Ars Eelectronica 2022
Blick in die Zukunft
Ars Electronica 2022 in Linz: Projekt Avatar Robot Cafe;
Boxen zur Gehirnstrommessung.
© Kurt Hickisch
Wie kommen wir zu einem Planet B? Das war die Fragestellung der Ars Electronica 2022 in Linz. Künstler lieferten die Antworten.
Die alljährlich in Linz stattfindende Ars Electronica, einer der weltweit wichtigsten Wettbewerbe für Medienkunst, bietet Künstlern Gelegenheit, sich mit dieser Welt auseinander zu setzen. Die Ars Electronica 2022, vom 7. bis zum 11. September 2022 in Linz ist von dem Gedanken ausgegangen, einen Planet B zu schaffen, aber wie? Was wäre auf diesem Weg zu bedenken? Was waren die Fehler des alten Planeten? Einige gesellschaftspolitisch zum Nachdenken anregende Installationen werden im Folgenden vorgestellt.
BCI.
Im Rahmen des Projekts The NeuroRight Arcades (Roel Heremans, BE) konnte man an fünf Boxen interaktiv über einen mit Elektroden versehenen Kopfhörer auf einem Bildschirm seine Gehirnströme im Form von Wellen sichtbar machen. Über den Kopfhörer wurde man aufgefordert, sich eine bestimmte Handlung, etwa das Heben eines Armes vorzustellen. Am Schirm ablaufende Wellen zeigten die Gehirnaktivität an. Dann kam die Aufforderung, sich die zuvor gedachte, aber nicht ausgeführte Bewegung verstärkt und intensiver vorzustellen. Die Amplituden der Wellen wurden stärker. Man wurde auch durch ästhetische Erfahrungen geführt und konnte die Auswirkungen auf die Gehirnströme verfolgen. Der tiefere Sinn der Installation liegt darin, sich bewusst zu machen, dass mentale Vorgänge transparent gemacht werden können, was in Zeiten von Neuro-Wearables und Brain-ComputerInterfaces (BCIs) ethische Fragen aufwirft und den Schutz der Privatsphäre um neue Facetten erweitert. An der Columbia-Universität wurden fünf Neuro-Rights entwickelt, nämlich das Recht auf geistige Privatsphäre, persönliche Identität, Willensfreiheit, gleichberechtigtem Zugang zu geistiger Augmentation (Weiterentwicklung) und Schutz vor algorithmischer Parteilichkeit. Die Besucher sollen sich auf eine Welt vorbereiten, in der es möglich sein wird, Gedanken zu lesen.
Floating Codes.
Eine Vorstellung, wie neuronale Netze als Grundbausteine künstlicher Intelligenz funktionieren, vermittelte die Licht- und Klanginstallation Floating Codes von Ralf Becker (D). 250 künstliche Neuronen (Perceptrons), die Lichtreize registrieren und darauf reagieren können, wurden in einem Raum untereinander in eine kommunikative Verbindung gebracht. Veränderungen, etwa das Unterbrechen einer Verbindung durch Dazwischentreten, führten zu komplexen Veränderungen, vermittelt durch Lichtblitze und Klangimpressionen.
Manipulation.
Der Wert von Nachrichten wird in der Medienwelt durch die Zahl der Seitenaufrufe und Anzeigenklicks bestimmt. Nach diesen richten sich die Werbeeinnahmen der Medien. Durch den Einsatz von Bots können Aufrufe automatisiert erfolgen, was letztlich auch zur Verschiebung von Wertmustern führen kann. Der Synthetic Messenger von Tega Brain (AU) und Sam Lavigne (US) ist ein Botnetz, das den Wert von Klimanachrichten klimafreundlich künstlich aufbläht – als, wie es heißt, Gegengewicht zu der in ähnlicher Weise erfolgenden Propagierung fossiler Energie.
Künstliche Intelligenz muss antrainiert werden. Was aber, wenn das Trainingsmaterial einseitig gewichtet ist, etwa, was bestimmte Bevölkerungskreise betrifft, Daten unvollständig sind oder missverstanden werden. Die Initiative Data Nutrition Project (datanutrition.org ) hat das Dataset Nutrition Label entwickelt, das, ähnlich wie die Angabe von Inhaltsstoffen von Lebensmitteln, Informationen über einen Datensatz vermittelt. Dadurch soll der durch problematische Daten verursachte Schaden gemindert werden. Im Label wird in Form von Ja/Nein-Symbolen angezeigt, ob eine Qualitätsprüfung erfolgt ist, Daten auf individueller und ethischer Ebene ermittelt bzw. überprüft wurden, Angaben zu Personen oder Teilpopulationen enthalten, Lizenzen vorliegen. Weiters wird angegeben, welche Finanzierungsquelle vorliegt, wie oft die Aktualität überprüft wird und ob eine oder mehrere Datenquellen bestehen.
Kommunikation.
Das Projekt Bi0film.net (bi0film.net ) von Studierenden der Universität der Künste Berlin wurde unter dem Eindruck der Ausgangsbeschränkungen im Zuge der Covid-Krise entwickelt. Der gelbe Regenschirm, die Ikone der Hong-Kong-Bewegung, wurde zu einer Parabol-Antenne weiterentwickelt, in deren Brennpunkt sich ein Sender, ein Empfänger und ein Verstärker befinden. Damit kann über größere Distanzen kommuniziert werden – gedacht für die Kommunikation bei Demonstrationen.
Wie Menschen, die in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind, dennoch von zu Hause aus am Arbeits- und Gesellschaftsleben teilnehmen können, wurde mit dem Avatar Robot Cafe von Ory Yoshifuji (JP) symbolisiert. Dargestellt wurde, wie ein Robot-Kellner vom Tablet aus ferngesteuert werden kann.
Zur Ars Electronica 2022 wurden 2.338 Arbeiten aus 88 Ländern eingereicht.
Kurt Hickisch
Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 11-12/2022
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