Interview

10 Jahre an der Spitze

Am 1. September 2012 trat die Reform der Sicherheitsbehörden in Kraft. An diesem Tag wurde Mag. Dr. Michaela Kohlweiß Leiterin der Landespolizeidirektion Kärnten. Sie ist die bisher einzige Frau in dieser Position.

Michaela Kohlweiß: „Frauen bei der Polizei machen genau den gleichen Job wie Männer.“
Michaela Kohlweiß: „Frauen bei
der Polizei machen genau den
gleichen Job wie Männer.“
© Gerd Pachauer

Wie haben Sie damals die Behördenreform und ihre Ernennung erlebt?
Die Behördenreform selbst habe ich bis zum 1. September 2012 vor allem als Mitglied diverser Arbeitsgruppen erlebt. Ein besonderer Tag war dann aber der 12. September 2012. An dem Tag hat die damalige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner in einem Festakt zur Behördenreform in der Hofburg die neuen Führungsteams der Landespolizeidirektionen vorgestellt. Univ.-Prof. Markus Hengstschläger hat einen beeindruckenden Vortrag gehalten. Seine Publikation „Die Durchschnittsfalle“, die mir eine Freundin dort als Erinnerung an diesen besonderen Tag geschenkt hat, halte ich bis heute in Ehren.

War es damals ein Thema, dass Sie die erste Frau in einer Spitzenfunktion der Polizei waren?
Es war sogar ein gewaltiges Thema. Ich hatte den Eindruck, dass es viele Interview-Anfragen nur deshalb gab, weil ich die erste und einzige Frau in dieser Funktion war. Das hat mich zwar nicht überrascht aber irgendwie irritiert, zumal ja ein Meilenstein in einer Reihe von Reformen gesetzt wurde: aus 9 Sicherheitsdirektionen, 14 Bundespolizeidirektionen und 9 Landespolizeikommanden wurden die 9 Landespolizeidirektionen – wie sie bis heute bestehen.

Wie war Ihr erstes Jahr im Amt?
Im Nachhinein betrachtet war es wie ein Wimpernschlag. Es gab damals so viel Neues und viel zu tun. Wenn eine Reform am Beginn der Umsetzung ist und die Spitze steht, dann fängt die Arbeit erst richtig an, denn alles muss mit Leben erfüllt werden. Für mich war es wichtig, den Weg der Umsetzung gemeinsam mit den Führungskräften zu gehen, gemeinsam darauf zu schauen, dass die neue Organisation nicht nur am Papier steht, sondern dass sie praktisch gelebt wird. Im Nachhinein betrachtet kommt es mir vor, als hätte es dieses Jahr gar nicht gegeben, so schnell ist es vergangen.

Wie sind Sie es angegangen, die Reform mit Leben zu erfüllen und gleichzeitig auch ihre eigene Note einzubringen?
Mit sehr vielen Besprechungen, mit Veranstaltungen für Führungskräfte und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir mussten präsent sein, um Fragen zu beantworten, Abläufe zu diskutieren und einfach die Bedürfnisse der Kolleginnen und Kollegen aus erster Hand zu erfahren.

Wie lange hat es gedauert bis Sie dort waren, wo Sie hinwollten?
Ich glaube man ist nie dort, wo man eigentlich sein will. Es tun sich ständig neue Themen und auch neue Bruchstellen auf. Im Endeffekt ist es ein permanenter Prozess, den man lebt und das ist auch das Schöne daran. Man bleibt nie stehen.

Welches Thema ist Ihnen im Rückblick besonders in Erinnerung geblieben?

Landespolizeidirektorin Michaela Kohlweiß: „Der direkte Kontakt mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist mir wichtig.“
Landespolizeidirektorin Michaela Kohlweiß: „Der direkte
Kontakt mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist
mir wichtig.“ © LPD Kärnten

Das Jahr 2014 und damit die Dienststellen-Strukturanpassung, also die Zusammenlegung von Polizeidienststellen. Das war gleich der nächste einschneidende Schritt im Anschluss an die Behördenreform. So sehr es an der Zeit war, auch dieses Thema anzugehen, so schwer war es, es positiv zu besetzen und das trotz eindeutiger wissenschaftlicher Analysen und Erkenntnisse, Berichten des Rechnungshofes und internationalen Vergleichsmöglichkeiten. Wesentlich war die Frage, welche Dienststellengrößen und -dichten auch in die Zukunft gerichtet Sinn machen, wie man vorhandene Ressourcen richtig einsetzt und Spezialisierungen schaffen kann. Da Kärnten viel zu kleinteilig strukturiert war, mussten 22 Polizeiinspektionen zusammengelegt werden.

Gab es in den letzten zehn Jahren ein Ereignis, das Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Es sind viele Ereignisse, spektakuläre Amtshandlungen und Vorfälle gewesen, aber auch „Ereignisse“, die über einen längeren Zeitraum gedauert haben, wie zum Beispiel der Beginn der Massenmigration im Jahr 2015. Das war in dieser Dimension eine völlig neue Situation für uns, insofern ist sie vergleichbar mit dem Beginn der Covid-Krise 2020, wo wir plötzlich für Bereiche verantwortlich waren, die man nicht immer und unbedingt als Kernaufgabe der Polizei ansehen kann. Oft ist es um Lösungen von Problemen gegangen, die heute vielleicht banal klingen, aber in der Anfangszeit herausfordernd waren, wie etwa Abrechnungsmodalitäten für Leistungen oder Grenzkontrollen, die buchstäblich über Nacht organisiert werden mussten. Ich erinnere mich an viele Stunden, in denen Behördenaufträge noch einmal geprüft und abgeändert wurden, Einsatzbefehle neu geschrieben, Schulungen organisiert und mit anderen Einsatzorganisationen intensiv kommuniziert worden ist.

