Porträt

Ein schöpferisches Leben

Wilhelm Krumböck hat sich als Autodidakt sein Wissen und seine Fertigkeiten selbst angeeignet
Wilhelm Krumböck hat sich als Autodidakt sein Wissen und seine Fertigkeiten selbst angeeignet
© Gerd Pachauer

Die bildnerische Arbeit diente Wilhelm Krumböck viele Jahre als wichtiger Ausgleich zu seiner Tätigkeit als Polizist. Seit 2010 arbeitet er mit einem Glasstudio in Murano zusammen.

Ich bin jemand, der die Materialien angreifen muss. Die Glasbläserei war für mich somit eine komplett neue Erfahrung, denn wenn du auf so einen Glasbatzen mit 1.200 Grad greifst, machst du das nur einmal“, sagt Wilhelm Krumböck, der bereits in seiner Kindheit das Malen für sich entdeckte. „Aus einem glühenden Klumpen mit relativ primitiven Werkzeugen, Zangen und Scheren, etwas zu formen, ist eine ganz besondere Erfahrung. Man weiß ja schlussendlich nicht, wie es dann fertig wirklich ausschaut. Eine heiße Masse ist nur rot, die Farbe zeigt sich erst, wenn die Glasskulptur fertig ist. Da muss man wahnsinnig aufpassen, wenn man Farbe reintupft – dass es so wird, wie man es sich vorstellt. Es ist ein Prozess, den man schwer kontrollieren kann.“

Krautmühle.

Dass der ehemalige Polizist die Dinge am liebsten selbst in die Hand nimmt, merkt man auch bei einem Rundgang über das Grundstück, das er mit seiner Frau vor 20 Jahren gekauft hat. „Es war mein Kindheits­traum hier in der Krautmühle, wie sie in Kilb genannt wird, zu wohnen. Das Haus stammt aus dem 12. Jahrhundert. In der Schulzeit hörte ich Geschichten über die unterirdischen Gänge (Erdställe), von denen einer den Weinkeller mit dem naheliegenden Schloss Grünbichl verbunden hat. Man erzählte sich zum Beispiel, dass hier geheime Messen abgehalten wurden. Wahrscheinlicher ist, dass die Erdställe während der Türkenbelagerung als Verstecke genutzt wurden“, sagt Krumböck. „Wir haben das Haus als Ruine gekauft, es waren nur mehr die Außenmauern brauchbar. Vom Dachboden, wo jetzt mein Atelier ist, habe ich zu Beginn jeden Winter Schnee runter geschaufelt. Bereits vor dem Kauf bin ich regelmäßig mit meinem Schwiegervater, der ein Abbruchunternehmen hatte, mitgefahren und habe alte Baumaterialien gesammelt. Bei der Renovierung habe ich gemeinsam mit meinem Vater alles selbst gebaut, unter anderem die Holzmöbel und die Kachelöfen. Zehn Jahre hat das gedauert.“

Autodidakt.

Wilhelm Krumböck malt hauptsächlich mit Acrylfarben. In der Endphase wird je nach gewünschter Oberfläche noch eine Schicht Öl aufgetragen
Wilhelm Krumböck malt hauptsächlich mit Acrylfarben.
In der Endphase wird je nach gewünschter Oberfläche
noch eine Schicht Öl aufgetragen © Gerd Pachauer

„Ich bringe mir selbst gerne neue Dinge bei. Auch bei der Malerei habe ich nie einen Kurs gemacht. Man erlernt die speziellen Techniken sicher schneller, wenn sie dir zum Beispiel auf der Angewandten vermittelt werden. Das Erfolgserlebnis ist für mich aber wesentlich größer, wenn ich beim Selbststudium auf etwas komme. Es erfüllt mich mehr, als wenn meine Werke über Jahre von einem Professor geprägt worden wären. Ich wollte mich nie in eine Schiene reindrängen lassen. Mir ist es schon passiert, dass ich mit fünf Bildern in eine Galerie gehe und viermal Nein höre und beim fünften: Dieses Bild ist super, fünf Stück davon. Das möchte ich nicht. Ich hatte das Glück, bei der Polizei einen relativ gut bezahlten Brotberuf zu haben und mich nicht von anderen abhängig machen zu müssen. Was mir aber schon wichtig ist, ist der Austausch mit anderen Künstlerinnen und Künstlern. Mit Kiki Kogelnik und Hans Staudacher konnte ich gute Gespräche führen.“

Polizei.

