EKO Cobra

Terroralarm im Cockpit

Air-Marshals und Polizei-Sondereinheiten übten den Einsatz bei einer Flugzeugentführung; auch das Bundesheer wirkte mit
Air-Marshals und Polizei-Sondereinheiten übten den Einsatz bei einer Flugzeugentführung;
auch das Bundesheer wirkte mit © Gerd Pachauer

Unter der Federführung des EKO Cobra trainierten europäische Air-Marshals und Polizei-Sondereinheiten des ATLAS-Verbundes am Flughafen Wien-Schwechat die Beendigung einer Flugzeugentführung.

Terroristen entführen ein ziviles Passagierflugzeug der Austrian Airlines, das kurz zuvor vom Flughafen Wien-Schwechat abgehoben hat. Österreichische Air-Marshals an Bord versuchen, die Täter zu überwältigen; Austrian Airlines und die Austro Control werden informiert. Zwei Eurofighter des Bundesheeres begleiten das Passagierflugzeug zurück zum Flughafen, wo bereits Sondereinheiten auf die Maschine warten. Nach der Landung erfolgt die Stürmung des Flugzeugs und die Festnahme der Terroristen.
Diese großangelegte, behördenübergreifende Notfallübung, die am 13. Oktober 2022 während des regulären Flugbetriebes am Vienna International Airport abgehalten wurde, markierte den Abschluss eines fünftägigen Kommunikations- und Koordinations-Workshops in Österreich. Unter der Federführung des Einsatzkommandos Cobra stellten sich Polizeieinheiten aus 15 Nationen von 10. bis 14. Oktober 2022 realitätsnahen Szenarien, um einheitliche europäische Standards bei Flugzeugentführungen zu erarbeiten und zu trainieren. Die Übung wurde größtenteils durch das EU-Projekt EIFS (Enhancing In-Flight Security) finanziert, mit dem seit 2015 die Flugsicherheit in der EU erhöht und die Air-Marshal-Kooperation in Europa ausgebaut werden soll. Die Zugriffsteams europäischer Spezialeinheiten waren im Rahmen dieser „Cross Network Exercise“ von EIFS und dem ATLAS-Verbund integriert.
„Es handelte sich europaweit um die erste Übung dieser Art“, erklärte Ministerialrat Bernhard Treibenreif, Leiter der Direktion für Spezialeinheiten/Einsatzkommando Cobra, bei der Nachbesprechung. „Der internationale Terrorismus ist eine Bedrohung für unsere Sicherheit und stellt die Polizei vor große Herausforderungen. Deshalb ist es so wichtig, dass sich unsere Antiterroreinheit Cobra gemeinsam mit Einsatzkräften aus Europa auf alle möglichen Szenarien vorbereitet. Dazu gehören auch Angriffe auf Flugzeuge,“ betonte Innenminister Mag. Gerhard Karner. Österreich nehme mit dieser internationalen Notfallübung von Innen- und Verteidigungsministerium „eine Vorreiterrolle ein.“

Das EU-Projekt EIFS wird durch die Generaldirektion für Migration und Inneres der Europäischen Kommission gefördert; die deutsche Air-Marshal-Einheit hat den Vorsitz bei EIFS inne. Das Arbeitspaket „Post Incident Procedures“ (PIP) mit der großangelegten Einsatzübung wurde in Kooperation von EIFS mit ATLAS erarbeitet. Das Einsatzkommando Cobra ist in beiden Bereichen aktiv: „Die Cobra ist eine der wenigen Einheiten in Europa, die Flugsicherheitsbegleiter und Zugriffskomponenten unter einem Dach vereint“, erklärt Oberst Christoph Scherz, Leiter des Referates für Ausbildung und Einsatz beim EKO Cobra, dem auch das Air-Marshal-Programm untersteht. Dieses gebündelte Know-how und der Umstand, dass Österreich der Steuerungsgruppe des International Inflight Security Officer Committee (IIFSOC), des internationalen Air-Marshal-Verbundes, angehört, habe sich angeboten, um die Ausführung des Arbeits­pakets in österreichische Hände zu legen.

Notfallübung: Mitglieder europäischer Sondereinheiten stürmten eine Linienmaschine und befreiten die Insassen.
Notfallübung: Mitglieder europäischer Sondereinheiten stürmten eine Linienmaschine und befreiten die Insassen.
© Gerd Pachauer

Koordination und Abstimmung.

Wenn Air-Marshal-Kräfte im Zuge eines schwerwiegenden Angriffs an Bord eines Zivilluftfahrzeuges eingreifen müssen, werden sofortige Koordinations- und Abstimmungsprozesse erforderlich – nicht nur in der Luft, sondern auch am Boden bis zur „Übergabe“ der Einsatzsituation seitens der Air Marshals an Polizeikräfte oder zur Ermöglichung eines raschen Notzugriffs. Die Zusammenarbeit mit ATLAS, dem europäischen Verbund der Polizei-Spezialeinheiten, war dabei eine konsequente Ergänzung. „Innerhalb von ATLAS bestehen bereits zahlreiche vordefinierte Abläufe und Standards bei der Zusammenarbeit europäischer Spezialeinheiten“, schildert Alfred Spörr, Leiter des ATLAS Support Office bei Europol.

Mehrtägiges Training.

