrage sei daher als klargestellt anzusehen und könne die Zulässigkeit einer Revision nicht begründen. Somit war die Revision insgesamt als unzulässig zurückzuweisen.

VwGH Ra 2022/11/0020
9.3.2022

Valerie Kraus


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 11-12/2022

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