Nach einer Lehre als Installateur war Krumböck von 1982 bis 2004 bei der Zollwache in Wien tätig. Dann wechselte er nach einem sechsmonatigen Kurs zur Polizei in St. Pölten, dort war er unter anderem im Stadtpolizeikommando am Europaplatz und später in der Polizeiinspektion Rathaus und Hauptbahnhof tätig: „Der Bahnhof, wo ich die letzten Jahre vor meiner Pensionierung 2020 Dienst gemacht habe, war eine ziemlich starke Polizeiinspektion. Wir haben bis auf den operativen Kriminaldienst alles gemacht und nichts ausgelassen an gröberen Amtshandlungen. Ein besonders belastender Einsatz war der Fall des Wilderes, der 2013 in Annaberg vier Menschen erschossen hat, wo ich auch die ganze Nacht vor Ort im Einsatz war.“

Malerei.

Krumböck lässt sich in der Malerei von den Landschaften Niederösterreichs und von Reiseeindrücken inspirieren
Krumböck lässt sich in der Malerei von den
Landschaften Niederösterreichs und von Reiseeindrücken
inspirieren © Gerd Pachauer

„Nach derartigen Erlebnissen habe ich dann immer wieder versucht, mich in Form von Bildern und Skulpturen davon zu befreien bzw. Erlebtes zu verarbeiten. Oft bin ich bis um zwei Uhr in der Früh im Atelier gestanden. Auch die Eindrücke von Charakteren und Gestik der Menschen, die wir festgenommen oder denen wir aus einer misslichen Lage geholfen haben, sind eingeflossen.“ Bereits während der Hauptschulzeit wurde Krumböcks Zeichenlehrer auf das Talent seines Schülers aufmerksam und bestärkte ihn, diese Leidenschaft weiterzuverfolgen. Mit 22 Jahren begann Krumböck zu malen. „Ich drehe die Musik bis zum Anschlag auf, am liebs­ten Blues oder Falco, und lasse meinen Emotionen freien Lauf.“

Themen.

Seine Bilder zeichnen sich durch ihre Vielseitigkeit aus. Die Landschaften Niederösterreichs dienen Krumböck häufig als Motiv, auch seine Reisen inspirieren ihn. „Anstatt Skizzen anzufertigen, lasse ich die Natur oder die Stadt auf mich wirken. Bei meinen Venedig-Bildern sieht man, dass ich Eindrücke eingefangen habe, wie das Stadtbild im Nebel oder die kleinen Eisschollen, die in den Kanälen treiben. Der Betrachter weiß sofort, das ist Venedig. Aber ich bin mir ganz sicher, dass der Dom oder diese Kirche nicht genau so steht wie hier abgebildet.“ Auch das Thema Nachhaltigkeit greift Krumböck in etlichen Werken auf. „Ein wichtiger Schritt wäre es, von dem exzessiven Fleischkonsum der letzten Jahrzehnte wegzukommen und mehr auf Qualität zu achten. In Kilb haben wir super Bioläden, die von den umliegenden Bauernhöfen mit regionalen Produkten bestückt werden. Da sehen wir uns in einer glücklichen Position.“ Derzeit arbeitet Krumböck mit den Galerien Mairinger in St. Pölten, Galerie Vienna Mödling sowie dem Berengo Studio für Glaskunst zusammen, wo seine Werke erworben werden können.

Glasblasen.

Der Künstler mit einigen seiner in Murano hergestellten Glasfiguren
Der Künstler mit einigen seiner in Murano hergestellten
Glasfiguren © Gerd Pachauer

Berengo ist eine Glasmanufaktur auf der Insel Murano in Venedig, die ausschließlich mit Künstlerinnen und Künstlern aus der ganzen Welt zusammenarbeitet. Nach einem Bewerbungsprozess wird man in die Kartei aufgenommen. So ist es nicht verwunderlich, dass Krumböck, der bereits in den Bereichen Malerei und Skulptur arbeitet, den Weg zum Glas fand. Der Künstler fährt einmal im Jahr für eine Woche nach Murano und bekommt einen Hochofen, einen Glas­meis­ter und Helfer zur Verfügung gestellt. „Um die Sprachbarriere zu überwinden, nehme ich Gipsmodelle mit, damit ich zeigen kann, wie ich mir die Skulptur vorstelle“, sagt Krumböck. Die glühende Glasmasse kommt aus dem Hochofen, wird auf einer Eisenstange permanent gedreht. Die Bearbeitungszeit beträgt nur wenige Minuten, bevor sie zu fest wird und wieder in den Ofen kommt. „Dieser Prozess wiederholt sich Hunderte Mal. Für große Skulpturen braucht man einige Tage. Sie werden über Nacht bei einer Temperatur von 800 Grad gewärmt und können am nächsten Tag weiterbearbeitet werden. Wenn das Werkstück fertig ist, kommt es in den Ofen und wird über mehrere Tage stündlich runter gekühlt. Erst bei ca. 300 Grad kann man den Ofen aufmachen und weiß, ob es gut geworden oder gesprungen ist. Da ist man natürlich ein bisschen nervös.“

Holz.