Der Kommunikations- und Koordinations-Workshop begann am 10. und 11. Oktober 2022 im Air-Marshal-Ausbildungszentrum des Cobra-Hauptquartiers, wo Flugsicherheitsbegleiter aus Österreich, Deutschland, der Schweiz, den USA, Kanada, den Niederlanden, Frankreich, Spanien, Tschechien, Rumänien, Polen und Australien Informationen austauschten und Taktiken trainierten. Am 12. Oktober 2022 wurde in einem Hangar der Austrian Airlines am Vienna International Airport ein Stationenbetrieb organisiert, bei dem die Air-Marshals mit Zugriffseinheiten des ATLAS-Verbundes, Bediensteten der Austrian Airlines und des Flughafens sowie Flughafenpolizisten verschiedene Szenarien durcharbeiten konnten. Außerhalb der Stationen wirkte auch das Bundesheer mit. Das Training stand unter dem Titel „AIGIS 2022“ (Allied In-Flight Ground Intervention Simulation). Vor dem Hangar waren zwei Flugzeuge für verschiedene Szenarien bereitgestellt. „Das internationale Stationen-Training war ein völlig neuer Ansatz und das Herzstück des Programms. Es ist uns gelungen, alle notwendigen Stakeholder zusammenzubringen und unterschiedlichste Situationen zu simulieren“, berichtet Chef­inspektor Andreas Bedits, Fachbereichsleiter für das Air-Marshal-Wesen beim Einsatzkommando Cobra. Ein Schwerpunkt wurde auch auf die Einbindung regulärer Polizeikräfte am Flughafen gelegt.
Die Abschlussübung am 13. Oktober 2022 erfolgte in einer tatsächlich in der Luft befindlichen, vollbesetzten Maschine. Die Passagiere waren vorab eingeweiht und stammten selbst aus dem Sicherheitsbereich. Air-Marshals des EKO Cobra gelang es, nach einem terroristisch motivierten Messerangriff auf Passagiere einzugreifen und eine Attacke auf das Cockpit zu verhindern; der Pilot löste Alarm aus, zwei Eurofighter des Bundesheeres hoben in Zeltweg ab und waren 20 Minuten später beim Airbus A320, um ihn zurück zum Flughafen zu eskortierten. Währenddessen checkten am Flughafen Polizeibeamte mit dem Bodenpersonal die Passagierlisten und versuchten, mögliche Verdächtige zu identifizieren.

Als Mitglieder des ATLAS-Verbundes waren an der Übung neben dem EKO Cobra das „Lynx Commando“ der slowakischen Polizei und die Sondereinheit „URNA“ der tschechischen Polizei beteiligt. Die Auswahl der beiden Einheiten erfolgte nicht zufällig: Sollte bei einer Sonderlage am Flughafen Wien-Schwechat die Unterstützung ausländischer Spezialisten erforderlich sein, hätten sowohl slowakische, als auch tschechische Zugriffsteams die kürzes­te Anfahrtszeit. „Die Kooperation des ATLAS-Netzwerks mit EIFS ermöglicht die Erarbeitung und Weiterentwicklung einheitlicher europäischer Standards für die Koordinations- und Übergabeprozesse zwischen Air-Marshals und Interventionseinheiten“, erklärt Alfred Spörr.
Bei der Übung waren auch Vertreter von „AIRPOL“, dem Polizei-Netzwerk für Luftfahrtsicherheit, und von der italienischen Carabinieri-Sondereinheit „GIS“ anwesend. GIS führt das ATLAS-Ausbildungszentrum für „Aircraft-Training“ in Livorno und war als Trainer in die Workshops integriert. Die gesamte Einsatzkommunikation während der Einsatzübung in Wien wurde über ein besonders geschütztes System geführt, das ursprünglich von der belgischen Sondereinheit „DSU“ entwickelt und mit Unterstützung von ATLAS und EU-Geldern weiter ausgebaut wurde. Das Tool mit dem Namen „NEOS“ wurde während der Übung von Mitarbeitern der DSU und der Cobra gemeinsam mit dem ATLAS Support Office betreut; „NEOS“ stellt diverse Funktionalitäten zur Verfügung, die bereits seit einiger Zeit zwischen den ATLAS-Staaten zur sicheren mobilen Kommunikation in Verwendung stehen.

Bilanz.

„Das gesamte Szenario war herausragend, die Vorbereitung und Durchführung in Echtzeit sowie das technische System haben sehr gut geklappt“, betont Direktor Bernhard Treibenreif. Der durch die EU geförderte Workshop samt Großübung habe es ermöglicht, bestehende Einsatzkonzepte einer gründlichen Überprüfung zu unterziehen. „Die Notwendigkeit von klaren Kommunikationsprozessen zwischen den Air-Marshal-Kräften, Piloten und der Air Traffic Control bis zu Militärluftfahrzeugen, der Luftraum­überwachung und Zugriffskräften am Boden hat sich deutlich gezeigt“, erklärt Christoph Scherz. „Ein internationaler Abgleich von Wissen und Informationen ist unerlässlich, um derartige dynamische Einsatzlagen mit hohem Zeit- und Entscheidungsdruck und vielen Beteiligten bestmöglich zu bewältigen.“
Ziel des EIFS-Projekts soll es sein, auf EU-Ebene Minimum-Standards bei Sonderlagen in Luftfahrzeugen zu definieren, nach denen alle zuständigen Behörden und Einheiten vorgehen können. Aktuell wird die Einsatzübung analysiert und nachbereitet, erste Präsentationen der Abläufe und Erkenntnisse erfolgten bereits bei der Konferenz des Air-Marshal-Verbandes IIFSOC in Spanien Ende Oktober und der AIRPOL-Konferenz in Malta Anfang Dezember 2022.

Gregor Wenda


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2022

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