Verhandlungsgruppen

Täter zur Aufgabe überreden

SIAK-Workshop: Vortragende von verschiedenen Polizeibehörden, Organisator Thomas Greis (Bildmitte)
SIAK-Workshop: Vortragende von verschiedenen Polizeibehörden, Organisator Thomas Greis (Bildmitte)
© Andreas Hohensinn

Vertreter von Polizeibehörden aus verschiedenen Ländern berichteten bei einer Veranstaltung der Sicherheitsakademie über die Arbeit und die Erfahrungen der Verhandlungsgruppen der Polizei.

Seit zehn Jahren organisiert das Zentrum für Fortbildung der Sicherheitsakademie (SIAK) des Innenministeriums internationale Work­shops, Vortragsreihen und bietet dabei für die Teilnehmer/-innen Einblick in die Tätigkeiten der Referenten bzw. Vertreter von Polizeibehörden aus aller Welt. Im August 2022 fand in der SIAK in Wien eine weitere Veranstaltung im Rahmen der Fortbildungsreihe „Polizei & Gewalt“ statt. Sie wurde vom Team der SIAK unter der Leitung von Chefinspektor Mag. Thomas Greis, MAS organisiert.

Die Veranstaltung „Verhandlungsgruppen als Mittel zur Einsatzbewältigung“ entführte die Zuhörer über insgesamt vier Tage auf eine gedankliche Reise durch die doch oftmals außergewöhnliche Welt der Verhandlungsgruppen (VG) im In- und Ausland und gewährte Einblicke in deren Arbeit sowie die persönlichen Gefühlswelt der Vortragenden. Die Vorträge boten eine teilweise tiefe Einsicht in die organisatorische Gliederung innerhalb der jeweiligen Einsatzorganisationen.
Das Fachpublikum durfte sich ein Bild von der Ausbildung und Ausstattung der Verhandlungsgruppen sowie deren Einsatztaktiken machen. Für jene Zuhörer, die nicht in die Tätigkeiten einer Verhandlungsgruppe eingebunden sind, war es interessant zu hören, welcher zeitliche und logistische Aufwand in die Aus- und Fortbildung der Verhandlungsgruppenmitglieder beispielsweise in Niedersachsen und in die vorbereitende Einsatzplanung investiert wird, um sicherheitspolizeiliche Lagen professionell abwickeln zu können. Sehr großer Wert wird auf die Ausbildung in der Analysemöglichkeiten, der Kommunikation, auf die psychologischen Aspekte sowie der damit verbundenen wissenschaftlichen Erkenntnisse und Arbeitsmethoden gelegt.

Aufarbeitung.

Der Leiter der Sondereinheiten und Verhandlungsgruppen der Stadtpolizei Zürich präsentierte mit dem dortigen Einsatzpsychologen einen Echteinsatz aus dem Jahr 2019 (Geisellage mit tödlichem Ausgang). Beide Vortagende waren persönlich von diesem Einsatz betroffen und stellten den strukturierten Einsatzablauf, Details aus Sicht der Einsatzleitung und der eingesetzten Mitglieder der Verhandlungsgruppe dar und gingen auf die Täteranalyse ein. Insbesondere war es ihnen ein Anliegen, dem Publikum zu erzählen, wie wichtig die Aufarbeitung solcher Einsätze im Rahmen von Nachbesprechungen sowie der psychologischen Einsatznachsorge sei. Oft werde es unterschätzt bzw. nicht erkannt, welche offensichtlich nicht direkt am Einsatzort eingesetzte Bedienstete/Betroffene ebenfalls einer Nachsorge bedürfen.

Nachsorge.

Ein weiterer Fall wurde aus Basel-Landschaft vorgetragen, bei dem die Polizeikräfte eine Frau davon abzuhalten versuchten, sich von einem Kran in die Tiefe zu stürzen. Die Besonderheit lag darin, dass eine Streifenbeamtin als „Erstsprecherin“ bei der Frau eingetroffen war und anfangs deren Vertrauen gewinnen konnte. Die später eintreffenden Verhandlungsgruppen und Spezialkräfte einigten sich, die Kollegin vor Ort mit Technik, Analyse und via Funk zu unterstützen, um den Kontakt zu der Frau auf dem Kran nicht zu unterbrechen.
Der Vortrag war fesselnd und aufschlussreich. Die psychischen und physischen Anforderungen (insbesondere aufgrund der kritischen Lage und der nasskalten Witterung) forderten ihren Tribut, und trotz aller Bemühungen verlief jener Einsatz nicht in der Form, wie es sich die anwesenden Zuhörer gewünscht hätten.
Der Vortragende wies darauf hin, dass einerseits das Training der Verhandlungsgruppen auch dahingehend intensiviert wurde und andererseits die Nachsorge im Team aber auch mit allen anderen im Einsatz involvierten Bediensteten nicht außer Acht gelassen werden darf.

In weiteren Vorträgen aus dem deutsch- und englischsprachigen Raum wurden wiederum Einsätze bei Geisellagen bzw. schweren Gewaltdelikten sowie zu gegenwärtigen Themen „Cyber-Erpressungen“, „OSINT/ISINT-Recherchen“ usw. präsentiert und mit den Zuhörern angeregt im Nachgang diskutiert.

A. H.


Öffentliche Sicherheit, Ausgabe 9-10/2022

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