„Wenn ich draußen im Garten an meinen Holzskulpturen arbeite, kommen oft Leute vorbei und fragen, ob ich ihnen nicht eine Wildsau oder ähnliches schnitzen könne. So funktioniert das aber bei mir nicht. Wenn ich zu Beginn vor einem Holzblock mit zwei Metern Durchmesser stehe, weiß ich nämlich noch gar nicht, was es wird, ob es eine Figur wird oder etwas Abstraktes. Das ergibt sich erst im Prozess und ich muss zwischendurch auch manchmal umdisponieren und mich an die Eigenheiten des Holzstückes anpassen“, schildert der Künstler.
Das Material Holz hat Krumböck für sich entdeckt, als ein Sturm einen hohen Kirschenbaum abgerissen hatte: „Ich dachte mir: Wäre schade drum – aus dem Stamm mache ich etwas. Wenn jemand seinen gefällten Nussbaum bringt und mir freie Hand lässt, übernehme ich den Auftrag gerne.“
Während des Entstehungsprozesses wird das Holz grob mit einer Motorsäge ausgeschnitten und anschließend je nach Holzart für etwa zwanzig Minuten in Brand gesetzt und so geschwärzt. Die Teile, die heller sein sollen, werden mit einem Stemmeisen oder einer feinen Motorsäge herausgeschnitten. „Mit der Zeit bekommen die Skulpturen im Freien eine Patina, nach einigen Jahren wächst Moos drauf, das dann im Winter wieder runter gefriert. Das ist das Schöne – sie präsentieren sich jedes Jahr anders.“

Kollegenschaft.

„Die Kolleginnen und Kollegen haben auch während meiner aktiven Laufzeit bei der Polizei größtenteils sehr positiv auf meine Leidenschaft reagiert. Ich habe mehrere Dienststellen mit Kunstwerken ausgestattet“, erinnert sich der 62-Jährige.
„Wir waren eine eingeschweißte Partie, sind auch gemeinsam in den Urlaub gefahren. Das konnte teilweise von den fordernden Seiten des Berufs ablenken. Uns hat mitunter eine Eigenschaft verbunden, die in meinen Augen besonders wichtig für den Polizeiberuf ist, nämlich das Gefühl für Menschen. Es sollte nicht darum gehen, wie viele Organmandate du heute verteilt hast. Du musst wissen, wann du Gas geben und wann du nachlassen musst. Wie man in den Wald hineinschreit, so kommt es zurück.“

Familie.

Wilhelm Krumböck ist verheiratet, hat einen Sohn und drei Enkelkinder. Seine Familie teilt seine Liebe zur Kunst: „Wenn meine Enkerln zu Besuch sind, räume ich alles weg, was nicht angespritzt werden soll. Dann werken wir oben im Atelier. In etlichen Bildern, haben sie sich eingebracht. Kinder gehen es viel unkomplizierter an. Das Einfache ist manchmal viel schöner, als wenn man stundenlang überlegt, ob man den Strich jetzt noch macht.“
Auch seine Frau hat selbst einige Jahre gemalt und setzt ihre Kreativität auch bei der Innengestaltung des Hauses um. Außerdem verbindet die beiden die Liebe zu Oldtimern, insbesondere englischen Modellen. „Begonnen hat alles mit einem alten Motorrad auf dem Dachboden meines Großvaters, das mich immer fasziniert hat. Als ich meine Frau kennengelernt habe, sind wir dann auf Autos umgestiegen. Mittlerweile sind wir eine Gruppe von 15 Personen, darunter Dreher und andere Spezialisten, die gemeinsam ausfahren und sich gegenseitig bei der Instandhaltung unterstützen.“ Außerdem fährt Krumböck Mountainbike und Ski, vor einer schweren Knieverletzung sogar profimäßig. Als Mitglied des Sportkaders bei der Zollwache wurde er 18-facher Landesmeister. „Einmal im Monat besuchen wir unseren Sohn, der in der Nähe von Kitzbühel wohnt, und sind dort im Sommer am Rad und im Winter auf den Ski unterwegs.“

Schaffensdrang.

Stein ist eines der wenigen Materialien, mit denen Krumböck kaum Erfahrung hat. „Das gehe ich aber auch bald an. Den Stein mit ca. 4.900 Kilo habe ich schon gekauft, der ist noch unten in Carrara und wird nächstes Jahr geliefert“, erzählt der gebürtige Kilber. „Ich bin einfach nicht zufrieden, wenn ich nicht jeden Tag etwas – für mein Empfinden – Schönes erschaffe.“

Anna Strohdorfer/Sophie Stummer


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2022

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