Wie haben Sie die Covid-Lage im Jahr 2020 in Kärnten erlebt?
Das Geschehen hatte eine unglaubliche Dynamik: Wir mussten regelmäßig binnen kürzester Zeit handlungsfähig sein. Verordnungen, die um Mitternacht in Kraft getreten sind, über deren Inhalt wir nur wenige Stunden Bescheid wussten, waren sofort zu vollziehen. Rechtsexpertinnen und -experten waren sich gerade zu Beginn nicht einig, auf eine Judikatur konnten wir nicht warten und daher galt es Handlungsunsicherheiten zu überbrücken. Von Vorteil war damals, dass parallel zum Covid-Geschehen das eigentliche Einsatzgeschehen quantitativ weniger herausfordernd war und der Kriminalitätsanfall zurückgegangen ist.
Wie auch immer: Unsere Polizistinnen und Polizisten haben ein extremes Pflichtbewusstsein an den Tag gelegt. Sicherheitsvorkehrungen wurden getroffen, organisatorische und logistische Herausforderung bewältigt und das obwohl auch viele unserer Kolleginnen und Kollegen ihren Kinderbetreuungspflichten zuhause nachkommen muss­ten.

Worüber haben Sie sich in den letzten 10 Jahren im Amt besonders gefreut?
Über etwas, das erst seit Kurzem feststeht: Dass die Polizei in Kärnten nach vielen Jahren des Ringens um eine Lösung und als letztes Bundesland endlich den Digitalfunk entlang der Hauptverkehrsrouten und in den Bezirkshauptstädten bekommen wird. Kommunikation ist die Basis aller polizeilichen Einsätze. Es geht dabei um jede einzelne Amtshandlung, denn mangelnde Kommunikation kann fatal enden.

Was ist aus Ihrer Sicht eine Besonderheit Kärntens?
Ich denke, dass der Polizeiberuf nach wie vor sehr gefragt ist. Bei der Frage nach dem Motiv für die Berufswahl ist eine häufige Antwort, dass familiäre oder freundschaftliche Kontakte zu Polizistinnen und Polizisten bestehen, die empfehlen diesen Beruf zu ergreifen. Es ist eines der besten Zeichen für uns als Organisation, wenn der Beruf von den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weiterempfohlen wird.

Über welche Eigenschaften sollte man Ihrer Meinung nach verfügen, wenn man sich für den Polizeiberuf entscheiden möchte?
Ich denke, es geht nicht so sehr um bestimmte Eigenschaften und auch nicht um die Motive diesen Beruf zu ergreifen. Wichtig ist: Wenn man sich dafür entschieden hat, dann sollte man den Dienst selbsterklärend mit ganzer Kraft und Engagement ausüben – wenn man so will mit Herz und mit Hirn. Wir brauchen Querdenker, keine Quertreiber, Mut nicht Übermut und wir brauchen Selbstbewusstsein aber keine Überheblichkeit. Man muss immer wieder lernen mit neuen Situationen umzugehen, bei denen man zumeist nicht alle Zeit der Welt hat, um eine Entscheidung zu treffen. Ein „idealer Polizist“, eine „ideale Polizistin“ muss vieles können, aber es kommt natürlich letztendlich darauf an, in welchem Bereich man tätig ist. Das ist ja auch das Schöne an diesem Beruf, dass es so viele Entwicklungs- und Betätigungsmöglichkeiten gibt.

Zu dieser Bandbreite der Polizei gehört seit mehr als 30 Jahren auch, dass auch Frauen diesen Beruf ausüben. Wie hat sich das Bild der Frau bei der Polizei verändert?
Frauen bei der Polizei machen genau den gleichen Job wie Männer. Wichtig ist: Sie haben die gleichen Rechte, aber auch die gleichen Pflichten. Ich kenne keinen Mann, der sich diesem Zugang verschließen würde. Ganz im Gegenteil, ich denke, wenn Frauen diesen Zugang haben und leben, und das tun sie großteils, dann führen sich viele Diskussionen einfach ad absurdum.

Interview: Michaela Jana Löff

Zur Person

Michaela Kohlweiß, 1973 in St. Veit an der Glan geboren, absolvierte ihr Diplom- und Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften an der Karl-Franzens-Universität in Graz. Seit 1. Februar 2003 war Kohlweiß als Polizeijuristin bei der Bundespolizeidirektion Klagenfurt tätig, mit 1. Jänner 2006 wechselte sie zur Sicherheitsdirektion Kärnten. Dort wurde sie Leiterin der Kriminalpolizeilichen Abteilung. Seit 1. September 2012 ist Michaela Kohlweiß die Landespolizeidirektorin Kärntens.


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 1-2/2023

Druckversion des Artikels (PDF 392 kB)